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Abschnitt 3 AufenthG§25aARdErl - Aufenthaltserlaubnis für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige (§ 25a Abs. 1 AufenthG)

Bibliographie

Titel
Hinweise zur Anwendung des § 25a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG); Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und jungen Volljährigen
Redaktionelle Abkürzung
AufenthG§25aARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
26100

3.1 Erteilungsvoraussetzungen

3.1.1 Begünstigter Personenkreis

Das Aufenthaltsrecht für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige sieht einen festen Altersrahmen vor. Es wird auf die Begrifflichkeiten "Jugendliche oder Jugendlicher" und "junge Volljährige oder junger Volljähriger" abgestellt, welche in § 1 JGG und § 7 SGB VIII definiert sind. Danach ist Jugendliche oder Jugendlicher, wer 14, aber noch nicht 18 Jahre alt ist (§ 1 Abs. 2 JGG). Junge Volljährige oder junger Volljähriger ist, wer 18 Jahre, aber noch keine 27 Jahre alt ist (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB VIII).

Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass die Betroffenen Inhaberinnen oder Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG oder seit zwölf Monaten im Besitz einer Duldung sind.

3.1.1.1
Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts am 31.12.2022 erstreckt sich der Regelanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG auch auf Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG. Ein entsprechender Antrag ist vor Ablauf der Geltungsdauer des Chancen-Aufenthaltsrechts zu stellen, die Voraussetzungen des § 25a Abs. 1 AufenthG müssen grundsätzlich bis zum Ablauf des Titels nach § 104c AufenthG erfüllt sein.

Zu beachten ist jedoch, dass ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 AufenthG auslöst, sofern dieser Antrag während der Dauer der Gültigkeit des Aufenthaltstitels nach § 104c AufenthG gestellt wurde. Nur wenn der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG nicht rechtzeitig gestellt wurde, fallen die Betroffenen in den Status der Duldung - sofern deren Voraussetzungen vorliegen - zurück.

3.1.1.2
12-monatige Vorduldungszeit

Um unter Beachtung der Dauer der Asylverfahren einen unmittelbaren Wechsel aus dem Asylverfahren in einen Bleiberechtstitel zu vermeiden und den Ausländerbehörden die Möglichkeit einzuräumen, nach negativem Abschluss des Asylverfahrens zunächst aufenthaltsbeendende Maßnahmen durchzusetzen, wurde mit dem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts das Erfordernis einer Vorduldungszeit von zwölf Monaten neu eingeführt (vgl. Bundestags-Drucksache 20/4700).

Dieses gilt nicht für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG.

Die Formulierung des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG "im Besitz einer Duldung" ist nicht dahingehend zu interpretieren, dass die Duldung abweichend vom bloßen Vorliegen von materiellen Duldungsgründen i. S. des § 25a Abs. 1 Satz 1 AufenthG tatsächlich "ausgestellt", d. h. (als Verwaltungsakt) wirksam verfügt worden sein muss. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber mit der gewählten Formulierung eine abweichende Regelung zu denjenigen Fällen treffen wollte, in denen das Gesetz "nur" eine geduldete Ausländerin oder einen geduldeten Ausländer voraussetzt (vgl. auch Bundestags-Drucksache 20/4700, "Vorduldungszeit"). Bei der Auslegung kann insoweit weiterhin auf die vom Bundesverwaltungsgericht zu § 25b AufenthG getroffene Entscheidung zurückgegriffen werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.03.2023 - 2 L 102/20, BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 zu § 25b AufenthG).

Danach ist eine Ausländerin oder ein Ausländer geduldet, wenn ihm eine rechtswirksame Duldung erteilt worden ist oder wenn er einen Rechtsanspruch auf Duldung hat. Auf den Duldungsgrund kommt es hierbei nicht an (z. B. auch sog. "Verfahrensduldung"). Ein Rechtsanspruch auf Duldung ist jedenfalls dann ohne weiteres ausreichend, wenn die Abschiebung i. S. von § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist, da die Behörde bei Vorliegen dieser Voraussetzungen verpflichtet ist, der Ausländerin oder dem Ausländer eine Duldung von Amts wegen zu erteilen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 zu § 25b AufenthG).

Die fehlende schriftliche Bescheinigung nach § 60a Abs. 4 AufenthG steht einer Begünstigung nicht entgegen.

Wenn vollziehbar ausreisepflichtigen Betroffenen eine Grenzübertrittsbescheinigung (sog. GÜB) ausgestellt worden ist, weil sie angegeben haben, freiwillig ausreisen zu wollen und dies innerhalb der gesetzlichen Ausreisefrist nicht möglich war, sind sie jedenfalls bis zum Ablauf der von der Ausländerbehörde gesetzten Frist als geduldet i. S. des § 25a AufenthG anzusehen, weil die Aufenthaltsbeendigung nicht betrieben wird. Die Erteilung einer Duldung kann nicht von der Ausländerbehörde durch die Ausstellung einer GÜB ersetzt werden, wenn diese die GÜB in Kenntnis der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht ausgestellt hat, da es sich nur um eine Bescheinigung handelt, mit welcher die Ausreise von ausreisepflichtigen Ausländerinnen und Ausländern aus dem Bundesgebiet kontrolliert wird (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.06.2012 - 18 E 491/12, VGH Bayern, Beschluss vom 26.11.2018 - 19 CE 17.2453).

Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der (12-monatigen) Duldung (oder eines Anspruchs) ist der Zeitpunkt der Erteilung und Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis. Der Wortlaut der Norm und auch die Gesetzesmaterialien enthalten keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber von diesem allgemein maßgeblichen Zeitpunkt hätte abweichen wollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18 zu § 25b AufenthG).

War die oder der Betroffene allerdings bei Antragstellung bereits seit zwölf Monaten im Besitz einer Duldung, ist ein danach eintretender Duldungsverlust unschädlich, wenn zum Zeitpunkt der Antragstellung auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt waren.

Zeiten des Besitzes einer Duldung gemäß § 60b AufenthG für Personen mit ungeklärter Identität werden nicht als Vorduldungszeit angerechnet (§ 60b Abs. 5 AufenthG).

