Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.04.2025, Az.: 5 ME 65/24

Konkurrentenstreitverfahren um die Besetzung eines Geschäftsfeldmanagers; Verbot der Benachteiligung von Mitgliedern der Personalvertretung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.04.2025
Aktenzeichen
5 ME 65/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 13264
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0408.5ME65.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 05.08.2024 - AZ: 3 B 18/24

Amtlicher Leitsatz

Aus der Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung folgt noch keine Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Bewerbers aus Art. 33 Abs. 2 GG. Eine solche Verletzung liegt nur vor, wenn neben der Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung die Aussichten des Bewerbers, bei einer erneuten Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, (zumindest) offen sind, seine Auswahl also möglich ist. Bei der Prüfung, ob der Bewerber bei einer neuen Auswahlentscheidung zum Zuge kommen kann, ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung maßgeblich (nicht der Zeitpunkt der ursprünglichen Auswahlentscheidung) - hier: Fall des Wirksamwerdens der dienstlichen Beurteilung des ausgewählten Bewerbers erst nach der Auswahlentscheidung. Eine fiktive Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung eines freigestellten Mitglieds einer Personalvertretung ist rechtlich nicht zulässig, wenn eine dienstliche Beurteilung erstellt werden kann, insbesondere die im Beurteilungszeitraum geleisteten Dienstzeiten ausreichend repräsentativ sind, um die Qualifikation des freigestellten Beamten für den gesamten Beurteilungszeitraum zu beurteilen. Unter Berücksichtigung der Regelung in § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV sind Dienstzeiten von weniger als 25 % des regelmäßigen Dienstes nicht repräsentativ.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die nicht erstattungsfähig sind.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird 47.077,92 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin verfolgt mit ihrer Beschwerde ihr Ziel weiter, den Dienstposten "Geschäftsfeldmanagerin/Geschäftsfeldmanager (m/w/d)" bei der G. - ... in A-Stadt (DP-ID ...) mit dem Beigeladenen zu besetzen.

Die Antragsgegnerin schrieb diesen nach der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten aus (Referenzcode ...; Bl. 8 ff. der Beiakte 001). Hierauf bewarben sich neben dem Antragsteller und dem Beigeladenen noch drei weitere Bewerber.

Der im Jahr 1964 geborene Antragsteller stand seinerzeit im Statusamt eines Technischen Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A 14) im Dienst der Beklagten und war bei der G. ... in A-Stadt eingesetzt. Seit dem 2. August 2021 ist aufgrund seiner Tätigkeit im Personalrat vollständig von seinen dienstlichen Tätigkeiten freigestellt. In seiner letzten dienstlichen Beurteilung zeitlich vor seiner Freistellung - der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Februar 2020 (Beurteilungszeitraum: 1. Februar 2017 bis 31. Januar 2020) - erhielt er das Gesamturteil "B - erfüllt die Leistungserwartungen in vollem Umfang und übertrifft sie gelegentlich -" (= dritthöchste von insgesamt fünf Bewertungsstufen). Im Nachgang zu seiner Freistellung als Mitglied des Personalrates informierte die Antragsgegnerin ihn mit Schreiben vom 13. Oktober 2022 (Bl. 59 Rs. der Gerichtsakte) über die Bildung einer Vergleichsgruppe zum Zwecke der fiktiven Fortschreibung der letzten dienstlichen Beurteilung. Dementsprechend erstellte die Antragsgegnerin eine dienstliche Regelbeurteilung über den Antragsteller zum Stichtag 1. Februar 2023 nicht; vielmehr erfolgte eine fiktive Fortschreibung seiner letzten Regelbeurteilung zu diesem Stichtag. Hierzu erläuterte ihm die Antragsgegnerin unter dem 9. August 2023 die Entwicklung der dienstlichen Beurteilungen der Beamten der Vergleichsgruppe und führte aus, die Gesamtschau der Vergleichsgruppe lasse im Ergebnis seine Zuordnung zur "Notenstufe B +" (= dritthöchste Bewertungsstufe mit der Binnendifferenzierung "oberer Bereich", vgl. Ziffern 1075 ff. der ZDV A-1340/83 [Dienstliche Beurteilung des Zivilpersonals], Bl. 79 ff. der Gerichtsakte) zu (Bl. 16 f. der Gerichtsakte). Dagegen erhob der Antragsteller Widerspruch (Bl. 18 der Gerichtsakte) und nach dessen Zurückweisung durch Widerspruchsbescheid vom 27. März 2024 Klage bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück, die unter dem Aktenzeichen 3 A 57/24 geführt wird.

