Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 18.11.2024, Az.: 7 A 43/22
Haftungsbescheid; Schätzung; Spielgerätesteuer; Vergleichsgruppe; Schätzungen im Haftungsbescheid mit Steigerungsrate
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 18.11.2024
- Aktenzeichen
- 7 A 43/22
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 30089
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGHANNO:2025:0121.7A43.22.00
Rechtsgrundlagen
- NKAG § 11
- AO § 162
- AO § 34
- AO § 69
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen einen Haftungsbescheid der Beklagten, mit dem er für ausstehende Spielgerätesteuern der G. Projektgesellschaft mbH in Anspruch genommen wird.
Der Kläger betrieb als Geschäftsführer der G. Projektgesellschaft mbH in dem Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2019 im Stadtgebiet der Beklagteneinen größeren Spielhallenkomplex.
Die Steuerfahndung H. stellte im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen die I. Projektgesellschaft mbH erhebliche Differenzen bei den zur Abrechnung der Spielgerätesteuer gemeldeten Umsätzen (für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2019) fest. In dem in diesem Zusammenhang von der Staatsanwaltschaft J. unter dem Aktenzeichen K. durchgeführten steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren gegen den Kläger konnten - im Gegensatz zu einem weiteren Spielhallenkomplex in L. - keine Originaldateien zu den Umsätzen aus den Geldspielgeräten in M. sichergestellt werden.
Das Landgericht J. verurteilte den Kläger mit Urteil vom 9. Dezember 2021 (- -), in der Zeit vom 10. April 2012 bis Anfang 2019 in L., M. und O. gemeinschaftlich mit seinem Angestellten Herrn P. der Körperschaft, der die Abgabe zusteht, über abgabenrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige und unvollständige Angaben gemacht zu haben sowie als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Taten derart verbunden hat, Umsatzsteuern verkürzt zu haben, indem der Kläger den Finanzbehörden unter Verwendung falscher Belege fortgesetzt über steuererhebliche Tatsachen unrichtige Angaben gemacht hat und so Steuern in großem Ausmaß verkürzt wurden. Des Weiteren verurteile das Landgericht J. den Kläger, durch weitere Handlungen die Körperschaft, der die Abgabe zusteht, pflichtwidrig über abgabenrechtlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen zu haben. Hinsichtlich der dem Kläger vorgeworfenen Höhe der Erlösverkürzungen folgte das Landgericht J. den Feststellungen der Steuerfahndung hinsichtlich der ermittelten und geschätzten Verkürzungen nicht, sondern ging von geringeren Ausgangswerten für die Schätzung bezüglich der Erlösverkürzungen 2017 bis 2019 aus. Das Landgericht beanstandete zudem die prozentuale Steigerungsrate der Schätzung 2012 bis 2016 und korrigierte in der Folge auch die Erlösverkürzungen für diese Jahre nach unten. Dabei legte das Landgericht seinen Erwägungen insbesondere die Annahme zugrunde, die Einlassungen des Klägers und der weiteren Angeklagten sei durch die Schätzung nicht widerlegt worden.
Insgesamt entstand der Beklagten durch das Vorgehen des Klägers und der weiteren Beteiligten ein Steuerschaden von 2.369.106,52 EUR. Zur Bezifferung des Schadens überprüfte die Beklagte die in der Anklageschrift zugrunde gelegten Daten, machte sie sich als eigene Schätzung zu eigen und passte sie aufgrund aktueller Ermittlungsdaten an.
Der daraufhin gegenüber der G. Projektgesellschaft mbH ergangene Korrekturbescheid vom 17. August 2021 ist bestandskräftig geworden. Mittlerweile hat die G. Projektgesellschaft mbH Insolvenz angemeldet.