3.1.2 Anrechenbare Voraufenthaltszeiten

Auf die Mindestaufenthaltsdauer nach § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG sind alle ununterbrochenen Aufenthaltszeiten anrechenbar, in denen sich die Ausländerin oder der Ausländer in asyl- oder aufenthaltsrechtlichen Verfahren, d. h. geduldet, gestattet oder erlaubt im Bundesgebiet - auch zu anderen als humanitären Zwecken - aufgehalten hat. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Norm.

Anrechenbar sind danach auch solche Voraufenthaltszeiten, in denen sich die begünstige Person nachweislich tatsächlich im Bundesgebiet aufgehalten hat und während derer Duldungsgründe i. S. des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorlagen, bei einer rückblickenden Betrachtung eine Abschiebung daher nicht möglich war. Auf den Besitz einer Duldungsbescheinigung kommt es insofern nicht an. Dies gilt aber nicht, wenn die ausländische Person untergetaucht war oder sich in anderer Weise einem ausländerrechtlichen Verfahren entzogen hat, weil sie z. B. ihren Aufenthalt im Bundesgebiet von vornherein bei der Ausländerbehörde nicht angezeigt hat.

Ebenso sind Zeiten anrechenbar, in denen eine vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerin oder ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im Besitz einer GÜB oder einer ausländerbehördlichen Bescheinigung war (vgl. auch Nummer 3.1.1.2). In diesen Fällen ist zugunsten der Betroffenen davon auszugehen, dass in der Rückschau eigentlich eine Duldung zu erteilen gewesen wäre, da der Gesetzgeber von einer zügigen Durchführung der Abschiebung ausgeht.

3.1.2.1
(Schädliche) Unterbrechungen des Voraufenthaltes

Kurzzeitige Unterbrechungen der statusrechtlichen Kette von insgesamt bis zu drei Monaten des erlaubten, geduldeten oder gestatteten Aufenthalts bei gleichzeitigem Aufenthalt im Bundesgebiet sind in der Regel unschädlich und unterbrechen die geforderte Aufenthaltsdauer nicht, sofern die oder der Betroffene nicht untergetaucht war, um sich einer Abschiebung zu entziehen, der Aufenthaltsort der zuständigen Ausländerbehörde bekannt und insbesondere auch der erfolgreiche Schulbesuch dadurch nicht gefährdet war.

Eine analoge Anwendung des § 85 AufenthG ist hierbei in eingeschränktem Rahmen möglich, da im Kontext zur strikten Erteilungsvoraussetzung des § 25a AufenthG - anders als bei § 25b AufenthG - von einer planwidrigen Regelungslücke ausgegangen werden kann (vgl. VGH Hessen, Beschluss vom 04.10.2022 - 3 B 523/22). Die Zulassung weiterer Unterbrechungszeiten des maßgeblichen Aufenthalts lässt sich im Hinblick auf die nur dreijährige Voraufenthaltszeit mit der gesetzgeberischen Intention in der Regel nicht vereinbaren.

Die vor einer solchen Unterbrechung liegenden Zeiten sind anzurechnen. Die Zeiten der Unterbrechung selbst werden hierbei jedoch nicht auf die erforderliche Aufenthaltszeit angerechnet (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 14.10.2008 - 3 Bf 370/07 zu § 104a AufenthG).

Kurzzeitige erlaubte Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet von bis zu drei Monaten (z. B. im Falle eines Besuchsaufenthalts im Ausland) sind nach Sinn und Zweck der Norm ebenfalls unschädlich, wenn der vorübergehende Auslandsaufenthalt erkennbar nicht auf die endgültige Aufgabe des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet gerichtet war (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.03.2012 - 8 LA 26/12 zu § 25a AufenthG; OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21.02.2018 - 13 ME 56/18). Entscheidend ist die Intention im Moment der Ausreise.

Bei einer Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in Erfüllung einer rechtmäßig begründeten Ausreisepflicht ist grundsätzlich von einer Aufgabe des Lebensmittelpunktes auszugehen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21.02.2018 - 13 ME 56/18 zu § 25a AufenthG).

Mehrfache Aufenthaltsunterbrechungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern werden kumuliert und dürfen die o. g. drei Monate grundsätzlich insgesamt nicht überschreiten.

Bei längeren (mehr als drei Monate) oder auch kurzzeitigen schädlichen Unterbrechungen (z. B. im Falle des Untertauchens) werden die Aufenthaltszeiten (vor der Unterbrechung) nicht mehr berücksichtigt.

Eine vorübergehende längere Unterbrechung des (erlaubten) Aufenthalts im Bundesgebiet kann jedoch ausnahmsweise als unschädlich bewertet werden, wenn die Unterbrechung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls notwendig und mit der Ausländerbehörde abgestimmt war (z. B. Pflege schwer kranker Familienangehöriger im Ausland).

Die Regelung des § 51 Abs. 1 AufenthG über die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts sowie § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG, wonach die Duldung mit der Ausreise erlischt, sind zu beachten. In diesen Fällen kann nicht mehr von einem ununterbrochenen Aufenthalt ausgegangen werden. Eine analoge Anwendung des § 85 AufenthG scheidet in diesem Fall aus, weil diese Regelung nicht die Unterbrechung des Aufenthalts als solchen betrifft (vgl. z. B. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2009 - 13 S 2092/09).

Wenn die zuständige Ausländerbehörde einer geduldeten Ausländerin oder einem geduldeten Ausländer vor einer temporären Ausreise zusagt, dass die Abschiebung nach der Wiedereinreise wieder ausgesetzt wird (z. B. in Fällen des § 22 Abs. 2 Satz 1 AufenthV, Schülersammelliste), gilt der geduldete Aufenthalt als "ununterbrochen".

Darüber hinaus kann im Falle der Ausreise während eines geduldeten Aufenthalts unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des § 25a AufenthG und des jungen Alters des Adressatenkreises in begründeten Einzelfällen ausnahmsweise von einer unschädlichen Unterbrechung ausgegangen werden, wenn es sich um eine sehr geringfügige - ggf. tageweise - Bagatellunterbrechung handelt, die gute Integration dadurch nicht infrage gestellt wird und die Duldungsgründe bei Wiedereinreise fortbestehen.

Unabhängig von der Unschädlichkeit für die Eigenschaft des ununterbrochenen Aufenthalts sind die Zeiträume, die im Ausland verbracht wurden, auf die Voraufenthaltszeiten nicht anrechenbar.