Der im Jahr 1985 geborene Beigeladene steht im Statusamt eines Technischen Oberregierungsrats (Besoldungsgruppe A 14) im Dienst der Antragsgegnerin. Er ist ebenfalls in der G. ... in A-Stadt tätig. Er wurde in seiner letzten dienstlichen Beurteilung - der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. Februar 2023 (Beurteilungszeitraum: 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2023) - mit der höchsten Bewertungsstufe, dem Gesamturteil "A 1 - Die Mitarbeiterin/der Mitarbeiter übertrifft die Anforderungen regelmäßig in erheblichem Umfang. Schwächen in der Aufgabenwahrnehmung sind nicht erkennbar. Sie bzw. er gehört zur Spitzengruppe der Angehörigen ihrer bzw. seiner Vergleichsgruppe -" und der Binnendifferenzierung "oberer Bereich der Bewertungsstufe" bewertet. Diese Regelbeurteilung wurde vom Beurteiler am 23. April 2024 unterzeichnet und dem Beigeladenen am 6. Mai 2024 eröffnet.

Bereits zuvor hatte die Antragsgegnerin am 28. November 2023 durch das Bundesamt für C. entschieden, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. In dem entsprechenden Auswahlvermerk vom 27. November 2024 (Bl. 70 ff. der Beiakte 001) wird ausgeführt, der Beigeladene sei nach der "verbindliche[n] Voreinschätzung der Beurteilung zum Stichtag 31.1.2023" mit "A1+" bewertet. Der Antragsteller ("Fortschreibung der Beurteilung zum Stichtag 31.1.2023: B") sei aufgrund der "aktuell schwächeren Fortschreibung der Beurteilung" dem Beigeladenen aus Leistungsgesichtspunkten nachzuordnen.

Mit Schreiben des Bundesamtes für C. vom 18. April 2024 (Bl.119 der Beiakte 001) teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass seine Bewerbung um die streitgegenständliche Stelle keine Berücksichtigung habe finden können; die Auswahlentscheidung sei zugunsten des Beigeladenen gefallen. Mit Schreiben vom 19. April 2024 (Bl. 127 der Beiakte 001) begründete die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller ihre Auswahlentscheidung näher.

Der Antragsteller hat am 23. April 2024 bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem Ziel nachgesucht, der Antragsgegnerin vorläufig zu untersagen, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Zur Begründung hat er geltend gemacht, er gehe davon aus, dass die Antragsgegnerin mit der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung gegen das Gebot der Bestenauslese gemäß Art. 33 Abs. 2 GG verstoße. Für ihn sei nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund die Bewerbung des Beigeladenen erfolgreich gewesen sei. Ihm sei das Auswahlergebnis nicht ordnungsgemäß bekannt gegeben worden. Der Beigeladene sei 20 Jahre lebens- und dienstjünger, verfüge über keine Vorverwendungen an Oberbehörden und es sei nicht bekannt, ob er - wie im Personalentwicklungskonzept gefordert - zwei Verwendungen besitze. Ferner sei unbekannt, ob das Mitbestimmungsverfahren nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz rechtsfehlerfrei durchgeführt worden sei. Er - der Antragsteller - sei besser als der Beigeladene geeignet, weil er zwei Vorverwendungen an Bundesoberbehörden besitze und etwa 20 Lebens- und Dienstjahre älter als der Beigeladene sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass seine Bewerbung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden sei.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutz entgegengetreten. Der Antragsteller habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Die Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen erweise sich als rechtmäßig. Die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen sei zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung verbindlich mit dem Gesamturteil "A1+" voreingeschätzt worden. Die Vorgehensweise bei der Erstellung der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers sei entsprechend den Vorgaben der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeslaufbahnverordnung erfolgt und rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sei die Vergleichsgruppe entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht zu klein. Die Heranziehung der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers bei der Auswahlentscheidung sei daher rechtmäßig erfolgt. Der Antragsteller sei bei dem Beigeladenen aus Leistungsgesichtspunkten nachzuordnen. Die fehlende Zustimmung des Personalrats bei der Auswahlentscheidung sei unbeachtlich. Denn ein "weiteres" Informationsrecht - wie der Personalrat es gefordert habe - existiere nicht. Das Vorbringen des Antragstellers über jahrelange Diensterfahrung sei unbeachtlich. Der Antragsteller würde im Übrigen bei einer neuen Auswahlentscheidung aus Leistungsgesichtspunkten (fiktive Fortschreibung auf "B+") hinter dem Beigeladenen (Beurteilung mit Gesamturteil "A1+") zurückstehen. Der Antrag habe daher keine Aussicht auf Erfolg.

