Oberlandesgericht Braunschweig
Urt. v. 30.10.2024, Az.: 9 U 78/23
Schadensersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung und unerlaubter Handlung gegen einen Veranstalter unerlaubten Online-Glücksspiels; Nichtigkeit des Glücksspielvertrages
Bibliographie
- Gericht
- OLG Braunschweig
- Datum
- 30.10.2024
- Aktenzeichen
- 9 U 78/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 32165
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGBS:2024:1030.9U78.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Braunschweig - 10.11.2023 - AZ: 1 O 510/23
Rechtsgrundlagen
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Anbieter unerlaubter Online-Glücksspiele haftet aufgrund eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 in der Fassung vom 15. Dezember 2011 (in Niedersachsen in Kraft seit dem 1. Juli 2012) Spielern, die an seinen unerlaubt angebotenen und durchgeführten Online-Glücksspielen teilgenommen und dabei Geld verloren haben, nach § 823 Abs. 2 BGB auf Rückzahlung ihrer Verluste; § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist insoweit ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (entgegen OLG Oldenburg, Urteil vom 30.11.2023 - 1 U 14/23, juris, Rn. 68 ff., 73, 75; Anschluss an OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, Rn. 159 ff., 170, 163; Anschluss an OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - I-19 U 51/22, juris, Rn. 74).
- 2.
Für ein Mitverschulden des Spielers muss der Anbieter mindestens darlegen und ggf. beweisen, dass der Spieler Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Verbotensein eines Online-Glücksspiels hatte; der pauschale Hinweis auf eine "umfangreiche Medienberichterstattung" reicht dafür nicht aus; es besteht bereits keine Medienverfolgungspflicht des Geschädigten im Interesse des deliktischen Schädigers (Fortführung zu Senat, Urteil vom 23. Februar 2023 - 9 U 3/22, Ls. 7 und Rn. 136; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, juris, Rn. 18; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 679/21, juris, Rn. 28).
- 3.
Soweit der Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV des Teilnehmers eines unerlaubten Online-Glücksspiels gegen dessen Anbieter zwar entstanden, aber verjährt ist, kann für den verjährten Zeitraum der Teilnehmer nach Maßgabe des § 852 BGB seine Verluste nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung vom Anbieter herausverlangen.
In dem Rechtsstreit
der P. Ltd., vertr. durch ihre Geschäftsführer, Malta,
Beklagte, Berufungsklägerin und Anschlussberufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte:
T.
gegen
Herrn K.,
Kläger, Berufungsbeklagter und Anschlussberufungskläger,
Prozessbevollmächtigte:
E.
hat das Oberlandesgericht Braunschweig - 9. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Brand, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Schäfer-Altmann und den Richter am Landgericht Wieder im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO auf die Schriftsätze, die bis zum 04.10.2024 eingereicht werden konnten, für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Berufung der Beklagten sowie die hinsichtlich des Zinsbeginns klageerweiternde Anschlussberufung des Klägers wird das am 10.11.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Braunschweig - 1 O 510/23 - unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung sowie der weitergehenden Anschlussberufung teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.984,91 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf einen Betrag von 18.650,51 € seit dem 16.11.2022, auf einen weiteren Betrag von 60,- € seit dem 17.11.2022 und auf einen restlichen Betrag von 1.274,40 € seit dem 17.02.2023 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.214,99 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- 2.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
- 3.
Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Braunschweig, soweit es aufrechterhalten worden ist, sind vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
- 4.
Die Revision wird zugelassen.
- 5.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 19.984,91 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Geldeinsätzen, die er bei Glücksspielen im Zeitraum vom 05.07.2018 bis zum 16.11.2022 auf einer von der Beklagten betriebenen Webseite für Online-Glücksspiele verloren hat, nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 3 - 5 = Bl. 170 - 172 d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Es wird auf den Berichtigungsbeschluss vom 27.11.2023 (Bl. 185, 185R d. A.) Bezug genommen, wobei auch darin die Jahreszahl des Zinsbeginns entgegen dem erstinstanzlichen Antrag und entgegen den Urteilsgründen zu Ziff. 3 auf S. 10 (Bl. 177 d. A.) versehentlich mit "2022" statt "2023" genannt ist.
Die Klage sei zulässig, insbesondere sei das Landgericht Braunschweig international gemäß Art. 18 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/ EuGVVO) i. V. m. Art. 17 Absatz 1 c) EuGVVO zuständig. Der Kläger sei Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO, weil er nicht berufs- oder gewerbebezogen gehandelt habe. Trotz der hohen Einsätze über einen längeren Zeitraum habe er noch in seiner Eigenschaft als Verbraucher gehandelt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) sei selbst eine Person, die regelmäßig viele Stunden am Tag online Poker spiele, um damit Gewinne zu erzielen, noch als Verbraucher anzusehen.
Die Klage sei begründet. Deutsches Recht sei nach Art. 6 Abs. 1 der VO (EG) 593/2008 (Rom I-VO) anwendbar.
Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Rückzahlung des Differenzbetrags zwischen den von ihm im Zeitraum vom 05.07.2018 bis zum 16.11.2022 vorgenommenen Einzahlungen i. H. v. 37.214,91 € und erhaltenen Auszahlungen i. H. v. 17.230,- €, mithin i. H. v. 19.984,91 € aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung zu. Der Kläger habe die Einzahlungen ohne rechtlichen Grund geleistet, weil der von den Parteien geschlossene Vertrag nach § 134 BGB i.V.m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 (Glücksspielstaatsvertrag v. 15.11.2011) nichtig gewesen sei.
Das Verbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, öffentliche Glücksspiele im Internet zu veranstalten, habe im Einklang mit dem Unionsrecht gestanden. Eine etwaige Duldung der Behörden ändere ebenso wenig etwas an der Gesetzeslage wie der Umstand, dass § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht mehr gültig sei.
Der Rückforderung stehe § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht entgegen, da verbotene bzw. nichtige Glücksspielverträge hiervon nicht erfasst seien.
Die Rückforderung sei nicht nach § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Ob der Kläger positive Kenntnis davon gehabt habe, dass der Vertrag mit der Beklagten gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen habe, oder ob er sich dem leichtfertig verschlossen habe, könne dahinstehen. Die Anwendung des § 817 Satz 2 BGB sei bereits aufgrund einer teleologischen Reduktion ausgeschlossen. Das allgemeine Präventionsziel des § 817 Satz 2 BGB könne im Einzelfall mit Steuerungszielen kollidieren, die sich aus der durch die Leistung verletzten Rechtsvorschrift bzw. aus jener Wertung ergeben, die die Leistung als sittenwidrig erscheinen lasse. Der Bundesgerichtshof habe dies etwa in den "Schenkkreisfällen", die nach einem Schneeballsystem funktionierten, angenommen. In diesen Fällen würde die Wirkung des Verbots im Ergebnis konterkariert und die Initiatoren solcher "Spiele" zum Weitermachen geradezu eingeladen, wenn sie die mit sittenwidrigen Methoden erlangten Gelder ungeachtet der Nichtigkeit der das "Spiel" tragenden Abreden behalten dürften. Diese Grundsätze ließen sich hier übertragen. Die Ziele des GlüStV 2012 - Verhinderung von Glücksspielsucht, Spielerschutz, eine Lenkung des Spieltriebes der Bevölkerung in geordnete Bahnen sowie das Entgegenwirken der Entwicklung und Ausbreitung von unerlaubten Glücksspielen - könnten nur dann effektiv erreicht werden, wenn das Angebot solcher Spiele für inländische Verbraucher unterbunden werde. Könnten Verbraucher diese Zahlungen nicht zurückfordern, würde dies den Betreibern der entsprechenden Seiten einen erheblichen Anreiz schaffen, wie zuvor weiterzumachen. Das Verbot hätte für sie kaum spürbare Auswirkungen.
Dadurch würde nicht die Spielsucht "befeuert". Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich ein Verbraucher bzw. der Spieler so sehr über die rechtliche Lage informiere, dass er vor dem Spielen von seinem Rückforderungsrecht Kenntnis habe. Wäre dies anders und würden die meisten Verbraucher von einer Rückforderungsmöglichkeit Gebrauch machen, würden die Betreiber dieser Seiten das Glücksspiel für deutsche Kunden nicht mehr anbieten und das Ziel des Gesetzgebers wäre erreicht. Im Übrigen sei das Risiko, die Rückzahlungspflicht im Ausland nicht durchsetzen zu können, erheblich.
Unabhängig davon stehe einer Kenntnis des Klägers entgegen, dass die Beklagte mit ihrem Angebot den Eindruck der Legalität erzeugt habe. Sie begründe im Übrigen umfangreich, dass ihr Angebot legal sei. Selbst wenn sich der Kläger mit der Frage der Zulässigkeit intensiv beschäftigt hätte, wäre dies ohne ein klares Ergebnis geblieben.
Die Rückforderung sei nicht nach § 242 BGB ausgeschlossen. Die Beklagte, die selbst gegen den GlüStV 2012 verstoßen habe, könne sich hierauf nicht berufen.
Die Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Dem Vorbringen des Klägers, dass er erst durch anwaltliche Beratung im Februar 2023 von seinen Ansprüchen Kenntnis erlangt habe, sei die Beklagte nicht hinreichend substantiiert entgegengetreten.
Der Kläger habe einen Anspruch auf Zinsen auf die Hauptforderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.02.2023 gemäß den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB. Ein Anspruch auf die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestehe gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 281 BGB aufgrund der mit der Klageerwiderung verbundenen ernsthaften und endgültigen Verweigerung der Beklagten.
Gegen das ihren Prozessbevollmächtigten am 13.11.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 06.12.2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäß bis zum 13.02.2024 bewilligter Fristverlängerung mit am 09.02.2024 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz begründet.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen an:
Das Landgericht habe verkannt, dass § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gegen Unions- und Verfassungsrecht verstoße.
Das Staatsmonopol (§ 10 Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 6 GlüStV 2012), der Erlaubnisvorbehalt (§ 4 Abs. 1 GlüStV 2012) und das Internetverbot (§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012) verletzten die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV. Der GlüStV 2012 genüge insoweit nicht den Anforderungen i. S. einer Kohärenz. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH könnten "Regulierungen des Glücksspielmarktes als Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs nur dann gerechtfertigt werden, wenn die entsprechende restriktive Maßnahme geeignet sei, die Verwirklichung dieses Ziels dadurch zu gewährleisten, dass sie dazu beitrage, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen". Bei einem Verstoß gegen das Kohärenzgebot seien die entsprechenden Normen des GlüStV 2012 aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts unanwendbar. Das Erfordernis der Kohärenz erstrecke sich sektorübergreifend auf den gesamten Glücksspielmarkt (sog. horizontale Kohärenz).
Das Staatsmonopol stelle keine solche kohärente Regelung dar. So stehe das am stärksten suchtauslösende Glücksspiel an gewerblichen Glücksspielautomaten einer unbeschränkten Anzahl an privaten Anbietern offen; dasselbe gelte für Pferdewetten, wohingegen Sportwettenanbieter gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV 2012 auf die Anzahl von 20 begrenzt seien. Größere Lotterien dagegen unterlägen dem Staatsmonopol aus § 10 Abs. 2, 3 und 6 GlüStV 2012, obwohl ihr Suchtpotential als gering eingeschätzt werde. Das Staatsmonopol für Glücksspiele aus dem GlüStV 2012 stelle sich daher nicht als sektorübergreifend kohärente Regelung des Glücksspielmarktes dar, sondern als Versuch der Bundesländer, die fiskalischen Einnahmequellen aus dem staatlichen Glücksspielmonopol zu sichern und nur dem Anschein nach eine den Anforderungen der Rechtsprechung genügende Regelung zu finden.
Das Internetverbot sei in Bezug auf die verschiedenen Glücksspielsektoren ebenso wenig kohärent ausgestaltet. Ein Internetverbot sei nach Ansicht des EuGH zwar grundsätzlich mit der Dienstleistungsfreiheit vereinbar, jedoch nur, wenn es sich ausnahmslos auf jedes Anbieten von Glücksspiel beziehe. § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 und § 27 Abs. 2 Satz 2 GlüStV 2012 begründeten jedoch Ausnahmeregelungen für im Internet angebotene Lotterien, Sport- und Pferdewetten. Rechtfertigungsgründe gebe es hierfür nicht. Anonymität und ggf. fehlende soziale Kontakte seien bei allen Glücksspielangeboten im Internet gleich. Das Suchtpotential sei bei Sportwetten gleichzusetzen mit dem von Online-Casino- und -Pokerspielen. Bei Sportwetten sei zudem eine höhere Ereignisfrequenz möglich als bei Online-Pokerspielen. Insbesondere sei der Spieler (zeitlich) nicht auf andere Mitspieler angewiesen und es seien zu jeder Uhrzeiten Wetten verfügbar. Sportwetten seien zudem bereits mit Blick auf das zugrundeliegende Sportereignis manipulationsgefährdet. Das Internetverbot sei überdies nicht verhältnismäßig, da die Regulierungsziele (Betrugsvorbeugung und Bekämpfung von Spielsucht sowie Geldwäsche) mittels Kontrolle von privaten Anbietern durch ein Konzessionsmodell zu erreichen gewesen wären. Das Verbot habe hingegen die Entwicklung eines nicht regulierten Glücksspielmarktes gefördert. Es sei technisch nicht zu realisieren und für deutsche Behörden gegenüber ausländischen Anbietern nicht durchsetzbar gewesen.
Der Erlaubnisvorbehalt sei ebenso wenig eine kohärente Regelung. Dies gelte bereits aufgrund der untrennbaren Verknüpfung des Erlaubnisvorbehalts mit dem unionsrechtswidrigen Staatsmonopol. Außerdem gebe es für Casino- und Pokerspiele im Internet unionsrechtswidriger Weise keine Erlaubnismöglichkeit. Ferner sei im Bereich der Online-Sportwetten, in dem ein Konzessionsverfahren stattgefunden habe und eine Erlaubniserteilung dementsprechend theoretisch möglich gewesen wäre, dieses Konzessionsverfahren vollkommen intransparent. Zudem sei es verfassungswidrig sowie unionsrechtswidrig ausgestaltet und durchgeführt worden. Dass Sportwetten und Spielautomaten stärker spielsuchtgefährdend seien als Onlineangebot von Casino- und Pokerspielen, spreche ebenfalls gegen eine kohärente Regelung.
Die Beklagte beantragt insoweit die Aussetzung des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des EuGH in dem dort anhängigen Verfahren C-440/23 (S. 1 BB = Bl. 208 d. A.). In diesem Verfahren gehe es um die entscheidungserhebliche Frage der Unionrechtswidrigkeit von § 4 Abs. 1 und 4 GlüStV 2012.
Die angegriffenen Regelungen des Internetverbots, des Erlaubnisvorbehalts und des Staatsmonopols seien verfassungswidrig, weil die Berufswahlfreiheit der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG verletzt werde.