3.1.2.2
Aufenthaltszeiten gemäß § 60b Abs. 5 AufenthG

Zeiten des Besitzes einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität werden gemäß § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht als Voraufenthaltszeiten angerechnet. Der Besitz einer entsprechenden Duldung nach § 60b AufenthG führt jedoch nicht zu einer schädlichen Unterbrechung der Voraufenthaltszeiten, die davor liegenden anrechnungsfähigen Zeiten sind anzurechnen.

3.1.2.3
Besonderheiten für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG

Für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG sind auch Zeiten des Besitzes einer Duldung wegen ungeklärter Identität gemäß § 60b AufenthG auf die maßgebliche Voraufenthaltszeit anzurechnen (vgl. § 25a Abs. 5 AufenthG). Im Übrigen gelten für die Prüfung der anrechnungsfähigen Voraufenthaltszeiten die Ausführungen im Zusammenhang mit der Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts entsprechend. Damit wird dem besonderen Regelungsgehalt des § 104c AufenthG Rechnung getragen (vgl. u. a. Erl. zu § 104c AufenthG vom 30.12.2022 [siehe Internetseite des MI, Thema Ausländerangelegenheiten]).

Soweit Inhaberinnen oder Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG bei der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis - insbesondere im Hinblick auf die anrechenbaren Voraufenthaltszeiten und eine etwaige "schädliche Unterbrechung" des Voraufenthaltes - von einer für sie günstigeren Rechtsanwendung profitiert haben, sind diese Maßstäbe auch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG entsprechend anzuwenden.

3.1.3. Erfolgreicher Schulbesuch oder anerkannter Schul- oder Berufsabschluss

3.1.3.1
Erfolgreicher Schulbesuch

Es muss ein in der Regel dreijähriger erfolgreicher Schulbesuch vorliegen. Danach besteht in Ausnahmefällen ("in der Regel") - z. B. im Fall besonders herausragender Schulleistungen, bei nachweislich unverschuldet verzögertem Bildungszugang oder bei einer oder einem jungen Volljährigen, die oder der bei Besuch der Berufsschule oder Schule kurz vor dem erfolgreichen, jedoch erst nach Vollendung seines 27. Lebensjahrs abzulegenden, Aus- oder Bildungsabschluss steht - die Möglichkeit, auch bei einem kürzeren erfolgreichen Schulbesuch die Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Ein erfolgreicher Schulbesuch liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass die oder der Jugendliche oder die oder der junge Volljährige die Schule mit einem anerkannten Schulabschluss beenden wird. Maßgeblich für die Prognose sind insbesondere die bisherigen schulischen Leistungen, die Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, die Versetzung in die nächste Klassenstufe sowie das Arbeits- und Sozialverhalten. Eine Nichtversetzung in die nächsthöhere Klassenstufe steht der Annahme eines erfolgreichen Schulbesuchs nicht grundsätzlich entgegen, wenn nach Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalles - ggf. auch nach Wechsel der Schulform - noch von einem (zukünftigen) erfolgreichen Schulbesuch ausgegangen werden kann. Entscheidungserheblich sind hierbei die derzeitigen Schulleistungen und die aktuelle Prognose. Das Jahr der Nichtversetzung ist auf die erforderliche Schulbesuchszeit anzurechnen. Soweit dies zur weiteren Beurteilung erforderlich ist, sind die Schulzeugnisse der Sekundarstufe heranzuziehen. Bei Bedarf kann zusätzlich eine Stellungnahme der Schule bei der oder dem betroffenen Jugendlichen oder jungen Volljährigen eingefordert werden.

Die Ausländerin oder der Ausländer ist grundsätzlich im Rahmen ihrer oder seiner Mitwirkungspflicht gehalten, alle entscheidungserheblichen Unterlagen vorzulegen und bestehende Zweifel an einem erfolgreichen regelmäßigen Schulbesuch - als bildungsbezogenes Integrationsmerkmal - auszuräumen.

Ein regelmäßiger Schulbesuch - und damit einhergehend die Erfüllung der Schulpflicht als wesentliches bildungsbezogenes Integrationsmerkmal - liegt nicht vor, wenn während des Schuljahrs mehr als an einzelnen Tagen der Unterricht unentschuldigt versäumt wurde. Bestehen aufgrund der unentschuldigten Fehlzeiten begründete Zweifel an der Regelmäßigkeit des Schulbesuchs, ist der oder dem Jugendlichen oder jungen Volljährigen Gelegenheit zu geben, durch entsprechende Nachweise (z. B. Stellungnahme der Schule) darzulegen, dass trotzdem noch ein regelmäßiger Schulbesuch bejaht werden kann und ein erfolgreicher Schulabschluss nicht gefährdet ist.

Bei der Frage, ob ein erfolgreicher Schulabschluss zu erwarten ist, sind alle Umstände des Einzelfalles in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen (z. B. Traumatisierungen, familiäre Krankheitsfälle, Unkenntnis über das formelle Vorgehen bei Entschuldigungsschreiben) und in einer Gesamtschau - unter Berücksichtigung des integrationspolitischen Zwecks des § 25a AufenthG - zu würdigen. Hierbei sind insbesondere die persönlichen Fähigkeiten und ggf. Erschwernisse der Jugendlichen oder jungen Volljährigen oder des Jugendlichen oder jungen Volljährigen zu berücksichtigen.

Ein erfolgreicher Schulbesuch liegt auch dann vor, wenn - auch ohne anerkannten Schulabschluss - im Rahmen eines anerkannten Ausbildungsberufs regelmäßig eine berufsbildende Schule besucht wird und zu erwarten ist, dass im Rahmen des erfolgreichen Berufsschulabschlusses ein anerkannter Schulabschluss erworben wird (vgl. auch BbS-VO). Zeiten der vorherigen erfolgreichen Teilnahme an der Berufsschulmaßnahme für junge Geflüchtete SPRINT/SPRINT Dual (Sprach- und Integrationsprojekt für junge Geflüchtete/Sprach- und Integrationsprojekt für junge Geflüchtete zur Vorbereitung auf eine betriebliche Ausbildung) sind auf den dreijährigen ununterbrochenen Schulbesuch anzurechnen.

