Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.09.2025, Az.: 13 W 45/25
Bemessung des Streitwerts einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage eines Wirtschaftsverbandes nach dem wirtschaftlichen Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 17.09.2025
- Aktenzeichen
- 13 W 45/25
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 23018
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2025:0917.13W45.25.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Stade - 24.05.2025 - AZ: 8 O 28/25
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
- § 51 Abs. 2 GKG
- § 4 Abs. 3 Health-Claim-VO
- § 32 Abs. 2 S. 1 RVG
- § 68 Abs. 1 GKG
Amtlicher Leitsatz
Der Streitwert einer lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsklage eines Wirtschaftsverbandes gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, mit der u.a. Verstöße gegen die Health-Claim-VO verfolgt werden, bemisst sich nach dem wirtschaftlichen Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers. Das öffentliche Interesse an der Verhinderung unzulässiger gesundheitsbezogener Werbung ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
Tenor:
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Streitwertbeschluss des Landgerichts Stade vom 24. Mai 2025 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG zulässige Streitwertbeschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist unbegründet.
1. In Verfahren über Ansprüche aus dem UWG bestimmt sich der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache (§ 51 Abs. 2 GKG). Bei der Unterlassungsklage eines qualifizierten Wirtschaftsverbandes (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG) ist dessen Interesse im Regelfall ebenso zu bewerten wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 12 Rn. 4.8 mwN). Die Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung für den Wettbewerber ist anhand des drohenden Schadens zu bestimmen und hängt von den Umständen ab (aaO, Rn. 4.6). Zu berücksichtigen sind insbesondere die Unternehmensverhältnisse beim Verletzer, die Intensität des Wettbewerbs zum Verletzten, Ausmaß, Intensität, Häufigkeit und Auswirkungen möglicher künftiger Verletzungshandlungen, die Intensität der Wiederholungsgefahr, die sich nach dem Verschuldensgrad beurteilt, sowie die Nachahmungsgefahr (aaO).
2. Das hiernach maßgebliche wirtschaftliche Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers der Beklagten hat das Landgericht mit insgesamt bis zu 15.000 € angemessen bewertet.
Die Klaganträge zu 1 - 3, mit denen eine wegen eines zu geringen Alkoholgehalts unzulässige Bezeichnung einer Spirituose als "Rum" (Klagantrag zu 1) sowie unzulässige gesundheitsbezogene Werbeaussagen für zwei weitere im Onlineshop der Beklagten angebotene Produkte (Klaganträge zu 2 und 3) beanstandet wurden, sind mit jeweils 5.000 € nicht zu niedrig bewertet.
a) Nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist das öffentliche Interesse an der Verhinderung unzulässiger gesundheitsbezogener Werbung. Der Kläger bezweckt mit seiner Rechtsverfolgung die wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder zu wahren, nicht allgemeine Belange des Gesundheitsschutzes zu verfolgen. Nach der o.g. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bemisst sich der Streitwert daher allein nach dem wirtschaftlichen Interesse eines gewichtigen Mitbewerbers an dem begehrten Verbot. Dieses besteht hier im Wesentlichen darin, zu verhindern, dass sich die Beklagte durch unzulässige Produktbezeichnungen bzw. Werbeaussagen einen Wettbewerbsvorteil beim Absatz der Spirituosen verschafft. Daneben ist eine gewisse Nachahmungsgefahr zu berücksichtigen, die durch derartige unzulässige Werbung auf dem Markt für Spirituosen begründet werden kann und den Interessen eines redlichen Mitbewerbers zuwiderläuft.
b) Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der Beklagten um eine vergleichsweise kleine Herstellerin und Verkäuferin von Spirituosen handelt. Unstreitig verkaufte sie in den ersten vier Monaten des Jahres 2025 - bis zur Zustellung der Klage - über ihren Onlineshop keine bzw. nur sehr wenige Flaschen der drei streitgegenständlichen Produkte (0, 2 und 8 Flaschen) und erzielte hiermit einen Gesamtumsatz von lediglich 259,60 €. Es ist auch nichts dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass damit zu rechnen ist, dass sich der Umsatz mit den Spirituosen zukünftig in größerem Umfang erhöhen wird.
Die wirtschaftlichen Interessen eines gewichtigen Mitbewerbers werden durch die beanstandeten oder kerngleiche Verstöße nur in geringem Maß beeinträchtigt. Größere Umsatzeinbußen sind bei dem Mitbewerber nicht zu erwarten. Auch generalpräventive Gesichtspunkte haben hier nur eine untergeordnete Bedeutung.
c) Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, die mit den Klaganträgen zu 2 und 3 verfolgten Verstöße beträfen das Verbot gesundheitsbezogener Werbung, das auch im Verkehr mit geschäftlichen Unternehmen gelte; es sei davon auszugehen, dass die Verletzungshandlungen nicht nur im Onlinevertrieb, sondern auch im Geschäftsverkehr mit gewerblichen Abnehmern zu verzeichnen gewesen seien.
Für eine solche Annahme ist nichts ersichtlich. Es kann daher auch dahingestellt bleiben, ob eine entsprechende Werbung gegenüber gewerblichen Abnehmern überhaupt kerngleich zu den streitgegenständlichen konkreten Verletzungsformen wäre, die lediglich den Onlineverkauf an Endkunden betreffen.
d) Die Streitwertangabe in der Klageschrift (§ 61 GKG) führt zu keiner anderen Beurteilung.
Zwar trifft es zu und entspricht auch der Rechtsprechung des Senats, dass der Streitwertangabe eine indizielle Bedeutung zukommen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22, Rn. 12 unter Verweis auf den Beschluss vom 20. Mai 1977 - I ZR 17/76, juris Rn. 3). Dies ist insbesondere der Fall, wenn angenommen werden kann, dass der betreffende Kläger und sein Prozessbevollmächtigter sich bei der Einreichung der Klage um eine realistische Einschätzung des Streitwerts bemühen, weil die Erfolgsaussicht der Klage noch ungewiss ist und der Kläger sich bei einem Unterliegen durch eine überhöhte Streitwertangabe im Ergebnis selbst belasten könnte. Wenn hingegen - wie im Streitfall - die Sach- und Rechtslage eindeutig ist und für den Kläger kein nennenswertes Prozessrisiko besteht, kann seiner Streitwertangabe nur eine entsprechend geringere indizielle Bedeutung zukommen (st. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 7. März 2023 - 13 W 3/23, juris Rn. 11).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.