Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.10.2024, Az.: 6 TaBV 37/24

Zustimmungserfordernis des Betriebsrats zur Eingruppierung eines Mitarbeiters als außertariflicher Angestellter

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
24.10.2024
Aktenzeichen
6 TaBV 37/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 27588
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:1024.6TaBV37.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 18.04.2024 - AZ: 4 BV 7/23

Fundstelle

  • AuR 2025, 77-78

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Eingruppierung eines Arbeitnehmers als sogn. AT-Beschäftigter bedarf der Zustimmung des Betriebsrates nach § 99 Abs.1 BertVG. Im Verweigerungsfall kann der Arbeitgeber ein gerichtliches Ersetzungsverfahren nach § 99 Abs.4 BetrVG einleiten.

  2. 2.

    § 1 Ziff.3 c) VergRTV (neu) der Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungsvereine e.V. ist dahingehend auszulegen, dass zur Prüfung des einzuhaltenden Abstandgebotes das - beabsichtigte - AT-Gehalt und die zutreffende Stufe der höchsten Tarifgruppe H in Anpassung an eine vom Tarifvertrag abweichende individuell vereinbarte Arbeitszeit mit dem einzugruppierenden Arbeitnehmer gegenüberzustellen sind.

  3. 3.

    Soweit die Parteien arbeitsvertraglich zwar einerseits eine mit dem Tarifvertrag übereinstimmende Wochenarbeitszeit von 38,5 Wochenstunden, aber andererseits vereinbaren, dass mit dem Fixgehalt jährlich weitere 240 Überstunden (durchschnittlich 4,65 Stunden mehr also insgesamt 43,15 Stunden pro Woche) abgegolten sind, verändert sich das Verhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitzeit, weshalb bei der Prüfung der Einhaltung des tariflichen Abstandsgebotes unabhängig davon, ob der Arbeitgeber diese Stunden abruft, das - beabsichtigte - AT-Gehalt und die zutreffende höchste Stufe der höchsetn Tarifgruppe H unter entsprechender Anpassung an 43,15 Wochenstunden gegenüber zustellen sind.

Tenor:

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 15.05.2024 - 4 BV 7/23 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Eingruppierung eines Mitarbeiters als außertariflicher Angestellter.

Die Beteiligte zu 1. ist ein Unternehmen und erbringt technische Prüfleistungen. Der Beteiligte zu 2. ist der für den Betrieb zuständige Betriebsrat.

Bei der Beteiligten zu 1. findet der Vergütungsrahmentarifvertrag vom 05.10.1999 in der Fassung vom 01.01.2016 VergRTV (neu)) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Geltungsbereich

...

3. Persönlich:

Für Angestellte und Arbeiter/Arbeiterinnen (im Folgenden Mitarbeiter genannt), deren Arbeitsverhältnis vertragsgemäß zum 01.01.1995 oder später beginnt.

...

Darüber hinaus werden folgende Mitarbeiter vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages nicht erfasst:

...

c)

Ferner diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich festgelegt sind und deren monatliche Vergütung mindestens 10 % über der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H liegt.

§ 2 Allgemeine Grundsätze für die Gewährung der Vergütung

1. Die Vergütung bemisst sich nach den Bestimmungen des Vergütungstarifvertrages in Verbindung mit dem Vergütungsrahmentarifvertrag.

2. Der Mitarbeiter erhält die Vergütung, die sich aus der Vergütungstabelle des Vergütungstarifvertrages in der Tätigkeitsgruppe ergibt, in die er eingruppiert ist, sowie in der Stufe, deren Voraussetzungen er erfüllt.

Die Vergütung kann sich um tariflich festgelegte Zuschläge sowie um eine Führungszulage erhöhen, soweit der Mitarbeiter die für die Gewährung dieser Vergütungsbestandteile festgelegten Voraussetzungen erfüllt.

3. Die Vergütungssätze des Vergütungstarifvertrages sind auf eine während des ganzen Kalendermonats geleistete Tätigkeit bei Zugrundelegung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit abgestellt.

4. Für die Tätigkeit während eines kürzeren Zeitraumes als eines Kalendermonats wird die Vergütung entsprechend dem Anteil des Tätigkeitszeitraumes - gerechnet nach Kalendertagen - gezahlt.

5. Für Teilzeitbeschäftigte errechnet sich die Vergütung nach dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zu der tariflich festgelegten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit."

Zuerst mit Schreiben vom 19.04.2023 ersuchte die Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. um Zustimmung zur Einstellung des Herrn Ö zum 01.06.2023 bzw. einem späteren Zeitpunkt und zu der von ihr vorgesehenen Eingruppierung des Herrn Ö als außertariflicher Angestellter. Der zugrunde liegende Arbeitsvertrag lautet wörtlich u. a. wie folgt:

"§ 3 Vergütung

1. Die Vergütung wird einzelvertraglich festgelegt.

2. Der Mitarbeiter erhält einzelvertraglich eine jährliche außertarifliche fixe Grundvergütung in Höhe von € 70.019,64 brutto, die in zwölf gleichen monatlichen Raten jeweils am Ende des Kalendermonates ausgezahlt werden.

