Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.10.2024, Az.: 3 Sa 638/23

Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers für einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
24.10.2024
Aktenzeichen
3 Sa 638/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 30323
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:1024.3Sa638.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 05.09.2023 - AZ: 6 Ca 159/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Derjenige, der sich auf einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S 2 BetrVG beruft, muss diesen darlegen und beweisen.

  2. 2.

    Der Arbeitgeber trägt die Darlegungs- und Beweislast für einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot des § 78 S 2 BetrVG, wenn er geltend macht, eine in der Vergangenheit gezahlte Vergütung begünstige das Betriebsratsmitglied unzulässig. In den Fällen, in denen die gezahlte Vergütung ohne Verstoß gegen § 78 BetrVG allerdings offensichtlich nicht möglich erscheint und sich ein Verstoß auch ohne Rüge der Parteien aufdrängt, ist dies zu berücksichtigen (LAG Baden-Württemberg 07.08.2024 - 8 Sa 18/24 - Rn. 58).

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 05.09.2023 (Az.: 6 Ca 159/23) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe, der dem Kläger als Betriebsrat zu zahlenden Vergütung. Der am 00.00.1966 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1984 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die für die Beklagten abgeschlossenen Haustarifverträge - zumindest aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme - Anwendung.

Neben einem Manteltarifvertrag, in dem in § 23 die Ausschlussfristen geregelt sind, schlossen die Tarifvertragsparteien Tarifverträge zur Eingruppierung. Es existiert ein Tarifvertrag zur Eingruppierung. Für Beschäftigte mit Spezialisten- oder Führungsfunktion schlossen die Tarifvertragsparteien einen gesonderten Tarifvertrag, genannt "Tarif Plus". Dieser gilt für Tarifbeschäftigte, die Tätigkeiten ausüben, die über die in der Entgeltstufe 19 des Rahmentarifvertrags zur Eingruppierung beschriebenen Anforderungen hinausgehen. In § 3 dieses Tarifvertrags ist sowohl das Zugangsverfahren als auch das Entgeltsystem geregelt. Wegen der genauen Einzelheiten dieses Tarifvertrags wird auf die Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 02.10.2024 (Bl. 571 ff. LAG) verwiesen. Darüber hinaus existieren jeweils Entgelttarifverträge.

Der Kläger schloss bei der Beklagten zunächst seine Ausbildung als Werkzeugmacher ab und wurde dann als Facharbeiter im Werkzeugbau für den Prüf- und Messmittelbau übernommen.

1992 qualifizierte er sich zum Ausbildungsbeauftragten bei der V. Coaching und nahm auch als solcher Tätigkeiten als Referent für die V. Akademie wahr.

Im Jahr 1994 war der Kläger für 3 Monate Projektleiter "Messplätze" bei V. in M.. Im Folgejahr erhielt ein Angebot von dem Leiter Motorenproduktion in M., dort länger als Projektleiter tätig zu werden.

Ebenso im Jahr 1995 absolvierte der Kläger berufsbegleitend einen 6-wöchigen sozialwissenschaftlichen Grundkurs und erhielt zudem das Angebot, sich zum Teamsprecher mit Gruppenführungsverantwortung entwickeln zu lassen.

Ebenfalls 1995 wurde der Kläger Mitglied der Bereichsleitung der Vertrauensleute der IG-Metall bei der Beklagten. Zu diesem Zeitpunkt war er in die Entgeltstufe 12 (ES 12) des Entgelttarifvertrags eingruppiert.

1996 wurde ihm die Leitung dieses Vertrauenskörpers mit der Verantwortung für 400 IG-Metall-Vertrauensleute übertragen. Von dieser Zeit an war er von der Arbeitsleistung vollständig freigestellt. In dieser Tätigkeit als Leiter des Vertrauenskörpers war er auch Referent für IG-Metallschulungen in dem Seminar Entgelt- und Leistungspolitik, in dem Tariffragen behandelt wurden. Im Mai 2006 erhielt er Vergütung nach der Entgeltstufe 14.