Ferner habe das Landgericht verkannt, dass der zwischen den Parteien bestehende Vertrag trotz Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 wirksam sei. Einer Nichtigkeit gemäß § 134 BGB stehe der Sanktionszweck des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 entgegen. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 richte sich erkennbar lediglich gegen den Spielanbieter, mithin handele es sich um eine einseitig öffentlich-rechtliche Verbotsnorm. Definiertes Ziel des § 1 Nr. 1 GlüStV 2012 sei es, das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu bekämpfen sowie den Spielerschutz zu gewährleisten. Für dieses Ziel sei es nicht erforderlich, dass neben dem öffentlich-rechtlichen und strafrechtlichen Verbot des Internetglücksspiels der zugrundeliegende Spielvertrag privatrechtlich unwirksam sei. Zudem könne ein formeller Verstoß der Parteien gegen § 134 BGB dann nicht zur Nichtigkeit des Vertrages führen, wenn ein Verbotsgesetz von Behörden bewusst nicht durchgesetzt werde. Jedenfalls seit dem Inkrafttreten des GlüStV 2012 hätten die Glücksspielbehörden der Länder das verpflichtende Glücksspielverbot im Internet nicht nur bewusst nicht umgesetzt, sondern vielmehr in verschiedenen Formen dem Markt signalisiert, dass sie die Glücksspielangebote im Internet duldeten, sofern die anbietenden Unternehmen, wie tatsächlich geschehen, bestimmte Vorgaben einhielten.
Überdies habe das Landgericht verkannt, dass Ansprüche verjährt seien, die auf Einzahlungen des Klägers vor dem 01.01.2020 beruhten. Von den anspruchsbegründenden Umständen, also seiner Einzahlung und Teilnahme an einem Online-Glücksspiel, habe der Kläger bereits jeweils bei Einzahlung Kenntnis gehabt. Nicht erforderlich für eine Kenntnis i. S. d. § 199 Abs. 1 BGB sei, dass der Kläger aus den ihm bekannten Umständen den rechtlichen Schluss gezogen habe, von der Beklagten die Rückgewähr der Zahlungen verlangen zu können.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 10. November 2023 - 1 O 510/23 - abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und mit seiner klageerweiternden Anschlussberufung,
das Urteil teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zinsen auf die Hauptforderung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz bereits ab dem 16.11.2022 statt erst ab dem 17.02.2023 zu zahlen.
Er verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.
Er ist der Ansicht, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginne, in dem er von der Illegalität des Glückspielangebots der Beklagten Kenntnis erlangt habe, bzw. seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhe. Sichere Kenntnis hiervon habe er jedoch erst durch die anwaltliche Beratung im Jahr 2023 erlangt. Jedenfalls stehe ihm ein entsprechender Restschadensersatzanspruch gemäß § 852 BGB zu.
Mit seiner Anschlussberufung begehrt er die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Verzugszinsen ab dem 16.11.2022 als dem Zeitpunkt seiner letzten Einzahlung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die Berufungsbegründung vom 09.02.2024 (Bl. 208 - 266 d. A.) sowie auf die Berufungserwiderung vom 07.03.2024 (Bl. 275 - 297 d. A.) vollständig Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung ist nur in geringem Umfang - und zwar teilweise in Bezug auf die Höhe der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten - begründet. Die zulässige Anschlussberufung ist teilweise begründet.
Das Landgericht ist zu Recht von seiner Zuständigkeit ausgegangen (dazu unter 1.) und hat deutsches Recht angewandt (dazu unter 2.)
Ein Anspruch in der Hauptsache besteht im Ergebnis in der zuerkannten Höhe von 19.984,91 € aufgrund deliktischer Haftung sowie der Regelung des § 852 BGB (dazu unter 3. a), die Aussetzung des Verfahrens ist nicht angezeigt (dazu unter 3. a, cc). Ein bereicherungsrechtlicher Anspruch besteht ebenfalls, er ist jedoch in Bezug auf Zahlungen des Klägers vor dem 01.01.2020 aufgrund der erhobenen Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar (dazu unter 3.b).
Der Zinsanspruch besteht in dem - offenkundig vom Landgericht gemeinten - Umfang (dazu unter 4.), insoweit ist der Zinsbeginn auf die teilweise begründete Anschlussberufung entsprechend anzupassen (dazu unter 6.).
Ein Anspruch auf die zuerkannten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten besteht nur in geringerer Höhe (dazu unter 5.).
1.
Die Klage ist zulässig.
Insbesondere besteht die in der Berufungsinstanz von Amts wegen zu prüfende (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2002 - III ZR 102/02, juris, Rn. 9) internationale Zuständigkeit.
a)
Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für die geltend gemachten Bereicherungsansprüche ergibt sich aus Art. 17 Abs. 1 lit. c), Art. 18 Abs. 1 EuGVVO.
Der Kläger hat seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. An seiner Verbrauchereigenschaft im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient. Insbesondere verliert ein Spieler seine Verbrauchereigenschaft nicht, wenn er täglich viele Stunden an einem Spiel teilnimmt und dabei erhebliche Gewinne erzielt (EuGH, Urteil vom 10.12.2020 - C-774/19, juris, Rn. 50).
Die Beklagte hat ihre gewerbliche Tätigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ausgerichtet, indem sie mit einer deutschsprachigen Internetdomain (https://www.sunmaker.de/de) und auf Deutsch abgefassten Geschäftsbedingungen die Veranstaltung von Glücksspielen in Deutschland angeboten hat.
Auch die Rückgewähr von Beträgen, die aufgrund eines nichtigen Vertrags und ohne Rechtsgrund gezahlt wurden, beruht auf "Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag" i. S. d. Vorschrift (vgl. EuGH, Urteil vom 20.04.2016 - C-366/13, juris, Rn. 58, zur bis zum 09.01.2005 geltenden [Vorgänger-]Regelung VO [EG] 44/2001, dort Art. 5 Nr. 1 lit. a) VO [EG] 44/2001).
b)
Die verfolgten deliktischen Ansprüche unterfallen ebenfalls dem o.g. Verbrauchergerichtsstand, weil dieser nicht-vertragliche Anspruchsgrundlagen miterfasst, soweit sich die Klage allgemein auf einen Vertrag bezieht und eine so enge Verbindung zu diesem Vertrag aufweist, dass sie von ihm nicht getrennt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.2010 - VI ZR 159/09, juris Rn. 22f.; EuGH Urteil vom 02.04.2020 - C-500/18, juris Rn. 61ff.). Im Streitfall besteht für Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V. mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 die entsprechende enge Verbindung zu einem Vertrag. Der Kläger verlangt als Verbraucher von seinem Vertragspartner den diesem vereinbarungsgemäß als Spieleinsatz überlassenen Geldbetrag ersetzt, weil dieser den Spielvertrag auf Grund eines gegen ihn gerichteten gesetzlichen Verbots nicht habe abschließen dürfen.
Jedenfalls ist insoweit der Gerichtsstand nach Art. 7 Nr. 2 EuGVVO eröffnet. Das schädigende Ereignis i.S.d. Nr. 2 ist sowohl der Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs als auch der Ort des für den Schaden ursächlichen Geschehens (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 09.07.2020 - C-343/19, juris, Rn. 23). Da der Kläger unstreitig von seinem Wohnort aus an den streitgegenständlichen Online-Glücksspielen teilgenommen hat (S. 9 Klageschrift = Bl. 10 d. A.), hat sich hier der Schadenserfolg verwirklicht (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - I-19 U 51/22, Rn. 45, juris).
Schließlich hat sich die Beklagte rügelos eingelassen, vgl. Art. 26 EuGVVO.
2.
Auf die Rechtsbeziehung der Parteien ist deutsches Recht anzuwenden.
a)
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom I-VO findet auf vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte deutsches Recht Anwendung.
Der Kläger ist Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und die Beklagte hat ihre Tätigkeit auf Deutschland ausgerichtet. Auch für Bereicherungsansprüche, die auf die Nichtigkeit eines Vertrags gestützt werden, wie hier der Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB, ist gemäß Art. 12 Abs. 1 lit. e) Rom I-VO das Vertragsstatut maßgeblich. Über die Nichtigkeit des Vertrags entscheidet gem. Art. 10 Abs. 1 Rom I-VO ebenfalls das Vertragsstatut. Art. 10 Abs. 1 Rom II-VO stellt insoweit klar, dass bei bereicherungsrechtlichen Ansprüchen, die an ein zwischen den Parteien bestehendes Rechtsverhältnis anknüpfen, ebenfalls das Vertragsstatut einschlägig ist.
Auf das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ist ebenfalls deutsches Deliktsrecht anwendbar. Gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II-VO ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Der Schaden ist vorliegend bei dem Kläger, also in Deutschland, eingetreten. Etwas Anderes folgt nicht aus Art. 4 Abs. 3 Rom II-VO, da aufgrund des zugrundeliegenden Vertrages eine enge Verbindung zu Deutschland besteht.
b) Eine entgegenstehende Rechtswahl hat die Beklagte schon nicht ausdrücklich behauptet.
Soweit unter Ziffer 1.3 der eingereichten Geschäftsbedingungen der Beklagten, letzte Aktualisierung: 19.07.2021 (Anlage B1 Anlagenband Bekl.) maltesisches Recht für anwendbar erklärt wird, hat dies keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts.
Die Beklagte hat nicht dargetan, dass die zum Zeitpunkt der Eröffnung des Spielerkontos geltenden Geschäftsbedingungen der Beklagten ebenfalls eine solche Klausel enthielten und einbezogen waren bzw. die Parteien zu einem späteren Zeitpunkt die Geltung der vorgelegten Geschäftsbedingungen vom 19.07.2021 vereinbart hätten.
Unabhängig von der Frage der Einbeziehung ist die Regelung unwirksam. Nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO darf eine solche Rechtswahl dem Verbraucher nicht den Schutz der Bestimmungen entziehen, von denen nach dem ohne die Rechtswahl anzuwendenden Recht nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf (EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C- 91/15, juris, Rn. 69). Dementsprechend sind die §§ 305 ff. BGB auf Verbraucherverträge, die Verbraucher mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland geschlossen haben, anwendbar (BGH, Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 40/11, juris, Rn.33). Die Rechtswahlklausel in den vorliegenden Geschäftsbedingungen der Beklagten benachteiligt den Kläger als Verbraucher unangemessen. Sie ist intransparent. Sie vermittelt den Eindruck, es sei lediglich maltesisches Recht anzuwenden. Insbesondere fehlt ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Kläger als Verbraucher nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Rom I-VO durch die Rechtswahl nicht den Schutz der zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts verlieren kann (vgl. EuGH, Urteil vom 28.07.2016, C-191/15, juris, Rn. 71; BGH, Urteil vom 19.07.2012 - I ZR 40/11, juris, Rn.32; OLG Frankfurt a.M. NJW-RR 2022, 1280 [OLG Frankfurt am Main 08.04.2022 - 23 U 55/21]).
3.
Das Landgericht hat die Beklagte in der Hauptsache im Ergebnis zu Recht auf Zahlung an den Kläger i. H. v. 19.984,91 € verurteilt. Dem Kläger steht in dieser Höhe ein Rückzahlungsanspruch gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021, § 852 BGB (dazu unter lit. a) zu. In Höhe von 18.710,51 € folgt der Anspruch auch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 1 BGB (dazu unter lit. b).
Die Einrede der Verjährung greift jedenfalls in Bezug auf den deliktischen Anspruch aufgrund der Regelung des § 852 BGB im Ergebnis nicht durch (dazu unter lit. a), ff).
a)
Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Rückzahlung seiner durch die Teilnahme an den verbotswidrig von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspielen erlittenen Verluste gemäß §§ 823 Abs. 2, 31, 852 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2012 sowie § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 i. H. v. 19.984,91 €.
aa)
§ 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, juris, Rn. 157; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - I-19 U 51/22, juris, Rn. 74; ähnlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2023 - 19 U 14/23, juris, Rn. 55 zur Schutzgesetzeigenschaft von § 284 StGB; a. A. OLG Oldenburg, Urteil vom 30.11.2023 - 1 U 14/23, juris Rn. 73 ff.).
Dies gilt ebenso für § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021.
(1)
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. etwa BGH, Urteil vom 23.07.2019 - VI ZR 307/18, juris, Rn. 12) ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an. Mithin darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen. Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind. Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes ist zudem, dass die Schaffung eines individuellen Schadensersatzanspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint. Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 13). Ein Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB setzt schließlich voraus, dass sich im konkreten Schaden die Gefahr verwirklicht hat, vor der die betreffende Norm schützen sollte. Der eingetretene Schaden muss also in den sachlichen Schutzbereich der Norm fallen. Weiter muss der konkret Geschädigte zum Kreis derjenigen Personen gehören, deren Schutz die verletzte Norm bezweckt. Der Geschädigte muss also vom persönlichen Schutzbereich der verletzten Norm erfasst sein (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 14).
(2)
Nach dieser Maßgabe stellen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Spieler - wie hier des Klägers - dar, die diese vor dem Verlust ihrer Einsätze durch die Teilnahme an unerlaubten Glücksspielen schützen sollen.
(a)
Gemäß der jeweiligen § 1 S. 1 GlüStV 2012 und 2021 waren bzw. sind Ziele der Staatsverträge gleichrangig u. a. die Verhinderung und Bekämpfung von Glücksspielsucht, der Jugend- und Spielerschutz und der Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften sowie Abwehr der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität.
Die GlüStV 2012 und 2021 sollen danach jedenfalls auch das Individualinteresse der betroffenen Spieler schützen. Der Spielerschutz ist konkret in den Zielen adressiert. Soweit mit der Regelung das Ziel verfolgt wird, das Entstehen von Glücksspielsucht zu verhindern, hat diese neben einem Gemeinwohlzweck (vgl. dazu BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14.10.2008 - 1 BvR 928/08, juris, Rn. 29) ebenfalls den Schutz der konkret betroffenen Person vor den Auswirkungen der Spielsucht zum Gegenstand.
Der Schutz der Spieler vor betrügerischen Machenschaften und der mit Glücksspielen verbundenen Folge- und Begleitkriminalität dient dem Schutz des Vermögensinteresses betroffener Spieler.
Das in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verankerte und für Glücks- bzw. Casinospiele ausnahmslos geltende Internetverbot hat der Gesetzgeber zudem u. a. mit dem "herausragenden Suchtpotential" begründet, dessen Verstöße "mit Nachdruck bekämpft werden" sollten (LT-Drucks. BW 15/1570, Erläuterungen S. 59). Weiter hat der Gesetzgeber zur Rechtfertigung der Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV auf die Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 30.06.2011 - C-212/08, Rn. 80 (LT-Drucks. BW 15/1570, Erläuterungen S. 65) abgestellt. Darin führt der EuGH u. a. aus, dass das Online-Glücksspiel im Vergleich zu den herkömmlichen Glücksspielmärkten wegen des leichten und ständigen Zugangs und der potentiell großen Menge und Häufigkeit an Spielen die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstige und aufgrund dessen die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern könne (vgl. EuGH, Urteil vom 30.06.2011 - C-212/08, Rn. 80).
Zu der Neuregelung des GlüStV 2021 hat der Gesetzgeber weiterhin auf ein "erhöhtes Gefährdungspotenzial bzw. besondere Suchtgefahren von Online-Glücksspielen" verwiesen (LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 65). "Wesentliches Ziel der Glücksspielregelung" bleibe "die Unterbindung unerlaubter Glücksspielangebote, welche für Spieler mit zusätzlichen und nicht übersehbaren Gefahren verbunden" seien (LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 66). Die differenzierten Maßnahmen dienten u. a. dazu, "Verbrauchern ein sicheres Glücksspiel-Umfeld zu bieten und dem Risiko finanzieller und sozialer Schäden durch Glücksspiele entgegenzuwirken" (LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 69).
