Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.04.2025, Az.: 4 LA 152/24

Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs i.R.e. Asylgerichtsverfahrens

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.04.2025
Aktenzeichen
4 LA 152/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 14190
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0416.4LA152.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 30.09.2024 - AZ: 4 A 192/19

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Im Falle einer Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör, einen nachgehenden schriftsätzlich gestellten Beweisantrag wie einen in der mündlichen Verhandlung gestellten unbedingten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden.

  2. 2.

    Ein Beweisantrag setzt voraus, dass für eine bestimmte Tatsachenbehauptung ausdrücklich ein näher bezeichnetes Beweismittel angeboten wird. Der Antrag muss erkennen lassen, dass durch die Ausschöpfung des Beweismittels das Bestehen oder Nichtbestehen einer konkreten Tatsache nachgewiesen werden soll. Darüber hinaus ist der Beweisantrag durch ein strengförmliches prozessuales Petitum gekennzeichnet. Dadurch unterscheidet er sich von der unverbindlich gemeinten Beweisanregung, mit der nicht eine Beweiserhebung verlangt, sondern nur auf die Möglichkeit zu Ermittlungshandlungen hingewiesen wird

Tenor:

  1. I.

    Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

    Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

  2. II.

    Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 30. September 2024 wird abgelehnt.

    Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I. Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Zulassungsverfahren (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) liegen nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung, wie sich im Einzelnen aus den nachstehenden Ausführungen zur Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung ergibt (unter II.), bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Kostenentscheidung für das Prozesskostenhilfeverfahren folgt aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

II. Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn der von ihm allein geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 6 VwGO) liegt nicht vor.

Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags eines Beteiligten haben (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 18.2.2021 - 1 B 9.21 -, juris Rn. 4 m.w.N.). Aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs lässt sich aber nicht die Verpflichtung der Gerichte ableiten, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht eines Beteiligten inhaltlich zu folgen (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Beschl. v. 4.7.2024 - 4 B 5.24 -, juris Rn. 24).

Die von dem Kläger mit seinem Zulassungsantrag unter mehreren Gesichtspunkten gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor.

Soweit der Kläger eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht zu keinem Zeitpunkt Informationen dazu eingeholt habe, ob seine Familie überhaupt willens und finanziell in der Lage sei, die nötigen Geldmittel zur Verfügung zu stellen, um ihm in Marokko Zugang zu den aufgrund seiner psychischen Erkrankung erforderlichen Behandlungen und Medikationen zu ermöglichen, macht er der Sache nach einen Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht bzw. den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 86 Abs. 1 VwGO geltend. Bei einem Verstoß hiergegen handelt es sich jedoch grundsätzlich nicht um einen Gehörsverstoß und damit nicht um einen absoluten Revisionsgrund nach § 138 VwGO, der von § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG erfasst wäre (vgl. Senatsbeschl. v. 27.9.2021 - 4 LA 171/21 -, juris Rn. 7; ferner OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 16.1.2025 - 1 A 2445/24.A -, juris Rn. 21 m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 13.11.2024 - 6 ZB 24.30940 -, juris Rn. 11).

Ein mit Erfolg rügefähiger Verfahrensfehler durch eine unzureichende bzw. unterbliebene Aufklärung des Sachverhalts liegt nur vor, wenn dieser Mangel Ausdruck einer Gehörsverletzung ist (Senatsbeschl. v. 8.8.2023 - 4 LA 219/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; ferner OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 3.3.2020 - OVG 9 N 2.20 -, juris Rn. 6; OVG Bremen, Beschl. v. 21.9.2020 - 1 LA 33/20 -, juris Rn. 9). So stellt die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisantrags einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG und damit einen absoluten Revisionsgrund im Sinne von § 138 Nr. 3 VwGO dar, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (BVerwG, Beschl. v. 12.3.2004 - 6 B 2.04 -, juris Rn. 9; ferner Senatsbeschl. v. 8.8.2023 - 4 LA 219/21 -, juris Rn. 8 m.w.N; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 25.7.2024 - 11 LA 303/23 -, juris Rn. 17). Fehlt es an einem förmlichen Beweisantrag, kommt hinsichtlich der Sachaufklärungspflicht eine Verletzung des Rechts aus Art. 103 Abs. 1 GG in einer nach § 138 Nr. 3 VwGO beachtlichen Weise in Betracht, wenn das Gericht eine Beweisanregung nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat oder ihr nicht gefolgt ist, obwohl sich dies hätte aufdrängen müssen (BVerwG, Beschl. v. 4.3.2014 - 3 B 60.13 -, juris Rn. 7; ferner Senatsbeschl. v. 8.8.2023 - 4 LA 219/21 -, juris Rn. 8 m.w.N.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 22.8.2024 - 11 LA 361/22 -, juris Rn. 58).

