Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.01.2025, Az.: 4 LA 153/24
Ablehnung eines ohne Prozessvertretung gestellten Antrags auf Zulassung der Berufung und PKH in einem asylrechtlichen Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.01.2025
- Aktenzeichen
- 4 LA 153/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 10050
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2025:0110.4LA153.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 16.10.2024 - AZ: 6 A 2451/24
Rechtsgrundlage
- § 78 Abs. 3 AsylG
Fundstelle
- DÖV 2025, 364
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Ein anwaltlich nicht vertretener Asylkläger, der einen Prozesskostenhilfeantrag für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung stellt, muss innerhalb der für die Begründung des Zulassungsantrags geltenden Frist das Vorliegen eines Zulassungsgrundes im Sinne von § 78 Abs. 3 AsylG so weit darlegen, wie es ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Die Begründung des Prozesskostenhilfeantrags muss das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lassen.
- 2.
Hat der Asylkläger selbst auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet, so kann er in aller Regel eine Gehörsrüge gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO nicht mit Erfolg darauf stützen, dass das Verwaltungsgericht über die Klage im schriftlichen Verfahren ohne Befragung des Klägers zu seinem Verfolgungsschicksal entschieden hat.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen beabsichtigten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 16. Oktober 2024 - wird abgelehnt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Oktober 2024 gegen das erstinstanzliche Urteil des Verwaltungsgerichts erhobene "Rechtsrüge" legt der Senat im Lichte ihres ergänzenden Schriftsatzes vom 12. November 2024 als Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Verfahren auf Zulassung der Berufung aus. Dieser Antrag hat keinen Erfolg.
Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein beabsichtigtes Rechtsmittelverfahren und eine sich daran ggf. anschließende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO hinsichtlich der wegen des vorgeschalteten Prozesskostenhilfeverfahrens versäumten Rechtsmittelfrist ist, dass der Prozesskostenhilfeantrag innerhalb der für die Einlegung des Rechtsmittels gesetzlich bestimmten Frist ordnungsgemäß gestellt worden ist. Der Antragsteller muss darüber hinaus innerhalb der Frist für die Begründung des Rechtsmittels nach Maßgabe seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die Gründe benannt haben, aus denen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung angegriffen werden soll. Diese Begründung muss dem Senat die Prüfung ermöglichen, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat (Senatsbeschluss v. 5.9.2014 - 4 LA 184/14 - mit weiteren Nachweisen). Dafür müsste ein Zulassungsgrund nach § 78 Abs. 3 AsylG gegeben sein. Dass diese Voraussetzung erfüllt ist, muss innerhalb der für die Begründung des Zulassungsantrags geltenden Frist so weit dargelegt werden, wie dies ohne anwaltlichen Beistand möglich und zumutbar ist. Zwar kann von dem nicht anwaltlich Vertretenen, der einen Antrag auf Prozesskostenhilfe stellt, nicht verlangt werden, dass er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darlegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder den Verfahrensmangel in der Weise bezeichnet, wie dies für die Begründung des Zulassungsantrags selbst nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG erforderlich wäre. Notwendig ist aber, dass sich aus der Begründung des Prozesskostenhilfeantrags das Vorliegen eines Zulassungsgrundes in groben Zügen erkennen lässt (zur Nichtzulassungsbeschwerde nach § 133 VwGO: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Beschlüsse v. 20.3.2023 - 10 PKH 1.22 -, juris Rn. 5, v. 1.12.2021 - 5 PKH 1.21 -, juris Rn. 5, v. 10.1.2018 - 5 PKH 8.17 D -, juris Rn. 2, v. 4.5.2011 - 7 PKH 9.11 -, juris Rn. 2 und v. 8.9.2008 - 3 PKH 3/08 -, juris Rn. 3). Daran fehlt es hier.
Das Verwaltungsgericht hat das Vorbringen der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal als unglaubhaft, da zu detailarm bewertet (S. 5 des Urteilsabdrucks). Hieran anknüpfend rügt die Klägerin, dass das Gericht sich diese Überzeugung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung gebildet hat. Sie meint, das Verwaltungsgericht hätte sie zu einer mündlichen Verhandlung laden können, um die "Defizite an Details auszugleichen".
Diesem Vorbringen der Klägerin lassen sich keine zureichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass ein Zulassungsgrund gemäß § 78 Abs. 3 AsylG vorliegen könnte. Von den gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG in Verbindung mit § 138 VwGO rügefähigen Verfahrensfehlern kommt allein eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 138 Nr. 3 VwGO) in Betracht (eingehend dazu: Oberverwaltungsgericht - OVG - Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 15.2.2021 -2 L 26/20 -, juris Rn. 7). Eine Gehörsverletzung liegt aber ersichtlich nicht vor.
Die Klägerin kann eine Gehörsverletzung wegen der nicht erfolgten Befragung in einer mündlichen Verhandlung schon deshalb nicht mit Erfolg geltend machen, weil diesbezüglich ein Rügeverlust eingetreten ist (siehe dazu und zum Folgenden: OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 15.2.2021 -2 L 26/20 -, juris Rn. 8). Voraussetzung einer begründeten Rüge der Versagung rechtlichen Gehörs ist nämlich die (erfolglose) vorherige Ausschöpfung sämtlicher verfahrensrechtlich eröffneten und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BVerwG, Beschluss v. 22.6.2017 - 2 WD 6.17 -, juris Rn. 14; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 20.12.2018 - 9 A 3148/17.A -, juris Rn. 30 - jeweils mit weiteren Nachweisen). Dies hat die Klägerin nicht getan. Sie selbst hat mit Schriftsatz vom 19. August 2024 auf Anfrage des Verwaltungsgerichts erklärt, dass sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einverstanden sei, und damit auch auf die Möglichkeit einer persönlichen Befragung verzichtet. In einem solchen Fall bleibt eine Gehörsrüge in aller Regel ohne Erfolg (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 14.5.2020 - 19 A 1650/19.A -, juris Rn. 9 ff.). Die Erklärung des Verzichts auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung bedeutet zwar nicht zugleich den Verzicht auf die Gewährung rechtlichen Gehörs zu solchen, die Entscheidung tragenden Umständen, die bislang nach übereinstimmender Auffassung aller Verfahrensbeteiligter nicht entscheidungserheblich waren (Bundesverfassungsgericht, Beschluss v. 26.5.2020 - 2 BvR 2699/17 -, juris Rn. 3). Eine solche Fallkonstellation liegt hier aber nicht vor. Denn bereits die Beklagte war in dem von der Klägerin angegriffenen Bescheid vom 30. Juli 2024 davon ausgegangen, dass das Vorbringen der Klägerin zu ihrem Verfolgungsschicksal nicht glaubhaft sei (S. 3 des Bescheides).
Im Übrigen lassen die knappen Ausführungen der Klägerin zur Begründung ihres Prozesskostenhilfeantrags nur erkennen, dass sie mit dem Entscheidungsergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, "nicht einverstanden" ist. Damit macht sie der Sache nach ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend. Diesen Grund für die Zulassung der Berufung sieht die für den Asylprozess geltende Sondervorschrift des § 78 Abs. 3 AsylG anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 83b AsylG und § 166 Abs.1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.