Mithin dienen die Verbotsnormen und damit insbesondere § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 neben der Verhinderung der Spielsucht als Ausprägung eines pathologischen Zustands auch dazu, den Eintritt von finanziellen Folgen bzw. Schäden zu verhindern.
Die Ausgestaltung des Spielerschutzes als nicht bloß reflexhaften individuellen Vermögensschutz belegen weitergehend § 8 Abs. 2 GlüStV 2012 und § 8a Abs. 1 GlüStV 2021 (Fremdsperre). Danach sind Personen zu sperren, bei denen anzunehmen ist, dass sie spielsuchtgefährdet oder überschuldet sind, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen oder Vermögen stehen. Durch diese Regelungen ist auch das Vermögen der Spieler geschützt, bei denen nur die Gefahr einer Spielsucht bzw. Überschuldung besteht. Die Betrugs- und Manipulationsvorbeugung dient ebenfalls dem Individualschutz des Vermögens der Spieler; auf diese ist der Zweck des Gesetzes ausweislich § 1 Nr. 3 GlüStV 2012 aber nicht begrenzt. Eine entsprechende Regelung ist in §§ 8, 8a Abs. 1 GlüStV 2021 übernommen worden.
Es gibt zahlreiche weitere Verpflichtungen der Glücksspielanbieter, die dazu beitragen, das Vermögen der Spieler bei legalen Spielen zu schützen: dies gilt namentlich für die Pflichten der Anbieter, Art und Umfang der Werbung für öffentliches Glücksspiel an den Zielen des § 1 GlüStV 2012 auszurichten (§ 5 Abs. 1 GlüStV 2012), wobei die Werbung für unerlaubte Glücksspiele verboten war (§ 5 Abs. 4 GlüStV 2012), für die Verpflichtung, die Spieler zu verantwortungsbewusstem Spiel anzuhalten und der Entstehung von Glücksspielsucht vorzubeugen und hierfür ein Sozialkonzept zu entwickeln (§ 6 GlüStV 2012) sowie für die Aufklärungspflichten über alle spielrelevanten Informationen (§ 7 GlüStV 2012), insbesondere zu den Gewinn- und Verlustwahrscheinlichkeiten (§ 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GlüStV 2012).
Dies gilt insbesondere in Bezug auf die Pflichten der Anbieter von erlaubten Glücksspielen nach den §§ 4a ff GlüStV 2021 fort.
(b)
Bei den Spielern handelt es sich um einen abgrenzbaren und damit bestimmbaren Personenkreis. Es sind Personen, die tatsächlich Spielverträge mit dem jeweiligen Anbieter von unerlaubten Glücksspielen abschließen.
(c)
Soweit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 das vermeintlich geschützte Rechtsgut im Tatbestand nicht erwähnen, stellt dies im konkreten Fall kein hinreichendes Indiz gegen den Individualschutzcharakter dar (vgl. MüKoBGB/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB § 823 Rn. 614). Insbesondere ergibt sich aus den Erwägungen bzw. Erläuterungen des Gesetzgebers (s.o.) der mitgewollte Schutz des Vermögens der Spieler vor unerlaubten Glücksspielangeboten.
Da § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 das Veranstalten und Vermitteln von Online-Glücksspielen generell verboten hat, waren speziellere Vorschriften zum Schutz von Spielern, wie sie z.B. in §§ 5 ff. GlüStV 2012 enthalten sind, von vornherein entbehrlich.
Der Erlaubnisvorbehalt in § 4 Abs. 4 Satz 1 GlüStV 2021 ist nach Maßgabe von §§ 4 Abs. 5, 4a ff. GlüStV 2021 näher ausgestaltet. In diesen Regelungen kommen sowohl der Individualschutz als auch dessen Vermögensbezug hinreichend zum Ausdruck. So ist bspw. Voraussetzung für eine Erlaubnis nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV 2021, dass der Abgleich mit der Sperrdatei nach § 8 GlüStV 2021 (s. dazu oben) gewährleistet wird. Nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2021 ist dem Anbieter bzw. von ihm beauftragten Dritten verboten, Spielern Darlehen zu gewähren oder auf der Internetdomain dafür zu werben, auf Angebote zu verweisen oder diese zu verlinken. Auch hierdurch wird das Vermögen der Spieler geschützt. So heißt es in den diesbezüglichen Erläuterungen (LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 93): "Dies dient dem Schutz der Spieler vor übermäßigen Ausgaben durch Glücksspiele und vor Überschuldung".
(d)
Schließlich erscheint im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar und sinnvoll, einen individuellen Schadensersatzanspruch zu schaffen. Insbesondere sind die Spieler als Geschädigte des verbotswidrigen Angebots von Online-Glücksspielen nicht in anderer Weise ausreichend geschützt.
Der Schadensersatzanspruch steht zunächst im Einklang mit der gesetzgeberischen Zielsetzung des GlüStV 2012, Verstöße gegen das Internetverbot "mit Nachdruck" zu bekämpfen.
Die der Glückspielaufsicht zustehenden Befugnisse sind jedenfalls gegenüber im Ausland ansässigen Glücksspielanbietern nicht ausreichend effektiv, um den Schutzzweck des § 4 Abs. 4 GlüStV durchzusetzen. Zwar war und ist die staatliche Glücksspielaufsicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV 2012/2021 befugt, die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele und die Werbung hierfür zu untersagen. Weitergehend ist sie nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 GlüStV 2021 nunmehr berechtigt, Maßnahmen zur Sperrung der Glücksspielangebote gegen i. S. d. §§ 8 bis 10 TMG verantwortliche Dienstanbieter zu ergreifen. Die Rückabwicklung insoweit abgeschlossener Spielverträge ist darin ebenso wenig vorgesehen wie die Rückführung verbotswidrig erlangter wirtschaftlicher Vorteile von dem Anbieter unerlaubter Glücksspiele an die Spieler. Zudem sind die Befugnisse der Aufsichtsbehörde nicht hinreichend, um wirksam gegen im Ausland ansässige Glücksspielanbieter - wie die Beklagte - vorzugehen.
bb)
Die Beklagte hat den objektiven Tatbestand des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sowie des § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 verwirklicht, indem sie ihr Angebot Spielern zugänglich gemacht hat, die - wie der Kläger - aus Niedersachsen teilgenommen haben.
Dass ihr eine entsprechende Beschränkung ihres Angebots bzw. Sperrung von Spielern aus dem räumlichen Geltungsbereich des GlüStV nicht möglich gewesen wäre, ist weder dargetan noch ersichtlich.
(1)
Das Angebot der Beklagten zur Teilnahme an den von ihr veranstalteten Online-Glücksspielen verstieß bis einschließlich zum 30.06.2021 gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012, wonach das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten war.
Auch für den Zeitraum ab 01.07.2021 liegt ein entsprechender Gesetzesverstoß der Beklagten vor. Zwar besteht mit Inkrafttreten des GlüStV 2021 zum 01.07.2021 kein Totalverbot mehr, da für das Veranstalten und den Eigenvertrieb von u. a. Online-Casinospielen und Online-Poker nach § 4 Abs. 4 S. 1, Abs. 5 GlüStV 2021 unter den dortigen Voraussetzungen nur noch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt. Die Beklagte verfügte aber im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig nicht über eine entsprechende Erlaubnis. Nach § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 bleibt das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet ohne Erlaubnis der zuständigen Behörde verboten. Auf die Frage, ob die Tätigkeit der Beklagten materiell-rechtlich genehmigungsfähig gewesen wäre, kommt es nicht an; ohne eine fehlende nationale Erlaubnis ist das Verhalten formell illegal (vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2023 - I ZR 148/22, juris, Rn. 6).
(2)
Die der Beklagten von der maltesischen Glücksspielbehörde erteilte Lizenz rechtfertigt keine andere Beurteilung. Eine Pflicht zur Anerkennung der maltesischen Lizenz bestand nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C 316/07 - juris, Rn. 112).
(3)
Die von den obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Bundesländer auf Grundlage des Umlaufbeschlusses der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien vom 08.09.2020 am 30.09.2020 erlassenen gemeinsamen Leitlinien (Anlage B2 Anlagenband Bekl.) wirken sich nicht auf das Totalverbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. dessen Gültigkeit aus. Die Leitlinien vom 30.09.2020 haben nicht zur Folge, dass die unerlaubten Online-Angebote von Casino- und Automatenspielen im Wege eines Verwaltungsakts legalisiert worden sind. Die Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche ist zudem unabhängig von der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten (BGH GRUR 2021, 1534 [BGH 22.07.2021 - I ZR 194/20]).
Überdies haben die Glückspielaufsichtsbehörden in den Leitlinien zwar vereinbart, die zum damaligen Zeitpunkt nicht erlaubnisfähigen Angebote wie virtuelle Automatenspiele und Online-Poker "im glücksspielrechtlichen Vollzug nicht aufzugreifen", sofern bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Es ist jedoch weder dargetan, noch ersichtlich, dass das Glücksspielangebot der Beklagten die Anforderungen erfüllt hat.
Weiter ist bereits in den Leitlinien klargestellt, dass durch die Ausübung des Vollzugsermessens kein Anspruch oder Präjudiz für ein späteres Erlaubniserteilungsverfahren begründet wird.
(4)
§ 4 Abs. 1 und Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 GlüStV 2021 sind mit höherrangigem Recht vereinbar (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 16.10.2023 - 2 U 36/22, juris, Rn. 43 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.12.2023 - 19 U 48/23, juris, Rn. 64 ff; OLG Hamm, Urteil vom 09.01.2024 - 21 U 45/23, Rn. 54 ff.; OLG Bamberg, Urteil vom 27.02.2024 - 10 U 22/23, juris, Rn. 30 ff; OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, juris, Rn. 55 ff.).
Die Vereinbarkeit insbesondere des Internetverbots für Glücksspiel und Sportwetten mit Art. 12 GG ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30.09.2013 - 1 BvR 3196/11 -, juris Rn. 23 ff.).
Die Vorschriften verstoßen entgegen der Auffassung der Beklagten nicht gegen Art. 56 Abs. 1 AEUV.
(a)
Gemäß Art. 56 Abs. 1 AEUV sind Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union grundsätzlich verboten. Eine solche Beschränkung kann aber gemäß Art. 62, 52 AEUV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sein. Ebenfalls kann eine Beschränkung gerechtfertigt sein, wenn damit ein legitimes Allgemeininteresse verfolgt wird, welches mit den Zielen der Union im Einklang steht ("zwingende Gründe des Allgemeininteresses", vgl. Pechstein/Nowak/Häde, Frankfurter Kommentar EUV/GRC/AEUV/Haltern/Stein, 2. Aufl. 2023, AEUV Art. 56 Rn. 121-123).
Nach der Rechtsprechung des EuGH können Beschränkungen von Glücksspiel-Angeboten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein. Hierzu müssen die Beschränkungen geeignet sind, die Verwirklichung der genannten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie dazu beitragen müssen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-46/08, juris, Rn. 55). Die von den Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Beschränkungen müssen den sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergebenden Anforderungen an ihre Verhältnismäßigkeit genügen und dürfen nicht diskriminierend angewandt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.07.2012 - C-470/11, juris Rn. 37). Da die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, ist es in Ermangelung einer Harmonisierung dieses Gebiets Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (vgl. EuGH, Urteil vom 24.01.20214 - C-186/11 und C-209/11, juris Rn. 24). Es ist - soweit die Beschränkung im Übrigen gerechtfertigt ist - mithin Sache jedes Mitgliedstaats, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Spiel- und Wetttätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen (EuGH, Urteil vom 19.07.2012 - C-470/11, juris, Rn. 38).
Im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt könnte ein derartiger Wettbewerb auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele insofern nachteilige Folgen haben, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen. Für die Verbraucher würden in der Folge die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht (vgl. EuGH, Urteil vom 30.04.2014 - C-390/12, Pfleger u.a., juris, Rn. 46).
Im Bereich der Glücksspiele ist grundsätzlich gesondert für jede mit den nationalen Rechtsvorschriften auferlegte Beschränkung zu prüfen, ob sie geeignet ist, die Verwirklichung des verfolgten Ziels oder der verfolgten Ziele zu gewährleisten und ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele erforderlich ist. Die verschiedenen Arten von Glücksspielen können erhebliche Unterschiede aufweisen. Daher führen divergierende rechtliche Regelungen für verschiedene Arten von Glücksspielen, mit denen jeweils legitime Ziele verfolgt werden, für sich genommen noch nicht dazu, dass diese Maßnahmen ihre Rechtfertigung verlieren (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-46/08, juris, Rn. 60ff.).
Auch eine Maßnahme, mit der jedes Anbieten von Glücksspielen über das Internet verboten wird, kann grundsätzlich als geeignet angesehen werden, die legitimen Ziele der Vermeidung von Anreizen zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen und der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes zu verfolgen, auch wenn das Anbieten solcher Spiele über herkömmlichere Kanäle zulässig bleibt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass alle Beschränkungen, die das Glücksspielangebot im Internet betreffen, die Anbieter stärker beeinträchtigen, die außerhalb des betroffenen Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistungsempfänger die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, ansässig sind; diesen Anbietern würde so im Vergleich zu den in diesem Mitgliedstaat ansässigen Anbietern ein Vermarktungsmittel genommen, das für den unmittelbaren Zugang zu diesem Markt besonders wirksam ist. Bei der Beurteilung der Beeinträchtigung der Dienstleistungsfreiheit haben die nationalen Gerichte sämtliche austauschbaren Vertriebskanäle für vergleichbare Wetten zu berücksichtigen, es sei denn, die Nutzung des Internets führt dazu, dass die mit dem Glücksspiel verbundenen Gefahren über diejenigen hinaus verstärkt werden, die mit den über traditionelle Kanäle vertriebenen Spielen einhergehen (EuGH, Urteil vom 30.06.2011 - C-212/08, juris, Rn. 74ff.).
Es obliegt den nationalen Gerichten, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen. So können sich die Behörden eines Mitgliedstaats, soweit sie den Verbrauchern Anreize geben und sie dazu ermuntern, an Lotterien, Glücksspielen oder Wetten teilzunehmen, damit der Staatskasse daraus Einnahmen zufließen, nicht auf die öffentliche Sozialordnung mit der aus ihr folgenden Notwendigkeit, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern, berufen, um restriktive Maßnahmen zu rechtfertigen (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-46/08, juris, Rn. 65ff.).
Die Rechtfertigungsgründe, auf die sich ein Mitgliedstaat berufen kann, müssen grundsätzlich von einer Untersuchung zur Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der von diesem Mitgliedstaat erlassenen Maßnahme sowie von genauen Angaben zur Stützung seines Vorbringens begleitet sein (EuGH, Urteil vom 19.10.2016 - C-148/15, juris, Rn. 35). Jedoch lässt sich daraus nicht ableiten, dass ohne Vorlage von Untersuchungen nicht belegt werden könnte, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme den Anforderungen genügt. Es ist Sache des nationalen Gerichts, eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, und nicht lediglich festzustellen, dass im Vorfeld keine Studie dazu durchgeführt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - C-3/17, juris, Rn. 63, 64). Der Ansatz des nationalen Gerichts muss daher dynamisch sein. Zu berücksichtigen ist die Entwicklung der Umstände nach Erlass der betreffenden Regelung (vgl. EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 - C-920/19, juris, Rn. 46).