Mit Haftungsbescheid vom 21. Dezember 2021 nahm die Beklagte den Kläger für die Steuerschulden der G. Projektgesellschaft mbH in Höhe von 2.369.106,52 EUR nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 95.702 EUR in Anspruch. Als Geschäftsführer der I. Projektgesellschaft mbH hafte der Kläger für die von der Gesellschaft nicht abgeführte Spielgerätesteuer. Der Kläger habe vorsätzlich gegen die Pflicht verstoßen, eine wahrheitsgemäße Steuererklärung abzugeben. Die Ermittlung der Beträge der Steuerverkürzung erfolge sowohl auf der Basis tatsächlich ermittelter Verkürzungsberechnungen als auch auf Grundlage einer Schätzung. Auf Grund der Beträge, welche hinsichtlich der Schwarzgeldkassen (betitelt mit "KK" ("Kriegskasse") und "es liegen") den Whatsapp-Verläufen zwischen seinen Angestellten entnommen werden konnten, hätten für den Zeitraum 2017 bis 08/2019 konkrete Werte der Berechnung der Steuerschuld zugrunde gelegt werden können. Auf Basis dieser Werte sei sodann eine Schätzung für den Zeitraum 2012 bis 2016 von Seiten der Staatsanwaltschaft erfolgt, welche die Beklagte überprüft und sich als eigene Schätzung zu eigen gemacht habe. Die Staatsanwaltschaft und auch die Beklagte seien dabei zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass (erst) ab März 2012 (d.h. mit Eröffnung der 2. Halle) mit einer Erlösverkürzung begonnen worden sei. Zu Gunsten des Klägers werde ferner unterstellt, dass ab September 2019 (nach der ersten Durchsuchungsmaßnahme) die Reduzierung der steuerpflichtigen Erlöse durch Manipulation eingestellt worden sei. Die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft und der Steuerfahndung H. habe sich die Beklagte zu eigen gemacht und mit den der Beklagten übermittelten Daten verglichen.
Zu der vorgenommenen Schätzung führt die Beklagte aus: Der durchschnittliche Verkürzungsbetrag für die Jahre 2017 bis 2019 liege bei ca. 131.000 EUR/mtl. (dies folge aus den tatsächlichen Wertermittlungen). Auf Grundlage dieses Wertes seien Prozentsätze der Verkürzung berechnet und diese als Basissatz der Berechnung der fehlenden Erlöse der Jahre ohne Aufzeichnungen und Unterlagen zugrunde gelegt worden. Anlehnend an die Inhalte der Vernehmungen der Angestellten des Klägers, Herrn P. und Frau Q., dass durchgängig seit Erweiterung der in ihrem Stadtgebiet gelegenen Spielstätte im Februar 2012 Manipulationen der Mehrsteuerlisten bzw. Separierungen von Geldbeträgen mit den damit verbundenen Umsatzsteuerkürzungen erfolgt seien, sei zugunsten der Beschuldigten angenommen worden, dass die nicht der Umsatzbesteuerung unterworfenen Beträge über den Zeitraum 2012 - 2016 erst allmählich angestiegen seien. Aus diesem Grunde sei für die Ermittlung der fehlenden Erlöse der Jahre 2012 bis 2016 eine Steigerung des nicht umsatzversteuerten Anteils am Gesamterlös von 10% bis auf 30% unterstellt worden.
Der Kläger hat am 6. Januar 2022 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die von der Beklagten zu Grunde gelegten Daten seien das Ermittlungsergebnis der Steuerfahndung H., deren Ermittlungsergebnis auch in einem vergleichbaren Fall habe reduziert werden müssen. Die behaupteten Unterschlagungen/ Steuerhinterziehungen seien in der behaupteten Größenordnung nicht realistisch. Zudem hätten die dem Kläger gegenüber behaupteten Unterstellungen, in 7 Jahren und 8 Monaten insgesamt 15,5 Mio. Euro vor den Steuerbehörden verheimlicht zu haben, zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form verifiziert werden können. So sei insbesondere die Vermögenszuwachsberechnung bereits nach kurzer Zeit wieder abgebrochen worden, weil sich keine nicht erklärbaren und dementsprechend nur auf die Verwendung von Schwarzgeldern zurückzuführende Vermögenszuwächse hätten feststellen lassen. Ein Vergleich der geschätzten Einspielergebnisse vor September 2019 und den tatsächlichen für die nachfolgenden Monate lasse zudem eindeutig erkennen, dass die Schätzbeträge die tatsächlich erzielten Spielergebnisse bei unveränderten Spielergebnissen maßlos übersteige. Im Ergebnis könnten die Hinzuschätzungen nicht auf einem schlüssigen Schätzungsverfahren basieren.