3. Neben der Grundvergütung erhält der Mitarbeiter gemäß der "Gesamtbetriebsvereinbarung Tantieme nichtleitender AT-Mitarbeitende" in der jeweils gültigen Fassung jährlich einen leistungsbezogenen variablen Gehaltsanteil (Tantieme). Die Höhe der Tantieme (gleich Basistantieme bezogen auf zwölf Monate) beträgt:

bei 100 % Zielerfüllung € 3.500,00 brutto.

§ 4 Arbeitszeit

1. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit orientiert sich an den jeweils betriebsüblichen Regelungen. Sie beträgt zurzeit ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden.

2. Die Lage der Arbeitszeit sowie der Pausen wird im Rahmen der gesetzlichen und betrieblichen Regelungen vom Arbeitgeber bestimmt.

3. Der Mitarbeiter ist verpflichtet, in dienstlich notwendigem Umfang auf Anordnung Mehrarbeit zu leisten.

4. Soweit in betrieblichen Regelungen nicht anders festgelegt, sind pro Jahr bis zu 240 der über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus vom Mitarbeiter geleisteten Stunden mit den monatlichen Bezügen abgegolten. Etwaige darüber hinaus geleistete Stunden werden nach Wahl des Arbeitgebers durch Freizeit oder Geld ausgeglichen, soweit es sich hierbei um vom Arbeitgeber angeordnete Mehrarbeit handelt."

Wegen des weiteren Inhaltes dieses Arbeitsvertrages wird auf Bl. 5.AP bis 5.AX der erstinstanzlichen Akte verwiesen.

Nachdem der Beteiligte zu 2. unter dem 24.04.2023 zwar der Einstellung des Herrn Ö zugestimmt, dessen Eingruppierung jedoch wegen eines Verstoßes gegen § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG mit der Begründung verweigert hatte, Herr Ö sei "nach Tarifvertrag" in die Tarifgruppe F einzugruppieren, stellte die Beteiligte zu 1. Herrn Ö zum 16.06.2023 ein.

Am 17.08.2023 hörte die Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. dann erneut zu einer nunmehr beabsichtigten tariflichen Eingruppierung des Herrn Ö in die Vergütungsgruppe G an und bat um Zustimmung. Diese wurde vom Beteiligten zu 2. unter dem 28.08.2023 unter Hinweis darauf, dass die Tätigkeit des Herrn Ö der Vergütungsgruppe F zuzuordnen sei, abgelehnt. Auch ein neuerliches Zustimmungsbegehren der Beteiligten zu 2. im Hinblick auf die beabsichtigte Eingruppierung des Herrn Ö in die tarifliche Entgeltgruppe G vom 16.10.2023 blieb erfolglos.

Schließlich hörte die Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. mit Schreiben vom 13.11.2023 erneut an, dieses Mal jedoch zu einer außertariflichen Eingruppierung mit einem Jahresgehalt von 73.500,00 € zuzüglich einer Tantieme von 3.700,00 € bei 100 % Zielerreichung. Die Übrigen Bedingungen des Arbeitsvertrages sollten unverändert bleiben. Die Beteiligte zu 1. wies den Beteiligten zu 2. zudem darauf hin, dass die zuvor erfolgten Anhörungen zur Eingruppierung damit hinfällig seien.

Der Beteiligte zu 2. stimmte wiederum der Einstellung des Arbeitnehmers Ö, nicht jedoch dessen Eingruppierung als AT-Angestellter zu.

Mit dem am 11.12.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag begehrt die Beteiligte zu 1. die Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. zur Eingruppierung des Arbeitnehmers Ö als AT-Angestellter.

Sie hat die Auffassung vertreten, Herr Ö sei durch einzelvertragliche Vereinbarungen wirksam aus dem Geltungsbereich des VergRTV (neu) ausgenommen. Die ihm zu zahlende monatliche Vergütung sei um 10 % oder mehr höher als die Vergütung nach der Tätigkeitsgruppe H in der zutreffenden Stufe (Grundstufe der Tätigkeitsgruppe H = 5.415,49 €). Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus einer Auslegung des VergRTV (neu).

Der Beteiligte zu 1. hat beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der Eingruppierung des Herrn Ö als außertariflicher Angestellter wird ersetzt.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag der Arbeitgeberin zurückzuweisen.

Er hat die Auffassung vertreten, der Arbeitnehmer Herr Ö sei nicht von dem Geltungsbereich des VergRTV (neu) ausgenommen. Er würde regelmäßig erhebliche Mehrarbeit über die wöchentliche Arbeitszeit hinaus leisten. Unter Berücksichtigung dieser sei das Abstandsgebot gemäß § 1 Abs. 3 c) des VergRTV (neu) nicht eingehalten. Er sei in die Entgeltgruppe F des Tarifvertrages einzugruppieren.

Mit Beschluss vom 18.04.2024 hat das Arbeitsgericht den Antrag der Beteiligten zu 1. zurückgewiesen mit der Begründung, die von der Beteiligten zu 1. und Herrn Ö vereinbarte monatliche Vergütung liege nicht mindestens 10 % über der zutreffenden Stufe der höchsten Tarifgruppe H. Zum einen hätten die Parteien eine fixe Grundvergütung von 70.019,64 € brutto pro Jahr vereinbart, was einer monatlichen Vergütung in Höhe von 5.834,37 € entspreche. Zum anderen sei bei der Ermittlung des Vergütungsabstandes einzubeziehen, dass Herr Ö gemäß § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages verpflichtet sei, auf Anordnung Mehrarbeit zu leisten und für 240 Mehrarbeitsstunden pro Jahr keine gesonderte Vergütung erhalte.

Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Erwägungen wird auf II. des Beschlusses (S. 4 - 6 desselben, Bl. 169 - 174 der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen.

Der Beschluss ist der Beteiligten zu 1. am 15.05.2024 zugestellt worden. Mit am 03.06.2024 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenem Schriftsatz hat sie hiergegen Beschwerde eingelegt und diese unter dem 09.07.2024 begründet.

Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die vom Beteiligten zu 2. verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn Ö als außertariflicher Angestellter zu ersetzen sei. Dazu trägt sie unter anderem Nachstehendes vor:

Zunächst gehe das Arbeitsgericht unzutreffender Weise von einer individuellen Jahresvergütung von 70.019,06 € aus. Tatsächlich habe die Beteiligte zu 1. eine Jahresvergütung von 73.500,00 € brutto zum Gegenstand ihres Antrages gemacht. Darüber hinaus könne die Überstundenregelung bei der Bemessung des Abstandsgebotes keine Berücksichtigung finden. Für eine solche Auslegung des § 1 Ziffer 3 c) VergRTV (neu) gebe es keine Anhaltspunkte im Tarifvertrag. Der VergRTV (neu) stelle zur Berechnung des Abstandsgebots in § 1 Ziffer 3 c) zwei Beträge gegenüber. Auf der einen Seite stehe die höchste Tätigkeitsgruppe H in der zutreffenden Stufe nebst einem Aufschlag von 10 %. Aus § 2 Ziffer 3 VergRTV (neu) ergebe sich zudem, dass die Tabellenentgelte für einen ganzen Kalendermonat bei Zugrundelegung der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit bemessen seien. Die tarifliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit betrage gemäß § 2 Ziffer 1 MTV 38,5 Stunden. Auf der anderen Seite stehe die monatliche Vergütung des ein- bzw. umzugruppierenden Mitarbeiters als Referenzvergütung. Mit Herrn Ö sei ein Jahresgehalt von 73.500 € nebst einer variablen Vergütung vereinbart worden. Dieser habe aufgrund seines AT-Vertrages wöchentlich 38,5 Stunden zu arbeiten, was exakt der tariflichen Wochenarbeitszeit entspreche. Auf Grundlage dieser Arbeitszeit übersteige der Referenzwert den Schwellenwert von 10 %. Die Berechnung sei einfach, da bereits in dem Wortlaut der Norm überhaupt kein Bezug auf andere Vergütungsbestandteile hergestellt werde. Nur wenn überhaupt andere Vergütungsbestandteile erwähnt worden wären, nehme das Bundesarbeitsgericht eine weitergehende Interpretation vor. Die Vergleichsberechnung erfasse im vorliegenden Fall somit gerade nicht sämtliche Vergütungsbestandteile, die dem AT-Mitarbeiter auf der Grundlage seines AT-Vertrages zufließen würden, diese blieben vielmehr bei der Bemessung des Abstandsgebotes außen vor. Das sei auch aus Billigkeitserwägungen nicht veranlasst. Diese seien dem Eingruppierungsverfahren ohnehin fremd, da es um die bloße Anwendung einer kollektiven Vergütungsordnung gehe. Für Herrn Ö bestehe zudem die Möglichkeit, Überstunden durch Freizeit abzubauen. Abgesehen davon verändere sich die monatliche Vergütung durch pauschal abgegoltene Überstunden nicht. Der Arbeitnehmer enthalte jeden Monat mindestens die vertraglich vereinbarte Vergütung. Was sich verändere, sei allein das Verhältnis von Vergütung und Arbeitszeit. Dieses Verhältnis habe der Tarifvertrag aber ausdrücklich nicht zum Gegenstand der Tarifnorm werden lassen. Wenn überhaupt, sei aus § 2 Ziffer 3 VergRTV (neu) abzuleiten, dass die Vergütung im Verhältnis zu 38,5 Stunden pro Woche gegenüber zu stellen sei, was hier deshalb unproblematisch sei, weil auch Herr Ö für 38,5 Stunden seine festgehaltene Fixvergütung erhalte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass aufgrund des Tatbestandsmerkmals "einzelvertraglich" der Schritt in die Außertariflichkeit voraussetze, dass der Arbeitnehmer willentlich einen sogenannten AT-Arbeitsvertrag abschließe. Es könne davon ausgegangen werden, dass der Arbeitnehmer das Gesamtpaket an Vergütung für attraktiv genug befunden habe, um den Abschluss eines sogenannten AT-Vertrages zu vollziehen. Eine materielle Kompensation von etwaigen Nachteilen des AT-Status könne er daher nicht verlangen, weshalb diese auch bei der Bemessung des Abstandsgebotes keine Berücksichtigung finden könnten. Zudem sei es praktisch nicht brauchbar, den Tarifunterworfenen aufzugeben, Vergütungsbestandteile daraufhin zu untersuchen, ob diese bei der Berechnung des Abstandsgebotes Berücksichtigung finden müsste. Dies gelte umso mehr für Vergütungsbestandteile, die überhaupt nicht monatlich anfallen würden, obwohl der Tarif auf eine monatliche Vergütung als Referenzwert abstelle. Wenig pragmatisch erscheine es auch, wenn Betriebsräte und Personalabteilungen ermitteln müssten, bei welchem Arbeitnehmer welche Überstunden anfallen würden oder eben nicht oder welche Tantieme und Zielerreichungsgrade diese erhalte.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 29.04.2024 - 4 BV 7/23 - aufzuheben und die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der Eingruppierung des Ö als außertariflicher Angestellter zu ersetzen.