Einen (förmlichen) Antrag, Beweis zu erheben über die Unterstützungsbereitschaft seiner Familie und den finanziellen Möglichkeiten hierzu, hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren indes nicht gestellt. Diese waren auch nicht Gegenstand der vom Verwaltungsgericht im erstinstanzlichen Verfahren durchgeführten Beweiserhebung, die es im Termin am 18. Mai 2021 in Aussicht gestellt hatte (Sitzungsniederschrift vom 18. Mai 2021, S. 2). Das Verwaltungsgericht hat vielmehr - nicht auf Antrag des Klägers, sondern von Amts wegen - durch Beschluss vom 14. Juni 2021 Beweis erhoben über die Frage, ob Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen in Marokko behandelbar seien und eine solche Behandlung auch für mittellose Personen zu erlangen sei, durch Einholen einer Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland sowie der Caritas in Rabat/Marokko. Der Kläger hat gegenüber dem Verwaltungsgericht weder im Termin am 18. Mai 2021 noch in seinen Schriftsätzen an das Verwaltungsgericht vor oder nach diesem Termin angeregt, zusätzlich Beweis zu erheben über die Unterstützungsbereitschaft und finanziellen Möglichkeiten seiner Familie, um ihm in Marokko Zugang zu ärztlichen Leistungen zu verschaffen.

Eine weitere Sachverhaltsklärung hierzu hat sich für das Verwaltungsgericht im Übrigen auch nicht aufgedrängt. Denn das Verwaltungsgericht ist ausweislich der Entscheidungsgründe nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt, dass die Erkrankung des Klägers in seinem Heimatland behandelbar sei (Urteilsabdruck, S. 7). Das Verwaltungsgericht stützt dies im Einzelnen auf folgende Feststellungen: Die Kooperationsärztin der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Rabat habe ausgeführt, dass sowohl eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) als auch eine Depression je nach Schweregrad rein psychotherapeutisch oder psychotherapeutisch und medikamentös in Marokko behandelt würden. Alle gängigen Psychopharmaka seien in Marokko erhältlich. Für mittellose Personen sei das RAMED Programm eingerichtet. Eine ärztliche psychiatrische Betreuung könne in den lokalen Gesundheitszentren garantiert werden. Die Kosten für Medikamente für psychisch Kranke würden von RAMED übernommen. Bei schweren depressiven Episoden oder Suizidalität könne eine kostenlose Aufnahme in einem spezialisierten Krankenhaus von den lokalen Heilanstalten garantiert werden. Die Kosten für psychiatrische Sitzungen bei privaten Psychologen würden von RAMED allerdings nicht übernommen (Urteilsabdruck, S. 7 f.). Der Kläger habe Familienangehörige in Marokko und ihm sei dadurch eine Registrierung im RAMED Programm möglich. Es möge sein, dass der Kläger über eine ärztliche psychiatrische Betreuung in den lokalen Gesundheitszentren nicht in den Genuss von psychiatrischen Sitzungen bei privaten Psychologen gelangen kann, weil er diese Kosten nicht werde aufbringen können. Dass dies zu einer wirklichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes führen werde, stehe zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht fest. Aus den vielfältig vorgelegten Attesten ergebe sich lediglich, dass eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll sein möge, da der Kläger sie als positiv erlebe und bei Wegfall, auch der Medikation, eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes wahrscheinlich sei. Eine genaue Prognose sei in Anbetracht der komplexen Situation schwer konkret anzugeben. Daraus ziehe das Gericht aber nicht den Schluss, dass sich der gesundheitliche Zustand des Klägers bei einer Rückkehr in seiner Heimat in Anbetracht der dort zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten alsbald und konkret verschlechterte (Urteilsabdruck, S. 8).

Für das Verwaltungsgericht ist es demnach für seine Entscheidung nicht erheblich gewesen, ob der Kläger über eine kostenlose Behandlung im Rahmen des RAMED Programms hinaus in den Genuss von psychiatrischen Sitzungen bei privaten Psychologen gelangen und diese finanzieren kann. Demzufolge hat sich für das Verwaltungsgericht eine weitere Sachverhaltsermittlung zu den finanziellen Unterstützungsmöglichkeiten seiner Familie und ihrer Bereitschaft hierzu auch nicht aufgedrängt.