Der Kläger beantragt,
den Haftungsbescheid der Beklagten vom 21. Dezember 2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Soweit die von dem Landgericht J. dargestellten Erlösverkürzungen in den von dem Kläger vorgelegten Tabellen der Jahre 2017 bis 2019 von den Schätzungen der Beklagten abwichen, sei dies wohl allein dem Umstand geschuldet, dass die dargestellten Erlösverkürzungen lediglich anteilig den - unzweifelhaft nachweisbaren - Entnahmen des Klägers gegenüber gestellt worden seien; weitere Entnahmen - und diese hätten unstrittig stattgefunden - seien außen vor gelassen worden, da diese dem Kläger strafrechtlich wohl nicht zweifelsfrei hätten zugeordnet werden können. Das separierte Bargeld sei unter anderem zur Zahlung von unversteuerten zusätzlichen Löhnen sowie zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Bezahlung von Rechnungen, die nicht der Besteuerung unterworfen werden sollten, genutzt worden. Die Beklagte sei zu Gunsten des Klägers davon ausgegangen, dass dieser zunächst lediglich mit einer Erlösverkürzung von ca. 10 Prozent begonnen habe und die Entnahmen bis zum Jahr 2016 auf ca. 30 Prozent angestiegen seien. Dies sei vereinbar mit den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts. Die daraus resultierenden Einspielergebnisse seien nicht unrealistisch. Sowohl der Vergleich mit den prozentualen Verkürzungsbeträgen der von dem Kläger in L. betriebenen Spielhalle als auch mit einer Vergleichsspielhalle (vergleichbare Lage, Größe und Sperrzeiten) im Stadtgebiet der Beklagten zeigten eine dem Kläger zu Gute kommende Schätzung. Dass die Beklagte die Zahlen für den Zeitraum September 2019 bis Dezember 2020 in ihre Überlegungen nicht miteinbezogen habe, führe nicht zur Unschlüssigkeit der Schätzung. So habe der Kläger selbst vor dem Landgericht J. erklärt, dass für die Zeit ab dem Jahr 2019 deutliche Umsatzrückgänge zu verzeichnen gewesen seien. Ergänzend hierzu sei zu bemerken, dass die gemeldeten Einspielergebnisse ab November 2019 sprunghaft angestiegen seien, nachdem dem Kläger bzw. der G. Projektgesellschaft mbH bekannt geworden sei, dass gegen diese ermittelt werde. Etwaige Bedenken bzgl. der Schätzung würden nicht zur Rechtswidrigkeit des Haftungsbescheids dem Grunde nach führen. Unabhängig davon, ob das Gericht entsprechend den Befugnissen des Finanzgerichts im Rahmen des § 162 AO eine eigene Schätzungsbefugnis habe, könne das Gericht die gewählte Schätzungsmethode und das Ergebnis der Schätzung überprüfen und dieses bei Fehlern in der Höhe korrigieren. Dies sei in der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts geklärt (OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Februar 2018 - 9 LC 217/16 -, juris).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
Der angefochtene Haftungsbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -.
1. Der angefochtene Haftungsbescheid findet seine Rechtsgrundlage jeweils in den §§ 191 Abs. 1 S. 1, 69, 34 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO - in Verbindung mit §§ 1 Abs. 2 Nr. 2 und 4, 3 Abs. 2 AO. Gemäß § 191 Abs. 1 AO kann durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet. Nach § 69 AO haften die in § 34 AO bezeichneten Personen, soweit Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht erfüllt werden. Gemäß § 34 Abs. 1 AO haben die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen deren steuerliche Pflichten zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.
Die Haftung nach § 69 AO umfasst alle Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S.d. § 37 Abs. 1 AO und damit auch steuerliche Nebenleistungen i.S.v. § 3 Abs. 4 AO einschließlich Säumniszuschlägen, Verspätungszuschlägen und Zinsen.
2. Die Voraussetzungen für die Haftungsinanspruchnahme des Klägers liegen vor.
a. Es bestehen Ansprüche der Beklagten gegen die G. Projektgesellschaft mbH aus dem Spielgerätesteuerschuldverhältnis.
Die G. Projektgesellschaft mbH schuldet der Beklagten gemäß §§ 3, 4 Abs.1 der Spielgerätesteuersatzung der Beklagten die mit Bescheid vom 17. August 2021 festgesetzten Spielgerätesteuern für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2019 zzgl. der in dem angegriffenen Haftungsbescheid aufgeführten Säumniszuschläge.
b. Der Kläger hatte als gesetzlicher Vertreter (Geschäftsführer) der G. Projektgesellschaft mbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen.
Vorliegend war der Kläger als Geschäftsführer in das Handelsregister eingetragen worden. Als gesetzlicher Vertreter der G. Projektgesellschaft mbH i.S.d. § 34 Abs. 1 AO hatte der Kläger somit die ihm nach der Abgabenordnung und den Einzelsteuergesetzen obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen.