Zum 04.05.2006 begann sein Amt als Mitglied des Betriebsrats, für das er vollständig freigestellt war. Seit 2008 war der Kläger stellvertretender Vorsitzender des Betriebsrats in Salzgitter sowie Mitglied des Gesamtbetriebsrats und dort seit 2018 Mitglied im Betriebs- und Wirtschaftsausschuss. Von 2008 - 2018 war er Mitglied einer Interessenvertretung ("Kooperation Volkswagen AG") von Managern gegenüber dem Personalvorstand. 2018 wurde der Kläger zum Vorsitzenden des Betriebsrats in S. gewählt. Im gleichen Jahr wurde er Mitglied des Europäischen und Weltkonzernbetriebsrats sowie des Konzernbetriebsrats und dessen Betriebsausschusses.

Zum 01.05.2007 wurde die Vergütung auf die Entgeltstufe 15 angehoben, ohne dass ein Grund in der Akte des Klägers notiert war. Zum 01.01.2009 erfolgte die Eingruppierung in ES 17. Nach Aktenlage wurden 3 Arbeitnehmer als Vergleichspersonen herangezogen.

Zum 01.01.2010 erhöhte sich die Vergütung des Klägers auf ES 18. Hierbei dürfte es sich um eine sogenannte Erfahrungsstufe gehandelt haben. Für Beschäftigte, die einem Tätigkeitsbespiel zugeordnet sind, regelt der Rahmentarifvertrag Eingruppierung, dass eine Umgruppierung in die nächst höhere gerade Entgeltstufe automatisch spätestens nach 2 Jahren erfolgt.

Mit Wirkung ab dem 01.05.2011 wurde der Kläger in die Entgeltstufe 19 eingruppiert. Auch hier wurde auf 3 Vergleichspersonen in der Akte Bezug genommen. Ab dem 01.05.2013 erhielt der Kläger Vergütung nach ES 20, der Erfahrungsstufe zu ES 19.

Im Jahr 2017 erwarb der Kläger die sogenannte Führungslizenz ohne Einschränkungen. Beschäftigte, die erstmalig Führungsaufgaben/Personalverantwortung übernehmen sollen, durchlaufen einen Ernennungsprozess, der mit dem Erwerb der Führungslizenz abgeschlossen wird. Für die Aufnahme in diesen Prozess ist die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beschäftigtenkreis unerheblich.

Ab dem 01.03.2017 wurde der Kläger in der Folge in die Entgeltstufe ES 23 (Tarif Plus I) eingruppiert. Damals wurde zur Begründung auf 4 Beschäftigte verwiesen, die bereits im Bereich Tarif Plus eingruppiert waren. Außerdem war die Stellung des Klägers als "Tarifexperte" notiert. In einem Arbeitsvertrag vom 01.03.2017 (Anlage B 19 zum Schriftsatz der Beklagten vom 16.10.2024) hielten die Parteien unter anderem den Wechsel in den Tarif Plus fest. Wegen der genauen Einzelheiten wird auf diese Anlage verwiesen.

Ohne dokumentierte Begründung erhielt der Kläger ab dem 01.07.2019 eine Vergütung nach ES 24 (Tarif Plus II). Nach Ziff. 3.2.3 des Rahmentarifvertrags Tarif Plus wird über eine Umstufung von Entgeltgruppe I in Entgeltgruppe II in der Entgeltplanung gesamtheitlich entschieden. Sie könne frühestens nach 2 Jahren durchgeführt werden.

Ab November 2019 führte die Beklagte für diverse Betriebsratsmitglieder, unter anderem den Kläger, ein freiwilliges Schiedsverfahren zur Ermittlung der zutreffenden, gesetzeskonformen Vergütung freigestellter Betriebsratsmitglieder durch. Das entsprechende Schiedsgutachten für den Kläger wurde am 05.10.2021 erstellt. Wegen dessen genauen Einzelheiten wird auf die Anlage A 2 zur Klage Bezug genommen.