Soweit der Kläger mit seinem Zulassungsantrag des Weiteren geltend macht, dass das Verwaltungsgericht "trotz mehrfacher Anträge und nachdrücklichen Aufforderungen zur Einholung eines Sachverständigengutachtens" nicht ausreichend ermittelt habe, "welche gesundheitlichen Folgen eine Rückführung des Klägers nach Marokko bedingen würden", und hierzu entsprechende Feststellungen "trotz Beweisangebot" nicht getroffen habe, liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs ebenfalls nicht vor.

Das Verwaltungsgericht hat bezogen auf die "gesundheitlichen Folgen einer Rückführung nach Marokko" einen erheblichen Beweisantrag des Klägers nicht übergangen. Der Kläger hat im erstinstanzlichen Verfahren, nachdem das Verwaltungsgericht am 18. Mai 2021 mündlich verhandelt und am 14. Juni 2021 einen Beweisbeschluss erlassen hatte, auf gerichtliche Nachfrage vom 24. November 2022 durch Schriftsatz vom 30. März 2023 erklärt, auf die Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung zu verzichten. Die Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung von Beweisanträgen gilt gemäß § 86 Abs. 2 VwGO im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Einen förmlichen Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger - wie ausgeführt - nicht gestellt. Allerdings gebietet es der Anspruch auf rechtliches Gehör im Falle einer Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO, einen nachgehenden schriftsätzlich gestellten Beweisantrag wie einen in der mündlichen Verhandlung gestellten unbedingten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden. Anders verhält es sich aber, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist. In dieser Fallkonstellation ist der angekündigte Beweisantrag lediglich als Beweisanregung zu verstehen (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 24.8.2015 - 9 B 34.15 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 10.10.2013 - 1 B 15.13 -, juris Rn. 7 und v. 6.9.2011 - 9 B 48.11 -, juris Rn. 10).

Der Kläger hat einen von dem Verwaltungsgericht nach den vorgenannten Grundsätzen zu bescheidenden schriftsätzlichen Beweisantrag nicht gestellt. Nachdem er mit Schriftsatz vom 30. März 2023 sein Einverständnis mit einer Entscheidung (ohne) weitere mündliche Verhandlung erklärt hatte, hat er hinsichtlich seiner gesundheitlichen Situation in seinen Schriftsätzen vom 5. September 2023 und 25. September 2023 "auf den bisherigen Vortrag nebst Beweisantritten" verwiesen, um "unnötige Wiederholungen zu vermeiden", und zuletzt mit Schriftsatz vom 19. September 2024 "nochmals auf den bisherigen Vortrag und die übermittelten Unterlagen sowie die angebotenen Explorationen durch einen unabhängigen Sachverständigen". Vor seiner Einverständniserklärung vom 30. März 2023 hatte er mit Schriftsatz vom 26. November 2021 erklärt: "Ich bitte daher dringend darum - wie wiederholt angeregt - vor einer abschließenden Entscheidung erforderlichenfalls ein Gutachten einzuholen, welches sich neben den Erkrankungen und dauerhaften Behandlungsbedürfnissen auch und vor allem mit den Folgen einer Rückführung für den Kläger auseinandersetzt". Mit diesen schriftsätzlichen Erklärungen hat der Kläger aber bereits keine konkrete Tatsachenfrage benannt, über die Beweis erhoben werden soll und die eines Beweises auch zugänglich ist, wie es ein förmlicher Beweisantrag erfordert. Ein Beweisantrag setzt nämlich voraus, dass für eine bestimmte Tatsachenbehauptung ausdrücklich ein näher bezeichnetes Beweismittel angeboten wird. Der Antrag muss erkennen lassen, dass durch die Ausschöpfung des Beweismittels das Bestehen oder Nichtbestehen einer konkreten Tatsache nachgewiesen werden soll. Ein Antrag, der diesen inhaltlichen Anforderungen nicht genügt, stellt lediglich eine Anregung an das Gericht dar, eine weitere Aufklärung des Sachverhalts vorzunehmen. Die Ablehnung derartiger Beweisanregungen ist daran zu messen, ob das Tatsachengericht seine Sachaufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat (vgl. nur BVerwG, Beschl. v. 19.5.2016 - 6 B 1.16 -, juris Rn. 32 m.w.N.). Darüber hinaus ist der Beweisantrag durch ein strengförmliches prozessuales Petitum gekennzeichnet. Dadurch unterscheidet er sich von der unverbindlich gemeinten Beweisanregung, mit der nicht eine Beweiserhebung verlangt, sondern nur auf die Möglichkeit zu Ermittlungshandlungen hingewiesen wird (Bayerischer VGH, Beschl. v. 27.5.2024 - 6 ZB 24.565 -, juris Rn. 16; Schoch/Schneider, VwGO, Stand: 46. EL August 2024, § 86 Rn. 90). Mit seinen schriftsätzlichen Erklärungen hat der Kläger aber eine Beweiserhebung nicht verlangt, sondern lediglich Anregungen zu einer Beweisaufnahme gemacht. Auch aus diesem Grund fehlt es hier an förmlichen Beweisanträgen des Klägers, die vom Verwaltungsgericht vor seiner Sachentscheidung zu bescheiden gewesen wären.