Die Behauptung des Klägers, er sei in keiner Weise mit der Abgabe der Spielgerätesteueranmeldungen befasst gewesen, ist erkennbar unzutreffend und steht in Widerspruch zu dessen Einlassung in dem der Entscheidung des Landgerichts J. vorangegangenen Verfahren. Darüber hinaus änderte die von dem Kläger behauptete firmeninterne Aufgabenverteilung nichts an seiner Haftung als Geschäftsführer.
c. Dem Kläger ist in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer eine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Der Kläger hat seine Pflicht, eine richtige und vollständige Spielgerätesteuererklärung für die G. Projektgesellschaft mbH abzugeben, verletzt, indem er wissentlich die von seinem Angestellten Herrn P. manipulierten Umsatzerlöse bei der Abgabe der Spielgerätesteuererklärung angab. Aus Sorge um die Rentabilität der Spielhallen und sinkenden Gewinnen vereinbarte der Kläger mit Herrn P. bei den Spielgerätesteuererklärungen nicht die gesamten Roheinnahmen bzw. Einspielergebnisse aus den Geldspielautomaten anzugeben.
Hinsichtlich des Tatbestands der Abgabenhinterziehung dem Grunde nach wird auf die Feststellungen des Landgerichts J. in seinem Urteil vom 9. Dezember 2021 - - verwiesen. Die Strafbarkeit des Klägers ist gerichtlich festgestellt und wird von diesem auch nicht bestritten.
Der Kläger hat seine Pflichten als Geschäftsführer - wie dargestellt - auch vorsätzlich verletzt.
d. Die Pflichtverletzungen sind ursächlich für den Steuerausfall bei der Beklagten. Insoweit wurde von dem Kläger nichts Gegenteiliges vorgetragen.
e. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Mit der Ausübung des Entschließungsermessens (§ 191 Abs. 1 S. 1 AO) ist die Beklagte ihrer Aufgabe nachgekommen, Steuerausfälle zu verhindern (vgl. BayVGH, Urteil vom 23. November 1994 - 4 B 93.1434 -, juris Rn. 26). Bei der Auswahl des Klägers als Haftender hat die Beklagte rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass hinsichtlich der beiden nachfolgenden Geschäftsführer keine Anhaltspunkte vorliegen, die für eine schuldhafte Pflichtverletzung sprechen.
3. Die Höhe der Steuerschuld ist nicht zu beanstanden.
a. Der Umfang der Sachverhaltsermittlung der Beklagten ist nicht zu bemängeln.
Im Rahmen der Ermittlung/Schätzung der Haftungssumme ist es insbesondere unschädlich, dass die Beklagte die Steuerakte der Steuerfahndung H. nicht eingesehen hat. Ein Sachverhaltsermittlungsdefizit lässt sich daraus nicht ableiten.
Gem. § 88 Abs. 1 AO ermittelt die Finanzbehörde den Sachverhalt von Amts wegen. Dabei hat sie alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen. Gem. § 88 Abs. 2 AO bestimmt die Finanzbehörde Art und Umfang der Ermittlungen nach den Umständen des Einzelfalls sowie nach den Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. Bei der Entscheidung über Art und Umfang der Ermittlungen können allgemeine Erfahrungen der Finanzbehörden sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit berücksichtigt werden.
Die Beklagte hat sich zum Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheids dazu entschieden, den Umfang der Amtsermittlung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auf die Einsicht in die Stellungnahme der Steuerfahndung H. und auf die Einsicht in die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft J. zu begrenzen. Ein solches Vorgehen ist zulässig, da im Wesentlichen auf tatsächliche Ermittlungsergebnisse zurückgegriffen wurde.
b. Hinsichtlich der Jahre 2017 bis 2019 sind die tatsächlichen Erlösverkürzungen durch die Auswertung von Chatverläufen ermittelt worden.
Die erkennende Kammer hat an der Höhe der von der Beklagten zu Grunde gelegten Erlösverkürzungen für die Jahre 2017 bis 2019 keine Zweifel.
aa. Soweit der Kläger die tatsächlichen Ermittlungsergebnisse unter Hinweis auf angebliche Additionsfehler in Frage stellt, vermag er damit nicht durchzudringen. Dem Landgericht J. sind keine Additionsfehler unterlaufen. Vielmehr ermittelt sich der Verkürzungsbetrag, auf welchen der Kläger Bezug nimmt, auf der Grundlage der dem Kläger konkret zurechenbaren und nachgewiesenen (persönlichen) Barentnahmen. Sonstige Entnahmen, wie etwa die des Herrn P., finden in der vorgenannten Berechnung keine Berücksichtigung. Die von dem Landgericht J. vorgenommene Differenzierung wirkt sich zwar strafrechtlich im subjektiven Tatbestand der Abgabenhinterziehung aus, hat aber auf den streitgegenständlichen Haftungsbescheid keine Auswirkung. Die Inanspruchnahme des Klägers durch den streitbefangenen Bescheid erfolgt nicht (nur) hinsichtlich der dem Kläger zuzuordnenden Erlösverkürzungen, sondern umfasst jegliche Erlösverkürzungen der G. Projektgesellschaft mbH. Die Höhe der von der Steuerfahndung ermittelten - und von der Beklagten der Haftungsinanspruchnahme zu Grunde gelegten - Erlösverkürzungen der G. Projektgesellschaft mbH stehen nämlich auch nach der Überzeugung des Landgerichts fest (LG Essen, Urteil vom 9. Dezember 2021 - -,S. 52).