In der Zwischenzeit hatte der Personalleiter des Werkes S. dem Kläger im Jahr 2020 angeboten, in der Personalabteilung eine Stelle als "Experte Labour Relation" zu übernehmen. Die Tätigkeitsbeschreibung für den Experten Labour Relation führt folgende Aufgaben auf:

  • Der Stelleninhaber verantwortet lokale Regelungen unter Einbindung von G. im Entstehungsprozess, in der Kommunikation und in der Umsetzung aller relevanten Beschlüsse vor Ort für das personelle Grundsatzthema Entgelt

  • Zusammenarbeit mit Betriebsratsgremien zu Informations-, Beratungs- und Mitbestimmungsthemen

  • Unternehmensvertreter in lokalen Ausschüssen z. B. Entgeltkommission, ggf. Arbeitszeitkommission

  • Erstellen und Verhandeln von standortbezogenen Betriebsvereinbarungen

Die Stelle war ab dem 01.03.2020 vakant und wurde, nachdem der Kläger die Übernahme dieser Stelle abgelehnt hatte, letztlich ab dem 01.08.2020 nach einem Auswahlverfahren einem anderen Beschäftigten übertragen. Der Personalleiter in S. teilte der Beklagten mit, dass dem Stelleninhaber eine Entgeltentwicklung bis in den Tarif Plus Bereich möglich sei.

Mit Schreiben vom 19.02.2021 teilte die Beklagte dem Kläger eine Höhergruppierung basierend auf dem Tätigkeitsbeispiel 144 "Fachreferent (kaufm.)" rückwirkend zum 01.10.2020 in die Entgeltgruppe Tarif Plus III mit (Anlage zur Klage, Bl. 80 d. A. Arbeitsgericht).

Mit Schreiben vom 30.01.2023 informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass ab Januar 2023 die Auszahlung des Gehalts unter Berücksichtigung eines Urteils des BGH vom 10.01.2023 unter Anpassung auf den Median der Vergleichsgruppe erfolge. Unter dem 27.02.2023 teilte die Beklagte mit, dieser Median liege für den Kläger bei ES 14. Dementsprechend zahlte die Beklagte an den Kläger für die Monate Februar 2023 bis August 2023 ein um einen Betrag in Höhe von 3.405,50 EUR brutto gekürztes Gehalt. Außerdem nahm die Beklagte in den Monaten Mai 2023 bis August 2023 jeweils einen Nettoabzug in Höhe von 543,59 EUR vor für behauptete Überzahlungen in den Monaten Oktober bis Dezember 2022.

Zum 20.07.2023 legte der Kläger mit Rücksicht auf einen Altersteilzeitvertrag und die Inanspruchnahme eines Zeit-Wertpapierguthabens zum 20.07.2023 sein Amt als Betriebsrat nieder. Der Renteneintritt erfolgt zum 01.05.2029.

Mit seinem am 22.04.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag, der vom Beschlussverfahren in das Klageverfahren überführt wurde, wehrt sich der Kläger gegen die Kürzung seiner Vergütung sowie die vorgenommenen Einbehalte. Er hat die Auffassung vertreten, er sei unter Berücksichtigung einer hypothetischen Karriereentwicklung, insbesondere des Stellenangebots aus dem Jahr 2020, zutreffend in die Entgeltstufe Tarif Plus III eingruppiert.

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Februar 2023 bis August 2023 jeweils 3.405,50 Euro brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.03.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.04.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.05.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.06.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.07.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.08.2023

    auf 3.405,50 Euro seit dem 01.09.2023

    zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger ab dem 01.09.2023 weiter nach Entgeltstufe (ES) 25 (Tarif Plus III. Stufe) der Anlage 1 zum Entgelttarifvertrag zwischen der V. AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 05. März 2018 in der Fassung vom 23.11.2022 (Anlage 1 zum Verhandlungsergebnis) unter Berücksichtigung des Altersteilzeitvertrages vom 08. September 2022 zu vergüten,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger für die Monate Mai 2023 bis August 2023 jeweils 543,59 Euro netto nebst Zinsen hierauf in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2023, 01.07.2023, 01.08.2023 und 01.09.2023 zu zahlen,

    hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit den Anträgen zu 1) und 2),

  4. 4.

    die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für die Monate Dezember 2022 bis August 2023 die durchschnittliche Schichtvergütung sowie für die Monate November 2021 bis August 2023 die durchschnittliche hypothetische Mehrarbeitsvergütung aller in diesen Monaten im Werk S. aktiv tätigen Werkzeugmacher mit Entgeltstufe 12, hochgerechnet auf Entgeltstufe 14, zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat widerklagend beantragt,

  1. 1.

    den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 4.348,72 € netto zu zahlen,

  2. 2.

    festzustellen, dass dem Kläger ein monatliches Bruttoentgelt nach der Entgeltgruppe 14 zu zahlen ist.