Mit Beschluss vom 5. August 2024 hat das Verwaltungsgericht der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, vor Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Auswahlentscheidung und längstens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Unanfechtbarkeit der hier streitgegenständlichen Auswahlentscheidung den in Rede stehenden Dienstposten dem Beigeladenen zu übertragen. Dem Antragsteller stehe sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Der Antragsteller habe eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs glaubhaft gemacht. Die von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung erweise sich aller Voraussicht nach als rechtswidrig. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im November 2023 hätten aktuelle Regelbeurteilungen, die zur Grundlage der Auswahlentscheidung hätten gemacht werden können, nicht vorgelegen. So sei schon mit der Regelbeurteilung des Beigeladenen zum Beurteilungsstichtag 31. Januar 2023 noch keine Erkenntnisquelle gegeben gewesen, welche die Antragsgegnerin als verlässliche Grundlage für ihre Auswahlentscheidung hätte heranziehen dürfen. Dies gelte umso mehr für die "verbindliche Vorauskunft", welche die Antragsgegnerin zur Grundlage ihrer Auswahlentscheidung gemacht habe. Eine Beurteilung werde erst mit ihrer Bekanntgabe gegenüber dem Beurteilten wirksam. Erst danach könne sie als Grundlage für eine Auswahlentscheidung herangezogen werden. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung maßgeblich. Eine erst nach dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung eingetretene tatsächliche Veränderung - hier die Eröffnung der "neuen" Beurteilung im Mai 2024 - und damit eine Veränderung der Sach- und Rechtslage sei für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG unbeachtlich. Dass die von der Antragsgegnerin der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte "verbindliche Vorauskunft" über das künftige Beurteilungsergebnis des Beigeladenen keinerlei rechtliche Relevanz habe, weil eine solche sich nicht aus dem Verwaltungsvorgang ergebe, liege auf der Hand. Ferner erscheine es schon aufgrund der für die Auswahlentscheidung fehlenden wirksamen Beurteilung für den Beigeladenen möglich, dass der Antragsteller bei einer erneuten und fehlerfreien Auswahlentscheidung anstelle des Beigeladenen zum Zuge käme. Die Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches dürften nicht überspannt werden und nicht über die Darlegung der Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung und die Möglichkeit einer günstigen Entscheidung im Wiederholungsfalle hinaus ausgedehnt werden. Werde das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung verletzt, folge daraus, dass einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden müsse, wenn die Aussichten des unterlegenen Bewerbers, beim zweiten Mal ausgewählt zu werden, offen seien, d. h. wenn seine Auswahl möglich erscheine. Die Kammer vermöge nicht festzustellen, ob eine Auswahl des Antragstellers bei einer erneuten Auswahlentscheidung praktisch ausgeschlossen wäre oder nicht. Denn eine belastbare Entscheidungsgrundlage für einen Leistungsvergleich im Sinne einer Bestenauslese habe es zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht gegeben und ein solcher könne nicht auf Grundlage der mittlerweile dem Beigeladenen eröffneten neuen Beurteilung heilend angenommen werden. Es erscheine widersprüchlich, wenn das Gericht die Chancen des Antragstellers in einem erneuten Auswahlverfahren aufgrund der mittlerweile dem Beigeladenen eröffneten dienstlichen Beurteilung doch überprüfen würde, obwohl diese für die ursprüngliche Auswahlentscheidung nicht habe herangezogen werden können. In dem Fall könnte die Antragsgegnerin ihre Auswahlentscheidung letztlich doch stets willkürlich aufgrund geänderter Sach- und Rechtslage nach dem von ihr zuvor (willkürfrei) gewählten Zeitpunkt der Auswahlentscheidung abändern. Im Falle einer gerichtlichen Überprüfung durch einen unterlegenen Bewerber würde die fehlerhafte Auswahlentscheidung dann stets durch das gerichtliche Verfahren legitimiert bzw. geheilt werden. Dies liefe dem Willkürverbot zuwider und führte zu dem nicht tragbaren Ergebnis, dass dem Antragsteller bei Verletzung von Art. 33 Abs. 2 GG - und dementsprechend gegebener Erfolgsaussicht in der Hauptsache - der vorläufige Rechtsschutz versagt bliebe. Zu einer Entscheidung in der Hauptsache könnte es allein aus prozessualen Gründen schon nicht mehr kommen, so dass der Antragsteller trotz des fehlerhaften Auswahlverfahrens letztlich schutzlos bliebe. Außerdem sei es im Hinblick auf den dem Dienstherrn bei der Auswahlentscheidung zustehenden Beurteilungs- und Ermessensspielraum grundsätzlich nicht Aufgabe des Gerichts, den besser geeigneten Bewerber zu bestimmen und eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Bewerbung vorzunehmen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde, welcher der Antragsteller entgegentritt. Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die von ihr dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die begehrte Änderung der vorinstanzlichen Entscheidung nicht.