Der im erstinstanzlichen Verfahren durch die vorgenannten Schriftsätze erfolgten Anregung des Klägers, zu den "gesundheitlichen Folgen einer Rückführung nach Marokko" Beweis zu erheben, brauchte das Verwaltungsgericht vor der von ihm getroffenen Sachentscheidung ersichtlich nicht zu folgen. Denn hierzu hat sich eine (weitere) Beweiserhebung nicht aufgedrängt. Das Verwaltungsgericht hatte - wie bereits ausgeführt - nach der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 2021 durch Beschluss vom 14. Juni 2021 bereits Beweis erhoben über die Frage, ob Depressionen und Posttraumatische Belastungsstörungen in Marokko behandelbar seien und eine solche Behandlung auch für mittellose Personen zu erlangen sei. Nach dem von ihm ermittelten Sachverhalt ist das Verwaltungsgericht auf der Grundlage der eingeholten Auskünfte der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland und der Caritas in Rabat/Marokko sowie der vom Kläger zu seiner Erkrankung vorgelegten ärztlichen Unterlagen durchaus in der Lage gewesen zu entscheiden, ob im Falle einer Rückführung des Klägers nach Marokko wegen seiner psychischen Erkrankungen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht.

Soweit der Kläger rügt, dass sich das Gericht gar nicht bzw. nur unzureichend mit seinem Vortrag in seiner Entscheidung auseinandergesetzt habe, macht er ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Diesen Grund für die Zulassung der Berufung kennt § 78 Abs. 3 AsylG anders als § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aber nicht.

Schließlich liegt entgegen der Auffassung des Klägers keine Verletzung rechtlichen Gehörs dadurch vor, dass das Verwaltungsgericht vor seiner Entscheidung nicht darauf hingewiesen hat, dass es den Vortrag des Klägers zu den von ihm geltend gemachten Folgen für seine Gesundheit im Falle einer Rückkehr nach Marokko nicht für ausreichend erachte, um eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darzulegen, und insoweit dem Kläger auch keine Gelegenheit zu einem ergänzenden Vortrag eingeräumt hat. Das Gebot des rechtlichen Gehörs fordert, dass die Beteiligten Gelegenheit erhalten, sich zu allen entscheidungserheblichen Rechtsfragen sachgemäß, zweckentsprechend und erschöpfend zu erklären (vgl. § 108 Abs. 2 VwGO). Daraus folgt allerdings nicht die Verpflichtung des Tatsachengerichts, die Beteiligten auf die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffes hinzuweisen und offen zu legen, wie es eine Entscheidung im Einzelnen zu begründen beabsichtigt. Eine Ausnahme hiervon gilt dann, wenn das Gericht bei seiner Entscheidung auf einen rechtlichen Gesichtspunkt oder eine bestimmte Bewertung des Sachverhalts abstellen will, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr, siehe etwa BVerwG, Beschl. v. 15.7.2015 - 7 B 23.14 -, juris Rn. 17 m.w.N.). Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall gewesen, da der anwaltlich vertretene Kläger ohne Weiteres damit rechnen konnte, dass das Verwaltungsgericht die bei einer Rückkehr nach Marokko drohenden Gefahren für Leib, Leben oder Freiheit im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG unter Berücksichtigung seines Vorbringens zu seiner Erkrankung und der durch die Beweiserhebung gewonnenen Erkenntnisse zu den Behandlungsmöglichkeiten in Marokko würdigen wird.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).