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss als zutreffend und führt dazu unter anderem Folgendes aus:

Tatsächlich betrage das vereinbarte Fixgehalt des Herrn Ö 73.500,00 € jährlich und somit 6.125,00 € monatlich. Doch auch unter Zugrundelegung dieser Zahlen sei das Abstandsgebot nicht gewahrt. Zu Recht habe das Arbeitsgericht die Überstundenregelung bei der Bemessung des Abstandsgebotes einbezogen. Die Berücksichtigung der unbezahlten Überstunden sei kein weiterer Vergütungsbestandteil, sondern betreffe eine Frage der Arbeitszeit. Die Beteiligte zu 1. führe selber aus, dass sich das Tarifentgelt aus den Komponenten monatliche Vergütung und Arbeitszeit zusammensetze. Durch die Überstundenanordnungsklausel in § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages sei die Beteiligte zu 1. berechtigt, im notwendigen Umfang Überstunden von dem Arbeitnehmer zu verlangen. § 4 Abs. 4 konkretisiere sodann, dass 240 Überstunden im Jahr mit dem Gehalt abgegolten seien. Die Beteiligte zu 1. könne mit diesem Gehalt somit nicht nur 38,5 Stunden wöchentlich, gleich 167,24 Stunden monatlich, sondern 187,24 Stunden monatlich abrufen. Ob sie hier von Gebrauch mache, stehe in ihrem Ermessen. Rufe sie bei den tariflichen Mitarbeitern Überstunden ab, erhöhe sich deren Gehalt in dem Verhältnis, in dem die Mehrarbeit abgerufen werde. Bei den AT-Beschäftigten verändere sich demgegenüber durch die Abgeltungsklausel das Verhältnis von Vergütung zu Arbeitszeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten im Vortrag der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 09.07., 29.07., 21.10. und 22.10.2024 sowie auf die in der mündlichen Anhörung am 24.10.2024 von dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen Bezug genommen

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg und unterliegt der Zurückweisung

1.

Sie ist nach § 87 Abs. 1 ArbGG zwar statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 87 Abs. 2 Satz 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 89 Abs. 2 ArbGG.

2.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den zulässigen Zustimmungsersetzungsantrag der Beteiligten zu 1. zu Recht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde unterliegt der Zurückweisung.

a)

Neben der Beteiligten zu 1. als Arbeitgeberin und dem Beteiligten zu 2. als Betriebsrat ist nach § 83 Abs. 3 ArbGG keine andere Stelle zu beteiligen. Insbesondere wird der Arbeitnehmer, Herr Ö, nicht in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Position berührt (vgl. BAG, 24.02.2021 - 4 ABR 10/209 - Rn. 13).

b)

Gegenstand des Verfahrens ist die kollektivrechtliche Eingruppierung des bereits eingestellten Herrn Ö als außertariflicher (AT) Angestellter auf Grundlage der Schreiben vom 23.04.2023 und vom 13.11.2023. Die Beteiligte zu 1. wollte erkennbar das bereits mit Schreiben vom 23.04.2023 eingeleitete Zustimmungsverfahren gerichtet auf eine außertarifliche Eingruppierung des Mitarbeiters Ö mit dem Schreiben vom 13.11.2023 allein mit Modifikationen bei dessen Jahresvergütung (anstelle von zunächst 70.019,64 € dann 73.500,00 €) und der Tantieme fortsetzten. Die zwischenzeitlich eingeleiteten Zustimmungsverfahren hat die Beteiligte zu 1. dadurch zurückgezogen, dass sie im Schreiben vom 13.11.2023 ausdrücklich erklärt hat, die eingereichten Anhörungen vom 17.08.2023 und 16.10.2023 seien "hinfällig" (vgl. hierzu BAG, 13.12.2023 - 1 ABR 28/22 - Rn.15).

c)

Es bedarf der Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der beabsichtigten Eingruppierung des Herrn Ö gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

aa)

Die Beteiligte zu 1. beschäftigt in ihrem Unternehmen unstreitig mehr als 20 zum Betriebsrat wahlberechtigte Arbeitnehmer.

bb)

Im Betrieb der Beteiligten zu 1. besteht eine kollektive Vergütungsordnung in Gestalt der Anwendung des VergRTV (neu) und des Vergütungstarifvertrages einerseits sowie einer einzelvertraglich vereinbarten Vergütung außerhalb der tariflichen Vorgaben andererseits.

cc)