Zur Feststellung einer etwaigen Inkohärenz ist bspw. nachzuweisen, dass ein etwaiges inkohärentes staatliches Handeln (z.B. die Anreizpolitik für die einem Monopol unterliegende Glücksspiele) solche Ausmaße annimmt, dass die Ziele, die der Glücksspielregulierung zugrunde liegen, nicht mehr wirksam verfolgt werden können (EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 - C-920/19, juris, Rn. 49).
(b)
Nach dieser Maßgabe stellen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sowie § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV zulässige Beschränkungen des Art. 56 AEUV dar.
(aa)
Das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstößt nicht gegen das Kohärenzgebot.
Mit dem Internetverbot werden vielmehr in nicht diskriminierender Weise verfassungs- und unionsrechtlich legitime Gemeinwohlziele, insbesondere des Jugendschutzes sowie der Bekämpfung der Spielsucht und Begleitkriminalität, verfolgt.
In der Rechtsprechung des EuGH ist anerkannt, dass Glücksspiele im Internet im Vergleich mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten in besonderem Maße Gefahren aufweisen. So birgt bereits der fehlende unmittelbare Kontakt zwischen Verbraucher und Anbieter eine anders geartete und größere Gefahr der betrügerischen Manipulation. Zudem begründen die Eigenheiten des Internets größere Gefahren, insbesondere für Jugendliche und für Personen, die eine besonders ausgeprägte Spielneigung besitzen oder entwickeln könnten. Der besonders leichte und ständige Zugang zu den im Internet angebotenen Spielen sowie die potenziell große Menge und Frequenz von Spielangeboten in einem Umfeld, das durch die Isolation des Spielers, durch Anonymität und durch fehlende soziale Kontrolle gekennzeichnet ist, stellen Faktoren dar, die die Entwicklung von Spielsucht und übermäßige Ausgaben für das Spielen begünstigen und deshalb die damit verbundenen negativen sozialen und moralischen Folgen vergrößern können (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-46/08, juris, Rn. 102 f., 105).
Nach den Erläuterungen zu dem GlüStV 2012 lag den Bundesländern entsprechend § 27 GlüStV 2007 vor Erlass des GlüStV 2012 ein Bericht zur Evaluierung des GlüStV vor. Zudem haben sie eine international vergleichende Analyse des Glücksspielwesens in Auftrag gegeben, die ihnen im Juli 2009 vorlag. Diese Analyse hat die hohe Suchtgefahr des Internetglücksspiels aus gesundheitswissenschaftlicher Sicht bestätigt. Weiter existierte eine zu beobachtende tatsächliche Entwicklung, dass sich v.a. unter dem Einfluss der wachsenden Bedeutung des Internets illegale Glücksspielangebote in erheblichem Umfang etabliert haben (vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2012 S. 3 f. = LT-Drs. BW 15/1570, S. 50 f.).
Die differenzierte Behandlung von Online-Glücksspielen und stationären Angeboten ist unter Berücksichtigung zeitlich nachfolgender Umstände weiterhin gerechtfertigt.
Nach der Begründung zum GlüStV 2021 (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 65) haben sich nach Inkrafttreten des GlüStV 2012 "zahlreiche Studien mit der Suchtgefahr von Online-Glücksspielen befasst, wobei insbesondere das Internet als Vertriebsweg näher betrachtet worden ist. In zahlreichen Studien wurde festgestellt, dass die Teilnahme an Online-Glücksspielen häufiger als bei anderen Spielformen mit problematischem bzw. pathologischem Spiel assoziiert ist bzw. die Teilnahme an Online-Glücksspielen ein Prädiktor für das Vorliegen glücksspielbezogener Probleme ist (...). Eine systematische Literaturauswertung von Studien aus den vergangenen zehn Jahren, die sich mit den Suchtgefahren von Online-Glücksspielen befasst haben, hat ergeben, dass die Mehrzahl der Studien ein erhöhtes Gefährdungspotenzial bzw. besondere Suchtgefahren von Online-Glücksspielen nachweisen." Zwar handele es sich hier lediglich um Korrelationen und nicht um Kausalitäten. Es sei daher denkbar, dass die gefährdete Gruppe an Spielern eher zu Onlinespielen neigt und nicht, dass Onlinespiele mit einem höheren Suchtpotenzial einhergehen (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 65). In allen Fällen werde das Internet-Glücksspiel jedenfalls vermehrt von vulnerablen Personen wahrgenommen, welche durch die vorgesehenen Maßnahmen geschützt werden sollen (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 68).
Der in den Erläuterungen zu dem GlüStV 2021 erwähnte Glücksspiel-Survey 2019 der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) bestätigt die Annahme, dass sich die Suchtgefahr von Online-Casinospielen (einschließlich des virtuellen Automatenspiels) zunehmend in statistischen Auswertungen niederschlägt. Diese weisen nach der Auswertung der BZgA den größten Anteil an mindestens problematischen Spielern aus (18,6%), gefolgt vom Kleinen Spiel in der Spielbank (13,8%), den Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten (11,7%), (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8459, S. 66).
(bb)
Die Ausnahmen vom Internetverbot für Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 sind durch die vom Gesetzgeber angestrebte Kanalisierung des Glücksspiels und die geringere Suchtgefahr bei den ausnahmsweise zulässigen Spielformen sachlich gerechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 8 C 18/16, NVwZ 2018, 895 Rn. 37ff., EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, juris, Rn. 96, zur unterschiedlichen Behandlung von Glücksspielangeboten).
(aaa)
Gerade in Anbetracht der spezifischen Gefahren, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden sind, haben die Länder das Internetverbot grundsätzlich beibehalten (so die amtl. Erläuterungen zum GlüStV 2012, S. 18 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 65). Im Hinblick auf die öffnende Regelung gemäß § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 war für den Gesetzgeber leitend, "dass das unerlaubte Glücksspiel insbesondere im Internet steigende Tendenz aufweist. Mit der kontrollierten Wiederzulassung des Vertriebsweges Internet nicht nur für Lotterien, sondern auch für Sportwetten nach Absatz 5 soll den unerlaubten Angeboten im Internet zur besseren Erreichung der Ziele des § 1, insbesondere der Nrn. 1, 2 und 4, eine legale, sichere und den Spielerschutz gewährleistende Alternative gegenübergestellt werden." Weiter war für ihn leitend, dass die Sportwetten im Vergleich zu den Lotterien ein anderes Gefahrenpotential aufweisen (vgl. amtl. Erläuterungen zum GlüStV 2012, S. 7 f. = LT-Drs. BW 15/1570, S. 54 f.): "Von Manipulation bedroht ist bei ihnen weniger die Wettveranstaltung selbst als vorrangig das bewettete Ereignis. Allerdings können Sportwetten, vor allem dann, wenn sie als Live- oder Ereigniswetten angeboten werden, ein nicht unerhebliches Suchtpotential entwickeln, zumal die Spielteilnehmer - wie Untersuchungen zeigen - dazu neigen, den Einfluss ihrer Sachkenntnis auf den Spielerfolg zu überschätzen. Die Evaluierung belegt indes, dass es zuletzt kaum noch gelungen ist, die erhebliche Nachfrage in diesem Bereich auf das nach Angebot und Vertriebsweg eng begrenzte Sportwettangebot der staatlichen Veranstalter zu kanalisieren. Vielmehr hat sich, zu Lande wie im Internet, ein Schwarzmarkt herausgebildet, dessen Bekämpfung sich als schwierig erwiesen hat. Angesichts dieses umfangreichen Schwarzmarktes soll auf diesem Gebiet von dem bisherigen Veranstaltungsmonopol abgewichen werden. Stattdessen soll im Rahmen einer Experimentierklausel erprobt werden, durch ein kontrolliertes Angebot privater Konzessionäre, welche hohen Auflagen, staatlicher Kontrolle und einer Beschränkung ihres Produktportfolios unterliegen, den Schwarzmarkt zurückzuführen bzw. in ein legales Feld zu überführen." Das Online-Verbot von Casinospielen und Poker hat der Gesetzgeber hingegen beibehalten, da bei diesen Spielen ein herausragendes Suchtpotenzial, eine hohe Manipulationsanfälligkeit und eine Anfälligkeit zur Nutzung für Geldwäsche bestünden (vgl. amtl. Erläuterungen zum GlüStV 2012, S. 12 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 59).
Dass die Veranstaltung und Vermittlung von Glücksspielen im Internet teilweise zugelassen wurde, widerspricht nicht dem Ziel einer konsequenten Eindämmung der den Glücksspielen immanenten Gefahren. Dem liegt lediglich die Einschätzung des Gesetzgebers zugrunde, dass unter suchtpräventiven Gesichtspunkten Lotterien sowie Sport- und Pferdewetten weniger gefährlich sind. Das demgegenüber höhere Suchtpotenzial von Online-Casinospielen und Online-Poker haben die Länder in ihren amtlichen Erläuterungen zum Glücksspielstaatsvertrag unter Bezugnahme auf eingeholte Studien und Berichte hinreichend dargestellt. Diese Glücksspiele weisen nach der entsprechenden Einschätzung der Länder außerdem eine gegenüber anderen Glücksspielangeboten höhere Anfälligkeit für Manipulationen und die Nutzung für Geldwäsche auf.
Soweit die Beklagte ihre gegenteilige Auffassung für ein vergleichbares Suchtpotential von Sportwetten und Online-Casino- und Pokerspielen u. a. mit dem 19. Hauptgutachten der Monopolkommission 2010/2011 (vgl. BT-Drs. 17/10365, S. 58 Rn. 44) begründet, greift dies nicht durch. Die Verfasser des Hauptgutachtens beziehen sich bei ihrer Einschätzung einer vergleichbaren Suchtgefahr auf Auswertungen dreier Untersuchungen. In einer sei für Sportwetten ein höheres Suchtrisiko als für Casinospiele festgestellt worden, in den beiden anderen finde sich "die umgekehrte Rangfolge" (vgl. BT-Drs. 17/10365, S. 58 Fußnummer 43). Weitergehend kann der von den Verfassern des Hauptgutachtens insoweit in Bezug genommenen Tabelle E.2 (vgl. BT-Drs. 17/10365, S. 50) nicht entnommen werden, dass bei der Ermittlung des Suchtrisikos speziell Online-Casino- und Pokerspiele in den Blick genommen worden sind. Hinsichtlich der Sportwetten ist darin nach "Insgesamt" und "Online" unterschieden, eine solche Einteilung findet sich bei Automatenspiele bzw. Casino (großes Spiel) nicht. Zu dem spezifischen Suchtrisiko von Online-Casino- und -Pokerspielen sind mithin keine Daten angegeben. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass in dem 19. Hauptgutachten u. a. die Ereignisfrequenz, die Möglichkeit multipler Spiele und Einsätze, variable Einsatzhöhe sowie Verfügbarkeit als risikoverstärkende Glücksspielmerkmale angeführt sind (vgl. vgl. BT-Drs. 17/10365, S. 49, Tabelle E. 1), sind herkömmliche Casino- und Pokerspiele mit entsprechenden Online-Angeboten nicht gleichzusetzen. Durch die ständige Verfügbarkeit einer Vielzahl von Glückspielen zur selben Zeit im Bereich der Online-Angebote sind offensichtlich vermehrt risikoverstärkende Merkmale bei diesen Angeboten im Vergleich zu herkömmlichen Angeboten gegeben. Mithin erscheinen die in dem 19. Hauptgutachten der Monopolkommission angeführten Daten ungeeignet die darin geäußerte Einschätzung der Verfasser zu stützen.
Eigene Feststellungen zu dem Suchtpotential lassen sich dem 19. Hauptgutachten der Monopolkommission nicht entnehmen.
(bbb)
Der nationale Gesetzgeber durfte auch nach dem Jahr 2017 davon ausgehen, dass Online-Casinospiele, virtuelle Automatenspiele und Online-Pokerspiele ein höheres Gefährdungspotenzial als Sportwetten haben (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 28.02.2019 - 11 LB 497/18, BeckRS 2019, 3831 Rn. 48 und OVG Münster, Beschluss vom 30.03.2020 - 13 B 1696/19, juris, Rn. 18 - 34, wonach im Forschungsbericht der BZgA "Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland - Ergebnisse des Surveys 2017 und Trends" vom 15.02.2018 der Anteil der Personen mit mindestens problematischem Glücksspielverhalten bei Internet-Casinospielen 18,4% betrug, bei Online-Sportwetten hingegen lediglich 4,1% und bei Live-Wetten 5,8%).
Soweit die Beklagte hingegen aus der Erhebung der BZgA Stand: Februar 2014 zitiert (S. 29 d. BB = Bl. 236 d. A.) und dabei auf ein ebenfalls "hohes Suchtgefährdungspotential bei Sportwetten" (S. 29 d. BB = Bl. 236 d. A.) abstellt, bzw. darauf, dass die Ergebnisse der Glücksspielforschung darauf hindeuteten, dass Sportwetten ein deutlich höheres Suchtpotential als andere Online-Glückspiele hätten (Bl. 31 d. BB = Bl. 238 d. A.), führt dies zu keinem anderen Ergebnis.
So ist die im Februar 2014 veröffentlichte Erhebung weder für den Stand zum Zeitpunkt des Erlasses des GlüStV 2012 noch für den Zeitraum des Vertragsschlusses zwischen den Parteien und den anschließenden Einzahlungen/Spielteilnahmen des Klägers zwischen 2018 bis 2022 maßgeblich.
Den Erläuterungen zu dem GlüStV 2021 (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 66) ist hingegen zu entnehmen, dass nach der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Erhebung der BZgA (Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland, Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends, Januar 2020, S. 89) Casinospiele im Internet (einschließlich des virtuellen Automatenspiels) den größten Anteil an mindestens problematischen Spielern aufweisen (18,6 %), gefolgt vom Kleinen Spiel in der Spielbank (13,8 %) und den Geldspielautomaten in Spielhallen und Gaststätten (11,7 %).
Der Gesetzgeber durfte auf dieser Grundlage auch noch über 2019 hinaus an dem Totalverbot von Casino- und Automatenspielen bei gleichzeitiger Erlaubnisfähigkeit von Internet-Sportwetten festhalten.
(ccc)
Die Ungleichbehandlung von Online-Sportwetten gegenüber Online-Casinospielen bzw. virtuellen Automatenspielen, wonach gem. § 4 Abs. 5 GlüStV 2012 für Online-Sportwetten unter engen Bedingungen eine Erlaubnis erteilt werden konnte, geschah außerdem im Rahmen einer Experimentierklausel gemäß § 10 a Abs. 1 GlüStV 2012. Dies sollte nach dem Willen des Gesetzgebers dazu dienen, eine Bekämpfung des Schwarzmarktes zu erproben und ist von der Schutzniveauautonomie gedeckt (vgl. EuGH, Urteil vom 15.09.2011, C-347/09, juris, Rn. 47). Eine Experimentierklausel dient gerade dem Zweck, in einem ausgewählten, überschaubaren Teilbereich Erfahrungen zu sammeln, so dass eine darauf gestützte Forderung nach Gleichbehandlung anderer Teilgebiete nicht überzeugen kann (KG Berlin, Beschluss vom 21.07.2023 - 18 U 37/22, juris, Rn. 100).