Die Teilnahme an vorbereitenden schulischen Maßnahmen (z. B. an Volkshochschulen), mit denen für die Ablegung der Prüfung für einen entsprechenden Schulabschluss vorbereitet wird, stellt in der Regel keinen Schulbesuch i. S. des § 25a AufenthG dar. Am Ende einer solchen Maßnahme steht nicht unmittelbar die Ablegung einer solchen Prüfung. Wird allerdings zu einem späteren Zeitpunkt der Schulabschluss als Nichtschülerin oder Nichtschüler erreicht, kommt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis aufgrund des erworbenen Schulabschlusses in Betracht. Mitunter kann jedoch ausnahmsweise eine andere Bewertung geboten sein und im Einzelfall dennoch eine Anrechnung "als Schulbesuchszeit" in Betracht kommen, um insbesondere eine Schlechterstellung junger Volljähriger, die konsequent ihre schulische Ausbildung vorangetrieben haben, zu vermeiden. Der Begriff der allgemeinen Schulausbildung kann im Einzelfall unter Heranziehung der zu § 2 Abs. 1 Nr. 1 BAföG entwickelten Grundsätze (Ausbildungsziel, zeitliche Beanspruchung, Organisationsstruktur der Schule) ausgelegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 10.05.2001 - XII ZR 108/99 zur Frage der allgemeinen Schulausbildung eines Kindes i. S. des § 1603 Abs. 2 BGB; Teilnahme an einem Lehrgang der Volkshochschule zum nachträglichen Erwerb des Realschulabschlusses).

Sofern die oder der Jugendliche oder junge Volljährige bereits einen Schulabschluss erworben hat, stehen unentschuldigte Fehlzeiten oder anderes in der Vergangenheit gezeigtes Fehlverhalten (z. B. negatives Sozialverhalten) im Rahmen eines vormaligen Schulbesuchs einer Erteilung nicht entgegen. Der erfolgreiche Schulbesuch ist insoweit durch den Erwerb des Schulabschlusses belegt.

3.1.3.2
Anerkannter Schul- oder Berufsabschluss

Als anerkannte schulische oder berufliche Bildungsabschlüsse sind die Abschlüsse der allgemeinbildenden und der berufsbildenden Schulen i. S. des § 5 Abs. 2 NSchG oder sonstiger staatlich anerkannter Schulen sowie der Abschluss einer betrieblichen oder schulischen Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf anzusehen.

Zu den allgemeinbildenden Schulen zählen die Grundschule, die Hauptschule, die Realschule, die Oberschule, das Gymnasium, die Gesamtschule, das Abendgymnasium, das Kolleg sowie die Förderschule (§ 5 Abs. 2 Nr. 1 NSchG).

Zu den berufsbildenden Schulen zählen die Berufsschule, die Berufseinstiegsschule, die Berufsfachschule, die Fachoberschule, die Berufsoberschule, das Berufliche Gymnasium sowie die Fachschule (§ 5 Abs. 2 Nr. 2 NSchG).

Auch der erfolgreiche Abschluss einer Förderschule ist ein anerkannter Schulabschluss, da es sich hierbei um eine allgemeinbildende Schule gemäß § 5 Abs. 2 NSchG handelt. An den Förderschulen können Abschlüsse der allgemeinbildenden Schulen erworben werden (§ 14 Abs. 1 NSchG, AVO-Sek I).

Darüber hinaus sind auch die Abschlüsse der staatlich anerkannten allgemeinbildenden oder berufsbildenden Ersatzschulen anerkannte Schulabschlüsse. Dies sind Schulen in freier Trägerschaft, die in ihren Lern- und Erziehungszielen öffentlichen Schulen entsprechen, die im Land Niedersachsen vorhanden oder grundsätzlich vorgesehen sind (§ 142 NSchG). Schülerinnen und Schüler erfüllen durch den Besuch einer Ersatzschule ihre gesetzliche Schulpflicht (§ 143 Abs. 3 NSchG). Die Ersatzschulen sind den öffentlichen Schulen gleichwertig; an ihnen können dieselben Abschlüsse erworben werden wie an den öffentlichen Schulen.

3.1.3.3
Ausnahmen wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung

Von der Voraussetzung des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG wird abgesehen, wenn die oder der Betroffene sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung nicht erfüllen kann. Ob Gründe für eine Ausnahme vorliegen, ist im jeweiligen konkreten Einzelfall zu prüfen. Nicht jede Krankheit oder Behinderung führt zum Ausschluss der genannten Voraussetzungen, sondern nur diejenigen, die die Ausländerin oder den Ausländer an dem erfolgreichen Schulbesuch oder dem Erwerb eines Abschlusses hindern. Das Vorliegen einer entsprechenden Krankheit oder Behinderung ist durch ärztliche Atteste oder Stellungnahmen oder andere geeignete Gutachten zu belegen, sofern die Ausschlussgründe nicht offenkundig sind.

Eine auf unabsehbare Zeit bestehende Erkrankung, die den (vorübergehenden) Schulbesuch unmöglich macht, wird nach dem Wortlaut hierbei nicht vorausgesetzt. Im Rahmen der Verlängerung wäre dies ggf. bei der Prüfung des dreijährigen erfolgreichen Schulbesuchs entsprechend zu berücksichtigen ("in der Regel").

Unbeschadet der vorstehenden Ausnahmeregelung ist im Hinblick auf den Normzweck ("soll erteilt werden") unter Berücksichtigung und Würdigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles ggf. zu prüfen, ob die Betroffenen ihre gesetzliche Schulpflicht grundsätzlich erfüllen und sie die an sie gestellten schulischen Anforderungen und/oder Lernziele entsprechend ihrer Fähigkeiten und/oder Möglichkeiten erreichen. Der Nachweis kann durch Vorlage von Zeugnissen oder einer Stellungnahme der Schule geführt werden.

Die Schulpflicht wird auch dann erfüllt, wenn Jugendliche, die auf sonderpädagogische Unterstützung im Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angewiesen sind, eine anerkannte Tagesbildungsstätte besuchen (§ 162 NSchG).

Schulpflichtige Ausländerinnen und Ausländer im Sekundarbereich II, die nicht in einem Berufsausbildungsverhältnis stehen und in besonderem Maße auf sozialpädagogische Hilfe angewiesen sind, können ihre Schulpflicht auch durch den Besuch einer Jugendwerkstatt erfüllen, die auf eine Berufsausbildung oder eine berufliche Tätigkeit vorbereitet (§ 69 Abs. 4 NSchG).