Der Einwand der Antragsgegnerin, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Anordnungsanspruch des Antragstellers bejaht, greift nicht durch.

1.

Auswahlentscheidungen als Akt wertender Erkenntnis unterliegen lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn. 3). Erweist sich die Auswahlentscheidung anhand dieses Maßstabs als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27; Beschluss vom 10.10.2023 - 5 ME 72/23 -, juris Rn. 36), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und - tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen.

a.

Der im Streitfall zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10). Der Leistungsgrundsatz eröffnet dem Einzelnen regelmäßig keinen Anspruch auf Beförderung bzw. auf Übertragung des begehrten Amtes, sondern gibt ihm lediglich einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes entschieden wird (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch).

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 6.8.2019 - 5 ME 116/19 -, juris Rn. 15; Beschluss vom 11.5.2022 - 5 ME 161/21 -, juris Rn. 18), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 21). Ist aufgrund der aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn. 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 6.8.2019 - 5 ME 116/19 -, juris Rn. 15), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt. Sofern Bewerber in der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die aktuellen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 6.8.2019 - 5 ME 116/19 -, juris Rn. 15). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen ("ausschärfende Betrachtung") als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte - wie etwa die Vorbeurteilung - abstellen (Nds. OVG, Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -) oder auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines sogenannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückgreifen (Nds. OVG, Beschluss vom 16.9.2019 - 5 ME 126/19 -, juris Rn. 41 m. w. N.). Wählt der Dienstherr das strukturierte Auswahlgespräch als (leistungsbezogenes) Entscheidungskriterium, so gilt auch insoweit, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch - wie auch im Übrigen - eine angemessene Gestaltung des Auswahlverfahrens erfordert (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.6.2021 - 5 ME 50/21 -, juris Rn. 21 m. w. N.).

Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die von der Antragsgegnerin zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung sich aller Voraussicht nach als rechtswidrig erweist. Es hat darauf abgestellt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung vom November 2023 aktuelle Regelbeurteilungen, die zur Grundlage der Auswahlentscheidung hätten gemacht werden können, nicht vorgelegen hätten. Die Antragsgegnerin habe nicht die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen, sondern lediglich eine "verbindliche Vorauskunft" zur Grundlage ihrer Auswahlentscheidung gemacht; eine solche "verbindliche Vorauskunft" über eine erst später wirksam werdende Beurteilung habe keinerlei rechtliche Relevanz.

Dagegen wendet die Antragsgegnerin ein: Das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass durch die nachträgliche Eröffnung der dienstlichen Beurteilung des Beigeladenen die ursprüngliche - hier angegriffene - Auswahlentscheidung keine inhaltliche Änderung erfahre, sondern vielmehr der formelle Verfahrensfehler geheilt werde. Auf diese Weise werde "die für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs erforderliche rechtsfehlerfreie neue Auswahlentscheidung überhaupt erst ermöglicht."