bb. Der Auffassung des Klägers, die positiven und negativen Ergebnisse seien zu saldieren, ist nicht zu folgen. Wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat, ist die Spielgerätesteuer eine örtliche Aufwandsteuer. Steuerschuldner ist mithin der Spieler und nicht der Spielhallenbetreiber. Sie belastet als solche die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners, die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommt. Sie soll die Leistungsfähigkeit des Spielers erfassen, der sich an dem Spielgerät vergnügt. Die Leistungsfähigkeit der Spieler spiegelt sich in dem Betrag wider, den sie in das Gerät einwerfen. Diese Beträge der einzelnen Spieler summieren sich in dem um Röhrennachfüllungen und Geldentnahmen bereinigten Kasseninhalt. Der so beschriebene Charakter der Spielgerätesteuer lässt die Berücksichtigung von Minuskassen nicht zu (VG Oldenburg, Urteil vom 22.10.2009 - 2 A 233/09 - unter Verweis auf OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 10. August 2009 - 2 LB 42/08 -).
Aus den Unterlagen der Steuerfahndung H. ergibt sich zudem, dass vorliegend davon abgesehen wurde, die in den Kassenbuchungen erfolgte Saldierung von negativen Ausleseergebnissen erhöhend zu berücksichtigen. Der Einwand des Klägers ist somit bereits deshalb zurückzuweisen.
c. Schätzung
Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung - da eine korrekte Berechnung der separierten Bargelder mangels entsprechender Buchführung nicht möglich war -, ist hinsichtlich der Höhe der separierten Bargelder nicht zu beanstanden.
aa. Rechtsgrundlage der Schätzung ist § 162 AO i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) des Nds. Kommunalabgabengesetzes - NKAG -. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 b) NKAG ist auf kommunale Abgaben u. a. die Bestimmung des § 162 AO entsprechend anzuwenden, soweit nicht das Niedersächsische Kommunalabgabengesetz oder andere Bundes- oder Landesgesetze besondere Vorschriften enthalten. Nach § 162 Abs. 1 AO hat die Behörde, wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt oder berechnet werden können, diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind. § 162 Abs. 1 AO erlaubt demnach nur eine Schätzung von "Besteuerungsgrundlagen". Darunter sind die Besteuerungsgrundlagen des Steueranspruchs zu verstehen, der seinerseits als akzessorische Erstschuld dem Haftungsanspruch zugrunde liegt. Eine unmittelbare Schätzung des Haftungsanspruchs selbst ist ausgeschlossen.
Gemäß § 162 Abs. 2 Satz 1 AO ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das Gleiche gilt nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen und der Steuerpflichtige die Zustimmung nach § 93 Abs. 7 Satz 1 Nr. 5 AO nicht erteilt (vgl. hierzu OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Februar 2018 - 9 LC 217/16 - , juris). Diese Voraussetzungen werden vorliegend erfüllt.
Der Kläger hat in dem strafrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht J. eingeräumt, durch den Betrieb der besagten Spielhalle Einnahmen getätigt zu haben, deren tatsächliche Höhe er vor der Beklagten zu seinen Gunsten verschleiern wollten. Hinsichtlich der Höhe der separierten Bargelder vermochte der Kläger keine konkreten Angaben machen; Bücher oder Aufzeichnungen liegen nicht vor. Nicht zuletzt aufgrund der fehlenden Aufzeichnungen zu den tatsächlichen Einnahmen und der ohnehin nur rudimentär vorhandenen, manipulierten Auslesestreifen hat der Kläger keine konkreten Angaben zu der tatsächlichen Höhe der Einnahmen aus den Geldspielgeräten gemacht.
Nicht zu beanstanden ist darüber hinaus, dass die Beklagte die Beträge aus dem Whatsapp-Verlauf sowohl mit der Bezeichnung "KK" als auch "es liegen" der Schätzung zu Grunde gelegt hat. Soweit der Kläger rügt, die Beträge "es liegen" seien bereits in denen der "KK" enthalten, vermag er damit nicht durchzudringen. So hat sich nämlich das Landgericht J. in der Verhandlung die gegenläufige Überzeugung gebildet, es handele sich dabei um unterschiedliche Beträge. Diese Tatsache konnte die Beklagte ihrer Schätzung zu Grunde legen.
bb. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten gewählten Schätzungsmethode bestehen ebenfalls keine. Die von der Beklagten angewandte Schätzungsmethode basiert auf einem Vorjahresvergleich, einer anerkannten Schätzungsmethode (OVG Lüneburg, Urteil vom 28. Februar 2018 - 9 LC 217/16 -, juris Rn. 80).