Der Kläger hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat gemeint, unter Heranziehung des Medians der zutreffenden Vergleichsgruppe sei der Kläger in ES 14 eingruppiert. Hierauf basierend habe sie die Vergütung des Klägers gekürzt und die Einbehalte vorgenommen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Vergleichsgruppe sei zum Zeitpunkt des 01.01.2002 - der Einführung des aktuell verwendeten SAP-Systems - zu bilden. Es habe 24 Vergleichspersonen mit der Berufungsausbildung des Klägers gegeben unter Heranziehung eines Korridors von +/- 10 Jahren in Bezug auf Lebensalter und Betriebszugehörigkeit. Sie hat behauptet, von den 24 Vergleichspersonen seien 15 in der ES 12 verblieben, so dass ihrer Auffassung nach der Median sich nicht aus der ES 12 herausentwickelt habe.

Mit Urteil vom 05.09.2023 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe weiterhin einen Anspruch auf Zahlung von Vergütung nach der Entgeltstufe Tarif Plus III gemäß § 611a Abs. 2 BGB i. V. m. § 78 Satz 2 BetrVG entsprechend der Zusage der Beklagten vom 19.02.2021. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass die Vergütungszusage, die der Kläger zumindest konkludent angenommen habe, wegen eines Verstoßes gegen das Begünstigungsverbot nichtig sei. Wegen der genauen Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (dort Seite 7 ff.) verwiesen.

Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 15.09.2023 zugestellt worden ist, hat sie am 06.10.2023 Berufung eingelegt und diese - nach Fristverlängerung bis zum 15.12.2023 - an diesem Tag begründet.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, der Kläger sei zutreffend nur noch nach ES 14 einzugruppieren. Sie befinde sich vor dem Hintergrund der Entscheidung des BGH in einer rechtlichen Zwangslage, mit der sich die Arbeitsgerichte inhaltlich auseinandersetzen müssten.

Wenn die Vergleichsgruppe auf der Basis ES 14 zum Zeitpunkt des 03.05.2006 gebildet werde, gäbe es - so ihre Behauptung - nur eine weitere Vergleichsperson mit der Ausbildung als Werkzeugmacher. Dieser werde weiterhin nach Entgeltstufe 14 vergütet. Wenn auch Mitarbeiter einbezogen würden, die in die Entgeltstufe 13 zum Stichtag eingruppiert gewesen seien, gäbe es 8 Vergleichspersonen, von denen zwei in ES 13 verblieben seien, 2 nach ES 14 vergütet würden, eine Person nach ES 15 und 3 nach ES 18. Ihrer Meinung nach liege daher der Median auch dieser Vergleichsgruppe weiterhin bei ES 14. Sie meint, die in der Handakte vermerkten Vergleichspersonen bei den Höherstufungen 2009 und 2011 gehörten, bis auf Herrn M., nicht zur zutreffenden Vergleichsgruppe.

Sie vertritt die Auffassung, für eine hypothetische Karriere des Klägers nach § 78 Satz 2 BetrVG sei dieser darlegungs- und beweispflichtig. Dieser Pflicht sei er nicht nachgekommen. Sie behauptet, das Angebot zur Übernahme der Stelle als Experte Labour Relation hätte der Personalleiter aufgrund der langjährigen Erfahrung des Klägers gemacht. Gemeint sein könne hier nur die langjährige Erfahrung des Klägers als Betriebsrat bzw. Betriebsratsvorsitzender. Diese Erfahrung dürfe jedoch ihrer Meinung nach nicht berücksichtigt werden.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 05.09.2023 - Az.: 6 Ca 159/23 - abzuändern und

  1. 1.

    die Klage vollumfänglich abzuweisen.

  2. 2.

    auf die Widerklage hin

    1. a)

      den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte EUR 4.348,72 netto zu zahlen;

    2. b)

      festzustellen, dass dem Kläger ein monatliches Bruttoentgelt nach der Entgeltgruppe 14 zu zahlen ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, vorliegend trage die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Begünstigung durch Zahlung der Vergütung nach Tarif Plus III. Die Beklagte habe die Vergleichsgruppe offensichtlich falsch gebildet. Dies liege schon daran, dass die Qualifikationen des Klägers als beispielsweise Ausbildungsbeauftragter oder Projektleiter in M. nicht berücksichtigt seien. Auch die Vornahme eines Alterskorridors sei nicht zulässig.