Dieser Einwand greift indes nicht durch. Wie ausgeführt, stützt sich die streitgegenständliche Auswahlentscheidung gerade nicht auf eine dienstliche Beurteilung des Beigeladenen, weil diese zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens der Auswahlentscheidung im November 2023 nicht vorlag; vielmehr wurde der Auswahlentscheidung lediglich das Ergebnis einer "verbindlichen Vorauskunft" über die noch ausstehende Beurteilung des Beigeladenen zugrunde gelegt. Die dienstliche Beurteilung des Beigeladenen wurde erst im Mai 2024 wirksam. Dienstliche Beurteilungen sind zwar keine Verwaltungsakte, so dass die für die Wirksamkeit von Verwaltungsakten geltende Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nicht unmittelbar anwendbar ist. Sie gilt jedoch entsprechend mit der Folge, dass dienstliche Beurteilungen gegenüber denjenigen, für die sie bestimmt sind, im Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe wirksam werden und damit rechtlich existent sind (vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 27.8.1998 - BVerwG 1 WB 15.98 -, juris Rn. 5; Beschluss vom 24.5.2011 - BVerwG 1 WB 59.10 -, juris Rn. 40; Nds. OVG, Beschluss vom 9.6.2022 - 5 ME 160/21 -, juris Rn. 38; OVG NRW, Beschluss vom 15.3.2013 - 1 B 133/13 -, juris Rn. 7; Thür. OVG, Beschluss vom 28.7.2021 - 2 EO 48/21 -, juris Rn. 34). Da der Leistungsvergleich anhand dienstlicher Beurteilungen Teil der Auswahlentscheidung in materieller Hinsicht ist, betrifft die Frage, ob der Auswahlentscheidung rechtmäßige dienstliche Beurteilungen zugrunde lagen, die materielle Rechtmäßigkeit. Ein diesbezüglicher Mangel führt zur materiellen Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung in dem hierfür maßgeblichen Zeitpunkt ihres Ergehens. Das Fehlen einer dienstlichen Beurteilung eines Bewerbers im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung kann daher - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht als formeller Verfahrensmangel angesehen werden, der nachträglich durch Eröffnung einer dienstlichen Beurteilung geheilt werden könnte.

b.

Hinsichtlich der weiteren Voraussetzung eines Anordnungsanspruches, nämlich dass die Aussichten des Bewerbers, bei einer erneuten Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, offen sind, seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27; Beschluss vom 10.10.2023 - 5 ME 72/23 -, juris Rn. 36), greifen die von der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts erhobenen Einwände nicht durch.

aa.

Zwar wendet die Antragsgegnerin gegen die vom Verwaltungsgerichts gegebene Begründung, dass hierbei die inzwischen eröffnete Beurteilung des Beigeladenen im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keine Berücksichtigung finden dürfe, zutreffend ein, dass der maßgebliche Zeitpunkt der Prüfung, ob der Antragsteller bei einer neu durchzuführenden Auswahlentscheidung zum Zuge kommen könnte, nicht die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der ursprünglichen Auswahlentscheidung, sondern zum Zeitpunkt der (letzten) gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist (BVerwG, Beschluss vom 29.4.2016 - BVerwG 1 WB 27.15 -, juris Rn. 18; Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 58; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2023 - 5 ME 72/23 -, juris Rn. 36; Beschluss vom 9.6.2022 - 5 ME 160/21 -, juris Rn. 38; OVG NRW, Beschluss vom 24.2.2022 - 1 B 1739/21 -, juris Rn. 9; Beschluss vom 29.7.2021 - 1 B 1072/21 -, juris Rn. 21 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 26.1.2024 - 2 B 198/23 -, juris Rn. 16). Weiter wendet die Antragsgegnerin unter Verweis auf die Senatsrechtsprechung (Beschluss vom 9.6.2022 - 5 ME 160/21 -, juris Rn. 38) zu Recht ein:

"Bei diesem (zweiten) Prüfungsschritt ist zu fragen, ob die Möglichkeit besteht, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung, welche den/die jeweils festgestellten Fehler meidet, im Verhältnis zum Beigeladenen ausgewählt wird. Diese Kausalitätsprüfung ist ... auf der Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen (Beschwerde-) Entscheidung vorzunehmen (so ausdrücklich OVG NRW, Beschluss vom 29.7.2021 - 1 B 1072/21 -, juris Rn. 21 bis 23). ... Somit sind im Rahmen der Prüfung, ob der Antragsteller im Verhältnis zum Beigeladenen die Chance hat, in einem erneuten Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, die nunmehr wirksamen aktuellen Regelbeurteilungen beider Bewerber zum Stichtag 31. Januar 2021 zugrunde zu legen. Vor diesem Hintergrund rügt die Antragsgegnerin zu recht ..., dass ein Anordnungsanspruch nicht "für sich genommen" - also selbständig tragend - darauf gestützt werden kann, dass zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung keine rechtlich existenten aktuellen Regelbeurteilungen der Bewerber ... vorlagen."

bb.