(ddd)
Soweit die Beklagte der Ansicht ist, dass die mit dem Internetverbot verfolgten Ziele des Gesetzgebers des GlüStV 2012 durch ein Konzessionsmodell zu erreichen gewesen wären und die Entscheidung gegen eine Erlaubnis von Online-Casinospielen unverhältnismäßig gewesen sei, greift dies nicht durch. Die unterschiedliche Behandlung der Glücksspielangebote durch den Gesetzgeber des GlüStV 2012 war gerechtfertigt (s.o.) und genügt dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit.
Der Vortrag der Beklagten, die angestrebte Kanalisierung der Spieler zu legalen Angeboten sei nicht eingetreten, der Markt für Online-Spiele sei seit Verabschiedung des GlüStV 2012 sogar deutlich gewachsen, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Dass der Online-Schwarzmarkt trotz des geltenden Verbotes weiterwuchs, ist eine Frage des Vollzuges. Die staatliche Vollzugspolitik wiederum ist nach der Rechtsprechung des EuGH in die gebotene Kohärenzbetrachtung im Rahmen der unionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehen. Damit soll vermieden werden, dass ein Mitgliedstaat zwar einen abgestimmten und damit kohärenten Regelungsrahmen schafft, die vorgegebenen Ziele jedoch durch Untätigkeit der zuständigen Verwaltungsbehörden unterläuft. Maßgeblich ist dabei, ob strukturelle Vollzugsdefizite vorliegen. Aus dem Bestehen rein praktischer Probleme in der Umsetzung des gesetzlichen Verbotes kann ebenso wenig auf ein strukturelles Vollzugsdefizit geschlossen werden wie darauf, dass die Norm deshalb verfassungsrechtlich nicht geeignet wäre (dazu BVerwG, Urteil vom 26.10.2017 - 8 C 18/17, juris Rn. 40 a.E.). Gerade im Internet und den dadurch gegebenen technischen Möglichkeiten wird es immer illegale Formen des Glücksspiels geben, die nicht völlig unterbunden werden können. Aus der technischen und ökonomischen Entwicklung folgende Vollzugshindernisse machen jedoch eine prinzipiell geeignete Organisation staatlicher Gemeinwohlverfolgung nicht ungeeignet (BVerfG, Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01, juris Rn. 114; EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, juris Rn. 107 zur Durchsetzung eines staatlichen Monopols).
Ein zur Inkohärenz führendes Vollzugsdefizit ist vor diesem Hintergrund nicht dargetan. Es handelt sich hier nicht um ein dem Regelungssystem oder gar dem Behördenwillen geschuldetes, also "strukturelles", sondern allenfalls um ein "faktisches Vollzugsdefizit". Dies kann aber nicht dazu führen, die Verbotsnormen als unanwendbar einzustufen und Massenverstöße überhaupt nicht mehr zu verfolgen. Denn das hieße, dass Rechtsbrecher ihr rechtswidriges Handeln selbst "legalisieren" könnten, indem sie in einem Ausmaß und in einer Weise vorgehen, dass sich dies nicht mehr vollumfänglich und nachhaltig - und - bei einer solchen Betrachtungsweise - schließlich aus Rechtsgründen sogar überhaupt nicht mehr unterbinden ließe (vgl. bereits KG, Urteil vom 06.10.2020 - 5 U 72/19, juris, Rn. 46ff.).
Letztlich ist der Gesetzgeber nicht gehalten, bei der Bekämpfung der Glücksspielsucht auf eine rein mathematisch berechnete relative Gefährlichkeit abzustellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.03.2017 - 1 BvR 1694/13, juris, Rn. 140) und durfte etwa kulturelle Unterschiede berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 20.12.2017, C-322/16, juris Rn. 39; EuGH, Urteil vom 22.09.2022 - C-475/20 bis C-482/20, juris Rn. 48; EuGH, Urteil vom 30.04.2014 - C-390/12, juris Rn. 45; EuGH, Urteil vom 02.03.2023 - C-695/21, juris Rn. 14). Soweit der Gesetzgeber daher in Bezug auf Pferdewetten darauf abstellt, dass diese "ein historisch gewachsenes Sondersegment von Wetten auf eine Sportveranstaltung" darstellen sowie ihr Anteil "am deutschen Sportwettenmarkt insgesamt (...) gering" ist, stellt dies ein (weiteres) zulässiges Kriterium dar und ist nicht zu beanstanden.
(c)
Es war nicht inkohärent größere Lotterien dem Staatsmonopol aus § 10 Abs. 2, 3 und 6 GlüStV 2012 zu unterwerfen. Dies auch in Anbetracht eines u. U. als gering einzuschätzenden Suchtrisikos, wobei gleichzeitig beispielsweise das - ein höheres Suchtpotential aufweisende - Glücksspiel an gewerblichen Geldglücksspielautomaten einer unbeschränkten Anzahl von privaten Anbietern offenstand.
Nach den auf einer Studie beruhenden Erwägungen des Gesetzgebers des GlüStV 2012 stellten Lotterien die in Deutschland am häufigsten genutzten Glücksspiele dar (vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2012 S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53). Mithin waren Lotterien geeignet aufgrund ihrer stärkeren Verbreitung eine größere Anzahl von Menschen i. S. d. der Ziele nach § 1 GlüStV 2012 zu gefährden. Weiter hat der Gesetzgeber erwogen, dass die Länder "gegenüber den staatlichen Veranstaltern im Sinne des § 10 Abs. 2 und 3 GlüStV 2012 im Vergleich zu der bloßen Aufsicht über Private über zusätzliche Mittel (verfügen), mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen und steuern können. Dieses erhöhte Steuerungspotential gegenüber staatlichen Veranstaltern erlaubt es den Ländern, den besonderen Gefahren im Bereich der Lotterien wirksamer zu begegnen und die Ziele des § 1 GlüStV 2012 effektiver zu verfolgen" (vgl. Erläuterungen zum GlüStV 2012 S. 6 = LT-Drs. BW 15/1570, S. 53).
Diese Erwägungen und die gesetzliche Umsetzung des Staatsmonopols genügen den hieran zu stellenden Anforderungen i. S. d. Kohärenz. Insbesondere stellt das Staatsmonopol die hier allein maßgebliche Ausgestaltung des Internetverbots nicht i. S. dessen Kohärenz in Frage.
(d)
Letztlich führt der Umlaufbeschluss der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder vom 08.09.2020 bzw. der daraufhin erlassenen Gemeinsamen Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vom 30.09.2020 nicht zu einer Inkohärenz des staatlichen Handelns.
Der Vollzug gegen virtuelle unerlaubte Glücksspielangebote sollte demnach bis zum 30.06.2021 auf diejenigen Anbieter konzentriert werden, bei denen abzusehen ist, dass sie sich der voraussichtlichen zukünftigen Regulierung entziehen wollen. Diese das Eingriffsermessen der Vollzugsbehörden steuernde Vorgehensweise der Länder dient ausschließlich einer einheitlichen kapazitätswahrenden Vorgehensweise der Exekutive im Vorgriff auf eine erwartete Neuregulierung, bei der das bisher verbotene virtuelle Automatenspiel an spezifische Voraussetzungen geknüpft werden soll.
(e)
Die hier maßgeblichen Regelungen des GlüStV 2021 sind ebenfalls verfassungs- und unionsrechtskonform. Die Betätigung der Glücksspielanbieter ist nach der Neuregelung jedenfalls im Bereich der Online-Casinospiele in weiterem Umfang - statt Totalverbot unter bestimmten Voraussetzungen erlaubnisfähig - zugelassen. Insbesondere bestehen nach dem Vorstehenden keine Anhaltspunkte dafür, dass das unter dem GlüStV 2021 eröffnete Erlaubnisverfahren den Vorgaben des Unionsrechts widerspricht (BGH, Beschluss vom 08.11.2023, I ZR 148/22 - juris, Rn. 9ff.).
cc)
Eine Aussetzung des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 148 ZPO bzw. die Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV ist - entgegen der Auffassung der Beklagten - nicht angezeigt. Die Aussetzung des Verfahrens ist nicht geboten im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des Civil Court, First Hall Courts of Justice, Malta vom 11.07.2023 - 95/2023/GM gemäß Art. 267 AEUV, die Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens C-440/23 ist.
Gemäß § 148 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Aussetzung erfordert damit Vorgreiflichkeit der in dem anderen Rechtsstreit zu treffenden Entscheidung im Sinne einer zumindest teilweise präjudiziellen Bedeutung (BGH NJW 2005, 1947 [BGH 30.03.2005 - X ZB 26/04]). Eine Aussetzung nach § 148 Abs. 1 ZPO kommt etwa dann in Betracht, wenn eine Vorlage zur Vorabentscheidung durch den EuGH erforderlich ist. Hängt die Entscheidung des Rechtsstreits von der Beantwortung einer Frage ab, die bereits in einem anderen Rechtsstreit dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt wurde, ist die Aussetzung des Verfahrens analog § 148 Abs. 1 ZPO grundsätzlich auch ohne gleichzeitiges Vorabersuchen in dem auszusetzenden Verfahren zulässig (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 148, Rn. 3c m.w.N.) Die Entscheidung über eine Aussetzung liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts. Es sind der voraussichtliche Ausgang des vorgreiflichen Verfahrens und die mit einer Aussetzung eintretende Verfahrensverzögerung gegeneinander abzuwägen (BGH, Beschluss vom 07.05.1992 - V ZR 192/91, juris, Rn. 6). Die Parteiinteressen sind zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 28.09.2011 - X ZR 68/10, juris, Rn. 5).
Eine Aussetzung oder Vorlage an den EuGH nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst, wenn die sich stellende Frage nach der Auslegung des Unionsrechts durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs in einer Weise geklärt ist, die keinen Raum für vernünftigen Zweifel lässt (acte éclairé: st. Rspr. seit EuGH, Urteil vom 27.03.1963 - C-28/62, juris, S. 81; EuGH, Urteil vom 06.10.1982 - 283/81, juris, Rn. 13 f.; EuGH, Urteil vom 09.09.2015 - C-160/14, juris, Rn. 38).
Das ist hier der Fall. Die unionsrechtliche Kohärenzprüfung beschränkender Maßnahmen im Glücksspielsektor ist nach der Rechtsprechung des EuGH im Einzelfall Sache der nationalen Gerichte (vgl. zuletzt EuGH, Urteil vom 08.02.2024 - C-216/22, juris Rn. 52). Die für diese Prüfung maßgeblichen Grundsätze des Unionsrechts hat er bereits geklärt (s.o.; vgl. etwa EuGH, Urteil vom 15.09.2011 - C-347/09, juris, Rn. 44, 56; so BGH, Beschluss vom 22.07.2021 - I ZR 199/20, juris; vgl. BGH, Beschluss vom 08.11.2023 - I ZR 148/22, juris, Rn. 18).
(1)
Die richtige Auslegung des Unionrechts ist in Bezug auf die Vorlagefrage Nr. 1 in dem Vorabentscheidungsverfahren C-440/23 offenkundig.
(a)
Bereits mit Beschluss vom 5. März 2009 hatte das Oberlandesgericht Bremen den Rechtsstreit 2 U 4/08 (BeckRS 2009, 27058) bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-42/07 (Liga Portuguesa) gemäß § 148 ZPO ausgesetzt. Seiner Ansicht nach war die europarechtliche Frage, ob die in § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 (wortgleich mit § 4 Abs. 4 GlüStV 2012) enthaltene Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EG (jetzt Art. 56 AEUV) europarechtskonform ist, nicht abschließend geklärt, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Kohärenz.
(b)
Mit Urteil vom 08.09.2009 (BeckRS 2009,142837) hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Art. 49 EG einem Totalverbot, Glücksspiele im Internet anzubieten, nicht entgegenstehe und zwar auch dann nicht, wenn der Glücksspielanbieter in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sei, in dem er das Glücksspiel über das Internet rechtmäßig anbieten dürfe. Aufgrund beträchtlicher sittlicher, religiöser und kultureller Unterschiede in den einzelnen Mitgliedstaaten könne der Bereich des Glücksspiels mangels Harmonisierung durch die Gemeinschaft national unterschiedlich geregelt werden (EuGH, a.a.O. Rn. 57). Jedoch könne eine nationale Regelung nur dann geeignet sein, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels (Betrug der Spieler durch den Glücksspielanbieter) zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werde, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (EuGH, a.a.O., Rn. 61 m.w.N.).
Das Totalverbot von Internet-Glücksspielen ist vor diesem Hintergrund als rechtmäßig angesehen worden (EuGH, a.a.O., Rn. 69 ff. m.w.N.).
(c)
Durch die Begründung in dem seinerzeitigen Verfahren hat der Europäische Gerichtshof sogleich die Vorlagefrage Nr. 1 in der Rechtssache C-440/23 beantwortet. Diese zielt darauf ab, ob ein generelles Verbot von Online-Automatenspielen in einem Mitgliedstaat rechtmäßig sein kann, wenn gleichzeitig in diesem Mitgliedstaat ähnliche Offline-Glücksspiele mit lizenzierten Spielautomaten erlaubt sind.
Dazu hat der europäische Gerichtshof bereits ausgeführt, dass Glücksspiele über das Internet, verglichen mit den herkömmlichen Glücksspielmärkten, wegen des fehlenden unmittelbaren Kontakts zwischen dem Verbraucher und dem Anbieter anders geartete und größere Gefahren des Betrugs in sich bergen (EuGH, a.a.O., Rn. 70). In Anbetracht dieser Besonderheiten, die mit dem Anbieten von Glücksspielen über das Internet verbunden seien, sei ein Totalverbot von Online-Glücksspielen gerechtfertigt (EuGH, a.a.O., Rn.72).
(d)
Im Instanzenzug nach dem Oberlandesgericht Bremen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 28. September 2011 - I ZR 30/10 - höchstrichterlich geklärt, dass das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2008 formell und materiell mit dem Unionsrecht in Einklang steht (BeckRS 2011, 27465, Rn. 40 ff.). Die Beschränkung der Grundfreiheiten aus Art. 43 EG und Art. 49 EG a.F. ist durch zwingende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Ein Totalverbot soll speziell den besonderen Gefahren des Angebots von Glücksspielen im Internet begegnen. Der EuGH hat zudem klargestellt, dass ein Mitgliedstaat die Eignung einer beschränkenden Maßnahme im Glücksspielsektor für die Verfolgung anerkannter Gemeinwohlziele auch dann belegen kann, wenn er dazu keine konkreten Untersuchungen vorzulegen vermag; es reicht aus, wenn der Mitgliedstaat alle Umstände darlegt, anhand derer sich ein zur Entscheidung berufenes Gerichte darüber vergewissern kann, dass die Maßnahme tatsächlich dem Gebot der Verhältnismäßigkeit genügt (BGH, a.a.O., Rn. 52 ff.).
(e)
In Bezug auf die Prämisse des maltesischen Gerichts, dass Deutschland "keine wissenschaftlichen Belege dafür vorgelegt hat, dass von diesen (Online-Automaten- bzw. Casino-)Spielen spezifische Gefahren ausgingen, die erheblich zur Erreichung der mit ihrer Regulierung verfolgten Ziele relevant wären", ist ebenfalls von einer geklärten Rechtslage auszugehen.