Wegen der genauen Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

A.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen.

I.

Klage und Widerklage sind zulässig.

Das gilt auch für den Klageantrag zu 2 und den Widerklageantrag zu 2. Bei diesen Anträgen handelt es sich um Feststellungsklagen, die die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO einhalten. Denn ähnlich wie bei den zulässigen Eingruppierungsverstellungsklagen (BAG 05.07.2023 - 4 AZR 289/22 - Rn. 11), geht es auch vorliegend um die Feststellung der zutreffenden Vergütungshöhe des Klägers.

II.

Die Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum gemäß § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG ein aufgrund des Lohnausfallprinzips geschuldetes Entgelt zu zahlen, das sich nach Tarif Plus III richtet.

1.

Für die geltend gemachten Ansprüche bis zum 24.07.2024 ergibt sich der Anspruch des Klägers aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 Satz 2 BetrVG in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung.

Die Beklagte war nicht berechtigt, die Gehaltszahlungen ab Februar 2023 zu kürzen und von ihr behauptete Überzahlungen aus den Vormonaten durch den erfolgten Nettoabzug gemäß §§ 812, 817 BGB zurückzufordern. Dass die dem Kläger zuletzt - entsprechend dem Schreiben vom 19.02.2021 - mitgeteilte Vergütung nach Tarif Plus III eine unzulässige Begünstigung des Klägers iSv § 78 Satz 2 BetrVG beinhalte und mithin nach § 134 BGB nichtig sei, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte nicht erfolgreich dargetan.

a)

Es liegt keine rechtsgeschäftliche Zusage der Beklagten auf Zahlung einer Vergütung nach Tarif Plus III vor.

Dies ergibt sich durch Auslegung der Mitteilung der Beklagten vom 19.02.2021. Denn in dieser teilt die Beklagte dem Kläger mit, dass sich sein Monatsentgelt "entsprechend der mit Ihnen vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung" erhöhe. Durch die Wiederholung der Wortwahl des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG macht die Beklagte ausreichend deutlich, dass es ihr nicht um eine arbeitsvertragliche Vereinbarung mit dem Kläger über die Vergütungshöhe geht, sondern über die Höhe des aufgrund des Lohnausfallprinzips nach § 37 Abs. 2 BetrVG weiter geschuldeten Entgelts eines Betriebsratsmitglieds.

b)

Aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG folgt kein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach Tarif Plus III. Hiernach darf das Arbeitsentgelt von Betriebsratsmitgliedern nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Diese Vorschrift ermöglicht es, die Durchsetzung des Benachteiligungsverbots des § 78 Satz 2 BetrVG durch einfach nachzuweisende Anspruchsvoraussetzungen zu erleichtern (BAG 23.11.2022 - 7 AZR 122/22 Rn. 41).

Eine den Anspruch des Klägers stützende Vergleichsgruppenbildung ist von den Parteien jedoch nicht vorgetragen worden. Zwar ist der im Berufungsverfahren von der Beklagten gewählte Zeitraum für die Zusammenstellung der Vergleichsgruppe zutreffend. Denn es ist auf den Zeitpunkt der Amtsübernahme abzustellen (vgl. BAG a.a.O. Rn. 28, inzwischen kodifiziert in § 37 Abs. 4 Satz 3 BetrVG). Aber die von der Beklagten gewählte Vergleichsgruppe würde einen Anspruch des Klägers nicht rechtfertigen, denn der Median läge nicht oberhalb einer Vergütung nach ES 15. Ob die Bildung dieser Vergleichsgruppe den Voraussetzungen von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG entsprach, kann daher offenbleiben.

c)

Der Kläger kann jedoch seinen Anspruch auf § 78 S. 2 BetrVG i.V.m. § 611a Abs. 2 BGB stützen.

aa)