Gleichwohl muss der Beschwerde der Erfolg versagt bleiben, weil ihr nur dann stattgegeben werden kann, wenn sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als zutreffend erweist.

Der Senat folgt der Antragsgegnerin nicht in ihrer Auffassung, es sei ausgeschlossen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung unter Zugrundelegung der aktuellen Regelbeurteilungen des Beigeladenen sowie der fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 9. August 2023 jeweils zum Stichtag 31. Januar 2023 im Verhältnis zum Beigeladenen zum Zuge komme. Denn nach Auffassung des Senats fehlt es für die zu treffende Auswahlentscheidung an einer dienstlichen Beurteilung des Antragstellers für den Beurteilungszeitraum 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2023.

Der Senat erachtet es als fehlerhaft, die bisherige dienstliche Beurteilung des Antragstellers (Beurteilungszeitraum 1.2.2017 - 31.1.2020) lediglich fiktiv fortzuschreiben. Denn im Beurteilungszeitraum vom 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2023 war der Antragsteller nicht durchgängig wegen seiner Mitgliedschaft im Personalrat vom Dienst freigestellt. Vielmehr wurde er erst mit Verfügung vom 16. August 2021 mit Wirkung vom 2. August 2021 wegen seiner Mitgliedschaft im Personalrat vollständig vom Dienst freigestellt. Mithin versah der Antragsteller 1 1/2 Jahre und einen Tag - etwas mehr als die Hälfte des Beurteilungszeitraums - seinen Dienst.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die fiktive Nachzeichnung der letzten Beurteilung und damit ein Verzicht auf eine dienstliche Beurteilung des Beamten grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn das freigestellte Personalratsmitglied während des Beurteilungszeitraums zwar Dienst geleistet hat, aber im Übrigen in erheblichem Umfang freigestellt war, so dass die dienstliche Tätigkeit nicht ausreichend repräsentativ ist, um die Qualifikation des freigestellten Beamten für den gesamten Beurteilungszeitraum zu beurteilen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2015 - 5 ME 197/15 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 30.6.2020 - 5 ME 85/20 -, juris Rn. 47; Beschluss vom 28.3.2023 - 5 LA 186/20 -, n. v.; siehe auch OVG Saarl., Urteil vom 8.6.1995 - 1 R 26/94 -, juris Rn. 25; BAG, Urteil vom 19.3.2003 - 7 AZR 334/02-, juris Rn. 29). Diese Voraussetzungen lagen beim Antragsteller im Beurteilungszeitraum 1. Februar 2020 bis 31. Januar 2023 erkennbar nicht vor, weil er während rund der Hälfte des Beurteilungszeitraums nicht vom Dienst freigestellt war; für den Zeitraum Februar 2020 bis Juni 2021 liegen zudem Beurteilungsbeiträge vor.

Die rechtliche Zulässigkeit, auf die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung des Antragstellers zu verzichten, und daher seine letzte regelmäßige dienstliche Beurteilung fortschreiben zu dürfen, ergibt sich nicht aus § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV selbst. Nach dieser Vorschrift ist, wenn keine aktuelle dienstliche Beurteilung vorliegt, die letzte regelmäßige dienstliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Entwicklung vergleichbarer Beamter u. a. bei Freistellungen von der dienstlichen Tätigkeit wegen einer Mitgliedschaft im Personalrat fiktiv fortzuschreiben, wenn die dienstliche Tätigkeit weniger als 25 Prozent der Arbeitszeit beansprucht. Diese Vorschrift greift nur dann ein, wenn eine dienstliche Beurteilung rechtmäßiger Weise nicht erstellt werden konnte. Insoweit macht die Antragsgegnerin geltend, nach den Regelungen in § 48 Satz 1 BLV in Verbindung mit Ziffer 1125 [wohl auch Ziffer 1066, letztes Tiret] der ZDV A-1340/83 und dem Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom 12. März 2002 (D I 3- 212 152/12), seien Beamte, die Mitglieder der Personalvertretungen seien, nicht zu beurteilen, wenn sie vom Dienst entlastet bzw. freigestellt seien und der Umfang der dienstlichen Tätigkeit weniger als 25 Prozent der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit betrage. Hieraus ergibt sich aber keine rechtliche Grundlage, nach der die Antragsgegnerin auf die Erstellung einer dienstlichen Beurteilung des Antragstellers verzichten durfte.

