Landgericht Hannover
Urt. v. 16.03.2023, Az.: 19 O 308/21

Kein Anspruch auf Leistung einer Teilkaskoversicherung aufgrund fehlenden Nachweises und Glaubwürdigkeit

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
16.03.2023
Aktenzeichen
19 O 308/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 56984
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2023:0316.19O308.21.00

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 08.08.2024 - AZ: 11 U 64/23

In dem Rechtsstreit
XXX
- Kläger -
Prozessbevollmächtigter:
XXX
gegen
XXX
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
XXX
hat das Landgericht Hannover - 19. Zivilkammer - durch die Richterin am Landgericht XXX auf die mündliche Verhandlung vom 20.02.2023 für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Versicherungsleistung in Anspruch.

Der Kläger ist Versicherungsnehmer einer bei der Beklagten bestehenden Kfz-Versicherung zur Versicherungsschein Nummer XXX Versichert ist der Pkw der Marke Audi mit dem amtlichen Kennzeichen XXX. Versicherungsbeginn war der 12.02.2021. Es besteht neben einer Haftpflichtversicherung eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300 € und eine Fahrzeug-Teilversicherung mit einer Selbstbeteiligung von 300 €. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKW) der Beklagten, Stand 01.08.2020 (Anlage B2) zugrunde.

Der Kläger nimmt die Beklagte aus der Teilkaskoversicherung in Anspruch.

Er trägt vor, das Fahrzeug sei am 27.09.2021 von dem Zeugen XXX bei dessen Arbeitsstätte XXX beschädigt worden. Dieser habe das Fahrzeug gegen 13:30 Uhr in einer Seitenstraße abgestellt. Nach Beendigung der Arbeit gegen 22:00 Uhr sei er mit dem Fahrzeug nach Hause gefahren und habe dort festgestellt, dass das Fahrzeug rundherum zerkratzt und damit beschädigt worden sei. Es seien seinerzeit auch andere Fahrzeuge von derartigen Beschädigungen betroffen gewesen. Gemäß Kfz-Gutachten des Sachverständigen XXXX vom 29.09.2021 betragen die Reparaturkosten netto 8.195,09 €, die der Kläger im Wege der fiktiven Abrechnung unter Abzug der Selbstbeteiligung von 300 € mit der Klage geltend macht.

Der Kläger ist im zweiten Verhandlungstermin am 20.02.2023 säumig gewesen.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 7.895,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 22.11.2021 zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu Händen XXX einen Betrag in Höhe von XXX € für außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 22.11.2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

nach Lage der Akten zu entscheiden und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet, dass ein Versicherungsfall eingetreten sei. Ihrer Meinung nach sei der Schaden absichtlich herbeigeführt worden. Das Fahrzeug sei an nahezu allen Karosserieteilen mit Kratzspuren versehen. Im Bereich des hinteren Kotflügels seien die Schäden durch einen Hammer oder Ähnliches herbeigeführt worden. Dieses sei untypisch für einen Vandalismusschaden, wahrscheinlich handele es sich um einen Racheakt. Zudem ergebe sich aus den Spuren am Heck des Fahrzeugs, dass die Heckklappe geöffnet gewesen sein müsse, um solche Spuren zu verursachen, es habe also ein Schlüssel vorgelegen. Die Schadenstellen seien so ausgesucht worden, dass bei möglichst geringem Beschädigungsaufwand ein hoher Reparaturaufwand entstehe. Der Wechsel des Werkzeugs spreche gegen einen Vandalismusschaden. Der Kläger habe einen Kaufvertrag nicht vorlegen können und zudem differierende Angaben zur Kaufpreishöhe gemacht. Die Beklagte bestreitet deshalb die Aktivlegitimation, insbesondere, dass der Kläger berechtigt sei, Leistungen an sich zu verlangen. Sie bestreitet zudem, dass der Zeuge XXX Eigentümer des Fahrzeugs sei. Ein Barkauf sei wenig plausibel. Der Zeuge XXX sei bereits früher Opfer eines Vandalismusschadens gewesen. Er sei durch andere Versicherer in der HIS-Datei wegen eines herbeigeführten Unfalls gelistet. Der Unfallhergang und dass das Fahrzeug vor Fahrtantritt unbeschädigt gewesen sei, werde bestritten.

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß prozessleitender Verfügung im Beschluss vom 31.05.2022 (Bl. 33 d. A.) durch Vernehmung des Zeugen XXX. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 22.08.2022 (Bl.54 ff d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Eine Entscheidung nach Lage der Akten ist gemäß § 331a ZPO zulässig. Der Kläger ist im Termin am 20.02.2023 säumig geblieben. Es ist bereits zuvor am 22.08.2022 mündlich verhandelt worden. Die Beklagte hat den Antrag gestellt, eine Entscheidung nach Lage der Akten zu treffen.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch aus § 1 VVG in Verbindung mit den Ziffern A.2.1.1 und A.2.3.3 der vereinbarten Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht zu.

