Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.12.2024, Az.: 7 ME 66/24
Rechtmäßigkeit der Verfügung eines Verbots zur Nutzung von Einweggetränkeverpackungen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.12.2024
- Aktenzeichen
- 7 ME 66/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 27854
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:1204.7ME66.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 13.09.2024 - AZ: 4 B 177/24
Rechtsgrundlagen
- § 2 VerpackG
- § 31 VerpackG
- § 62 KrWG
Fundstelle
- AbfallR 2025, 50
Tenor:
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 13. September 2024 geändert.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 gegen die mündliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2024 in Gestalt der Ziffer 1 des Bescheides vom 30. Mai 2024 und gegen die mündliche Anordnung der Antragsgegnerin vom 3. Juni 2024 in Gestalt der Ziffer 1 des Bescheides vom 7. Juni 2024 wird wiederhergestellt.
Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 gegen Ziffer 4 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 30. Mai 2024, soweit der Beigeladene zu 1. aufgefordert wird, innerhalb eines Monats nach Zustellung der Verfügung nachzuweisen, dass er das Produkt "H." nicht unbepfandet in den Verkehr bringt, aufschiebende Wirkung hat. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 gegen Ziffer 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 7. Juni 2024 aufschiebende Wirkung hat.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500,00 EUR festgesetzt
Gründe
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 13. September 2024, mit dem dieses den Antrag der Antragstellerin auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die mit einer Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Anordnungen der Antragsgegnerin abgelehnt hat, hat Erfolg.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig (1.) und begründet (2.).
1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben worden (§ 147 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)) und auch im Übrigen zulässig. Sie genügt insbesondere den gemäß § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO an die hinreichende Darlegung der Beschwerdegründe zu stellenden Anforderungen. Nach dieser Vorschrift muss die Beschwerdebegründung die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Diese Auseinandersetzung erfordert, dass mit der Beschwerdebegründung die der Entscheidung zugrunde liegenden tragenden Überlegungen, die der Beschwerdeführer in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für falsch oder unvollständig hält, genau bezeichnet werden und sodann im Einzelnen substantiiert ausgeführt wird, warum diese unrichtig sind, welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat; der Beschwerdeführer muss sich deshalb im Einzelnen mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzen und das Ergebnis der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 06.08.2024 - 11 ME 138/24 -, V.n.b. und Beschluss vom 17.05.2018 - 10 ME 198/18 -, juris Rn. 7, jeweils m.w.N.). Lehnt das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unzulässig ab, muss die Beschwerdebegründung daher sowohl die Zulässigkeit als auch die Begründetheit darlegen (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.04.2024 - 3 MB 22/23 -, juris Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 29.01.2024 - 13 ME 2/24 -, V.n.b.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.10.2023 - OVG 10 25.23 -, juris Rn. 2). Sofern das Verwaltungsgericht sich zur Begründetheit des Antrags nicht geäußert hat, kann sich der Beschwerdeführer aber nicht mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung auseinandersetzen, sodass auch eine Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.07.2014 - 13 ME 97/14 -, juris Rn. 4; OVG achsen-Anhalt, Beschluss vom 27.05.2008 - 2 M 72/08 -, juris Rn. 6) oder eine Bezugnahme auf dieses genügt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 15.04.2024 - 3 MB 22/23 -, juris Rn. 4; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 25.07.2014 - 13 ME 97/14 -, juris Rn. 4).
Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Antragstellerin die Beschwerdegründe hinreichend dargelegt. In ihrem Schriftsatz vom 25. Oktober 2024, mit dem sie ihre Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig begründet hat, gibt sie zwar zunächst den Sachverhalt wieder (Bl. 81 bis 85 GA) und stellt sodann insbesondere die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Zulässigkeit ihres Rechtschutzantrages infrage (Bl. 86 ff. GA). Im Verlaufe dieser argumentativen Auseinandersetzung hebt sie jedoch zugleich hervor, dass die von der Antragsgegnerin ausgesprochenen Ordnungsverfügungen vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 aus ihrer Sicht unrechtmäßig seien (Bl. 95 GA), da die von ihr vertriebenen Verpackungen der Marke "H." als Getränke-Polyethylen-Schlauchbeutel-Verpackungen im Sinne des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 Verpackungsgesetz (VerpackG) anzusehen seien und damit der Pfandpflicht nicht unterlägen (Bl. 87 f., 89, 91 f., 95 f. GA). Weiter führt sie aus, die Antragsgegnerin stütze ihre Anordnungen zu Unrecht auf die Einordnungsentscheidung der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (nachfolgend: ZVR). Diese seien nicht bestandskräftig, da sie - die Antragstellerin - hiergegen Klage bei dem Verwaltungsgericht Osnabrück (7 A 234/23) erhoben habe. Sie nimmt insoweit Bezug auf die ihrem Schriftsatz als Anlage beigefügte Klagebegründung (Bl. 83, 95 GA).
2. Die Beschwerde ist begründet.
Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin, auf dessen Prüfung der Senat - hinsichtlich der gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechenden Gründe (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2004 - 8 1870/04 -, NVwZ-RR 2006, 75 [VGH Baden-Württemberg 25.11.2004 - 8 S 1870/04]) - nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gebietet es, den erstinstanzlichen Beschluss zu ändern.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat Erfolg.
a) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 gegen die mündlichen Anordnungen der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2024 und 3. Juni 2024 in Gestalt der Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 bzw. 7. Juni 2024 ist zulässig und begründet.
aa) Der Antrag ist zulässig. Die Antragstellerin beanstandet zu Recht, dass das Verwaltungsgericht den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung mit der Begründung, die Antragstellerin sei gemäß § 42 Abs. 2 VwGO (analog) nicht antragsbefugt, als unzulässig abgelehnt hat.
Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO entsprechende Anwendung findet (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.01.2018 - 1 VR 14.17 -, juris Rn. 7), ist der Antrag nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen subjektiven Rechten verletzt zu sein. Dafür genügt es, dass die behauptete Rechtsverletzung möglich erscheint. Das ist bereits dann anzunehmen, wenn die Verletzung eigener subjektiver Rechte eines Antragstellers nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.07.2001 - 1 C 35.00 -, juris Rn. 15). Auf eine Verletzung eigener Rechte kann sich der klagende Nichtadressat eines Verwaltungsaktes regelmäßig nur berufen, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verwaltungsakt eine einfachgesetzliche Norm, die ihn als Dritten zu schützen bestimmt ist, oder seine Grundrechte verletzt (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 12.10.2010 - 13 A 567/10 -, juris Rn. 10 m.w.N.).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung bestehen für den Senat keine durchgreifenden Bedenken daran, dass die Antragstellerin eine mögliche Verletzung ihres Grundrechts der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG geltend machen kann.
Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG schützt vor solchen Beeinträchtigungen, die gerade auf die berufliche Betätigung bezogen sind, indem sie eine Berufstätigkeit unmittelbar unterbinden oder beschränken (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17 -, juris Rn. 95). Auch hoheitliche Maßnahmen, die die berufliche Betätigung nur mittelbar beeinträchtigen, können im Interesse eines effektiven Grundrechtsschutzes einen Eingriff darstellen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2021 - 2 BvR 206/14 -, juris Rn. 54). Hierfür genügt nicht, dass eine Rechtsnorm oder ihre Anwendung unter bestimmten Umständen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit entfalten. Weil nahezu jede Norm oder deren Anwendung unter bestimmten Voraussetzungen Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit haben kann, drohte das Grundrecht sonst, konturlos zu werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17 -, juris Rn. 96 m.w.N.). Erforderlich ist vielmehr, dass die staatliche Maßnahme die Rahmenbedingungen der Berufsausübung verändert und infolge ihrer Gestaltung in engem Zusammenhang mit der Berufsausübung steht, sodass sie eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.12.2022 - 2 BvR 988/16 -, juris Rn. 187 m.w.N.; Beschluss vom 30.06.2020 - 1 BvR 1679/17 -, juris Rn. 97 m.w.N.). Entscheidend ist dabei, ob die faktische oder mittelbare Beeinträchtigung im Hinblick auf die Zielsetzung der staatlichen Maßnahme (Finalität), deren Auswirkungen auf den Grundrechtsträger (Intensität) und den Kausalzusammenhang zwischen staatlichem Handeln und Grundrechtsbeeinträchtigung (Unmittelbarkeit) mit einem Eingriff im herkömmlichen Sinne vergleichbar ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.04.2021 - 2 BvR 206/14 -, juris Rn. 54). Erforderlich ist eine wertende Gesamtbetrachtung, wobei die Verfolgung eines staatlichen Lenkungszwecks, eine besondere Eingriffsintensität oder ein besonders enger Berufsbezug allein für die Bejahung eines Eingriffs genügen können (vgl. Wollenschläger, in: Dreier, GG, 4. Aufl. 2023, Art. 12 Rn. 66 m.w.N.). Die objektiv berufsregelnde Tendenz der staatlichen Maßnahme kann sich somit auch aus deren spezifischem Bezug auf die berufliche Tätigkeit des Grundrechtsträgers ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.05.2015 - 6 C 11.14 -, juris Rn. 18 ff.).
Nach Maßgabe dessen erscheint es jedenfalls möglich, dass die Anordnung unter Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 die Antragstellerin in ihrem Grundrecht der Berufsfreiheit, auf das sie sich gemäß Art. 19 Abs. 3 GG als inländische juristische Person berufen kann, verletzt. Es liegt eine mittelbare Grundrechtsbeeinträchtigung vor, die bei wertender Gesamtbetrachtung mit einem Eingriff im herkömmlichen Sinne vergleichbar ist. Die unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin besteht darin, die von ihrer in Österreich ansässigen Muttergesellschaft hergestellten Produkte der Marke "H." zu vertreiben. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass sich das von der Antragsgegnerin gegenüber den Beigeladenen angeordnete Verbot des pfandfreien Inverkehrbringens dieser Produkte nicht verwirklichen lasse, ohne zugleich mittelbar die unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin dahingehend zu beschränken, ihre Produkte nicht mehr pfandfrei über die Einzelhandelsgeschäfte der Beigeladenen vermarkten zu können. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht jedoch nicht, soweit es annimmt, die streitgegenständlichen Untersagungsverfügungen beträfen die Antragstellerin nur reflexhaft in ihrer beruflichen Tätigkeit, weil die Verfügungen sich nicht gezielt gegen das Produkt der Antragstellerin richteten und gegenüber dem Beigeladenen zu 1. angeordnet worden sei, dass auch die Produkte anderer Hersteller nur bepfandet veräußert werden dürften. Die behördlichen Anordnungen unter Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 weisen bei wertender Gesamtbetrachtung einen hinreichend spezifischen Bezug (auch) zu der beruflichen Tätigkeit der Antragstellerin auf. Das von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verbot, die Produkte der Antragstellerin unbepfandet zu vertreiben, entfaltet nicht nur "unter Umständen" Rückwirkungen auf die Berufstätigkeit der Antragstellerin. Die Antragsgegnerin steuert durch diese Verfügung vielmehr gerade auch das unternehmerische Verhalten der Antragstellerin. Ihre Anordnungen zielen darauf ab, den Vertrieb der "H."-Produkte - mithin die unternehmerische Tätigkeit der Antragstellerin - Beschränkungen zu unterwerfen. Denn die Untersagungsverfügungen zwingen die Antragstellerin, entweder das Produkt "H." nicht mehr über die in den Verfügungen genannten Einzelhandelsgeschäfte der Beigeladenen zu vertreiben oder sich gemäß § 31 Abs. 1 VerpackG an einem Pfandsystem zu beteiligen, die Produktverpackungen entsprechend zu kennzeichnen und das Pfand zu erheben. Vor diesem Hintergrund ist es entgegen der Einschätzung der Antragsgegnerin auch nicht maßgeblich, dass sich die für Getränkeverpackungen geltende Pfandpflichtigkeit im Laufe der Zeit durch Gesetzesnovellen verändern könne, ohne dass das eigentliche Produkt in seiner charakteristischen Form hierdurch berührt werde und dass die Pfandfreiheit der Verpackung bei der Entwicklung des seit 1973 vertriebenen Produktes noch keine Rolle gespielt haben könne. Die verwaltungsbehördliche Maßnahme richtet sich auch nicht unspezifisch gegen unbepfandete Einweggetränkeverpackungen. Zwar wird unter Ziffer 1 des an den Beigeladenen zu 1. gerichteten Bescheides der Antragsgegnerin vom 30. Mai 2024 der "Verkauf der von Ihnen vertriebenen unbepfandeten Einweggetränkeverpackungen" - rein sprachlich betrachtet - in allgemeiner Form untersagt. Diese Anordnung steht jedoch in rechtlichem Zusammenhang mit der bereits im Rahmen der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Mai 2024 mündlich ergangenen Anordnung der Antragsgegnerin, dem Beigeladenen zu 1. werde der unbepfandete Verkauf pfandpflichtiger Einweggetränkeverpackungen untersagt. Sowohl aus dem über diese Kontrolle angefertigten Vermerk als auch aus der Begründung zu Ziffer 1 des Bescheides vom 30. Mai 2024 geht hervor, dass die Verbotsverfügung darauf beruhte, dass die Antragsgegnerin die Pfandpflicht der einzelnen Getränkeverpackungen, die sie bei dem Beigeladenen zu 1. vorgefunden hatte, jeweils einzelfallbezogen geprüft hatte. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass Einweggetränkeverpackungen dann nicht der Pfandpflicht unterliegen, wenn sie sich einem der in § 31 Abs. 4 VerpackG genannten Verpackungstypen zuordnen lassen. Bereits aus dieser eindeutig (auch) auf die Antragstellerin bezogenen Zielsetzung der behördlichen Untersagungsverfügungen ergibt sich vorliegend, dass die Verfügungen der Antragsgegnerin objektiv berufsregelnde Wirkungen entfalten. Es kann daher offenbleiben, welches Gewicht diesen Anordnungen in Bezug auf das Gesamtvertriebsnetz der in A-stadt ansässigen Antragstellerin (oder ihrer in Österreich ansässigen Muttergesellschaft) zukommt.
bb) Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 ist auch begründet.
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs in den Fällen des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise anordnen oder wiederherstellen. Das Gericht hat im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, deren Grundlage eine umfassende Interessenabwägung ist. Dabei ist zu prüfen, ob das Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Aussetzung der Vollziehung des belastenden Verwaltungsaktes das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Durchsetzung überwiegt. Das Gewicht dieser gegenläufigen Interessen wird entweder durch die summarisch zu prüfenden Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache oder - insbesondere wenn die Erfolgsaussichten als offen erscheinen - durch eine Folgenabwägung bestimmt. Ist der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig, überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung; ist er offensichtlich rechtmäßig, hat regelmäßig das öffentliche Interesse an der Vollziehung Vorrang. Im Rahmen der Folgenabwägung sind die voraussichtlichen Folgen der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs einerseits und der sofortigen Vollziehung andererseits zu gewichten. Maßgebend sind insoweit nicht nur die Dringlichkeit des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung sowie Natur und Schwere der mit dem Eingriff für den Antragsteller verbundenen Belastung, sondern auch die Möglichkeit, die jeweiligen Folgen der Maßnahme rückgängig zu machen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die aufschiebende Wirkung des von der Antragstellerin eingelegten Widerspruchs gegen die mündlichen Anordnungen der Antragsgegnerin vom 27. Mai 2024 und 3. Juni 2024 in Gestalt der Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 bzw. 7. Juni 2024 wiederherzustellen.
(1) Zwar bestehen entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine Zweifel daran, dass die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung in einer den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründete. Erforderlich für das Vorliegen einer hinreichenden schriftlichen Begründung im Sinne dieser Vorschrift ist eine auf den konkreten Einzelfall abstellende Darlegung des besonderen öffentlichen Interesses dafür, dass ausnahmsweise die sofortige Vollziehbarkeit notwendig ist und dass hinter dieses erhebliche öffentliche Interesse das Interesse des Betroffenen zurücktreten muss, zunächst von dem von ihm angegriffenen Verwaltungsakt verschont zu werden. Dabei ist nicht entscheidungserheblich, ob bereits die von der Antragsgegnerin getroffene Entscheidung über die sofortige Vollziehung auf einer auch inhaltlich tragfähigen, materiell ausreichenden Abwägung beruhte (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 07.03.2017 - 12 ME 12/17 -, V.n.b.). Diesen Anforderungen genügt die in Rede stehende Begründung allerdings. Die Antragsgegnerin begründete die Anordnung der sofortigen Vollziehung mit der Vermeidung und Verringerung der Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt.
(2) Die Anordnung in Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024, die ihre Rechtsgrundlage in § 62 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 VerpackG findet, erweist sich bei der gebotenen summarischen Prüfung außerdem als formell rechtmäßig.
Dass die Antragsgegnerin als untere Abfallbehörde für Maßnahmen aufgrund des Abfallgesetzes zuständig ist, ergibt sich aus § 47 KrWG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 2 VerpackG in Verbindung mit § 42 Abs. 1, § 41 Abs. 2 Satz 1 Niedersächsisches Abfallgesetz (NAbfG). Hieran vermag es nichts zu ändern, dass die Antragstellerin gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 25 VerpackG bei der ZVR den Antrag auf Erlass eines Verwaltungsaktes über die Einordnung der "H."-Verpackung als pfandpflichtig im Sinne von § 31 VerpackG stellte. Der Senat sieht keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür, dass die ZVR über die nach § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 25 VerpackG zu treffende Entscheidung hinaus auch für Überwachungsmaßnahmen aufgrund des Verpackungsgesetzes zuständig ist. Dies folgt bereits daraus, dass die ZVR gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 VerpackG (allein) für die in atz 2 der Vorschrift aufgeführten hoheitlichen Aufgaben beliehen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/11274 . 128) wurden die der ZVR übertragenen hoheitlichen Aufgaben in § 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 30 VerpackG einzeln und detailliert aufgeführt, um den hoheitlichen Tätigkeitsbereich ganz konkret festzulegen. Sofern ein entsprechender Antrag gestellt wird, ist die ZVR mithin dafür zuständig, die Pfandpflichtigkeit einer Verpackung durch Verwaltungsakt positiv oder negativ festzustellen. Dass während dieses Verwaltungsverfahrens die Zuständigkeit der Abfallbehörden der Länder auf die ZVR übergeht, lässt sich § 26 Abs. 1 VerpackG nicht entnehmen. Wird die Einordnungsentscheidung der ZVR bestandskräftig, sind die Abfallbehörden der Länder hieran allerdings materiell-rechtlich gebunden.
Die mit dem Widerspruch angefochtenen Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 sind auch nicht verfahrensfehlerhaft ergangen. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob den Beigeladenen vor Erlass der Bescheide Gelegenheit gegeben wurde, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 1 Abs. 1 Niedersächsisches Verwaltungsverfahrensgesetz (NVwVfG) in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)). Ein etwaiger Anhörungsmangel wurde jedenfalls gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG in Verbindung mit § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt. Die nachgeholte Anhörung besteht darin, dass die Beigeladenen durch die vorgenannten Bescheide von den entscheidungserheblichen Tatsachen Kenntnis erlangten und durch die Belehrung darüber, dass gegen die Bescheide jeweils Widerspruch erhoben werden kann, die Gelegenheit erhalten hatten, sich zu diesen Tatsachen zu äußern (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Juli 1986 - 7 B 6.86 -, juris Rn. 3; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 17.05.2011 - 10 LB 156/08 -, juris Rn. 72). Von dieser Gelegenheit haben die Beigeladenen auch Gebrauch gemacht.
(3) Allerdings lässt sich im Rahmen der allein möglichen summarischen Prüfung der ach- und Rechtslage nicht abschließend klären, ob die Anordnung in Ziffer 1 der Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 materiell rechtmäßig ist. Es verbleiben Zweifel, ob die Verpackung des von der Antragstellerin vertriebenen Produktes der Marke "H." der Pfandpflicht unterliegt.
Einwegverpackungen sind gemäß § 31 Abs. 1 VerpackG grundsätzlich pfandpflichtig. Die Antragstellerin beruft sich indes darauf, das Produkt "H." werde in Getränke-Polyethylen-Schlauchbeutel-Verpackungen vertrieben, die gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG von der Pfandpflicht ausgenommen sind. Was als Schlauchbeutel-Verpackung anzusehen ist, ist im Wege der Auslegung des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG zu ermitteln. Für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (vgl. BVerfG, Urteil vom 19.03.2013 - 2 BvR 2628/10 -, juris Rn. 66). Da andere Begriffsbestimmungen vorliegend nicht ersichtlich sind, kann dabei - wovon die Antragstellerin und die ZVR, auf deren Ausführungen die Antragsgegnerin Bezug nimmt, übereinstimmend ausgehen - auch die DIN-Norm 55405:2014-12 ("Verpackung - Terminologie - Begriffe") herangezogen werden. Unter Berücksichtigung der genannten Auslegungsmethoden ist jedoch zu klären, ob und gegebenenfalls mit welchem inngehalt sich die Regelungen der DIN-Norm auf § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG übertragen lassen. Dies wurde von der ZVR (vgl. den Bescheid vom 16.12.2021, S. 4 (Bl. 12 BA002)) und dem Umweltbundesamt (vgl. den Widerspruchsbescheid vom 08.08.2023 (Bl. 243 der Beiakte des VG Osnabrück im Verfahren 7 A 234/23)) auch erkannt.
Die ZVR führt in ihrem Bescheid vom 16. Dezember 2021 aus, nach Ziffer 10.706 der DIN-Norm sei ein Schlauchbeutel ein Flachbeutel mit einer Quernaht (Herstellung aus einer Schlauchfolie) bzw. einer Quernaht und einer Längsnaht (Herstellung aus einer Flachbahn). Gemäß Ziffer 10.265 der DIN-Norm sei ein Flachbeutel ein Beutel ohne konstruktives Bodenteil. Nach Ziffer 10.79 der DIN-Norm handele es sich bei einem Beutel um ein flexibles, vollflächiges, raumbildendes Packmittel. Die Verpackung des Produktes "H." verfüge zwar über eine Längs- und Quernaht, sei aber unter Zugrundelegung der vorgenannten Definition kein Schlauchbeutel, da weder die Eigenschaften eines Beutels noch der Flachheit gegeben seien. Am Ende seines Herstellungsprozesses habe die "H."-Verpackung die Form einer Flasche mit einer standfähigen Bodenfläche. Aufgrund der bereits angenommenen steifen Flaschenform mit einem Bodenteil handele es sich nicht um einen flachen oder flächigen Gegenstand. Die Befüllung wirke sich nicht auf die Beschaffenheit und Form des Materials aus. Es handele sich auch nicht um ein flexibles Packmittel. Entsprechende Ausführungen finden sich in dem Widerspruchsbescheid des Umweltbundesamtes vom 8. August 2023 (Bl. 242 ff. der Beiakte des VG Osnabrück im Verfahren 7 A 234/23). Die Antragstellerin hält dem jedoch insbesondere entgegen, die Verpackung des Getränkes "H." sei äußerst dünnwandig, kollabiere ohne Inhalt leicht und sei nicht bzw. wenig standfest (Schriftsatz vom 18.03.2024 im Verfahren 7 A 234/23, S. 13, 15 (Bl. 115, 117 GA)). Um ihre Einordnung der "H."-Verpackung zu untermauern, bezieht sie sich unter anderem auf Schreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 8. August 2005, des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen vom 2. April 2013 und der kocher-plastik Maschinenbau GmbH vom 22. Mai 2019, in denen die von ihr vertriebenen Getränkeverpackungen jeweils als Schlauchbeutel-Verpackungen im Sinne des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG bzw. der Vorgängerregelung in § 3 Abs. 4 Nr. 2 Verpackungsverordnung vom 21.08.1998 (BGBl. I S. 2379) in der Fassung der Verordnung vom 02.04.2008 (BGBl. I S. 531; VerpackV) eingeordnet werden.
Zwar sprechen die dem Bescheid der ZVR vom 16. Dezember 2021 als Anlage beigegebenen Lichtbilder (Bl. 14 f., 17 BA002) dafür, dass die streitgegenständliche Verpackung ein konstruktives Bodenteil aufweist. Selbst wenn dies zugrunde gelegt würde, wäre jedoch zu berücksichtigen, dass für die Bewertung, ob die Verpackung des Produktes "H." eine Schlauchbeutel-Verpackung darstellt, vorliegend die Regelung des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG auszulegen ist und dabei - wie bereits ausgeführt - die Regelungen der DIN-Norm 55405:2014-12 (lediglich) unterstützend herangezogen werden können. Es ist daher der Frage nachzugehen, ob die Verpackung beispielsweise im Hinblick auf ihre Wandstärke, Flexibilität und Standfestigkeit so beschaffen ist, dass sie - beispielsweise unter teleologischen Gesichtspunkten - als Schlauchbeutel-Verpackung im Sinne des § 31 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 VerpackG einzustufen ist. Diese näheren tatsächlichen Umstände bedürfen der weiteren Aufklärung im Hauptsacheverfahren, d. h. im Widerspruchsverfahren.
(4) Die wegen der offenen Erfolgsaussichten gebotene Folgenabwägung führt dazu, dass die von der Antragstellerin geltend gemachten Gründe für die vorläufige Außervollzugsetzung die für den weiteren Vollzug der angegriffenen Bescheide vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 sprechenden Gründe überwiegen.
Folge der sofortigen Vollziehung der mit dem Widerspruch angegriffenen Bescheide der Antragsgegnerin vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 wäre, dass die Beigeladenen in den von der Antragsgegnerin benannten Einzelhandelsgeschäften die Produkte der Marke "H." bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens an private Endverbraucher nicht verkaufen dürften. Der Antragstellerin verbliebe in diesem Falle zum einen die Möglichkeit, das Getränk "H." pfandfrei im übrigen Bundesgebiet zu vertreiben, solange und soweit andere Abfallbehörden nicht entsprechende Untersagungsverfügungen erlassen. Zum anderen könnte sie ihre Produkte - damit diese auch in den streitgegenständlichen Verbrauchermärkten veräußert werden können - gemäß § 31 Abs. 1 Satz 3 und 4 VerpackG bei einem bundesweit tätigen, einheitlichen Pfandsystem registrieren lassen und als pfandpflichtig kennzeichnen. Würden die Produkte der Marke "H." als pfandpflichtig vertrieben, würden Verpackungsabfälle in größerem Umfang als bislang der Verwertung zugeführt. Die Umsetzung einer (etwaigen) Pfandpflicht schafft für die Endverbraucher einen finanziellen Anreiz, Verpackungen an den Letztvertreiber zurückzugeben und somit der Verwertung zuzuführen. Für die Antragstellerin wäre es mit (weiteren) Einnahmeausfällen bzw. Kosten verbunden, ihre Produkte nicht an die in den Bescheiden vom 30. Mai 2024 und 7. Juni 2024 genannten Einzelhandelsgeschäfte vertreiben zu können oder sich einem bundeseinheitlich tätigen Pfandsystem anzuschließen. Das Verwaltungsgericht hat zwar in dem mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss (dort S. 14) zutreffend darauf hingewiesen, dass die Muttergesellschaft der Antragstellerin nach eigenen Angaben über eine jährliche Gesamtproduktion von 50 Millionen Einheiten verfügt und 80 % der jährlichen Produktion in über 30 Länder weltweit exportiert. Im Verhältnis hierzu wären die negativen finanziellen Auswirkungen auf die Antragstellerin (und ihre Muttergesellschaft) im Falle der Fortgeltung der sofortigen Vollziehung nicht allzu groß. Die betriebswirtschaftlichen Nachteile könnten jedoch nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden, sollte die Antragstellerin in der Hauptsache obsiegen. Zudem sähe sich die Antragstellerin dann dem Risiko ausgesetzt, dass ihre Produkte in den vorgenannten Einzelhandelsgeschäften über den Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus von anderen (Getränke-)Produkten verdrängt würden.
Folge der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin wäre, dass zunächst - bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens - der status quo weiterbestünde. Die Antragstellerin könnte die Produkte der Marke "H." pfandfrei in den streitgegenständlichen Einzelhandelsgeschäften der Beigeladenen vertreiben, sodass ihr nicht die oben beschriebenen wirtschaftlichen Nachteile entstünden. Zugleich ist angesichts der Anreizwirkung des Pfandsystems davon auszugehen, dass Verpackungsabfälle nicht in dem gleichen Umfang der Verwertung zugeführt würden, wie es bei einer als pfandpflichtig gekennzeichneten Verpackung der Fall wäre. Insoweit ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 VerpackG an einem System beteiligt ist, das beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallende restentleerte Verpackungen flächendeckend erfasst und einer Verwertung zuführt (§ 3 Abs. 16 VerpackG). Der Anteil der in dieser Weise erfassten Verpackungen des Produkts "H." wäre wohl niedriger als es der Fall wäre, wenn diese Verpackungen als pfandpflichtig gekennzeichnet wären. Nicht als pfandpflichtig gekennzeichnete Verpackungen würden nämlich zu einem höheren Anteil über den Restmüll entsorgt (vgl. die Begründung zu § 8 VerpackV in der Fassung vom 24.05.2005 (BT-Drs. 15/4642, S. 11 f.) und die Kurzfassung der Studie "Aufkommen und Verwertung von PET-Getränkeflaschen in Deutschland 2021" der GVM Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung mbH vom September 2022, S. 19 f., 23 (Bl. 144 f., 147 BA001)). Die Nachteile für die Kreislaufwirtschaft, die aus einem pfandfreien Vertrieb der streitgegenständlichen Verpackungen hervorgingen, würden allerdings durch die Möglichkeit einer Entsorgung über ein System im Sinn des § 3 Abs. 16 VerpackG verringert.
Es bleibt festzuhalten, dass die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin nachteilige Effekte in Bezug auf die Zielsetzung hätte, die Auswirkungen von Verpackungsabfällen auf die Umwelt zu verringern. Die Auswirkungen wären materiell auf die Produkte der Marke "H." beschränkt, die in dem Zeitraum bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens in den streitgegenständlichen Einzelhandelsgeschäften der Beigeladenen vertrieben würden und die nicht über das Duale System einer Verwertung zugeführt würden. Auf der anderen Seite der Folgenabwägung stehen die wirtschaftlichen Nachteile der Antragstellerin, die über den Abschluss des Hauptsacheverfahrens hinaus entstehen und nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Nach alledem geht der Senat in diesem Fall von einer Interessengleichheit des Aussetzungs- und des Vollziehungsinteresses aus. Diese Interessengleichheit hat zur Folge, dass die gesetzgeberischen Wertungen zu betrachten sind. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO spricht die gesetzgeberische Entscheidung für die aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO dafür, bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens und Interessengleichheit im Übrigen die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen (vgl. Beschlüsse des enats vom 17.04.2019 - 7 ME 8/19 -, juris Rn. 24 m.w.N. und vom 24.01.2018 - 7 ME 110/17 -, juris Rn. 32).
b) Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 28. Juni 2024 im Hinblick auf Ziffer 3 der Bescheide der Antragsgegnerin 30. Mai 2024 und vom 7. Juni 2024 anzuordnen, ist in einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen Ziffer 4 des Bescheides vom 30. Mai 2024 und Ziffer 3 des Bescheides vom 7. Juni 2024 umzudeuten. Ausweislich seiner Begründung richtet sich der Rechtsschutzantrag insoweit gegen die Anordnung, die Beigeladenen hätten den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Getränke der Marke "H." nicht unbepfandet in den Verkehr gebracht werden (vgl. Bl. 15 BA001). Diese Verfügung findet sich in dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 30. Mai 2024 unter Ziffer 4. Soweit sich die Antragstellerin mit ihrem Rechtsschutzantrag gegen Ziffer 4 dieses Bescheides wendet, ist ihr Begehren zudem dahingehend zu verstehen, dass es sich allein auf die Verpflichtung des Beigeladenen zu 1. bezieht, innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Verfügung den Nachweis zu erbringen, dass das Produkt "H." nicht unbepfandet in den Verkehr gebracht wird. Auf die Getränkeverpackungen andererHersteller bezieht sich der Antrag hingegen nicht. Ferner können die Verwaltungsgerichte in Fällen, in denen die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs von Gesetzes wegen eingetreten ist und die Behörde dies missachtet und bereits Vollzugsmaßnahmen trifft, die - ohnehin schon nach § 80 Abs. 1 VwGO eingetretene - aufschiebende Wirkung nicht anordnen. Sie können aber in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO feststellen, dass der eingelegte Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 10.10.2019 - 10 ME 191/19 -, juris Rn. 16 m.w.N.). Dem gleichgestellt sind die Fälle, in denen beide Beteiligte irrtümlich davon ausgehen, dass einem Rechtsbehelf keine aufschiebende Wirkung zukommt, und der Belastete einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO stellt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.02.2015 - 2 2436/14 -, juris Rn. 8; OVG Thüringen, Beschluss vom 14.02.2008 - 3 EO 838/07 -, juris Rn. 2; Schoch, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Januar 2024, § 80 VwGO Rn. 458 m.w.N.; W.-R. Schenke, in: Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 181). So liegt der Fall hier. Der Widerspruch der Antragstellerin gegen die Anordnung in Ziffer 4 des Bescheides vom 30. Mai 2024 und Ziffer 3 des Bescheides vom 7. Juni 2024, mit der die Beigeladenen jeweils aufgefordert wurden, den Nachweis zu erbringen, dass sie das Getränk "H." nicht unbepfandet in Verkehr bringen, entfaltet gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Diese Anordnung ist weder von einem gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3a VwGO) erfasst noch wurde insoweit die sofortige Vollziehung der Nachweisverpflichtung durch die Antragsgegnerin besonders angeordnet (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO). Die Antragsgegnerin ordnete zwar mit Ziffer 2 der vorgenannten Bescheide die sofortige Vollziehung an. Aus dem Standort dieser Anordnung unterhalb des verfügten Verkaufsverbotes (Ziffer 1) und oberhalb der Aufforderung, die Lieferscheine der namentlich genannten Getränke vorzulegen (Ziffer 3 des Bescheides vom 30.05.2024) und den Nachweis zu erbringen, dass (unter anderem) das Getränk "H." nicht in Verkehr gebracht wird (Ziffer 4 des Bescheides vom 30.05.2024, Ziffer 3 des Bescheides vom 07.06.2024) sowie aus der Begründung des Sofortvollzuges ergibt sich jedoch, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung lediglich auf die Ziffer 1 der jeweiligen Verfügung bezieht. In der Begründung des Sofortvollzuges geht die Antragsgegnerin nicht auf ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Erbringung des Nachweises, dass (unter anderem) das Getränk "H." nicht in den Verkehr gebracht wird, ein. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin (vgl. bereits deren E-Mail vom 11.07.2024 (Bl. 55 BA002)) gehen indes irrtümlich davon aus, dass dem Widerspruch gegen Ziffer 4 des Bescheides vom 30. Mai 2024 und Ziffer 3 des Bescheides vom 7. Juni 2024 keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Der so verstandene zulässige Antrag ist begründet.
Hat der Betroffene einen Widerspruch erhoben und entfällt die aufschiebende Wirkung weder kraft Gesetzes noch kraft behördlicher Anordnung, stellt das Gericht fest, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat. Eine Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses gegen das individuelle Aussetzungsinteresse unterbleibt, da allein der Suspensiveffekt die Vollziehung verbietet. Das Gericht hat nur zu prüfen, ob der eingelegte Rechtsbehelf - hier der Widerspruch der Antragstellerin vom 28. Juni 2024 - aufschiebende Wirkung hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.02.2010 - 10 2702/09 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Wie bereits ausgeführt, ist dies hier der Fall.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladenen keine Anträge gestellt und sich somit einem Kostenrisiko im Sinne des § 154 Abs. 3 VwGO nicht ausgesetzt haben.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und orientiert sich an Ziffern 2.2.2 und 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).