Das Erfordernis einer fiktiven Fortschreibung der dienstlichen Beurteilung für freigestellte Beamte wird aus dem Verbot von Benachteiligungen für Mitglieder der Personalvertretungen abgeleitet, insbesondere für die Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen der Mitgliedschaft (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG in der bis 14.6.2021 geltenden Fassung bzw. §§ 10, 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG n. F.). Danach dürfen die Wahrnehmung der Aufgaben und Freistellung von der dienstlichen Tätigkeit wegen der Mitgliedschaft in der Personalvertretung nicht zu einer Beeinträchtigung des beruflichen Werdegangs führen. Auf welche Weise der Dienstherr dies sicherstellt, ist in der bisherigen Rechtsprechung des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Senats des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich dem Dienstherrn überlassen worden; die Heranziehung von Verwaltungsvorschriften ist dabei nicht beanstandet worden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3.3.2025 - BVerwG 2 VR 4.24 -, juris Rn. 44 m. w. N.).

Die gewählte Verfahrensweise muss geeignet sein, eine unzulässige Benachteiligung, aber auch eine unzulässige Begünstigung zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 23.1.2020 - BVerwG 2 C 22.18 -, juris Rn. 25). Die Verwaltungsvorschriften müssen ihrerseits im Einklang mit dem angeführten Benachteiligungsverbot stehen. Eine günstige Auswahlposition des Beamten aufgrund der von ihm im Beurteilungszeitraum gezeigten Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung darf ihm nicht durch Verwaltungsvorschriften genommen werden, weil er im Zeitpunkt des Beurteilungsstichtages als Mitglied der Personalvertretung vollständig freigestellt war und deshalb eine dienstliche Beurteilung nicht erstellt wird; dies verletzte seine grundgesetzlich geschützten Rechte aus Art. 33 Abs. 2 GG und seine Rechte als Mitglied der Personalvertretung nach §§ 10, 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG. Denn es kann nicht angenommen werden, dass jedes Mitglied einer Personalvertretung sich lediglich so beruflich entwickelt hätte wie die Beamten einer Referenzgruppe vergleichbarer Beamter. Vielmehr ist es auch möglich, dass er bessere dienstliche Leistungen als der Durchschnitt der Beamten der Referenzgruppe erbracht hat. Insbesondere wäre es für ihn besonders schwierig, im Wege der fiktiven Fortschreibung der letzten Regelbeurteilung die höchste Bewertungsstufe zu erreichen. Denn nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BLV soll der Anteil der zu beurteilenden Beamten einer Besoldungsgruppe oder einer Funktionsebene bei der höchsten Note zehn Prozent nicht überschreiten. Daher ist es bei einer Referenzgruppe vergleichbarer Beamter unwahrscheinlich, dass sich deren berufliche Fortentwicklung derart gestalten wird, dass die Mehrheit von ihnen die höchste Note erhalten wird, weil diese gerade einer kleinen Gruppe von Spitzenbeamten vorbehalten bleiben soll. Nach Sinn und Zweck des Benachteiligungsverbotes nach § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG a. F. und §§ 10, 52 Abs. 1 Satz 2 BPersVG n. F. soll vermieden werden, dass qualifizierte Bedienstete von einer Mitarbeit in den personalvertretungsrechtlichen Organen Abstand nehmen, weil sie Sorge haben, aus Anlass der ehrenamtlichen Tätigkeit ihre beruflichen Perspektiven zurückstellen zu müssen. Es stellt eine verbotene Benachteiligung dar, wenn das berufliche Fortkommen eines Personalratsmitglieds davon abhängig gemacht wird, dass er seine Freistellung aufgibt (BVerwG, Urteil vom 23.01.2020 - BVerwG 2 C 22.18 -, juris Rn. 21 m. w. N.).