Die geplante außertarifliche Vergütung des Herrn Ö stellt eine Eingruppierung im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dar. Eine Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist die - erstmalige oder erneute - Einreihung eines Arbeitnehmers in eine betriebliche Vergütungsordnung. Dabei handelt es sich um einen Akt der Rechtsanwendung. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates ist ein Mitbeurteilungsrecht. Dessen Beteiligung soll dazu beitragen, dass diese Rechtsanwendung möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt. Sie dient der einheitlichen Anwendung der Vergütungsordnung in gleichen sowie vergleichbaren Fällen und damit der innerbetrieblichen Entgeltgerechtigkeit sowie Transparenz der betrieblichen Vergütungspraxis (vgl. BAG 23.02.2021 - 1 ABR 4/20 - Rn. 2). Dabei gehören zur betrieblichen Vergütungsordnung nicht nur die tarifliche Vergütungsordnung, sondern auch der außertarifliche Bereich (BAG, 12.12.2006 - 1 ABR 13/06 - Rn. 15). Die Beurteilung des Arbeitgebers, die Tätigkeit des Arbeitsnehmers sei dem außertariflichen Bereich zuzuordnen, ist ebenfalls eine Eingruppierung i. S. v. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG (BAG, aaO, Rn. 16).

d)

Die Beteiligte zu 1. hat das Zustimmungsverfahren zuletzt mit dem Schreiben vom 13.11.2023 ordnungsgemäß i. S. v. § 99 Abs.1 BetrVG eingeleitet. Der Beteiligte zu 2. hat seine Zustimmung am 20.11.2023 innerhalb der Wochenfrist in Schriftform und damit form- und fristgerecht gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG unter Verweis darauf, die Eingruppierung des Herrn Ö habe nicht als außertariflicher Angestellter, sondern auf Grundlage des Tarifvertrages nach Tätigkeitsgruppe F und damit als tariflicher Angestellter zu erfolgen, gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen eines Verstoßes der Eingruppierung gegen einen Tarifvertrag verweigert. Seine Zustimmung gilt danach nicht als erteilt, § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

e)

Der Antrag der Beteiligten zu 1. auf Ersetzung der Zustimmung des Beteiligten zu 2. ist unbegründet. Der Beteiligte zu 2. hat seine Zustimmung zur Eingruppierung des Herrn Ö als außertariflichen Angestellten zu Recht verweigert. Diese verstößt gegen § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu). Herr Ö kann nicht als AT-Angestellter eingruppiert werden, sondern ist auf Grundlage der Vergütungstabellen des Vergütungstarifvertrages in Verbindung mit dem Vergütungsrahmentarifvertrag einzugruppieren. Dem hat die Beteiligte zu 1. mit ihrem Zustimmungsantrag vom 13.11.2023 nicht entsprochen. Allein deshalb ist die beantragte Zustimmung nicht zu ersetzen. Ob die vom Beteiligten zu 2. reklamierte Eingruppierung in die tarifvertragliche Tätigkeitsgruppe F zutreffend ist, muss im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden, sondern bleibt einem von der Beteiligte zu 1. eventuell in der Zukunft einzuleitenden neuen Verfahren nach § 99 BetrVG vorbehalten (vgl. BAG, 03.05.1994 - 1 ABR 58/93 - Rn. 29).

aa)

Dass der VergRTV (neu) i. V. m. dem Vergütungstarifvertrag als kollektives Entgeltschema im Betrieb der Beteiligten zu 1. Anwendung findet, ist unstreitig.

bb)

Herr Ö fällt in den persönlichen Anwendungsbereich dieses Tarifvertrages.

aaa)

Dass die Voraussetzungen für den Ausschluss von Herrn Ö aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Vergütungsrahmentarifvertrages nach dessen § 1 Ziff. 3 a) und b) nicht erfüllt sind, ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

bbb)

Auch der Ausschlusstatbestand nach § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) ist in Bezug auf Herrn Ö nicht gegeben.

(1)

Nach § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) werden diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen ausschließlich einzelvertraglich festgelegt sind und deren Vergütung mindestens 10 % über der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsstufe H liegt, nicht vom persönlichen Anwendungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst.

(2)

Diese Voraussetzungen für eine außertarifliche Eingruppierung sind bei Herrn Ö nicht erfüllt. Es fehlt jedenfalls an der Einhaltung des 10 %-igen Abstandsgebotes.

(a)

Die monatliche Vergütung nach der für Herr Ö zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H betrug zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zustimmungsantrages vom 13.11.2023 5.415,49 € brutto. Die Beteiligte zu 1 und Herr Ö haben zuletzt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsvertrages eine "jährliche außertarifliche fixe Grundvergütung in Höhe von EUR 73.500 brutto, die in zwölf gleichen monatlichen Raten ... ausgezahlt wird" vereinbart. Sein fixes monatliches Grundgehalt beträgt mithin 6.125,00 € brutto.

(b)

Allein auf dieser Grundlage wäre das tarifliche Abstandsgebot für die Herausnahme des Herrn Ö aus dem persönlichen Anwendungsbereich des VergRTV (neu) zwar eingehalten (6.125,00 € minus 5.415,49 € ergibt 709,51 € und damit mehr als 10 % von 5.415,49 € gleich 541,55 €).

(c)

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich die mit der monatlichen Vergütung von durchschnittlich 6.125,00 € abgegoltenen arbeitsvertragliche monatliche Arbeitszeit des Herrn Ö nicht auf die wöchentliche regelmäßige tarifliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden beschränkt, sondern unter Einbeziehung von jährlich weiteren 240 Stunden, also durchschnittlich monatlich 20 Stunden entsprechend wöchentlich 4,65 Stunden (gleich 20 Stunden geteilt durch 4,3 Wochen pro Monat), auf insgesamt 43,15 Wochenstunden erstreckt (4,65 Stunden plus 38,5 tarifliche Arbeitszeit).