Der Vorjahresvergleich beruht vorliegend darauf, dass die Beklagte auf der Grundlage der tatsächlichen Verkürzungsberechnungen der Jahre 2017 bis August 2019 eine prozentuale Verkürzung für die Jahre 2012 bis 2016 errechnet hat.
cc. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer liegen ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine tragfähige Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vor. Grundlage der Schätzung bildeten dabei die - nachvollziehbar - durch die Chatauswertung ermittelten Beträge der separierten Bargelder aus den Jahren 2017 bis 2019.
Die Beklagte hat die von der Steuerfahndung H. ermittelten Ergebnisse durch eigene Überprüfung verifiziert und in geringem Umfang korrigiert. Eine rechtmäßige Schätzung setzt voraus, dass die zur Schätzung befugte Behörde (ohne Bindung an etwaige strafrechtliche Ermittlungen der Steuerfahndung) eine eigene Schätzung vornimmt, § 162 Abs. 1 Satz 1 AO. Die Beklagte hat die Voraussetzungen der Haftung - insbesondere die Grundlagen der Schätzung - in dem für den vorliegenden Einzelfall gebotenen Umfang hinreichend ermittelt und gewürdigt. Diese Vorgehensweise ist seitens der erkennenden Kammer nicht zu beanstanden.
Es ist insbesondere für die erkennende Kammer nicht ersichtlich, in welcher Weise und in welche Richtung die Beklagte darüber hinaus den Sachverhalt hätte ermitteln können. Neben den Beanstandungen, welche die Beklagte trotz fehlender Mitwirkung des Klägers im Anhörungsverfahren zum Haftungsbescheid auf eigene Veranlassung korrigierte, erfolgte von Seiten des Klägers kein substantiierter Sachvortrag, welcher geeignet gewesen wäre, die Richtigkeit der von der Steuerfahndung H. ermittelten Werte in Zweifel zu ziehen, sodass die Beklagte nicht veranlasst war, weiteren (eigenen) Ermittlungsaufwand zu betreiben.
dd. Der Behauptung des Klägers, die Beklagte habe die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer und die Spielgerätesteuer unzulässig vermischt, mangelt es bereits an Substanz. Anhaltspunkte, die für eine unzulässige Vermischung sprechen, wurden weder von dem Kläger konkret dargelegt, noch sind solche für die erkennende Kammer ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger keine Leistungen konkret benannt, welche die Beklagte in unzutreffender Weise bei der Berechnung der Spielgerätesteuer berücksichtigt hat.
ee. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung ist auch nicht aus anderen Gründen fehlerhaft.
Mit der Einräumung einer Schätzungsermächtigung ist notwendigerweise ein gewisser Schätzungsspielraum und damit ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Behörde verbunden (vgl. BayVGH, Beschluss vom 4. März 2021 - 4 ZB 20.246 -, juris Rn. 20; Urteil vom 2. Mai 2016 - 4 BV 15.2778 -, juris Rn. 49). Im Rahmen der Schätzung können deshalb Tatsachenfeststellungen auch mit einem geringeren Grad an Überzeugung getroffen werden, als dies in der Regel geboten ist. Das gewonnene Schätzungsergebnis muss aber jedenfalls schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein. Fehlerhaft ist eine Schätzung insbesondere dann, wenn dieser kein schlüssiger Schätzungsvorgang zugrunde liegt, d.h. wenn sie auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht, wenn wesentliche Tatsachen nicht ermittelt oder außer Acht gelassen oder wenn der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt werden (OVG Lüneburg 9. Senat, Beschluss vom 20. Oktober 2021 - 9 ME 146/21 -, juris Rn. 12).
Soweit der Kläger vorbringt, die Steuerfahndung H. - auf deren Schätzung diejenige der Beklagten basiert - habe die von dem Bundesfinanzhof für Steuerschätzungen entwickelten Grundsätze ignoriert, vermag die erkennende Kammer dem nicht zu folgen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Schätzung sind - wie dargelegt - erfüllt. Aufgrund der geständigen Einlassung des Klägers im Strafverfahren handelt es sich nicht um reine Mutmaßungen hinsichtlich der Abgabenhinterziehung. Die Beklagte stützt ihre Schätzung auf alle vorhandenen objektiven Tatsachen. Schließlich hat die Beklagte ein schlüssiges Schätzungsverfahren dargelegt.