Der EuGH hat bereits entschieden, nicht schon eine die fehlende Vorlage von Untersuchungen führe dazu, dass eine innerstaatliche restriktive Maßnahme nicht den Anforderungen genügt. Es ist nämlich Sache des nationalen Gerichts, eine Gesamtwürdigung der Umstände vorzunehmen, unter denen eine restriktive Regelung erlassen worden ist und durchgeführt wird, und nicht lediglich festzustellen, dass im Vorfeld keine Studie dazu durchgeführt wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 28.02.2018 - C-3/17, juris, Rn. 63, 64). Der Ansatz des nationalen Gerichts bei der Überprüfung einer Beschränkung nach Art. 56 AEUV muss daher dynamisch sein. Zu berücksichtigen ist die Entwicklung der Umstände nach Erlass der betreffenden Regelung (vgl. EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 - C-920/19, juris, Rn. 46).
Die richtige Auslegung des Unionsrechts ist daher derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt.
Die konkret gestellte Vorlagefrage Nr. 1 in dem Vorabentscheidungsverfahren C-440/23 ist zudem für das hiesige Verfahren nicht präjudiziell. Vor dem Hintergrund der Ausführungen unter 3., a) bb) (4) ist davon auszugehen, dass das maltesische Gericht mit der vorstehend benannten Prämisse dem EuGH einen Sachverhalt unterbreitet hat, der von dem hiesigen abweicht.
(2)
Die Vorlagefrage 2 stellt bereits die Rechtslage unvollständig dar, indem darin nicht alle in § 1 GlüStV genannten Ziele des Gesetzes darlegt sind. Neben den darin aufgeführten Zielen will der GlüStV 2012 auch das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht verhindern und den Jugend- und Spielerschutz gewährleisten.
Die Frage der Zulässigkeit eines Totalverbots ist in der Rechtsprechung des EuGH bereits geklärt (s.o.). Die in § 1 GlüStV 2012 angeführten Ziele, d. h. das Entstehen von Glücksspielsucht und Wettsucht zu verhindern, den Jugend- und den Spielerschutz zu gewährleisten, stehen zudem grundsätzlich mit dem Ziel im Einklang, dass das Angebot von Glücksspielen begrenzt wird, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden (vgl. EuGH, Urteil vom 30.04.2014 - C-390/12, juris, Rn. 42; EuGH, Beschluss vom 18.05.2021 - C-920/19, juris, Rn. 38).
(3)
Die in der Vorlagefrage 3 geäußerten Bedenken greifen ebenfalls nicht durch.
Auch die Neureglung im GlüStV 2021, der das Totalverbot von Online-Glücksspielen zugunsten eines Verbotes mit Erlaubnisvorbehalt entfallen lässt, ändert nichts an der unionsrechtlichen Vereinbarkeit von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mit der Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV.
Der bloße Umstand, dass der Gesetzgeber in der Neufassung des GlüStV 2021 das strikte Internetverbot durch ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ersetzt hat, indiziert nicht im Umkehrschluss, dass das bisherige Internetverbot gemäß dem GlüStV 2012 zur Zielerreichung ungeeignet oder unverhältnismäßig war. Aus der Neufassung des GlüStV lässt sich lediglich schließen, dass der Gesetzgeber seinen Wertungsspielraum neu ausgeübt und das bisherige Schutzniveau abgesenkt hat um andere Ziele zu erreichen. So ist in der Gesetzesbegründung zum GlüStV 2021 angeführt, dass sich die Beibehaltung des bisherigen Verbots von virtuellen Automatenspielen Online-Poker und Online-Casinospielen auf der Grundlage der Ziele des Staatsvertrags und der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Gefahren des Online-Glücksspiels weiterhin rechtfertigen ließe (vgl. LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 68 f.).
Dies gilt vergleichbar in Bezug auf die Leitlinien der obersten Glücksspielaufsichtsbehörden der Länder vom 30.09.2020 (Anlage B2, AB Bekl.), die lediglich die Ausübung des Vollzugsermessens betrafen. Da § 4 Abs. 1, Abs. 4 GlüStV 2012 unionsrechtskonform ist, liegt darin keine Übergangsregelung, die eine europarechtswidrige Regelung aufrechterhalten würde.
(4)
Die Vorlagefragen 4-6 beziehen sich auf hier nicht streitgegenständliche (Zweit)Lotterien. Ob der GlüStV 2012 in diesem Segment, das sich durch ein deutlich geringeres Suchtpotenzial auszeichnet, unionsrechtswidrig ist, kann offenbleiben. Das unionsrechtliche Kohärenzgebot verlangt lediglich, glücksspielrechtliche Regelungen zur Suchtprävention und zum Spielerschutz nicht durch eine gegenläufige Regulierung anderer Glücksspielbereiche mit gleich hohem oder höherem Suchtpotenzial in einer Weise zu konterkarieren, die ihre Eignung zur Zielerreichung aufhebt (vgl. EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-46/08, juris, Rn. 65 ff.).
(5)
Die Vorlagefrage 7 ist ebenfalls bereits geklärt. Der EuGH hat bereits klargestellt, dass beschränkende Maßnahmen eines Mitgliedstaats gegenüber einem Veranstalter von Glücksspielen aus einem anderen Mitgliedstaat nicht bereits deshalb nach Art. 56 AEUV unzulässig sind, weil dieser in seinem Herkunftsstaat über eine entsprechende Lizenz verfügt (EuGH, Urteil vom 08.09.2010 - C-316/07, juris, Rn. 112).
Der Hinweis der Vorlagefrage auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 28.07.2016 - C-423/15, wonach sich niemand in betrügerischer oder missbräuchlicher Weise auf die Rechtsvorschriften der Europäischen Union berufen darf, ist schon deshalb nicht einschlägig, weil sich der hiesige Kläger nicht auf EU-Normen, sondern auf nationale Normen beruft. Im Übrigen gilt auch hier, dass es Sache des nationalen Gerichts ist, gemäß den Beweisregeln des nationalen Rechts - soweit dadurch die Wirksamkeit des Unionsrechts nicht beeinträchtigt wird - festzustellen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen eines missbräuchlichen Verhaltens im Ausgangsverfahren erfüllt sind (EuGH, Urteil vom 28.07.2016 - C-423/15, juris, Rn. 37-42).
(6)
Der Senat macht deshalb von seinem in § 148 ZPO eingeräumten Ermessen dahin Gebrauch, dass von einer Aussetzung des Verfahrens abgesehen wird. Ob sein Ermessen sogar bereits dahingehend reduziert ist, kann offenbleiben. Aus den genannten Gründen ist davon auszugehen, dass eine Vorlage an den EuGH keine Klärung im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten bringen würde. Angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH und des BGH ist ein Ausgang des Vorabentscheidungsverfahrens im Sinne der Rechtsauffassung der Beklagten wenig wahrscheinlich. Die nicht mit einer Begründung versehene Aussetzung eines Revisionsverfahrens durch den BGH (vgl. z. B. Beschluss vom 10. Januar 2023 - I ZR 53/23) steht den oben genannten Erwägungen nicht entgegen und entfaltet insbesondere keine dahingehende Bindungswirkung, dass alle "Online-Glücksspiel-Verfahren" auszusetzen wären.
dd)
Die Beklagte hat schuldhaft gegen die Verbote des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 und § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 verstoßen.
Enthält das Schutzgesetz selbst keine Regelung über die Schuldform, die zu seiner Verletzung erfüllt sein muss, ist nach § 823 Abs. 2 S. 2 BGB grundsätzlich einfache Fahrlässigkeit erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 24.11.1981 - VI ZR 47/80, juris, Rn. 18).
Die Beklagte hat durch ihre Organe (§ 31 BGB; vgl. BeckOGK/Offenloch, 15.3.2024, BGB § 31 Rn. 158) bedingt vorsätzlich, zumindest aber fahrlässig gehandelt. Insoweit ist sie dem Vorbringen des Klägers zu ihrer Kenntnis von der Illegalität ihres Angebots (S. 39 Kl. = Bl. 40 d. A.) nicht weiter entgegengetreten. Da es sich bei der Beklagten um eine Gesellschaft in Form der Limited handelt, agiert die Beklagte nicht "selbst", sondern durch ihre Organe. Mithin hat sie sich deren Handlungen und Kenntnis zurechnen zu lassen. Das entsprechende Vorbringen des Klägers ist daher dahingehend zu verstehen, dass die Organe der Beklagten Kenntnis von dem Verstoß des Angebots gegen § 4 GlüStV hatten. Mithin wussten sie, dass die Beklagte in Bezug auf den Kläger öffentlich Glücksspiel veranstaltete, ohne über eine Erlaubnis der deutschen Behörden zu verfügen, und ihnen war bekannt, dass eine solche für Online-Glücksspiel wegen des in § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 angeordneten Totalverbots ohnehin nicht zu erlangen war. Eine - hier schon nicht behauptete - unzutreffende Annahme, die maltesische Lizenz sei ausreichend, ließe als vermeidbarer Verbotsirrtum nach § 17 StGB, den Vorsatz nicht entfallen. Der EuGH hat bereits 2010 (s. o.) entschieden, dass keine Pflicht zur gegenseitigen Anerkennung der von den verschiedenen Mitgliedsstaaten erteilten Erlaubnisse besteht.
ee)
Ursächlich bedingt durch das Verhalten der Beklagten ist dem Kläger ein Vermögensschaden i. S. d. Differenzhypothese in Höhe der geleisteten und entsprechend des Angebots der Beklagten "verspielten" Einzahlungen entstanden. Ohne Abschluss des verbotswidrigen Vertrags hätte der Kläger nicht an den von der Beklagten unerlaubt angebotenen Glücksspielen teilgenommen und sein Vermögen dafür aufgewendet.
Insofern kann sich die Beklagte nicht mit Erfolg darauf berufen, der Kläger habe durch die Hingabe des Geldes eine Gewinnchance erworben, denn aufgrund der Nichtigkeit des Spielvertrags hätte der Kläger im Fall eines Gewinns keinen einklagbaren Anspruch erworben (vgl. OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - I-19 U 51/22, Rn. 78, juris).
Im Wege des Vorteilsausgleichs hat sich der Kläger gleichwohl die von der Beklagten erhaltenen Auszahlungsbeträge anrechnen zu lassen.
ff)
Der Schadensersatzanspruch des Klägers unterliegt keiner Kürzung wegen eines ihm anzulastenden Mitverschuldens nach § 254 BGB.
Ein Mitverschulden des Klägers in Bezug auf die Nutzung unerlaubter Glücksspiel-Angebote der insoweit beweisbelasteten Beklagten (vgl. Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, BGB, § 254 Rn. 72) hat diese nicht hinreichend substantiiert dargetan. Es ist auch sonst nicht ersichtlich.
Dem Mitverschulden liegt der allgemeine Rechtsgedanke zugrunde, dass ein Geschädigter für jeden Schaden mitverantwortlich ist, bei dessen Entstehung er in zurechenbarer Weise mitgewirkt hat. Er muss dabei diejenige Sorgfalt außer Acht gelassen haben, die jedem ordentlichen und verständigen Menschen obliegt, um sich vor Schaden zu schützen (vgl. Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, BGB, § 254 Rn. 8).
Soweit die Beklagte darauf abstellt, dass es hier nicht auf eine Verbotskenntnis, sondern rein auf eine Mitursächlichkeit ankomme und insoweit allein der Kläger über seine Teilnahme an den Online-Glücksspielen sowie seine Einsätze entschieden habe (S. 13 f. Ss. vom 12.10.2023 = Bl. 163 f. d. A.), greift dies nicht durch. Maßgeblich ist das "Verschulden des Geschädigten gegen sich selbst". In der vorliegenden Konstellation kommt es dabei nicht darauf an, ob der Kläger aufgrund des glücksspielimmanenten Risikos Einsätze verloren hat, sondern Bezugspunkt der Haftung der Beklagten ist der Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021. Dasselbe gilt sodann für den Kläger als Geschädigten. Mithin stellt sich hier entgegen der Auffassung der Beklagten die Frage seiner Kenntnis bzw. fahrlässigen Unkenntnis der Rechtslage.
Die Beklagte hat zu einem Mitverschulden des Klägers nichts Durchgreifendes vorgetragen. Sie hat lediglich bestritten, dass der Kläger keine Kenntnis von der Illegalität von Online-Glücksspielen gehabt habe (S. 8 Kl.erw. = Bl. 61 d. A.). Sie habe in ihren Geschäftsbedingungen darauf hingewiesen, dass sie in einem anderen EU-Land zugelassen sei. Zudem habe es "zahlreiche überregionale Medienberichte" zu der Legalität von Online-Glücksspielen im streitgegenständlichen Zeitraum gegeben (S. 8 f. Kl.erw. = Bl. 61 f. d. A.).
Weder der Hinweis auf ihre Geschäftsbedingungen noch auf eine Medienberichterstattung vermag im vorliegenden Fall eine vorsätzliche oder fahrlässige Verletzung der Sorgfaltspflichten des Klägers begründen.
(1)
Die Beklagte trägt bereits nicht vor, dass sich aus ihren Geschäftsbedingungen ein Hinweis auf die Illegalität ihres Angebots im zeitlichen und räumlichen Geltungsbereich der GlüStVe ergibt. Der alleinige Hinweis auf eine maltesische Lizenz ist kein hinreichender Anhalt für einen Verbraucher. Insbesondere ist er hierdurch nicht gehalten, zu recherchieren, welche Folgen eine solche Lizenz hat und ob sie für seinen Wohnort Gültigkeit besitzt. Im Gegenteil hat die Beklagte durch ihr auf den deutschen Raum ausgerichtetes Angebot und dadurch, dass sie den Kläger ohne Weiteres zu den Glücksspielen zugelassen hat, dafür gesorgt, dass bei ihm insoweit erst gar keine Zweifel aufkommen mussten.
(2)
Auch der pauschale Hinweis auf eine umfangreiche Medienberichterstattung führt nicht zu einer Kenntnis oder einem leichtfertigen Sich-Verschließen des Klägers. Es besteht bereits keine Medienverfolgungspflicht des Geschädigten im Interesse des Schädigers (vgl. etwa BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, juris, Rn. 18; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 679/21, juris, Rn. 28).
Dass der Kläger die behauptete Berichterstattung in den Medien wahrgenommen hat, behauptet die Beklagte nicht einmal. Ihm ist nicht der Vorwurf zu machen, nicht wenigstens gelegentlich Nachrichten und Medien zu konsumieren. Dass die Berichterstattung über die rechtliche Einordnung von Online-Glücksspielen auch bei gelegentlichem Nachrichtenkonsum nicht zu übersehen war, ist der Darlegung der Beklagten nicht zu entnehmen. Ein nur gelegentlicher Nachrichtenkonsum hätte daher nicht zwangsläufig, sondern eher zufällig zur Kenntnisnahme der Illegalität von Online-Glücksspielen führen können.
(3)
Dies konterkariert entgegen der Auffassung der Beklagten nicht den Spielerschutz, indem Spieler nunmehr ohne jegliches finanzielle Risiko bewusst unerlaubte Glücksspielangebot wahrnehmen könnten.
Ein Spieler von illegalen Online-Glücksspielen kann nicht beliebig oft seinen verlorenen Einsatz gerichtlich zurückfordern. Dies ist ihm lediglich einmal möglich, weil er spätestens nach einem - wie vorliegend der Kläger mit diesem - Rechtsstreit Kenntnis von der Illegalität von Online-Glücksspielen bzw. nunmehr den Voraussetzungen ihrer Legalität hat. Für alle seine Verluste aus seinem ggf. nach Geltendmachung seiner ersten Rückforderung durchgeführten weiteren Spielteilnahmen wären die subjektiven Voraussetzungen von § 254 BGB zu bejahen.
gg)
Schadensersatzrechtliche Ansprüche des Klägers sind allerdings verjährt, soweit sie vor dem 01.01.2020 entstanden sind, weil die am 22.02.2023 eingereichte und am 10.04.2023 der Beklagten zugestellte (S. 2 Ss. v. 21.04.2023 = Bl. 52 d. A.) Klage die Verjährung insoweit nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen konnte.