(d)

Setzt man diese wöchentliche Arbeitszeit von 43,15 Stunden und die hierfür geschuldete AT- Vergütung in Höhe von 6.125,00 € ins Verhältnis zu der für 43,15 Wochenstunden tariflich geschuldeten Vergütung nach der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H in Höhe von 5.415,49 €, ergibt sich, dass das Abstandsgebot von mindestens 10 % nicht erreicht wird. 5.415,49 € dividiert durch 165,5 Stunden als regelmäßige tarifvertragliche monatliche Arbeitszeit bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden - Faktor 4,3 - multipliziert mit der individuellen Arbeitszeit von 185,55 Stunden im Monat bei 43,15 Stunden in der Woche - Faktor 4,3 - ergibt 6.071,56 €. Die AT-Vergütung des Herrn Ö in Höhe von 6.125,00 € liegt offensichtlich nicht mindestens 10%, sondern noch nicht einmal 1 % über 6.071,56 €.

(e)

Die Beteiligte zu 1. und Herr Ö haben für das Fixgehalt von monatlich 6.125,00 € im Arbeitsvertrag unter § 4 Abs. 4 eine von der tarifvertraglichen regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden abweichende, individuelle Arbeitszeit vereinbart.

(aa)

Bei dem Arbeitsvertrag handelt es sich bereits nach seinem äußeren Erscheinungsbild um einen Formularvertrag, der nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen rechtlich zu bewerten und auszulegen ist (vgl. BAG, 22.02.2023 - 4 AZR 68/22 - Rn. 16).

(bb)

An der Wirksamkeit der in § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages getroffenen Vereinbarung bestehen mit Blick auf die Konkretisierung auf 240 Stunden Mehrarbeit pro Jahr sowie ausgehend von der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich unter dem Aspekt der hinreichenden Bestimmtheit und Transparenz gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB keine rechtlichen Bedenken (vgl. zu den Anforderungen an derartige Regelungen nur BAG 01.09.2010 - 5 AZR 517/09 - Rn. 15).

(cc)

Als Allgemeine Geschäftsbedingungen ist § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages ausgehend vom Wortlaut nach seinem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie er von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden wird, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners der Beteiligten zu 1. als Verwenderin zugrunde zu legen sind. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis ist auch der von den Vertragsparteien verfolgte typische und von redlichen Geschäftspartner angestrebte Regelungszweck. Bleibt nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden ein nicht behebbarer Zweifel, geht dieser gemäß § 305 c Abs. 2 BGB zulasten des Verwenders (vgl. BAG, 25.01.2023 - 10 AZR 109/22 - Rn. 21).

(dd)

Danach ergibt die Auslegung, dass die Parteien des Arbeitsvertrages in § 4 Abs. 4 für das Fixgehalt des Herrn Ö eine individuelle Arbeitszeit von wöchentlich 43,15 Stunden vereinbart haben.

In § 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages ist zwar bestimmt, dass sich die wöchentliche Arbeitszeit des Herrn Ö an den jeweils betriebsüblichen Regelungen orientiert und zurzeit 38,5 Stunden beträgt. Das entspricht der tarifvertraglich regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit. Nach § 4 Abs. 3 des Arbeitsvertrages ist Herr Ö jedoch verpflichtet, in dienstlich notwendigem Umfang auf Anordnung Mehrarbeit zu leisten. Diese ist dann - soweit keine anderweitigen betrieblichen Regelungen bestehen - nach § 4 Abs. 4 Satz 1 des Arbeitsvertrages pro Jahr bis zu 240 der über die vertraglich geschuldete Arbeitszeit hinaus geleisteten Stunden mit den monatlichen Bezügen abgegolten. Damit mag zwar in erster Linie eine Vergütungs- und keine Arbeitszeitvereinbarung getroffen worden sein (vgl. BAG, 17.10.2012 - 5 AZR 697/11 - Rn. 18). Abgesehen davon, dass die Parteien diese Reglung gleichwohl nicht in § 3 des Arbeitsvertrages mit der Überschrift "Vergütung", sondern in § 4 unter der Überschrift "Arbeitszeit" getroffen haben, muss sich ein verständiger Vertragspartner der Beteiligten zu 1. nach dieser Bestimmung jedoch darauf einstellen, im Jahresdurchschnitt wöchentlich nicht nur 38,5 Stunden, sondern auf Anordnung der Beteiligten zu 1. bis zu 43,15 Stunden arbeiten zu müssen, ohne dass sich sein AT-Gehalt erhöht. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das Ob und die Höhe der angeordneten Mehrarbeit im Vorhinein nicht feststehen. Die Beteiligte zu 1. schuldet das fixe monatliche Bruttoentgelt bis zur Grenze von max. 240 Überstunden pro Jahr gerade unabhängig von der abgerufenen und tatsächlich geleisteten Arbeitszeit (vgl. BAG, 20.06.2013 - 2 AZR 396/12 - 2 AZR 396/12 - Rn. 23). Die Anordnung der Mehrarbeit obliegt allein der Beteiligten zu 1.. Herr Ö kann sich einer Anordnung im dienstlich notwendigen Umfang nicht entziehen; er ist dann arbeitsvertraglich zur Ableistung dieser Mehrarbeit allein auf Grundlage seines Festgehaltes verpflichtet. Mit der Zahlung von monatlich 6.125,00 € werden daher mit und ohne entsprechender Anordnung nicht nur durchschnittlich 38,5 Wochen- und 165,5 Monatsarbeitsstunden, sondern grundsätzlich bis zu 43,15 Wochen- und 185,55 Monatsarbeitsstunden vergütet. Dabei kann die Regelung zwar nicht dahin verstanden werden, dass das monatliche Bruttoentgelt nur dann in voller Höhe ausgezahlt wird, wenn Herr Ö als Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung von durchschnittlich 43,15 Wochenstunden erbringt. Das ändert aber nichts daran, dass sich die vereinbarte Vergütung auf 240 Stunden jährlich und durchschnittlich 4,65 Wochenstunden bezieht, die über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden auf Anordnung der Beteiligten zu 1. zu leisten sind, und zwar unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die Beteiligte zu 1. hiervon Gebrauch macht. Ein verständiger Arbeitnehmer kann die Vertragsklausel so verstehen, dass für die Fixvergütung eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nicht nur von 38,5 Stunden, sondern von bis zu 43,15 Stunden zu erbringen ist. Selbst wenn insoweit Zweifel bestehen würden, gingen diese zu Lasten der Beteiligten zu 1. als Verwenderin der Klausel.