Eine dienstliche Beurteilung eines freigestellten Mitglieds der Personalvertretung kann aber nur dann erstellt werden, wenn die Dienstzeiten ausreichend repräsentativ sind, um die Qualifikation des freigestellten Beamten für den gesamten Beurteilungszeitraum zu beurteilen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2015 - 5 ME 197/15 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 30.6.2020 - 5 ME 85/20 -, juris Rn. 47; Beschluss vom 28.3.2023 - 5 LA 186/20 -, n. v.; OVG Saarl., Urteil vom 8.6.1995 - 1 R 26/94 -, juris Rn. 25; vgl. auch BAG, Urteil vom 19.3.2003 - 7 AZR 334/02 -, juris Rn. 29). In diesem Zusammenhang macht die Antragsgegnerin geltend, der Antragsteller sei "über einen maßgeblichen Zeitraum während des o.g. Beurteilungszeitraums vom Dienst freigestellt" gewesen, so dass die dienstliche Tätigkeit nicht ausreichend repräsentativ gewesen sei, um als Grundlage für die Bewertung seiner Leistungen und Befähigungen für den gesamten Beurteilungszeitraum herangezogen werden zu können. Zwar müssten sich die Beobachtungen und Eindrücke, auf denen eine dienstliche Beurteilung beruht, nicht gleichmäßig über den gesamten Beurteilungsspielraum erstrecken, jedoch komme gerade den Beobachtungen und Eindrücke zum Ende des Beurteilungsspielraums ein besonderes Gewicht und Aussagekraft zu. Hier lägen für den Antragsteller aber gerade für diesen wichtigen Zeitraum innerhalb des Beurteilungszeitraums keinerlei Beobachtungen und Erkenntnisse vor, die ein aktuelles Leistungsbild ermöglichten.

Dieser Einwand greift nicht durch. Der Regelung in § 33 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BLV lässt sich entnehmen, dass der Verordnungsgeber davon ausgegangen ist, dass Dienstzeiten von weniger als 25 % des regelmäßigen Dienstes nicht repräsentativ sind (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 24.2.2022 - 1 B 1739/21 -, juris Rn. 28). Hier erbrachte der Antragsteller während des streitigen Beurteilungszeitraums zusammengefasst etwas mehr als die Hälfte seines Dienst. Dem kommt immerhin ein solches Gewicht zu, dass der Umstand, dass sich dieser Dienst maßgeblich auf die erste Hälfte des Beurteilungsspielraums beschränkte, es nicht rechtfertigt, diese dienstlichen Leistungen bei bloßer fiktiver Fortschreibung der letzten Regelbeurteilung bei der Auswahlentscheidung als nicht repräsentativ auszublenden.

Soweit die Antragsgegnerin abschließend geltend macht, dass sich für den Antragsteller aus der fiktiven Fortschreibung seiner dienstlichen Beurteilung keine Verschlechterung seiner Beurteilungsnote ergeben habe, vielmehr sei eine Leistungssteigerung von der Note "B" hin zu einem Gesamturteil "B+" festgestellt worden, rechtfertigt dieser Einwand keine andere Entscheidung. Denn es ist für die Entscheidung nicht maßgeblich, dass das Ergebnis der fiktiven Fortschreibung günstiger ausgefallen ist als die letzte dienstliche Beurteilung. Entscheidend ist vielmehr, dass die Rechte des Antragstellers im Auswahlverfahren nicht verletzt werden, mithin davon ausgegangen werden müsste, dass die Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen des Antragstellers während des Beurteilungszeitraum nicht zu einer besseren Bewertung als das Gesamturteil "B+" geführt hätten. Eine solche Feststellung kann mangels Bewertung dieser Leistungen nicht getroffen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären. Es entspricht nicht der Billigkeit, der Antragsgegnerin - als der unterlegenen Beteiligten - die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser keinen Sachantrag gestellt und sich deshalb auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (14. August 2024) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 7/14 -, juris Rn. 30 m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 15 in Höhe von 7.846,32 EUR (§§ 1 Abs. 2 Nr. 1, 19 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 1, Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes Verbindung mit der dortigen Anlage IV in der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs geltenden Fassung). Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 47.077,92 EUR; eine Halbierung des Wertes für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).