(1)
Schadensersatzrechtliche Ansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB. Entstanden i. S. vom § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Rückzahlungsanspruch bereits mit der Zahlung des Spieleinsatzes. Die Kenntniserlangung i. S. vom § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus, nicht des Anspruchs selbst (vgl. Staudinger/Peters/Jacoby [2019] BGB § 199, Rn. 69).
Die nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erforderliche Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners hat ein Geschädigter dann, wenn ihm die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 17.12.2020 - VI ZR 739/20, juris, Rn. 8). § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet. Es ist dabei nicht notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben. Auch muss er nicht bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27.05.2008 - XI ZR 132/07, juris, Rn. 32). Nicht bestehen dürfen begründete Zweifel an dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen (BGH, Urteil vom 23.09.2004 - IX ZR 421/00, juris, Rn. 10). Dagegen ist es für den Beginn der Verjährungsfrist nicht erforderlich, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung der Schuldfrage möglicherweise in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 18.01.1994 - VI ZR 190/93, juris, Rn. 17). Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die der geschädigten Person bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Nicht ausreichend ist hingegen die Kenntnis von Anknüpfungstatsachen. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Geschädigte aus den Anknüpfungstatsachen den Schluss auf eine Pflichtverletzung durch eine bestimmte Person zieht oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht gezogen hat (BGH, Urteil vom 17.06.2016 - V ZR 134/15, juris, Rn. 10). Es muss der geschädigten Person mithin lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihr hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben.
Der Verjährungsbeginn setzt weiter grundsätzlich nicht voraus, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Das Risiko der fehlerhaften rechtlichen Bewertung eines Sachverhalts wird vom Gesetz grundsätzlich dem Anspruchsinhaber auferlegt. Nur ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig - als erfolgversprechend, wenn auch nicht risikolos - einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn.
Die erforderliche Kenntnis des Klägers umfasst in Bezug auf Ansprüche nach §§ 823 Abs. 2, 31 BGB wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 mithin die Tatsache, dass er an die Beklagte zur Teilnahme an Online-Casinospielen Geld geleistet hat (ebenso OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - juris, Rn. 156, 151 ff.). Dies war dem Kläger mit Überweisung an die Beklagte zur anschließenden Teilnahme bekannt. Die Kenntnis dieses Umstands in Verbindung mit dem Umstand, dass ihn die Beklagte zur Teilnahme zuließ, genügte, um den Schluss auf eine der Beklagten nach § 31 BGB zurechenbare schuldhafte Schutzgesetzverletzung zu ziehen. Da hier der Bezugspunkt der Kenntnis eine andere ist, als bei der Frage des Mitverschuldens (s. o.), ergibt sich aus den dortigen Erwägungen des Senats nichts für die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis i. S. d. § 199 BGB.
Die Kenntnis des Klägers vom Totalverbot gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 - aus dem sich ohne Weiteres das Verbot der von der Beklagten angebotenen Online-Casinospiele ergibt - ist mithin hier nicht erforderlich.
Eine unsichere oder zweifelhafte Rechtslage lag nicht vor (so auch OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, juris, Rn. 156, 153). Insbesondere genügt es nicht, dass eine Rechtsfrage noch nicht höchstrichterlich entschieden ist. Eine entgegenstehende höchstrichterliche Rechtsprechung, die ausnahmsweise den kenntnisabhängigen Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben könnte, gab es in der vorliegenden Fallkonstellation nicht. Vielmehr hat das BVerwG, bereits vor dem streitgegenständlichen Zeitraum, mit seiner Entscheidung vom 26.10.2017 (8 C 18/17) geklärt, dass das Verbot, Poker- und Automaten- und Casinospiele im Internet zu veranstalten und zu vermitteln, mit Unions- und Verfassungsrecht vereinbar ist. Daher wäre aus Sicht eines rechtskundigen Dritten eine Klage bereits in den Jahren 2018 und 2019 zumutbar gewesen.
(2)
Soweit der Kläger rügt, dass ihn die Beklagte nicht auf die Illegalität ihres Angebots hingewiesen hat, führt dies nicht etwa zur Treuwidrigkeit der Erhebung der Verjährungseinrede gemäß § 242 BGB.
Es ist kein zielgerichtetes treuwidriges Verhalten (vgl. BGH NJW 2016, 3158 [BGH 14.06.2016 - XI ZR 242/15], Rn. 40) der Beklagten dargetan oder ersichtlich, das den Kläger von der Geltendmachung seines Rechts abgehalten hätte. Die Erhebung der Einrede der Verjährung stellt sich in Anbetracht des Umstands, dass die Beklagte mit ihrem Verhalten die etwaigen Fehlvorstellungen der Spieler zur Legalität ihres Angebots (lediglich) nicht aktiv beseitigt hat, jedenfalls nicht als mit dem Gebot von Treu und Glauben unvereinbar dar (vgl. BGH NJW-RR 2015, 193 [BGH 05.11.2014 - XII ZB 186/13]).
hh)
Nach Maßgabe des § 852 BGB kann der Kläger jedoch für den verjährten Zeitraum die Verluste nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen.
Die Bestimmung des § 852 BGB begründet dabei keinen eigenständigen bereicherungsrechtlichen Herausgabeanspruch, sondern gewährt einen sogenannten Restschadensersatzanspruch, der in Höhe der Bereicherung des Schädigers nicht verjährt ist. Die Verweisung in § 852 BGB auf die Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich nicht auf die tatbestandlichen Voraussetzungen, sondern auf die Rechtsfolgen. Der verjährte Deliktsanspruch bleibt als solcher bestehen und wird nur in seinem durchsetzbaren Umfang auf das durch die unerlaubte Handlung auf Kosten des Klägers beschränkt, soweit es nach Maßgabe der bereicherungsrechtlichen Vorschriften zu einer Vermögensmehrung des Ersatzpflichtigen geführt hat (vgl. BGH, Urteil vom 21.02.2022 - VIa ZR 8/21, juris, Rn. 53).
Im konkreten Fall hat die Beklagte durch die Einzahlungen des Klägers auf das Spielerkonto die eingezahlten Gelder durch Leistung des Klägers i.S.d. § 852 S. 1 BGB auf dessen Kosten erlangt.
Die insoweit geltende Verjährungsfrist nach § 852 BGB von 10 Jahren war zum Zeitpunkt der Rechtshängigkeit der Klage noch nicht abgelaufen.
b)
Der Kläger hat einen durchsetzbaren Anspruch auf Rückzahlung der im Zeitraum ab dem 01.01.2020 an die Beklagte geleistete Zahlungen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, Alt. 1 BGB, mithin i. H. v. 34.540,51 €. Hiervon sind die in demselben Zeitraum erhaltenen Auszahlungen i. H. v. 15.830,- € abzuziehen, sodass ein Betrag von 18.710,51 € verbleibt.
Rückzahlungsansprüche betreffend Leistungen des Klägers vor dem 01.01.2020 abzüglich der bis dahin erhaltenen Auszahlungen i. H. v. 1.274,40 € sind hingegen verjährt.
aa)
Der Kläger hat die Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht. Die im Zeitraum bis 30.06.2021 geschlossenen Verträge über die Beteiligung an Online-Glücksspielen sind wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1, 4 GlüStV 2012 gemäß § 134 BGB nichtig.
Dasselbe gilt ab 01.07.2021 wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021.
Insoweit kann auf die obigen Ausführungen unter 3., a) verwiesen werden.
(1)
Der Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 führt zur Nichtigkeit der Spielverträge gemäß § 134 BGB, wie der Senat bereits in einer vergleichbaren Konstellation entschieden hat (OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 - 9 U 3/22, juris, Rn. 85-119).
Dies entspricht der einhelligen obergerichtlichen Rechtsprechung (vgl. etwa OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, juris, Rn. 58; OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.12.2023 - 19 U 7/23, juris, Rn. 67 ff.; OLG Brandenburg, Urteil vom 16.10.2023 - 2 U 36/22, juris, Rn. 55 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 21.03.2023 - I 1 U 116/21, juris, Rn. 25 ff.; OLG Köln, Urteil vom 31.10.2022 - I-19 U 51/22, juris, Rn. 52 ff.; OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 - 10 U 736/22, juris Rn. 34 ff.; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 - 18 U 538/22, juris Rn. 18; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 08.04.2022 - 23 U 55/21, juris Rn. 47 ff.) sowie der Rechtsauffassung des BGH (Hinweisbeschluss vom 22.03.2024 - I ZR 88/23, juris, Rn. 26 ff.).
Die effektive Durchsetzung der unter § 1 des GlüStV 2012 aufgeführten Ziele erfordert grundsätzlich die Nichtigkeit der unter Verstoß gegen die Erlaubnispflicht geschlossenen Verträge über Online-Glücksspiele (vgl. im Einzelnen OLG Braunschweig, Urteil vom 23.02.2023 - 9 U 3/22, juris, Rn. 85 ff.). Verwaltungs- oder strafrechtliche Maßnahmen genügen zur Erreichung des Zwecks nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2024 - I ZR 88/23, juris, Rn. 30, 35).
(2)
Das gilt aus denselben Gründen für den Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 12.04.2024 - 5 U 149/23, juris, Rn. 47).
Die mit dem GlüStV 2021 verfolgten Ziele, vgl. § 1 des GlüStV 2021, sind im Vergleich zum GlüStV 2012 unverändert.
An dem Umstand, dass unerlaubt tätige Anbieter mit verwaltungs- und strafrechtlichen Maßnahmen nicht effektiv erreichbar sind, hat sich nichts geändert. Den Erläuterungen zum unter dem 09.02.2021 im niedersächsischen Landtag eingebrachten Gesetzentwurf GlüStV 2021 (LT-Drs. Nds. 18/8495, S. 64) ist insoweit zu entnehmen, dass sich die Bekämpfung des Schwarzmarktes als schwierig erwiesen habe. Die Veranstaltung der unerlaubten Internet-Glücksspiele seien zumeist aus dem Ausland heraus erfolgt. Die Glücksspielunternehmen hätten ihre unerlaubten Angebote aus dem Ausland heraus weiter fortgeführt, obgleich unerlaubte Glücksspielangebote untersagt worden seien und Gerichte das behördliche Vorgehen bestätigt hätten. Sie hätten sich dem Zugriff deutscher Behörden weitestgehend entziehen können. Rechtsvergleichende Studien hätten ergeben, dass in allen Regulierungsmodellen, die zum Schutz vor den aus Glücksspielen erwachsenden Gefahren mehr als nur unwesentliche Einschränkungen vorsähen, Defizite bei der Rechtsdurchsetzung im Internet gegen unerlaubte Angebote bestanden hätten.
Die in § 4 Abs. 4, Abs. 5 GlüStV 2021 vorgesehene Möglichkeit, öffentliche Glücksspiele im Internet für die Veranstaltung und den Eigenvertrieb von Online-Casinospielen, virtuellen Automatenspielen und Online-Poker zu erlauben, führt nicht dazu, dass die Nichtigkeit unerlaubter Glücksspielverträge nicht mehr erforderlich ist. Nach § 4 Abs. 5, Abs. 2 GlüStV 2021 ist die Erlaubnis zu versagen, wenn die Tätigkeit des Anbieters den Zielen des § 1 GlüStV 2021 zuwiderliefe. Daneben sind weitere Voraussetzungen nach § 4 Abs. 5 Nr. 1 - 6 GlüStV 2021 vom Anbieter zu erfüllen. Der Spielerschutz wird beim erlaubten Glücksspiel insbesondere dadurch verwirklicht, dass minderjährige und gesperrte Spieler ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 5 Nr. 1 GlüStV 2021) sowie dem Spieler keine Darlehen gewährt werden dürfen (§ 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2021). Besondere Suchtanreize durch schnelle Wiederholung müssen ausgeschlossen werden (§ 4 Abs. 5 Nr. 3 GlüStV 2021). Der monatliche Höchsteinsatz je Spieler darf grundsätzlich einen Betrag von 1.000 € nicht übersteigen (§§ 4 Abs. 5 Nr. 6, 6c Abs. 1 GlüStV 2021). Zudem werden Anbieter einer erweiterten Zuverlässigkeitsüberprüfung unterzogen (§ 4a Abs. 1 Nr. 1 GlüStV 2021), müssen ihre Leistungsfähigkeit nachweisen (§ 4a Abs. 1 Nr. 2 GlüStV 2021) sowie Transparenz- und Sicherheitsanforderungen erfüllen (§ 4a Abs. 1 Nr. 3 GlüStV 2021), insbesondere - zur Vorbeugung von Spielmanipulationen - Schnittstellen zur Prüfung aller Spielvorgänge in Echtzeit zur Verfügung stellen (§ 4a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. f GlüStV 2021). Das Genehmigungsverfahren besteht mithin nicht um seiner selbst willen; vielmehr erfüllt es eine eigenständige, auf das jeweilige gesetzliche Schutzgut bezogene, gestaltende Funktion zur Gewährleistung effektiven Rechtsgüterschutzes (vgl. BGH, Beschluss vom 22.03.2024 - I ZR 88/23, juris, Rn. 33).
Auch nach der Konzessionserteilung unterliegen erlaubte Glücksspielangebote der laufenden Aufsicht der zuständigen Behörde. In der Konzession werden Inhalts- und Nebenbestimmungen festgelegt, die zur dauernden Sicherstellung der Konzessionsvoraussetzungen sowie zur Einhaltung und Überwachung der Pflichten des Anbieters erforderlich sind (§ 4c Abs. 2 GlüStV 2021). Verletzt ein Anbieter eine Inhalts- und Nebenbestimmung der Konzession oder veranstaltet er unerlaubte Glücksspiele, kann die zuständige Behörde hiergegen Maßnahmen ergreifen (§ 4e Abs. 4 GlüStV 2021) und als ultima ratio einen Widerruf der Konzession aussprechen (§ 4e Abs. 4 Satz 2 Nr. 4 GlüStV 2021).
bb)
Der Rückforderungsanspruch des Klägers scheitert nicht an § 817 S. 2 BGB.
(1)
Zwar dürfte der Kläger durch die Teilnahme an dem Online-Glücksspiel selbst objektiv gegen § 285 StGB verstoßen haben. Allerdings fehlt es an den erforderlichen subjektiven Voraussetzungen des § 817 Satz 2 BGB.
(2)
§ 817 S. 2 BGB setzt nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat; dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (BGH, Urteil vom 02.12.2021 - IX ZR 111/20, juris Rn. 31).