Nach § 78 Satz 2 BetrVG dürfen Betriebsratsmitglieder wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt oder begünstigt werden. Aus § 78 Satz 2 BetrVG kann sich iVm. § 611a Abs. 2 BGB ein unmittelbarer Anspruch des Betriebsratsmitglieds auf eine bestimmte Vergütung ergeben, wenn sich die Zahlung einer geringeren Vergütung als Benachteiligung des Betriebsratsmitglieds wegen seiner Betriebsratstätigkeit darstellt. Die Vorschrift des § 78 Satz 2 BetrVG enthält ein an den Arbeitgeber gerichtetes allgemeines Verbot, ein Betriebsratsmitglied wegen der Amtstätigkeit in seiner beruflichen Entwicklung zu benachteiligen. Der Arbeitgeber muss den Mitgliedern der in § 78 S. 1 BetrVG genannten Arbeitnehmervertretungen eine berufliche Entwicklung gewährleisten, die derjenigen entspricht, die sie ohne ihre Amtstätigkeit durchlaufen hätten. Von dem Benachteiligungsverbot erfasst wird nicht nur die berufliche Tätigkeit, sondern auch das sich aus ihr ergebende Entgelt. Ein Betriebsratsmitglied, das nur infolge der Amtsübernahme oder Freistellung nicht in eine Position mit höherer Vergütung aufgestiegen ist, kann daher den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen (BAG 22.01.2020 - 7 AZR 222/19 Rn. 29).

Ohne Relevanz ist für die vorliegende Entscheidung, ob nach Auffassung des BGH (06.01.2023 - 6 StR 133/22 -) nach wie vor eine hypothetische berufliche Entwicklung zur Grundlage der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds gemacht werden kann. Maßgeblich für die arbeitsrechtliche Beurteilung dieser Frage ist die Rechtsprechung des BAG zur Reichweite eines Anspruches aus §§ 611a Abs. 2 BGB, 78 S. 2 BetrVG. Sollte es unterschiedliche Auffassungen zu dieser Rechtsfrage geben, wäre die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den Gemeinsamen Senat der Obersten Gerichtshöfe wiederherzustellen (vgl LAG Niedersachsen 01.07.2024 - 1 Sa 636/23 - zu I. 3. c cc der Gründe).

Darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen eines Verstoßes der mitgeteilten Vergütung nach Tarif Plus III gegen § 78 S. 2 BetrVG wegen einer an die Betriebsratstätigkeit des Klägers anknüpfenden unzulässigen Begünstigung ist in der vorliegenden Konstellation die Beklagte.

Zwar trägt grundsätzlich das Betriebsratsmitglied, das den Arbeitgeber auf die Zahlung einer höheren Vergütung aus § 611a Abs. 2 BGB iVm. § 78 S. 2 BetrVG in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Benachteiligung. Dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der ein Recht für sich in Anspruch nimmt, die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt. Das Betriebsratsmitglied hat in diesem Fall darzulegen, dass es ohne das Betriebsratsamt die behauptete berufliche Entwicklung tatsächlich genommen hätte. So kann es beispielsweise vortragen, dass seine Bewerbung auf eine bestimmte Stelle gerade wegen seiner Freistellung erfolglos geblieben ist (vgl BAG 25.06.2014 - 7 AZR 847/12 - Rn. 36).

Ist Streitgegenstand jedoch eine Begünstigung des Betriebsratsmitglieds und verringert der Arbeitgeber deswegen ursprünglich gewährte Leistungen, trägt dieser die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer unzulässigen Begünstigung. Auch dies entspricht dem allgemeinen Grundsatz, wonach derjenige, der eine Verbotsverletzung geltend macht, dafür die darlegungs- und Beweislast trägt (vgl BAG 29.08.2018 - 7 AZR 206/17 - Rn. 44; LAG Niedersachsen 01.07.2024 - 1 Sa 636/23 - zu I. 2. b der Gründe; LAG Baden-Württemberg 07.08.2024 - 8 Sa 18/24 - Rn. 54; a.A. LAG Niedersachsen 08.02.2024 - 6 Sa 559/23 - Rn. 50f).

Eine Begünstigung kann beispielsweise in einer sachlich unbegründeten tariflichen Höhergruppierung liegen (vgl Fitting/Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt - Trebinger/Linsenmaier/Schelz/Schmidt 32. Auflage 2024, § 78 BetrVG Rn. 31). So liegt es hier. Seit dem Jahr 2020 gewährte die Beklagte dem Kläger Vergütung nach Tarif Plus III wegen des Stellenangebots im Jahr 2020. Ihrer Auffassung nach war diese Höhergruppierung sachlich nicht begründet, sodass sie zumindest darzulegen hat, dass das Stellenangebot nicht aufgrund der zulässigerweise zu berücksichtigenden Kenntnisse und Erfahrungen des Klägers erfolgte, sondern wegen seiner Betriebsratsarbeit.