Auf Basis der tatsächlichen Ermittlungsergebnisse zu den Erlösverkürzungen in den Jahren 2017 bis 2019 hat die Steuerfahndung H. eine Rückrechnung für die Jahre 2012 bis 2016 vorgenommen und die Höhe der verkürzten Einspielergebnisse geschätzt. So ergaben sich für die Jahre 2017 und 2018 tatsächliche Werte von über 39 Prozent. Beginnend im Jahr 2012 mit einer (geschätzten) Erlösverkürzung von 10 Prozent, hat die Beklagte schlüssig die Steigerungsraten der übrigen Jahre geschätzt. Die Tatsache der Steigerung hatte sich nachvollziehbar aus Zeugenaussagen im Rahmen der Ermittlungen der Steuerfahndung H. ergeben. Die Beklagte hat diesen Wert, wie auch die Steuerfahndung H., insbesondere mit den prozentualen Verkürzungen der Erlöse aus der Aufstellung in L. verglichen und die geschätzten Steuerverkürzungen als realistisch angesehen
ff. Soweit der Kläger äußere Umstände anführt, die darlegen sollen, dass die Zahlen der Jahre 2017 und 2018 nicht mit den vorigen Jahren vergleichbar seien und damit die Schätzung fehlerhaft sei, dringt er damit nicht durch. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung der prozentualen Verkürzungsbeträge erachtet die erkennende Kammer für realistisch. So mag es zwar zutreffen, dass sich der Umstand der extrem langen Öffnungszeiten ab dem Jahr 2017 deutlich umsatzsteigernd ausgewirkt habe; daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass die der Schätzung zugrunde gelegten prozentualen Steigerungsraten der vorigen Jahre als überhöht anzusehen sind. Hinsichtlich des von dem Kläger vorgebrachten Rauchverbots in R. muss dem Kläger entgegengehalten werden, dass dieses bereits 2013 in Kraft getreten ist und sich somit sehr wohl auch schon vor 2017 positiv ausgewirkt haben kann.
Die von dem Landgericht J. hinsichtlich der prozentualen Verkürzung vorgenommen Erwägungen können - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. So ist der rechtliche Hintergrund eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ein anderer als der eines strafrechtlichen: Anders als das Landgericht muss die Beklagte dem Kläger keinen Vorsatz und keine Schuld nachweisen, sondern darf sich - wie dargelegt - des Instruments der Schätzung bedienen. Ein pauschales Bestreiten des Klägers genügt nicht, um die vorgenommene Schätzung zu widerlegen. Die Einlassung des Klägers in dem strafrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht J., er habe in den Jahren 2012 und 2013 durchschnittlich 10.000,00 EUR monatlich erhalten und ab 2014 circa 30.000,00 EUR monatlich, erscheint vor dem Hintergrund der von der Beklagten dargelegten Vergleichshalle im Stadtgebiet der Beklagten und der von dem Kläger in L. betriebenen Spielhallte wenig glaubhaft und ist vielmehr als reine Schutzbehauptung zu werten.
Die von der Beklagten aufgezeigten Einspielergebnisse je Gerät der Vergleichsspielhalle im Stadtgebiet der Beklagten zeigen, dass die von dem Kläger ins Feld geführten äußeren Umstände zwar zu einer erheblichen Umsatzsteigerung im Jahr 2017 geführt haben, die prozentualen Veränderungen von 2012 bis 2015 allerdings moderat sind. Zudem lässt sich dem Vergleich entnehmen, dass die nunmehr angenommenen Einspielergebnisse pro Gerät der Steuerschuldnerin nach der Korrektur durch die Steuerfahndung die Einspielergebnisse der Vergleichsspielhalle zumeist sogar deutlich unterschreiten.
| Einspielergebnis pro Gerät nach Korrektur - E | Einspielergebnis pro Gerät - Vergleichsspielhalle | |
|---|---|---|
| 2012 | 2.714,59 EUR | 2.301,36 EUR |
| 2013 | 2.623,21 EUR | 3.000,31 EUR |
| 2014 | 2.386,36 EUR | 2.928,27 EUR |
| 2015 | 2.485,36 EUR | 2.928,27 EUR |
| 2016 | 2.705,51 EUR | 3.386,67 EUR |
Durch die Lage der Spielhalle (Nähe zur A2) und der Gleichbehandlung beider Spielhallen hinsichtlich der Sperrzeiten, treffen die von dem Kläger angeführten äußeren Umstände auch auf die Vergleichsspielhalle zu. Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung anführte, aus dem Schwarzbuch von Trümper ergäben sich weit geringe durchschnittliche Einspielergebnisse im Stadtgebiet der Beklagten, weswegen die Schätzung der Beklagten als unrealistisch anzusehen sei, vermag er damit nicht zu überzeugen. Trümper nahm vielmehr alle Spielhallen in dem Stadtgebiet der Beklagten in seine Berechnung auf und damit auch all diejenigen, die gerade nicht mit der Spielhalle der G. Projektgesellschaft mbH verglichen werden können. Die Zahlen des Schwarzbuches sind damit nicht geeignet, Grundlage der Schätzung zu bilden.