Bei Vorliegen einer Ausnahme ist zu prüfen, ob von den Anforderungen der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden kann, wenn davon auszugehen ist, dass diese von den Betroffenen ebenfalls nicht erfüllt werden kann (vgl. Nummer 3.3.1 Abs. 3 und 4).

3.1.4 Zeitpunkt der Antragstellung

Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis muss vor Vollendung des 27. Lebensjahres gestellt werden und die maßgeblichen Integrationsanforderungen gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 AufenthG müssen zu diesem Zeitpunkt auch vorliegen. Anträgen, die zwar noch als junge Volljährige oder junger Volljähriger gestellt werden, die oder der Betroffene aber die maßgeblichen Erteilungsvoraussetzungen, wie z. B. den dreijährigen Aufenthalt, zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfüllt, kann nicht entsprochen werden. Zu möglichen Ausnahmen wird auf Nummer 3.1.3.1 verwiesen. Sofern aufgrund der üblichen Bearbeitungsdauer erst nach Vollendung des 27. Lebensjahres über den fristgerecht eingereichten Antrag entschieden werden kann, ist dies unschädlich.

3.1.5 Positive Integrationsprognose

Eine dauerhafte vollständige Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse muss sowohl in wirtschaftlicher und sozialer als auch rechtlicher Hinsicht zu erwarten sein. Ob die Betroffenen die Gewähr für eine positive Integrationsprognose bieten, ist anhand der vorliegenden Erkenntnisse unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und Würdigung aller bisherigen Integrationsleistungen zu prüfen.

Bei der Bewertung sind die bisherigen Ausbildungs- und konkreten individuellen Lebensverhältnisse zu berücksichtigen. In Anbetracht der gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG ohnehin geforderten Anforderungen an den Ausbildungsstand und dem Gesetzeswortlaut des § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG ("es gewährleistet erscheint, dass er sich [...] einfügen kann") gilt für diese Prognoseentscheidung insbesondere im Rahmen der Ersterteilung ein großzügiger Maßstab. Eine positive Prognoseentscheidung kann danach in der Regel u. a. dann getroffen werden, wenn ein erfolgreicher Schul- oder Ausbildungsabschluss zu erwarten ist oder wenn aufgrund des vorhandenen Schul- oder Ausbildungsabschlusses ein erfolgreicher Eintritt in das Berufsleben absehbar ist.

Mit zu berücksichtigen sind dabei z. B. auch die bisher erworbenen Sprachkenntnisse, bestehende familiäre und außerfamiliäre soziale Kontakte und Bindungen, Vereinstätigkeiten und das Vorhandensein eines festen Wohnsitzes.

Eine positive Prognoseentscheidung setzt auch voraus, dass das hiesige Gesellschafts- und Rechtssystem anerkannt wird. Das bedeutet, dass jede strafrechtliche Verurteilung, Verfehlung und/oder Auffälligkeit, insbesondere die, die ein Ausweisungsinteresse begründen könnte - so auch wiederholte oder nicht nur geringfügige Verstöße gegen gerichtliche oder behördliche Entscheidungen oder Verfügungen -, im Rahmen der zu treffenden Integrationsprognose in den Blick zu nehmen und im Rahmen einer Gesamtbetrachtung durch die zuständige Ausländerbehörde zu bewerten ist.

Straftaten, die mit der Verhängung von Jugendstrafe nach dem JGG oder Freiheitsstrafe nach Erwachsenenstrafrecht geahndet wurden, lassen - auch bei Aussetzung der Vollstreckung der Strafe zur Bewährung - deutlich werden, dass die oder der Betroffene das deutsche Gesellschafts- und Rechtssystem nicht ausreichend anerkennt und stehen daher in der Regel einer positiven Integrationsprognose entgegen.

Der Erteilung entgegen steht regelmäßig auch eine Verurteilung (nach Erwachsenenstrafrecht) zu Geldstrafen in erheblichem Umfang. Ein erheblicher Umfang ist regelmäßig bei Geldstrafen ab 100 Tagessätzen anzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.2009 - 1 C 40.07 zu § 104a Abs. 2 AufenthG).

Im Einzelfall kann aber auch bei Verhängung von einer Jugendstrafe oder Freiheitsstrafe oder erheblichen Geldstrafen noch eine positive Integrationsprognose in Betracht kommen. Hierbei ist zu bewerten, wie schwer diese Straftaten wiegen (z. B. Tatumstände, wiederholte Straftatbegehung), wie lange sie zurückliegen, ob eine Wiederholungsgefahr besteht, ob die oder der Betroffene ihre oder seine Bereitschaft gezeigt hat, das Unrecht ihrer oder seiner Tat einzusehen, aufzuarbeiten und ihr oder sein Leben entsprechend zu ändern und ob sich die oder der Betroffene seitdem erfolgreich um Integration bemüht hat, sodass den Straftaten ggf. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag weniger Gewicht beizumessen ist und gleichwohl bei einer Gesamtbetrachtung von einer positiven Integrationsprognose ausgegangen werden kann. Die positiven Aspekte, die trotz Verurteilung zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe oder erheblichen Geldstrafe eine positive Integrationsprognose noch rechtfertigen, müssen in diesen Fällen jedoch ein besonderes Gewicht haben und die Regelannahme einer negativen Integrationsprognose deutlich widerlegen.

Eine entsprechende Gesamtbetrachtung (Tatumstände, Wiederholungsgefahr, Reue etc.) ist auch bei geringfügigeren Geldstrafen sowie in Fällen, in denen in jüngerer Zeit Verfahren gegen Jugendliche oder junge Volljährige nach den §§ 45 ff. JGG, § 153 ff. StPO - Absehen von der Verfolgung wegen geringer Schuld und fehlendem öffentlichen Interesse an der Verfolgung - eingestellt worden sind oder die Strafverfolgung wegen § 19 StGB - Schuldunfähigkeit des Kindes, welches bei Begehung der Tat noch nicht 14 Jahre alt ist - ausblieb, vorzunehmen. Hierbei ist zu beachten, dass einer Verfahrenseinstellung ein deutlich geringeres Gewicht als einer Verurteilung beizumessen ist. Gleiches gilt, wenn lediglich Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel nach dem Jugendstrafrecht verhängt wurden. Soweit sich hierbei aus der Gesamtschau der Lebensumstände und des Verhaltens der oder des Betroffenen der begründbare Eindruck ergibt, dass das hiesige Gesellschafts- und Rechtssystem - auch zukünftig - nicht anerkannt wird, eine Verhaltensänderung also nicht eingetreten ist, kommt eine positive Integrationsprognose nicht in Betracht.