Allerdings ist zu berücksichtigen, dass ein Betriebsratsmitglied im Falle der verbotswidrigen Begünstigung selbstverständlich nicht auf die Weitergewährung gesetzeswidriger Leistungen vertrauen kann und darf (BAG 13.06.2007 - 7ABR 62/06 - Rn. 16), so dass jedenfalls in Fällen, in denen nach den anstehenden Erwägungen unter Berücksichtigung des unstreitigen Vorbringens der Parteien, die gezahlte Vergütung ohne Verstoß gegen § 78 BetrVG offensichtlich nicht möglich erscheint (etwa weil es z.B. gar keine zu besetzende freie Stelle gab), sich ein Verstoß auch ohne Rüge der Parteien mithin aufdrängt, von einem solchen berechtigten Vertrauen sicherlich nicht ausgegangen werden kann (vgl. LAG Baden-Württemberg 07.08.2024 - 8 Sa 18/24 - Rn. 58; zur Verpflichtung des Gerichts einen Verstoß gegen das Begünstigungsverbot auch ohne Rüge der Parteien von Amts wegen zu prüfen: BAG 08.11.2017 - 5 AZR 11/17 - Rn. 31).

bb)

Gemessen an diesen Anforderungen ist weder dargelegt noch offensichtlich, dass die wegen des Stellenangebots im Jahr 2020 erfolgte Erhöhung der Vergütung eine unzulässige Begünstigung des Klägers darstellt.

(1)

Die Stelle als Experte Labour Relation im Personalbereich des Werkes S. war seit März 2020 tatsächlich vakant und wurde nach der Mitteilung des Klägers, er werde das Stellenangebot nicht wahrnehmen, zum 01.08.2020 tatsächlich mit einem anderen Arbeitnehmer besetzt.

(2)

Die Beklagte hat nicht darlegen können, dass die Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers es ausschlossen, dass er das Aufgabenprofil dieser Stelle würde wahrnehmen können. Eine Ungeeignetheit des Klägers ist auch nicht offensichtlich.

Nach der vom Kläger eingereichten Tätigkeitsbeschreibung sollte der Stelleninhaber für das Grundsatzthema Entgelt verantwortlich sein, Betriebsvereinbarungen verhandeln und erstellen sowie mit dem Betriebsratsgremium zusammenarbeiten. Gegebenenfalls käme noch die Aufgabe als Mitglied der Arbeitszeitkommission in Betracht.

Selbst ohne Berücksichtigung der Fähigkeiten und Kenntnisse, die der Kläger während seiner Tätigkeit im Betriebsratsgremium erwarb, besteht der Anspruch des Klägers. Denn allein an seinen Tätigkeiten vor Amtsantritt wird erkennbar, dass es nicht ausgeschlossen ist, dass er über solche Fähigkeiten und Kenntnisse schon vor dem 04.05.2006 verfügte.

In den Jahren 1994 und 1995 bot die Beklagte dem Kläger mehrere Stellen an, die mit erhöhter Verantwortung (Projektleitung in M., Teamsprecher mit Gruppenführungsverantwortung) einhergingen, Tätigkeiten, die der Kläger zum Teil auch ausübte. Darüber hinaus vermittelte der Kläger schon seit dem Jahr 1992 als Fachreferent der V. Akademie Fachkenntnisse an Auszubildende.

Der Kläger erweiterte im Jahr 1995 seine Fachkenntnisse durch einen berufsbegleitenden 6-wöchigen sozialwissenschaftlichen Grundkurs und zeigte seit dem Jahr 1996, dass er als Referent zu den Themen Entgelt- und Leistungspolitik seine Kenntnisse weitergeben konnte. Dass er seit diesem Jahr als Leitung des Vertrauenskörpers der IG Metall von der Arbeitsleistung freigestellt war, ändert an dieser Bewertung nichts. Zum einen ist nicht ersichtlich, warum Kenntnisse und Fähigkeiten aus dieser Position vorliegend keine Berücksichtigung finden dürften. Zum anderen hat die Beklagte nicht dargelegt, dass der Kläger nicht schon 1996 über die entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnisse verfügte. So war der Kläger schon seit 1995 nebenberuflich Mitglied der Bereichsleitung der Vertrauensleute der IG Metall.