(f)

Bei der Vergleichsbetrachtung nach § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) sind deshalb ein AT-Gehalt von 6.125,00 € pro Monat und eine monatliche Vergütung nach Tätigkeitsgruppe H in Anpassung an die individuelle vereinbarte Arbeitszeit von 43,15 Wochenstunden zu berücksichtigen. Das ergibt die Auslegung von §§ 1 und 2 VergRTV (neu) eindeutig.

(aa)

Die maßgeblichen tariflichen Bestimmungen gehören zum normativen Teil des VergRTV (neu). Ihre Auslegung folgt deshalb den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regelungen. Danach ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, ohne jedoch am Buchstaben zu haften. Es sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien sowie der Sinn und Zweck der Tarifnorm zu berücksichtigen. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrages, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Mit zu berücksichtigen ist schließlich die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. nur BAG, 12.10.2022 - 5 AZR 48/22 - Rn. 19).

(bb)

Danach sind zunächst bei der individuell vereinbarten Vergütung die Tantieme nicht - (aaa) - und bei der Vergütung nach der höchsten Tätigkeitsgruppe H - mit Ausnahme von vorliegend nicht relevanten tariflichen Zuschläge und der Führungszulage - keine etwaigen weiteren tariflichen Zusatzleistungen zu berücksichtigen - (bbb) -.

(aaa)

§ 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) stellt vom Wortlaut her ausdrücklich auf die monatliche Vergütung ab. Die Tantieme wird demgegenüber - bei entsprechender Zielerreichung - nicht monatlich, sondern für das Geschäftsjahr, also einem 12 Monatszeitraum gezahlt. Bei der Tantieme steht zudem erst nach Ablauf des zwölfmonatigen Bezugszeitraumes der Grad der Zielerfüllung und damit deren konkrete Höhe fest. Bei der Ersteingruppierung als AT-Angestellter können dazu noch keinerlei Angaben ermittelt und getätigt werden. Nach dem Sinn und Zweck ist deshalb davon auszugehen, dass die Tarifparteien keine Gegenüberstellung der Gesamtvergütung bestehend aus fixer Grundvergütung einschließlich variabler leistungsabhängiger Vergütungsbestandteile und der im Tarifvertrag vorgesehenen Vergütung nach der höchsten Tätigkeitsgruppe H wollen; vielmehr sollen im Sinne der Praktikabilität ersichtlich zwei feststehende und fixe Vergütungen miteinander verglichen werden.

(bbb)

Nach § 2 Ziff. 2 VergRTV (neu) erhält der Mitarbeiter die Vergütung, die sich aus der Vergütungstabelle des Vergütungstarifvertrages in der Tätigkeitsgruppe ergibt, in die er eingruppiert ist, sowie in der Stufe, die er erfüllt. Diese ist auf den Monat bezogen. Nach § 2 Ziff. 2 Abs. 2 VergRTV (neu) kann sich diese Vergütung ausschließlich um tarifliche festgelegte Zuschläge sowie eine Führungszulage erhöhen. Weitere Aufstockungsleistungen werden nicht genannt, weshalb davon auszugehen ist, dass die Tarifvertragsparteien insoweit keine Erhöhung vornehmen wollen. Dass Herrn Ö aufgrund seiner Tätigkeit einen Anspruch auf einen tariflich festgelegten Zuschlag oder eine Führungszulage im Sinne von § 2 Ziff. 2 Abs. 2 VergRTV (neu) zustehen könnte, ist weder ersichtlich noch von den Beteiligten vorgetragen worden. Die Tantieme ist weder ein tariflicher Zuschlag noch eine Führungszulage.

(cc)

Die Auslegung der §§ 1, 2 VergRTV (neu) ergibt für die Abstandsberechnung zwischen der individuell vereinbarten Monatsvergütung und dem Monatseinkommen nach der höchsten Tätigkeitsgruppe H zudem, dass letzteres unter Zugrundelegung der individuellen Arbeitszeit des AT-Angestellten zu ermitteln ist, soweit diese von der tariflichen Regelarbeitszeit abweicht.

Der Wortlaut von § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) ist insoweit zwar nicht eindeutig, als er allein auf die monatliche Vergütung abstellt. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung ist jedoch hervorzuheben, dass sich nach § 2 Ziff. 1. und 2. VergRTV (neu) die Vergütung der Mitarbeitenden nach den Bestimmungen des Vergütungstarifvertrages in Verbindung mit dem Vergütungsrahmentarifvertrag bemisst und die Mitarbeitenden die Vergütung erhalten, die sich aus der Vergütungstabelle des Vergütungstarifvertrages in der Tätigkeitsgruppe ergibt, in die sie jeweils eingruppiert sind. Diese Vergütung erstreckt sich gemäß § 2 Ziff. 3 VergRTV (neu) ausdrücklich auf die während eines Kalendermonats geleistete Tätigkeit bei Zugrundelegung der tariflichen regelmäßigen Arbeitszeit. Die Tarifvertragsparteien haben somit erkennbar eine Verknüpfung zwischen der regelmäßigen tarifvertraglichen Arbeitszeit von derzeit 38,5 Wochenstunden und der tariflichen Vergütung hergestellt. Das spricht dafür, dass für die Abstandermittlung das Monatsgehalt im Sinne von § 2 Ziff. 2 VergRTV (neu) nur dann maßgeblich ist, wenn die individuelle Arbeitszeit des Mitarbeitenden der tariflichen Regelarbeitszeit entspricht. Das wird verstärkt durch die Regelungen in § 2 Ziff. 5 VergRTV (neu), wonach sich für Teilzeitbeschäftigte die Vergütung nach dem Verhältnis der mit ihnen vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit zu der vertraglich festgelegten regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit errechnet. Daraus wird ebenfalls die Vorstellung der Tarifvertragsparteien ersichtlich, dass das Monatsgehalt mit der Ableistung der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit verknüpft ist. Auch wenn ein vollzeitig beschäftigter AT-Angestellter kein Teilzeitarbeitnehmer ist, lässt sich die in § 2 Ziff. 5 VergRTV (neu) vorgegebene Rechenformel bei jedweden individuellen Arbeitszeitvereinbarungen anwenden, die die tarifvertragliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit entweder unter- oder überschreiten. Das Verständnis, wonach das monatliche Tarifentgelt i. S. v. § 1 Ziff. 3 c) VergRTV unter Berücksichtigung der individuellen Arbeitszeit des betroffenen Arbeitnehmers zu berechnen ist, erschließt sich zudem aus dem Zweck der Tarifreglungen. Dieser besteht darin, dem außertariflichen Angestellten eine Kompensation für die mit dem AT-Status verbundene Preisgabe tariflicher Ansprüche und Rechte zu schaffen. Für die sachliche Rechtfertigung des Verzichts ist nach § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) als Ausgleich die Höhe des zugesagten Entgeltes entscheidend. Die Höhe wird aber stets durch die mit dem Entgelt abgegoltene Arbeitszeit bestimmt (vgl. BAG, 18.11.2020 - 5 AZR 21/20 - Rn. 30). Dieses Tarifverständnis steht schließlich im Einklang mit der sonstigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zum Abstandsgebot bei AT-Angestellten. Danach soll in Ermangelung einer anderweitigen Bestimmung des Tarifvertrages das Tarifgehalt der höchsten Gehaltsgruppe für die Abstandsberechnung auch dann maßgeblich sein, wenn diesem die tarifliche Regelarbeitszeit zugrunde liegt und die Arbeitszeit des AT- Angestellten die tarifliche regelmäßige Arbeitszeit überschreitet. Nur bei Fehlen einer besonderen tariflichen Regelung oder im Zweifelsfall ist danach die tarifliche Regelarbeitszeit zugrunde zu legen (vgl. BAG, 25.04.2018 - 5 AZR 85/17 - Rn. 30). Der vorliegend maßgebliche VergRTV (neu) enthält jedoch - wie ausgeführt - eine hinreichend klare Verknüpfung zwischen tarifvertraglich regelmäßiger Arbeitszeit und Vergütung sowie Regelungen zur konkreten Berechnung des Abstandes, weshalb ein Rückgriff auf "Zweifelsregeln" nicht veranlasst ist (vgl. BAG, 18.11.2020 - 5 AZR 21/20 - Rn. 31 m. w. N).

III.

Eine Kostenentscheidung ist gemäß § 2 Abs. 2 GKG nicht veranlasst.

IV.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht u. a. wegen der abweichenden Entscheidung der 15. Kammer des LAG Niedersachsen zum Az. 15 TaBV 79/23 zur Auslegung des § 1 Ziff. 3 c) VergRTV (neu) - Rechtsbeschwerde bei BAG anhängig zum Az. 4 ABR 4/23 - sowie der 10. Kammer des LAG Niedersachsen - 10 TaBV 18/24 - auf § 92 Abs. 2 i. V. m § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG.