Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.03.2025, Az.: 14 GLa 78/25
Einstweiliger Rechtsschutz über die vorläufige Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers nach einer Kündigung
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2025
- Aktenzeichen
- 14 GLa 78/25
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 15849
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2025:0314.14GLa78.25.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 15.01.2025 - AZ: 9 Ga 6/24
Rechtsgrundlage
- § 102 Abs. 5 BetrVG
Amtlicher Leitsatz
Zur Glaubhaftmachung eines ordnungsgemäßen Widerspruchs des Betriebsrates nach § 102 Abs. 5 BetrVG. Auch im Falle des § 102 Abs. 5 BetrVG bedarf es im Eilrechtsschutz eines Verfügungsgrundes.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 15.01.2025 - 9 Ga 6/24 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert wird für das Berufungsverfahren auf 9.583,34 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Weiterbeschäftigung des Klägers nach einer Kündigung.
Wegen des erstinstanzlichen Sachverhalts und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 69 Abs. 2 ArbGG. Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Klagbegehren weiter: Wenn im Rahmen eines Kündigungsschutzverfahrens noch vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils der freigestellte Arbeitnehmer einen Weiterbeschäftigungsanspruch im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend mache, sei es gerechtfertigt, dass besondere Gründe geltend gemacht werden müssten, die es ausnahmsweise rechtfertigten, den Arbeitgeber zur Weiterbeschäftigung zu verpflichten. Es gehe insoweit praktisch um die Vollstreckung eines noch nicht rechtskräftigen Urteils. Mit der dargestellten Sachverhaltskonstellation sei aber der Tatbestand des vorliegenden Verfahrens nicht vergleichbar. Der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers auf Weiterbeschäftigung bestehe unabhängig davon, ob die Kündigungsschutzklage im Ergebnis letztendlich Erfolg habe oder nicht. Es gehe schlicht und ergreifend um die Erfüllung einer aktuellen Verpf lichtung des Arbeitgebers, die unabhängig vom Ausgang des Kündigungsschutzverfahrens sei. In pragmatischer Hinsicht sei noch vorgetragen, dass durch die vom Gericht vertretene Auffassung zur Darlegung besonderer Umstände die Geltendmachung des Anspruchs au s § 102 Abs. 5 BetrVG vereitelt würde, weil es aufgrund des Zeitablaufs kein Hauptsacheverfahren zur Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs geben könne.
Der Kläger beantragt nach Klarstellung,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Hannover, 9 Ga 6/24, die Beklagte zu verurteilen, den Kläger nach Maßgabe des Anstellungsvertrages vom 18.01.2022 bzw. 25.01.2022 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens als Solution Architekt zu beschäftigen und tätig werden zu lassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Verhandlungstermin überreichte der Klägervertreter die Kopie einer E-Mail vom 03.01.2025, die als Abschrift dem Protokoll angefügt wurde. Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Das Gericht folgt den überzeugenden Ausführungen des Arbeitsgerichts im angefochtenen Urteil, § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Berufung gibt Anlass zu folgender weiterer Begründung:
Der Kläger hat bereits keinen ordnungsgemäßen Widerspruch des Betriebsrats glaubhaft gemacht. Die Beklagte hat erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 30.12.2024, also vor zweieinhalb Monaten, ausführlich begründet, warum sie Zweifel an einem ordnungsgemäß zustande gekommenen Betriebsratsbeschluss hat und unter Rechtsprechungsnachweis die rechtzeitige Ladung unter Mitteilung der Tagesordnung, die Beschlussfähigkeit des Betriebsrats und die ordnungsgemäße Beschlussfassung mit Nichtwissen bestritten. Unabhängig davon, ob die erstmalig im Verhandlungstermin als Kopie vorgelegte E-Mail inhaltlich den Anforderungen genügt, die etwa das Landesarbeitsgericht Nürnberg mit Entscheidung vom 17.08.2004 - 6 Sa 439/04 - aufgestellt hat, konnte der Beklagtenvertreter, dem nicht mal eine eigene Kopie zur Verfügung gestellt wurde, sondern der das Papier nur vorübergehend in den Händen hielt, die Verspätung rügen und wie weiter geschehen auch die angegebenen Zeiten bestreiten, zumal sie mit der schon seit längerem von der Beklagten vorgetragenen Zeit der Abgabe des Signatur unvereinbar sind. Die hinreichende Glaubhaftmachung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Widerspruchs liegt daher nicht vor.
Davon unabhängig folgt das Gericht den Ausführungen des Arbeitsgerichts und nicht unerheblichen Teilen der landesarbeitsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach es auch im Verfahren nach § 102 Abs. 5 BetrVG eines Verfügungsgrundes bedarf. Das Re cht der einstweiligen Verfügung ist in der Zivilprozessordnung umfangreich in den Vorschriften des 8. Buches der ZPO im Abschnitt 5 geregelt. Die hier einschlägige Vorschrift des § 940 ZPO sieht ausdrücklich als Voraussetzung einen Verfügungsgrund für einstweilige Verfügungen zum Zwecke der Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis vor, indem es insbesondere bei dauernden Rechtsverhältnissen als nötig erscheinen muss, diese Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen zu erlassen. Der Gesetzgeber lässt nur in sehr wenigen Vorschriften, wie etwa §§ 885 Abs. 1 und 899 Abs. 2 BGB das Erfordernis des Verfügungsgrundes entfallen, ohne dass eine derartige Reg elung in § 102 Abs. 5 BetrVG getroffen worden wäre. Dies gilt insbesondere deshalb, weil ein solcher Anspruch auch im Hauptsacheverfahren geltend gemacht werden kann. Zum Nichtvorliegen eines Verfügungsgrunds im vorliegenden Fall hat das Arbeitsgericht ebenfalls zutreffend argumentiert, ohne dass der Kläger dem in seiner Berufungsbegründungsschrift inhaltlich überzeugend entgegengetreten wäre.
Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrags der Parteien, von deren Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Diese Entscheidung ist unanfechtbar.