Soweit es um die Einsicht in die Sittenwidrigkeit geht, reicht es in der Regel aus, dass der Leistende alle Tatsachen kennt, die die Sittenwidrigkeit seines Handelns ausmachen. Soweit dagegen - wie hier - ein Gesetzesverstoß des Leistenden in Rede steht, kann die Existenz der verschiedenartigsten Verbotsgesetze nicht ohne Weiteres und generell als bekannt vorausgesetzt werden. Vielmehr ist die Kenntnis gerade des Verbotsgesetzes festzustellen, soweit dieses nicht als allgemein bekannt angesehen werden darf (OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1282), wobei es genügt, wenn sich der Leistende der Einsicht in die Gesetzeswidrigkeit leichtfertig verschließt (BGH NJW 1989, 3217, 3218 [BGH 15.06.1989 - III ZR 9/88]; 1993, 2108, 2109 [BGH 15.06.1993 - XI ZR 172/92]; strenger: OLG München 22.11.2021 - 5 U 5491/21, BeckRS 2021, 55957, Rn. 1). Eine nur fahrlässige Unkenntnis reicht hingegen nicht (vgl. MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 89; so wohl auch: OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 1280, 1283 [OLG Frankfurt am Main 08.04.2022 - 23 U 55/21]).
Die Beweislast für die Voraussetzungen des § 817 S. 2 BGB als rechtshindernde Einwendung trifft die Beklagte. Wendet der Bereicherungsschuldner ein, dass dem Leistenden ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zur Last fällt, so trägt er hierfür die Beweislast (MüKoBGB/Schwab, 9. Aufl. 2024, BGB § 817 Rn. 91).
Insoweit kann vollumfänglich auf die hier entsprechend geltenden obigen Ausführungen bezüglich der Kenntnis des Klägers vom Verstoß gegen den GlüStV unter 3., a), ff) Bezug genommen werden. Die Beklagte hat zu einer Kenntnis bzw. leichtfertigen Unkenntnis des Klägers von dem Gesetzesverstoß nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
cc)
Die Rückforderung ist nicht gemäß § 762 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen.
Ein Spielvertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ist schlechthin nichtig und das auf Grund eines solchen Vertrags Geleistete kann aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden. § 762 Abs. 1 S. 2 BGB schließt - bei nicht verbotenem Spiel - die Rückforderung nur aus, soweit sie darauf gestützt wird, dass das Spiel nach § 762 Abs. 1 S. 1 BGB keine Verbindlichkeit begründet hat. Die Bestimmung ist auf Spiele, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, nicht anwendbar (vgl. BGH, NJW 1962, 1671 [BGH 12.07.1962 - VII ZR 28/61]).
dd)
Der Rückzahlungsanspruch scheitert nicht gemäß § 242 BGB am Verbot des venire contra factum proprium.
Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 16.07.2014 - IV ZR 73/13, juris Rn. 33 m.w.N.).
Angesichts des eigenen gesetzwidrigen Handelns ist die Beklagte nicht - jedenfalls nicht im Verhältnis zu ihrem Kunden - vorrangig schutzwürdig (vgl. OLG Frankfurt NJW 2022, 1280, 1284; OLG Hamm, Beschluss vom 12.11.2021 - 12 W 13/21 = BeckRS 2021, 37639, Rn. 23), zumal sie selbst den Weg zur Teilnahme an dem Online-Glücksspiel eröffnet hat, der Kläger sich den Zugang nicht etwa erschlichen hat und im Übrigen bereit ist, sich die Gewinne anrechnen zu lassen (vgl. OLG Braunschweig, Beschl. v. 03.12.2021 - 8 W 20/21, BeckRS 2021, 55956, Rn. 18).
Abgesehen davon schafft § 817 Satz 2 BGB in Konstellationen wie der vorliegenden im Falle eines objektiv und subjektiv beiderseitigen Gesetzesverstoßes bereits einen angemessenen Ausgleich im Sinne des Bereicherungsschuldners, so dass das Ergebnis der konkreten Anwendung des § 817 Satz 2 BGB im Einzelfall - so auch hier - regelmäßig nicht über § 242 BGB in sein Gegenteil verkehrt werden darf.
ee)
Die Beklagte hat daher gemäß § 818 Abs. 2 BGB Wertersatz in Bezug auf die bei ihr verbliebene Bereicherung zu leisten.
ff)
Bereicherungsrechtliche Ansprüche des Klägers sind allerdings verjährt, soweit sie vor dem 01.01.2020 entstanden sind, da die am 22.02.2023 eingereichte und am 10.04.2023 der Beklagten zugestellte (S. 2 SS. v. 21.04.2023 = Bl. 52 d. A.) Klage die Verjährung insoweit nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen konnte. Dies betrifft einen Betrag in Höhe von 1.274,40 €. Der Kläger hat bis einschließlich 31.12.2019 insgesamt 2.674,40 € zur Spielteilnahme an die Beklagte gezahlt und bis einschließlich 31.12.2019 hat die Beklagte insgesamt 1.400,- €) an ihn ausgezahlt (Anlage K1 = AB Kläger).
Bereicherungsrechtliche Ansprüche unterliegen der regelmäßigen Verjährungsfrist gemäß §§ 195, 199 BGB. Entstanden i. S. vom § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB ist ein Rückzahlungsanspruch bereits mit der Zahlung des Spieleinsatzes. Die Kenntniserlangung i. S. vom § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs aus § 812 I 1 Fall 1 BGB hat Kenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen, wenn er von der Leistung und den Tatsachen weiß, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Der Verjährungsbeginn setzt aus Gründen der Rechtssicherheit und Billigkeit grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände voraus. Nicht erforderlich ist in der Regel, dass der Gläubiger aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht. Ausnahmsweise kann die Rechtsunkenntnis des Gläubigers den Verjährungsbeginn aber hinausschieben, wenn eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die selbst ein rechtskundiger Dritter nicht zuverlässig einzuschätzen vermag. In diesen Fällen fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn. Das gilt erst recht, wenn der Durchsetzung des Anspruchs eine gegenteilige höchstrichterliche Rechtsprechung entgegensteht (vgl. BGH, NJW 2014, 3713 [BGH 28.10.2014 - XI ZR 348/13], Rn. 35, ders. NJW 2022, 389 [BGH 17.11.2021 - IV ZR 113/20] Rn. 43).
Da Online-Glücksspiele im zeitlichen Geltungsbereich des GlüStV 2012 wegen des darin enthaltenen Totalverbots unter keinem denkbaren Umstand erlaubt waren, lag die Kenntnis der den Anspruch begründenden Umstände ebenfalls bereits bei der Einzahlung des Spieleinsatzes vor.
Im Übrigen wird auf die entsprechenden obigen Ausführungen zur Verjährung der deliktsrechtlichen Ansprüche (3., a, gg) verwiesen, die hier entsprechend gelten.
4.
Der Kläger hat gemäß seinen erstinstanzlichen Anträgen einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von Zinsen ab dem 17.02.2023 gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs. 1 BGB.
Die Beklagte ist durch das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 02.02.2023 in Verzug gesetzt worden (Anlage K2, AB Kl.).
Insoweit ist dem Landgericht bei der Angabe des Zinsbeginns im Tenor des Urteils offenkundig ein Schreibfehler unterlaufen. Aus den Entscheidungsgründen sowie den im Sitzungsprotokoll (S. 2 d. Protokolls vom 20.10.2023 = Bl. 166R d. A.) zum gestellten Antrag zu 1.) in Bezug genommenen Schriftsatz vom 21.02.2023 (S. 2 d. Klageschrift = Bl. 3 d. A.) ergibt sich, dass das Landgericht hier - korrekterweise - vom Zinsbeginn am 17.02.2023 (S. 10 d. Urteils unter 3. = Bl. 177 d. A.) ausgegangen ist. Die Wiedergabe des 17.02.2022 im Antrag zu 1.) im Tatbestand des Urteils (S. 4 LGU = Bl. 171 d. A.) und im Tenor (S. 1 LGU = Bl. 168 d. A.) stellt mithin einen offenkundigen Fehler dar.
5.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte gemäß §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 4 Abs. 4 Satz GlüStV 2021 als Bestandteil seines Schadens i. S. d. §§ 249 ff. BGB (vgl. Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, BGB, § 249 Rn. 56 f.) i. H. v. 1.214,99 €.
a)
Soweit entsprechende Ansprüche in der Hauptsache verjährt sind, greift für den Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten § 852 BGB jedoch nicht, da die Beklagte in Bezug auf vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten des Klägers nichts erlangt hat.
Da sich die Beklagte mit der Rückzahlung mangels Mahnung vor dem vorgerichtlichen Auftrag des Klägers an seine Bevollmächtigten nicht in Verzug befunden hat, besteht insoweit auch kein Anspruch nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.
Ein etwaiger Anspruch nach §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB ist in Bezug auf den verjährten Teil der Hauptforderung ebenfalls verjährt, vgl. § 217 BGB.
b)
Die Ersatzpflicht der Beklagten umfasst überdies nicht eine von den Bevollmächtigten des Klägers geltend gemachte Gebühr von 1,5 (S. 39 Kl. = Bl. 40 d. A.), sondern nur eine angemessene Gebühr von 1,3 (vgl. Nr. 2300 Abs. 1 VV-RVG). Die vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit war weder umfangreich noch besonders schwierig, so dass eine höhere Gebühr nicht die erforderlichen und zweckmäßigen Kosten abbildet. Mithin betragen die vorgerichtlichen Kosten bei einem Gegenstandswert von 18.710,51 € insgesamt 1.214,99 € (1,3 Gebühr Nr. 2300 VV-RVG = 1.001,- €, Auslagen Nr. 7001 f. VV-RVG = 20,- €, 19 % MwSt = 193,99 €). Die vom Landgericht vorgenommene Zuerkennung einer darüberhinausgehenden Nebenforderung für den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten war daher auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern.
6.
Soweit der Kläger mit seiner zulässigen, gemäß § 524 ZPO innerhalb der mit Verfügung vom 13.02.2024 zur Berufungserwiderung gesetzten Frist von 5 Wochen (Bl. 269, 273 d. A.) am 07.03.2024 eingegangen Schriftsatz (Bl. 274 d. A.) erhobenen Anschlussberufung Zinsen auf den begehrten und erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag i. H. v. 19.984,91 € klageerweiternd bereits ab dem 16.11.2022 (statt wie bisher ab 17.02.2023) geltend macht, greift dies nicht in vollem Umfang durch.
a)
Die diesbezügliche Klageerweiterung ist gemäß § 533 ZPO in der Berufungsinstanz zulässig. Sie ist zur endgültigen Streitbeilegung sachdienlich, die zu ihrer Begründung angeführten Tatsachen sind bereits erstinstanzlich vorgebracht und damit gemäß § 529 ZPO zu berücksichtigen.
b)
Über die Anschlussberufung war nach den obigen Ausführungen gemäß § 524 Abs. 4 ZPO zu entscheiden; sie ist teilweise begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Zinsanspruch in gesetzlicher Höhe auf 18.650,51 € ab dem 16.11.2022, auf weitere 60,- € ab dem 17.11.2022 und auf restliche 1.274,40 € ab dem 17.02.2023.
Der Zinsanspruch folgt aus §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Zinspflicht beginnt jeweils ab dem Folgetag des Erhalts der einzelnen Zahlungen (vgl. zum Beginn der Zinspflicht ab Rechtshängigkeit: Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, BGB, § 291 Rn. 6).
aa)
Der Kläger hat vorgetragen, dass der Beklagten die Verbotswidrigkeit ihres Angebots bekannt gewesen sei (S. 39 Kl. = Bl. 40 d. A.). Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten, so dass das Vorbringen gemäß § 138 Abs. 3 ZPO zugestanden ist und ihr somit der Mangel des rechtlichen Grunds i. S. d. § 819 Abs. 1 BGB bei Empfang der Zahlungen bekannt war (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 19.12.2023 - 19 U 48/23, juris, Rn. 102 ff.). Die Beklagte haftet daher gemäß §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4 BGB ab Empfang der Zahlungen so, als ob die jeweiligen Rückzahlungsansprüche zu dieser Zeit rechtshängig geworden wären.
bb)
Die letzten Zahlungen des Klägers an die Beklagte i. H. v. insgesamt 60,- € datieren vom 16.11.2022 (Anlage K1, AB Kl.). Der diesbezügliche Zinsbeginn ist daher (erst) der 17.11.2022.
cc)
Soweit die Hauptforderung i. H. v. 1.274,40 € (Einzahlungen des Klägers bis einschließlich 31.12.2019: 2.674,40 €, Auszahlungen der Beklagten bis einschließlich 31.12.2019: 1.400,- €) verjährt sind, greift dies unabhängig von der Frage der Verjährung der einzelnen Zinsforderungen gemäß § 217 BGB auf die diesbezüglichen Nebenforderungen, mithin auch Zinsforderungen, durch.
Ein diesbezüglicher Zinsanspruch besteht gemäß §§ 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB erst ab dem 17.02.2023, nachdem die Beklagte durch das anwaltliche Schreiben des Klägers vom 02.02.2023 in Verzug gesetzt worden war (Anlage K2, AB Kl.).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das Teilunterliegen des Klägers ist geringfügig und hat keine höheren Kosten verursacht.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 43, 45 Abs. 2, Abs. 1, 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, §§ 3, 4 ZPO.
IV.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und - davon unabhängig - zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) zuzulassen, soweit mit der Klage Ansprüche aufgrund von Einzahlungen des Klägers vor dem 01.01.2020 geltend gemacht werden.
Eine Sache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 28.04.2004 - IV ZR 144/03 = VersR 2005, 140f.; Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02 = NJW 2003, 1943, 1944; Beschluss vom 01.10.2002 - XI ZR 71/02 = NJW 2003, 65, 67).
Entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und klärungsfähig ist die Frage, ob der Anbieter unerlaubter Online-Glücksspiele aufgrund des Verstoßes gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 Spielern, die an seinen unerlaubt angebotenen und durchgeführten Online-Glücksspielen teilgenommen und dabei Geld verloren haben, nach § 823 Abs. 2 BGB auf Rückzahlung dieser Verluste haftet. Die Frage der Verwirklichung des § 823 Abs. 2 BGB bzw. des Vermögensschutzes des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten, eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es hierzu nicht. Die Frage ist hier in Bezug auf die Spielverluste vor dem 01.01.2020 (1.274,40 €) entscheidungserheblich, weil der Anspruch in diesem Umfang nach der Auffassung des erkennenden Senats sich allein aus Deliktsrecht i. V. m. § 852 BGB ergibt. Die Frage betrifft in der vorliegenden Konstellation eine unbestimmte Vielzahl von Fällen und berührt daher das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einheitlicher Entwicklung und Handhabung des Rechts.
Der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung setzt voraus, dass die konkrete Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung i. d. S. liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der von einem in anderen Entscheidungen eines höheren oder eines gleichgeordneten Gerichts aufgestellten abstrakten Rechtssatz abweicht (BGH, Beschluss vom 16.10.2018 - II ZR 70/16, NJW-RR 2019, 524, Rn. 17; BGH, Beschluss vom 09.07.2007 - II ZR 95/06, NZG 2007, 822, Rn. 2; BGH, Beschluss vom 27.03.2003 - V ZR 291/02, juris, Rn. 9).
Das OLG Oldenburg hat die Frage des Vermögensschutzes von § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 gegenläufig entschieden (OLG Oldenburg, Urteil vom 30.11.2023 - 1 U 14/23, juris, Rn. 68 ff., 73), wohingegen das OLG Stuttgart entsprechend der hier vertretenen Auffassung entschieden hat (OLG Stuttgart, Urteil vom 24.05.2024 - 5 U 101/23, Rn. 159 ff., 170, 163: Vermögensschutz über § 823 Abs. 2 BGB, §§ 4 Abs. 4, 8 Abs. 2 GlüStV 2012 = § 8a Abs. 1 GlüStV 2021).