Jedenfalls wird aufgrund des Werdegangs des Klägers vor Amtsantritt als Betriebsrat deutlich, dass offensichtlich war, dass er etwaige Fähigkeiten und Kenntnisse, die er während des Betriebsratsamtes erworben hat, würde erwerben können. Solche Fähigkeiten und Kenntnisse sind nach Auffassung der Kammer bei der hypothetischen Karriere nach § 78 Satz 2 BetrVG auch zu berücksichtigen. Denn andernfalls kommt eine Benachteiligung von besonders befähigten Betriebsratsmitgliedern in Betracht, die - sollte ihre Befähigung nicht auch im Betriebsratsamt zu einer höheren Vergütung führen - in Betracht ziehen könnten, dass Betriebsratsamt abzulehnen (vgl hierzu Gräfl/Rennpferdt RdA 2023, 245, 248f).

Auf der Stelle als "Experte Labour Relation" war auch eine Vergütung nach Tarif Plus möglich. Denn der Personalleiter in S. hatte mitgeteilt, dass auf dem Arbeitsplatz eine Entgeltentwicklung bis in den Tarif Plus Bereich möglich sei. Anhaltspunkte, dass dem nicht so war, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

(3)

Letztlich ist es auch nach dem Vortrag der Beklagten nicht ausgeschlossen, dass Beschäftigte mit einer Berufsausbildung ohne höheren Abschluss im Laufe ihres Berufslebens bei ihr in den Bereich Tarif Plus wechseln. So bezog sich die Beklagte bei dem Wechsel des Klägers zum 01.03.2017 in den Tarif Plus auf 4 Mitarbeiter, die diese Höhergruppierung auch schon erreicht hatten, darunter unter anderem ein Kfz-Handwerker. Darüber hinaus steht der Erwerb der Führungslizenz allen Beschäftigten offen, unabhängig von der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Beschäftigtenkreis.

2.

Im Hinblick auf das am 25.07.2024 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes vom 19.07.2024 folgt die Feststellung zu Ziff. 2 des Tenors des Arbeitsgerichts für Zeiträume ab dem 25.07.2024 aus § 611a Abs. 2 BGB i.V.m. § 78 Satz 2, 3 BetrVG in der aktuellen Fassung. Für diese Zeiträume gilt die Neufassung der Vorschrift. Denn Übergangsregelungen sind nicht geschaffen worden.

Durch das Gesetz ist Satz 3 neu eingeführt worden. Danach liegt eine Begünstigung oder Benachteiligung im Hinblick auf das gezahlte Arbeitsentgelt nicht vor, wenn das Betriebsratsmitglied in seiner Person die für die Gewährung des Arbeitsentgelts erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien erfüllt und die Festlegung nicht ermessensfehlerhaft erfolgt.

Durch die Erweiterung in Satz 3 erfolgt keine Verschärfung des Begünstigungsverbots nach § 78 Satz 2 BetrVG. Vielmehr wird die Überprüfung der Entscheidung des Arbeitgebers auf Ermessensfehler reduziert. Wenn es aufgrund der Bezugnahme auf die erforderlichen betrieblichen Anforderungen und Kriterien "in der Person" des Betriebsratsmitglieds ausdrücklich möglich wird, dass auch aufgrund des Amtes erworbene Kenntnisse, Fähigkeiten und Qualifikationen uneingeschränkt zu berücksichtigen sind, wären die Anforderungen an das Vorliegen einer Begünstigung weiter gesenkt.

Da schon - wie unter Ziff. 1. dargelegt - dem Anspruch des Klägers das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG nicht entgegensteht, bestehen die Ansprüche des Klägers auch unter der Neufassung des Gesetzes.

3.

Hinsichtlich der Bezifferung der Forderungen des Klägers sowie der Unbegründetheit der Widerklage wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts Bezug genommen. Insoweit wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen und dies festgestellt, § 69 Abs. 2 ArbGG.

C.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Kammer hat den entscheidungserheblichen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung beigemessen, weshalb gemäß 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG die Revision zuzulassen war.