Der Kläger hat als die insoweit beweisbelastete Partei den bedingungsgemäßen Versicherungsfall - Vandalismusschaden - nicht nachgewiesen. Der Versicherungsnehmer hat die mut- und böswillige Beschädigung des Fahrzeugs zu beweisen. Dabei kommen ihm keine Beweiserleichterungen zugute, da das versicherte Fahrzeug - anders als in den Entwendungsfällen - in Augenschein genommen werden kann. Es genügt aber, wenn die Art der Beschädigung eindeutig auf eine vorsätzliche Schädigung schließen lässt.

Zwar hat der Zeuge XXX bekundet, dass er das Fahrzeug am Vorfallstag mittags in einer Seitenstraße an seinem Arbeitsplatz ohne Beschädigung abgestellt habe und nach Feierabend gegen 21.45 bzw. 22.00 Uhr nach Hause gefahren sei. Erst dort habe er gesehen, dass das Fahrzeug komplett zerkratzt gewesen sei. Dies habe er am Abstellort am Arbeitsplatz nicht erkennen können, weil es sehr dunkel und extrem regnerisch gewesen sei. Wegen des Schadens habe er noch am Abend beim nächsten Polizeirevier in der Kastanienallee Anzeige gegen unbekannt erstattet.

Der Zeuge ist indes nicht glaubwürdig. Die Angaben des Zeugen im Termin, die über das eigentliche Kerngeschehen hinausgehen, sind bereits zu seinen vorprozessualen Angaben in dem Schadenmeldebogen (Anlage B 3) gegenüber dem Außendienstmitarbeiter der Beklagten XXX und in der Schadenanzeige (Anlage B 4) widersprüchlich. So hat der Zeuge im Termin bekundet, er sei Eigentümer des Fahrzeugs und habe das Fahrzeug im Februar 2021 zu einem Kaufpreis von 28.000 € erworben. Im Schadenmeldebogen hat der Kläger angegeben, dass es sich um einen Privatkauf in Höhe von ca. 30.000 € gehandelt habe. Im Termin hat der Zeuge auf einen entsprechenden Vorhalt weiter ausgesagt, dass er auch noch Felgen dazu gekauft habe, die er nicht vom Verkäufer, sondern unabhängig davon erworben habe. So sei er auf einen Kaufpreis von ca. 30.000 € gekommen. Abweichend von den Angaben im Schadenmeldebogen hat der Zeuge im Termin angegeben, er habe das Fahrzeug auf der Onlineplattform "mobile.de" gesehen (im Schadenmeldebogen ist stattdessen ebay-Kleinanzeigen angegeben worden). Wenig glaubhaft sind auch die Angaben des Zeugen dazu, warum er das Fahrzeug - wie im Schadenmeldebogen angegeben - im Juni/Juli 2021 bei mobile.de verkaufen wollte. Der Zeuge hat zunächst auf diese Frage geantwortet, dass er und seine Frau ein Haus kaufen wollten und der Erlös aus dem Fahrzeugverkauf dazu dienen sollte, die Hausnebenkosten zu bestreiten. Zum Kauf des Hauses - so der Zeuge weiter - sei es dann aber nicht gekommen und er habe das Inserat bei mobile.de herausgenommen. Auf Vorhalt eines Ausdruckes einer Verkaufsanzeige auf ebay-Kleinanzeigen vom 25.04.2021 hat der Zeuge erklärt, vielleicht habe er sich um einen Monat vertan. Das Haus habe er Anfang/Mitte Mai besichtigt. Es habe noch keine direkten Vertragsverhandlungen gegeben, der Entschluss das Fahrzeug zu verkaufen, sei Mitte/Ende Juni gewesen. Auf nochmaligen Vorhalt der Verkaufsanzeige aus April 2021 hat der Zeuge erklärt, es könne auch so gewesen sein, dass das Haus früher besichtigt worden sei. Zum einen hat der Zeuge erneut die Verkaufsplattformen verwechselt, zum anderen sind die zeitlichen Angaben im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Hauskauf widersprüchlich. Darüber hinaus hat der Zeuge in der von ihm ausgefüllten Schadenanzeige (Anlage B 4) die Witterungsverhältnisse als gut bezeichnet, während er im Termin erklärt hat, er habe die Kratzer deshalb nicht direkt beim Einsteigen sehen können, weil es extrem regnerisch gewesen sei. Ein weiterer Widerspruch ergibt sich daraus, dass der Zeuge im Termin erklärt hat, er habe das Fahrzeug im Februar 2021 käuflich erworben, während er in der Schadenanzeige (Anlage B 4) als Anschaffungsdatum Januar 2021 angegeben hat.

Hinzu kommt, dass erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Zeuge XXX Eigentümer des streitgegenständlichen Fahrzeugs war. Ein schriftlicher Kaufvertrag konnte nicht vorgelegt werden. Der Zeuge XXX hat zwar bekundet, es habe einen schriftlichen Kaufvertrag gegeben, den er nicht mehr gefunden habe, auch an den Namen des Verkäufers könne er sich nicht erinnern. Diese Angaben sind vor dem Hintergrund der übrigen widersprüchlichen Angaben nicht überzeugend. Die eingereichte Zulassungsbescheinigung Teil II vom 12.02.2021 beweist weder dass der Kläger noch dass der Zeuge XXX Eigentümer ist.

Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.

Rebeski Richterin am Landgericht