Nach dem BZRG getilgte strafrechtliche Verurteilungen bleiben außer Betracht.

§ 25a Abs. 3 AufenthG findet auf die nach § 25a Abs. 1 AufenthG Begünstigten keine Anwendung. Straftaten sind im Rahmen der zu treffenden Integrationsprognose zu würdigen.

Straftaten, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG aufgrund der Regelung in § 104c Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG unbeachtlich waren, stehen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25a AufenthG nicht entgegen.

Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wonach in der Regel kein Ausweisungsinteresse bestehen darf, ist zwar grundsätzlich zu beachten, soweit strafrechtliche Verfehlungen einer positiven Integrationsprognose nicht entgegenstehen, ist jedoch unter Berücksichtigung der Zielrichtung des § 25a Abs. 1 AufenthG das Ermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zugunsten der Ausländerin oder des Ausländers auszuüben (vgl. Nummer 3.3.3).

Längere Zeiten der Erwerbslosigkeit können einer positiven Integrationsprognose entgegenstehen, wenn die Ausländerin oder der Ausländer keine zumutbaren Anstrengungen unternommen hat, einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden. Persönliche Entschuldigungsgründe (z. B. Krankheit) oder auch angemessene Zeiten der Suche sind zugunsten der oder des Betroffenen zu berücksichtigen.

Die persönlichen Fähigkeiten und ggf. bestehende Beeinträchtigungen der oder des Jugendlichen oder jungen Volljährigen sind angemessen zu berücksichtigen. So schließt z. B. die Beschäftigung in einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen eine positive Integrationsprognose nicht aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit wird den Betroffenen, die aufgrund von Leistungseinschränkungen (noch) nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten können, die Teilhabe am Arbeitsleben ermöglicht.

3.1.6 Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung

Zur Feststellung von Versagungsgründen ist § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG zu beachten und in den in § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVV-AufenthG) zu § 73 Abs. 2 und 3 Satz 1 AufenthG normierten Fällen vor der Entscheidung über den Antrag eine Abfrage bei den Sicherheitsbehörden durchzuführen. Liegen der Ausländerbehörde im Einzelfall konkrete Anhaltspunkte oder Erkenntnisse vor, dass sich die oder der Betroffene tatsächlich nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung (fdGO) bekennt oder hat sie aufgrund des Verhaltens der potentiell Begünstigten begründbare Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses, sollen diese Erkenntnisse - auch in den nicht o. g. Fällen - bei der Abfrage den Sicherheitsbehörden und Nachrichtendiensten vor der Entscheidung über den Antrag mitgeteilt werden.

Anders als im Anwendungsbereich des § 25b Abs. 1 AufenthG setzt § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 AufenthG kein aktives Bekenntnis zur fdGO voraus.

Der Versagungsgrund des § 5 Abs. 4 AufenthG ist zu beachten.

Bestehende Zweifel, die nicht durch die Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste bestätigt werden können, da dort keine weiteren Erkenntnisse vorliegen, können ggf. im Rahmen der anzustellenden Integrationsprognose angemessen gewürdigt werden.

3.2 Versagungsgründe

Ist die Abschiebung allein aufgrund eigener falscher Angaben der Ausländerin oder des Ausländers oder allein aufgrund eigener Täuschung über die Identität ausgesetzt, liegt ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG vor. Ist das Verhalten der oder des Betroffenen nicht allein ursächlich für die Aussetzung der Abschiebung, liegt kein zwingender Versagungsgrund vor.

§ 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist bereits aufgrund der Formulierung der Norm nur auf die Fälle anwendbar, in denen die Ausländerin oder der Ausländer aktuell - derzeit noch andauernd - die Aufenthaltsbeendigung durch eigene vorsätzliche falsche Angaben, durch Täuschung über die Identität oder Staatsangehörigkeit verhindert oder verzögert.

Täuschen die Eltern der oder des Jugendlichen über aufenthaltsrechtlich bedeutsame Umstände und haben sie hierdurch die Aussetzung der Abschiebung erwirkt, ist dieses Verhalten der oder dem Jugendlichen nicht zuzurechnen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 17/12). Wer allerdings nach Eintritt der Volljährigkeit aktuell selbst aktiv über eigene aufenthaltsrechtliche Umstände täuscht und dieses Verhalten für die Aussetzung der Abschiebung auch kausal ist, kann keine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Das bedeutet, dass auch junge Volljährige - unabhängig vom Verhalten ihrer Eltern und ggf. nach entsprechender Aufforderung durch die Ausländerbehörde - gehalten sind, ihre Identität zu offenbaren und sich unverzüglich um die Beschaffung von Identitätsdokumenten und einen Pass zu bemühen haben. Die von § 25a AufenthG begünstigten Jugendlichen sind ggf. aktenkundig auf ihre nach Eintritt der Volljährigkeit bestehenden ausländerrechtlichen Pflichten hinzuweisen.

Zurückliegende Täuschungshandlungen stellen keinen zwingenden Versagungsgrund dar. Entsprechendes Verhalten junger Volljähriger kann jedoch dann im Rahmen der Gesamtbetrachtung und -bewertung des Einzelfalles das Vorliegen atypischer Umstände und eine Ablehnung begründen, wenn die oder der Betroffene als Volljährige oder Volljähriger selbst über einen langen Zeitraum und wiederholt vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat und dieses Verhalten für das Erreichen der im Rahmen des § 25a Abs. 1 AufenthG geforderten Mindestaufenthaltsdauer allein ursächlich war.

Dieses gilt nicht für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG, da dem besonderen Regelungsgehalt des § 104c AufenthG Rechnung zu tragen ist.

3.3 Regelerteilungsvoraussetzungen § 5 AufenthG

Die allgemeinen Regelerteilungsvoraussetzungen gemäß § 5 AufenthG finden auch im Rahmen des § 25a AufenthG grundsätzlich Anwendung. Eine Ausnahme gilt gemäß § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG bei der Lebensunterhaltssicherung, solange sich die Betroffenen noch in der Ausbildung befinden.