Zu der von dem Kläger in L. betriebenen Spielhalle, in der ebenfalls Steuerverkürzungen nachgewiesen werden konnten, ließen sich zudem weit höhere prozentuale Verkürzungsbeträge ermitteln; die Feststellungen basierten auf tatsächlichen Ausleseergebnissen. Für 2013 ergaben sich 55,34 Prozent, für 2014 52,18 Prozent, für 2015 43,69 Prozent, für 2016 37,88 Prozent, für 2017 39,64 Prozent und für 2018 36,11 Prozent. Die von der Beklagten vorgenommene Schätzung erscheint vor diesem Hintergrund vielmehr den Kläger begünstigend.
Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang auch die bereits aufgezeigte Vorgehensweise des Landgerichts J., den einzelnen Angeklagten unterschiedliche Beträge des separierten Bargeldes zuzuordnen. So ist der Verkürzungsbetrag, der der G. Projektgesellschaft mbH zuzurechnen ist, höher, als der Betrag, den der Kläger erhalten hat. Von dem separierten Geld hat Herr P. zunächst sein eigenes weiteres "Gehalt" entnommen und etwaige Zahlungen an Dritte geleistet, bevor er den Rest dem Kläger übergeben hat.
gg. Soweit der Kläger weiter pauschal vorträgt, es sei nicht möglich, derart hohe Umsätze zu erzielen, verfängt dieser Einwand ebenfalls nicht. So hat der Kläger der erkennenden Kammer insbesondere nicht dargelegt, welche Umsätze stattdessen erzielt worden sind, sondern den Umfang nur pauschal bestritten. Der Vortrag des Klägers ist somit schon nicht geeignet, der substantiierten Schätzung der Beklagten entgegen zu treten. Darüber hinaus hat die Beklagte - wie bereits dargelegt - nachvollziehbar und schlüssig dargelegt, dass eine vergleichbare Spielhalle im Stadtgebiet der Beklagten durchaus höhere Umsätze erzielen konnte.
hh. Die Beklagte war schließlich nicht verpflichtet, die Glücksspielumsätze für den Zeitraum September 2019 bis Dezember 2020 in ihre Schätzung mit einzubeziehen. Diesbezüglich trug der Kläger im strafrechtlichen Verfahren vor dem Landgericht J. vor, es sei ab dem Jahr 2019 zu Umsatzrückgängen gekommen, da die Öffnungszeiten der Spielhallen dahingehend verändert wurden, dass Spielhallen nunmehr bereits um Mitternacht schließen mussten. Die - aus der Perspektive des November 2018 betrachteten - erst zukünftigen Umsatzrückgänge bei der Schätzung zu berücksichtigen erscheint im Hinblick auch auf die Einlassung des Klägers im strafgerichtlichen Verfahren nicht plausibel, richten sich die Kundinnen und Kunden doch in ihrem Verhalten auf eine Änderung erst ein, wenn diese stattfindet oder unmittelbar bevorsteht. Die Einspielergebnisse für den Zeitraum 11/2019 bis 10/2020 sind nicht geeignet, die Erlösverkürzung für den Zeitraum 2012 bis 2016 besser abzubilden.
4. Der Heranziehung des Klägers steht auch nicht § 219 AO entgegen. Nach § 219 Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung grundsätzlich nur in Anspruch genommen werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde. Diese Einschränkung gilt jedoch nicht, wenn die Haftung darauf beruht, dass der Haftungsschuldner Steuerhinterziehung oder Steuerhehlerei begangen hat oder gesetzlich verpflichtet war, Steuern einzubehalten und abzuführen oder zu Lasten eines anderen zu entrichten, § 219 Satz 2 AO. So liegt es hier.
5. Die Forderungen sind - entgegen dem Vorbringen des Klägers - auch nicht verjährt.
Anders als im Strafrecht ist im Abgabenrecht auf die 10-jährige Festsetzungsfrist des § 69 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AO abzustellen und nicht auf die 5-jährige Verjährung nach § 16 NKAG i.V.m. § 78 StGB.
II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO.