Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 07.11.2024, Az.: 2 ORbs 155/24
Rechtmäßigkeit der Beweiswürdigung im Rahmen einer auf Indizien gestützten Feststellung der Fahrereigenschaft
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 07.11.2024
- Aktenzeichen
- 2 ORbs 155/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 29125
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Aurich - 19.07.2024
Rechtsgrundlage
- § 261 StPO
Amtlicher Leitsatz
Rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung: Auf Indizien gestützte Feststellung der Fahrereigenschaft
In der Bußgeldsache
gegen
AA,
geboren am TT.MM.1987 in Ort1,
wohnhaft Ort2,
ledig, Staatsangehörigkeit: deutsch,
Verteidiger:
(...)
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Oberlandesgericht Oldenburg (Oldenburg) durch den Richter am Oberlandesgericht
(...) am 07.11.2024 beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Aurich vom 19.7.2024 wird auf seine Kosten als offensichtlich unbegründet verworfen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen eines unerlaubten Überholens mit Gefährdung zu einer Geldbuße und einem Fahrverbot verurteilt. Die Ordnungswidrigkeit war von Polizeibeamten, die den Fahrer aber nicht erkannt haben, beobachtet worden.
Das Amtsgericht hat sich von der Täterschaft des schweigenden -ledigen und kinderlosen- Betroffenen aufgrund folgender Umstände überzeugt:
Haltereigenschaft
laut Versicherungsvertrag allein berechtigter Fahrer
weite Entfernung zwischen Wohnort und Tatort
Die Nachprüfung des Urteils lässt aus den von der Generalstaatsanwaltschaft dargelegten Erwägungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat zu Recht darauf hingewiesen, dass kein Fall vorliegt, in dem "bei Fehlen jedes weiteren Beweisanzeichens" (BVerfG NJW 2024, 2243 [BVerfG 17.05.2024 - 2 BvR 1457/23]) auf die Täterschaft geschlossen worden wäre. Bei der Berücksichtigung weiterer Indizien stand dem Amtsgericht zudem ein "weiter Beurteilungsspielraum zur Verfügung" (BVerfG NJW 1994, 847).
Insofern verstößt die Beweiswürdigung und damit das Urteil nicht gegen das aus Art 3 GG folgende Willkürverbot.
Sie ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden:
"Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlichrechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre. Die Schlussfolgerungen des Tatgerichts brauchen dabei nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die Urteilsgründe müssen allerdings erkennen lassen, dass die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruht und die vom Tatgericht gezogenen Schlüsse nicht bloße Vermutungen sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. August 2021 - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 29 f.; Urteile vom 11. März 2021 - 3 StR 316/20, NStZ 2022, 161 Rn. 11; vom 14. Januar 2021 - 3 StR 124/20, NStZ-RR 2021, 113, 114; vom 13. Oktober 2020 - 1 StR 299/20, NStZ-RR 2021, 24; Beschluss vom 6. August 2020 - 1 StR 178/20, NStZ 2021, 184 Rn. 8)."
(BGH, Urteil vom 14. Dezember 2023 - 3 StR 183/23 -, Rn. 12, juris)
Hier hat das Amtsgericht deshalb rechtsfehlerfrei von der Haltereigenschaft, dem Inhalt des Versicherungsvertrages und des Tatortes auf die Fahrereigenschaft des -unverheirateten, kinderlosen- Betroffenen geschlossen. Soweit es in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass der Betroffene keine Angaben zu einer Nutzung durch Dritte gemacht habe, schließt der Senat angesichts der übrigen Ausführungen aus, dass das Urteil auf einer Berücksichtigung des Schweigerechts zum Nachteil des Betroffenen beruht (vgl. BGH NStZ-RR 2023, 322), zumal diese Ausführungen nur im Zusammenhang mit einer "ungenehmigten" Fremdnutzung, für die ohnehin keine Anhaltspunkte vorlagen, erfolgt sind. Das Gericht muss aber keine Tatvariante unterstellen, für die es keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte gibt (BGH, Urteil vom 9.4.2015, 4 StR 401/14).
Die Verhängung des Fahrverbots ist mit dieser Entscheidung rechtskräftig. Der Führerschein ist spätestens am 07.03.2025 bei der Staatsanwaltschaft Aurich als der zuständigen Vollstreckungsbehörde in amtliche Verwahrung zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.