3.3.1 Sicherung des Lebensunterhalts

Die Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zur Sicherung des eigenen Lebensunterhalts ist unschädlich, solange sich die oder der Jugendliche oder junge Volljährige in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung oder einem Hochschulstudium befindet. Die allgemeine Erteilungsvoraussetzung i. S. des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG tritt insoweit - für die Dauer der schulischen oder beruflichen Ausbildung oder des Studiums - hinter die speziellere Regelung des § 25a Abs. 1 Satz 2 AufenthG zurück.

Bezieht die oder der begünstigte Jugendliche oder junge Volljährige aufgrund ihrer oder seiner schulischen oder beruflichen Ausbildung (unschädliche) öffentliche Leistungen, ist die Gültigkeitsdauer der Aufenthaltserlaubnis insbesondere auch nach dem voraussichtlichen Ende der Ausbildung zu bemessen, wobei die Höchstdauer gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu beachten ist. Hierbei sollen Zeiten einer regelmäßig zu erwartenden Ausbildungsplatz- oder Arbeitsplatzsuche bis zu sechs Monate nach dem voraussichtlichen Ende der Ausbildung bei der Bemessung der Geltungsdauer angemessen berücksichtigt werden, um der oder dem Betroffenen den Einstieg in den Arbeitsmarkt oder die betriebliche Ausbildung zu ermöglichen.

Ausnahmen:

  • Soweit die oder der Jugendliche oder junge Volljährige zum Zeitpunkt der Antragsstellung bereits einen Schul- oder Berufsabschluss im Bundesgebiet erworben hat, sich derzeit aber noch nicht in einer beruflichen Ausbildung, in einem Hochschulstudium oder einem Arbeitsverhältnis befindet - ggf. auch aufgrund eines Beschäftigungsverbots wegen ihrer oder seiner Asylantragsstellung als Staatsangehörige oder Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 60a Abs. 6 Nr. 3 AufenthG -, eröffnet § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG die Möglichkeit, zunächst von der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung der Lebensunterhaltssicherung abzusehen. Hiervon ist für eine angemessene Dauer der zu erwartenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatzsuche oder zur Suche eines Studienplatzes Gebrauch zu machen, wenn aufgrund des bisherigen Werdeganges und des Verhaltens des oder der Betroffenen die zügige Aufnahme einer Arbeit, einer Ausbildung oder eines Studiums zu erwarten ist. Die Aufenthaltserlaubnis ist entsprechend zu befristen.

  • Mit dem Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts wurde die bildungs- und berufsbezogene Integrationsvoraussetzung des § 25a Abs. 1 Nr. 2 AufenthG um eine Härtefallregelung bei körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung erweitert. Mit der Änderung sollte die bereits in § 25b Abs. 3 AufenthG bestehende Härtefallklausel für die Aufenthaltserlaubnis bei nachhaltiger Integration für psychisch oder körperlich Erkrankte und behinderte Menschen auf die Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG für gut integrierte Jugendliche und junge Volljährige übertragen werden. Während § 25b Abs. 3 AufenthG explizit eine Ausnahme von der Erteilungsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG normiert, enthält § 25a AufenthG keine entsprechende Regelung. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Intention ist das ausländerbehördliche Ermessen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG bei Vorliegen einer der Voraussetzungen gemäß § 25a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 zweiter Halbsatz AufenthG (vgl. Nummer 3.1.3.1) zugunsten der oder des Betroffenen auszuüben und (ggf. vorübergehend) von den Anforderungen der Lebensunterhaltssicherung abzusehen, wenn nach Würdigung der Gesamtumstände davon auszugehen ist, dass der Lebensunterhalt aus diesem Grund auch nicht von der oder dem Betroffenen gesichert werden kann.

3.3.2 Klärung der Identität

Die Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG (Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit) findet auch bei der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG Anwendung. Allerdings führt § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG gegenüber § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG insofern zu einer Verschärfung, als in Fällen, in denen die Abschiebung aufgrund eigener Falschangaben oder Täuschungshandlungen der oder des Jugendlichen oder jungen Volljährigen ausgesetzt ist, die Erteilung zwingend zu versagen ist (vgl. Nummer 3.2). Die Klärung der Identität setzt grundsätzlich die Gewissheit voraus, dass die oder der den Aufenthaltstitel begehrende Ausländerin oder Ausländer die Person ist, für die sie oder er sich ausgibt, mithin eine Verwechselungsgefahr nicht besteht. Zuordnungskriterien sind in erster Linie der Name und Vorname sowie der Tag und Ort der Geburt; nur wenn mit einer Person stets diese Zuordnungskriterien verbunden sind, kann sie zuverlässig von anderen Personen unterschieden werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 08.03.2023 - 2 L 102/20; Nummer 49.2.4 AVV-AufenthG).

Für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG ist § 25a Abs. 6 AufenthG zu beachten. Ein ausnahmsweises Absehen von der Voraussetzung der geklärten Identität ist entgegen der Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nur in atypischen Ausnahmefällen möglich, sofern die Ausländerin oder der Ausländer nicht bereits die erforderlichen und ihr oder ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen hat.

Sofern Betroffene Passpapiere nicht in zumutbarer Weise erlangen können, sollte sich das weitere Verfahren an dem sog. Stufenmodell zur Identitätsklärung orientieren (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.09.2020 - 1 C 36.19; darüber hinaus Nummer 2.3 der Anwendungshinweise des BMI zu § 104c AufenthG vom 23.12.2022, aktualisiert im April 2024, und Nummer 60 c.2.3.2 der Anwendungshinweise des BMI zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019). Im Rahmen des Stufenmodells sollen die mit dem Erfordernis der Identitätsklärung verbundenen sicherheitsrechtlichen Belange und das Recht der Betroffenen, eine Klärung ihrer Identität bewirken zu können, im Rahmen einer gestuften Prüfung einem angemessenen Ausgleich zugeführt werden.

Im Falle der (beabsichtigten) Ablehnung des Antrages auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG hat die Ausländerbehörde darzulegen, welche Handlungsoptionen aus ihrer Sicht noch bestehen, um Identitätspapiere zu beschaffen (insbesondere zur Erfüllung der Passpflicht gemäß § 3 AufenthG), und warum ggf. bisherige Mitwirkungshandlungen aus behördlicher Sicht nicht ausreichen.

3.3.3 Ausweisungsinteresse

§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG setzt in der Regel voraus, dass kein Ausweisungsinteresse besteht. Soweit ein Sachverhalt vorliegt, der ein Ausweisungsinteresse i. S. der Ausweisungsvorschriften des AufenthG begründet, der aber nach Prüfung durch die zuständige Ausländerbehörde einer positiven Integrationsprognose i. S. der Nummer 3.1.5 nicht entgegensteht, ist das Ermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG, das ein Absehen vom Vorliegen dieser Erteilungsvoraussetzung ermöglicht, zugunsten der Ausländerin oder des Ausländers auszuüben.

Dies entspricht dem gesetzgeberischen Ziel, gut integrierten jugendlichen oder jungen volljährigen Ausländerinnen und Ausländern eine langfristige Bleiberechtsperspektive für das Bundesgebiet zu eröffnen.

3.3.4 Erfüllung der Passpflicht

Die Passpflicht nach § 3 AufenthG muss regelmäßig erfüllt werden. Dies hat grundsätzlich durch Vorlage eines anerkannten gültigen Nationalpasses zu erfolgen.

Sofern kein Ausschlussgrund nach § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG vorliegt und unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalles, kann der Abschluss einer Integrations- und Zielvereinbarung angebracht sein. Hierbei ist festzulegen, welche konkreten und ernsthaften Mitwirkungshandlungen zur Passbeschaffung oder Identitätsklärung als zumutbar erachtet und von der oder dem Betroffenen erwartet werden.

Eine Zusicherung der Aufenthaltserlaubnis bei Passvorlage soll im Einzelfall - unter der Voraussetzung, dass die Erteilungsvoraussetzungen dann vorliegen und keine Ausschlussgründe bestehen - ausgestellt werden, wenn dies die Passbeschaffung erleichtert.

In den Fällen, in denen die Identität durch Vorlage geeigneter Dokumente wie beispielsweise Personenstandsurkunden, Registerauszüge oder Staatsangehörigkeitsurkunden glaubhaft gemacht wird, aber es nicht möglich ist, in zumutbarer Weise einen Pass zu beschaffen, weil beispielsweise hierfür eine Ausbildung unterbrochen werden müsste oder weil aufgrund der Betreuung minderjähriger Kinder eine Ausreise nicht möglich ist, soll bis zum Wegfall dieser Hindernisse die Aufenthaltserlaubnis als Ausweisersatz nach § 48 Abs. 2 AufenthG erteilt werden. Die Möglichkeit der Ausstellung eines deutschen Passersatzpapiers gemäß den §§ 4 ff. AufenthV bleibt davon unberührt.

Sofern der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Nationalpasses an die Ableistung des Wehrdienstes knüpft, sind bei der Frage der Zumutbarkeit der Ableistung des Wehrdienstes i. S. des § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV die Wertungen des WPflG heranzuziehen. Auch nach Aussetzung der Wehrpflicht haben die Vorschriften des WPflG grundsätzlich weiterhin Gültigkeit. Wäre bei einem deutschen Wehrpflichtigen ein Zurückstellungsgrund gegeben, kommt auch hier die Ausstellung eines Ausweisersatzes in Betracht (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 04.04.2011 - 13 ME 205/10). Gemäß § 12 Abs. 4 WPflG soll ein Wehrpflichtiger vom Wehrdienst auf Antrag zurückgestellt werden, wenn die Heranziehung zum Wehrdienst für ihn wegen persönlicher, insbesondere häuslicher, wirtschaftlicher oder beruflicher Gründe eine besondere Härte bedeuten würde. Eine solche wird in der Regel gemäß § 12 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a und e WPflG bejaht, wenn eine bereits begonnene, zu einem schulischen Abschluss führende, Ausbildung oder Berufsausbildung unterbrochen werden müsste oder die Aufnahme einer rechtsverbindlich zugesagten oder vertraglich gesicherten Berufsausbildung verhindert werden würde. Das Vorhandensein gleichwertiger Rückstellungsgründe im Herkunftsland wäre ggf. zu prüfen.

Die Ausländerin oder der Ausländer ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Wegfall der Hindernisse die Passpflicht durch Vorlage eines Nationalpasses zu erfüllen ist. Der Hinweis ist aktenkundig zu machen. Wird die Passpflicht trotz vorheriger Belehrung nach dem Wegfall der Hindernisse nicht erfüllt und liegen keine anderen Hinderungsgründe vor, kann die weitere Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel nicht erfolgen.

Absehen von der Erfüllung der Passpflicht:

  • Ob im Rahmen des § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ggf. im Ermessenswege - ggf. zunächst - von der geklärten Identität und Erfüllung der Passpflicht abgesehen werden kann, ist unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Wegen der gesetzgeberischen Wertung in § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG dürfen etwaige Falschangaben und Täuschungen der Eltern und/oder Dritter nicht zugerechnet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.05.2013 - 1 C 17.12).

  • Wird vom Erfordernis der Erfüllung der Passpflicht im Rahmen der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zunächst abgesehen, befreit dies die Ausländerin oder den Ausländer nicht zugleich von der allgemeinen Obliegenheit, die Passpflicht nach § 3 Abs. 1 AufenthG sowie die Pflichten nach § 48 Abs. 3 AufenthG und § 56 AufenthV zu erfüllen (vgl. Nummer 5.3.2.4 AVV-AufenthG). Zu beachten ist grundsätzlich, dass die Passlosigkeit jedenfalls dann zur Versagung führt, wenn sie im Zusammenhang mit einer Handlung i. S. des § 25a Abs. 1 Satz 3 AufenthG steht.

3.3.5 Einreise mit dem erforderlichen Visum

Von dem Visumerfordernis ist nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG insbesondere unter Berücksichtigung des Normzwecks im Ermessenswege abzusehen, da die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG entfallen würden, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller zur Nachholung des Visumverfahrens in ihr oder sein Heimatland zurückkehren müsste (vgl. z. B. OVG Sachsen, Beschluss vom 02.08.2022 - 3 B 124/22).

Außer Kraft am 1. Januar 2031 durch Nummer 8 des RdErl. vom 20. Januar 2025 (Nds. MBl. 2025 Nr. 45)