Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.04.2025, Az.: 13 ME 62/25

Durchführung des Verteilungsverfahrens bei Vorliegen einer Duldung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.04.2025
Aktenzeichen
13 ME 62/25
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 14022
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2025:0422.13ME62.25.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 13.03.2025 - AZ: 11 B 1195/25

Amtlicher Leitsatz

Eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG steht der Durchführung des Verteilungsverfahrens nach § 15a AufenthG nicht entgegen.

Tenor:

  1. I.

    Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 13. März 2025 wird zurückgewiesen.

    Der Antrag der Antragsteller auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

    Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden nicht erstattet.

    Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

  2. II.

    Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 13. März 2025 wird zurückgewiesen.

    Die Antragsteller tragen die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Gründe

I. 13 ME 62/25

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 13. März 2025 bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde unverändert weiterverfolgten Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 4. Februar 2025 (Blatt 7 f. der E-Gerichtsakte VG) über die Aufforderung nach § 15a Abs. 2 AufenthG anzuordnen, im Ergebnis zutreffend abgelehnt. Die hiergegen mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Beschwerdeverfahren zu beschränken hat, gebieten eine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

a. Die Antragsteller machen zum einen geltend, die hier anzuwendende Spezialregelung des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG verdränge das Verteilungsverfahren nach § 15a AufenthG vollständig.

Dieser Einwand greift nicht durch.

Eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG("Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.") steht der Durchführung des Verteilungsverfahrens nach § 15a AufenthG ersichtlich nicht entgegen (so auch OVG Bremen, Beschl. v. 12.3.2021 - 2 B 476/20 -, juris Rn. 11).

Die Steuerung der Verteilung unerlaubt eingereister Ausländer nach objektiven, vorbehaltlich des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG von subjektiv rechtlichen Ansprüchen freien (§ 15a Abs. 1 Satz 2 AufenthG) Kriterien (Quoten) und ohne Ausübung von Ermessen dient maßgeblich dem gesetzgeberischen Ziel der Herstellung einer gerechten Lastenverteilung unter den Bundesländern (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/955, S. 10 f., und BVerwG, Beschl. v. 22.8.2016 - BVerwG 1 B 44.16 -, juris Rn. 7). Darüber hinaus bewirkt die Verteilung die Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörde (vgl. Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 15a AufenthG Rn. 5). Die Verteilung findet deshalb gemäß § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG"vor der Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung oder die Erteilung eines Aufenthaltstitels" statt.

Die Ansicht der Antragsteller, bei Bestehen eines Anspruchs nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG bedürfe es einer "Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung" in diesem Sinne nicht, mithin sei auch kein Verteilungsverfahren durchzuführen, überzeugt den Senat nicht. Allein das Bestehen eines materiellen Duldungsgrundes, hier nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ("wird die Abschiebung ... ausgesetzt"; vgl. hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, BT-Drs. 18/12415, S. 14: "Die Abschiebung während der Aussetzung der Beurkundung ist solange auszusetzen, bis ..."), ebenso aber auch nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ("Die Abschiebung ... ist auszusetzen, ..."), befreit die Ausländerbehörde nicht davon, die lediglich gesetzlich gebundene "Entscheidung über die Aussetzung der Abschiebung" zu treffen und auch die Duldungsbescheinigung nach §§ 60a Abs. 4, 78a Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Ohne Durchführung des Verteilungsverfahrens fehlt es zudem an der an die Verteilung anknüpfenden Bestimmung der zuständigen Ausländerbehörde. Schließlich wird der dargestellte maßgebliche Zweck der Verteilung, die gerechte Lastenverteilung unter den Bundesländern, durch das Bestehen eines bloßen Duldungsanspruchs nicht berührt, geschweige denn erreicht.

Auch Sinn und Zweck des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG gebieten es nicht, für die Dauer eines Verfahrens bei konkreten Anhaltspunkten einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft nach § 85a AufenthG von der Durchführung eines Verteilungsverfahrens abzusehen. Der Innenausschuss des Deutschen Bundestages hatte seinen Vorschlag, eine entsprechende Norm (damals noch als § 60a Abs. 2 Satz 13 AufenthG) in das Aufenthaltsgesetz aufzunehmen, damit begründet, dass gewährleistet werden solle, dass keine Abschiebung erfolgt, während ein Verfahren zur Prüfung des Vorliegens einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung läuft (vgl. den Bericht des Innenausschusses des Deutschen Bundestages zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht, BT-Drs. 18/12415, S. 14). Die Verteilung an einen anderen Ort innerhalb Deutschlands nach § 15a AufenthG ist aber auch aus der Perspektive der Beteiligten - insbesondere eines Kindes - nicht mit einer Abschiebung gleichzusetzen. Eine Abschiebung bringt in aller Regel einen intensiveren, länger andauernden und schwieriger zu revidierenden Abbruch des Kontakts mit sich als eine bloße Verteilung innerhalb Deutschlands. Angesichts der Entfernungen innerhalb Deutschlands schließt eine Verteilung in ein anderes Bundesland in aller Regel zumindest gelegentliche Besuche nicht aus, wenn alle beteiligten Personen bereit sind, dafür Anstrengungen zu unternehmen (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 12.3.2021 - 2 B 476/20 -, juris Rn. 11).

b. Zum anderen machen die Antragsteller mit ihrer Beschwerde geltend, sie müssten sich nicht zwingend bei der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen persönlich vorstellen. Finde § 15a AufenthG Anwendung, bestehe zwar eine Zuständigkeit der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen für die zu treffende Verteilungsentscheidung. Um diese Entscheidung treffen zu können, sei ihre persönliche Vorsprache dort aber nicht notwendig. Sie seien anwaltlich vertreten, hätten bereits Kontakt mit der Landesaufnahmebehörde aufgenommen und es gebe diverse andere Kommunikationsmöglichkeiten einschließlich der Amtshilfe durch den Antragsgegner. Jedenfalls aber sei eine persönliche Vorsprache des erst fünf Jahre alten Antragstellers zu 2. entbehrlich. Die vom Antragsgegner angeordnete Vorspracheverpflichtung stelle ein bloßes "'Hacken zusammenknallen und Grüßen' ohne Sinn und Verstand dar, dass eher in einen Kasernenhof des Kaiserreichs oder schlimmere Phasen der deutschen Geschichte" passe, "als in eine Demokratie" (vgl. die Beschwerdeschrift v. 17.3.2025, S. 3 f. = Blatt 18 f. der E-Gerichtsakte OVG). Zudem habe der Antragsgegner sein Ermessen aus § 15a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht ausgeübt (vgl. den Schriftsatz der Antragsteller v. 17.3.2025, S. 1 = Blatt 21 der E-Gerichtsakte OVG).

Auch diese Einwände verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg; sie stellen die Rechtmäßigkeit der im streitgegenständlichen Bescheid angeordneten Verpflichtung nach § 15a Abs. 2 AufenthG nicht durchgreifend infrage.

Zu den Anforderungen an die ausländerbehördliche Entscheidung über die Anordnung oder das Absehen von einer Vorspracheverpflichtung nach § 15a Abs. 2 AufenthG hat der Senat in seinem Beschluss vom 12. Mai 2022 - 13 ME 115/22 -, juris Rn. 4 ff., ausgeführt:

"Nach § 15a Abs. 2 Satz 1 AufenthG (vgl. zur Entstehungsgeschichte des § 15a AufenthG: OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 9.4.2014 - OVG 3 B 33.11 -, juris Rn. 22) kann die Ausländerbehörde unerlaubt eingereiste Ausländer, die, wie die Antragstellerin, weder um Asyl nachsuchen noch unmittelbar nach der Feststellung der unerlaubten Einreise in Abschiebungshaft genommen und aus der Haft abgeschoben oder zurückgeschoben werden können, verpflichten, sich zu der Behörde zu begeben, die die Verteilung veranlasst. Diese die Verteilung veranlassende Behörde ist hier die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (vgl. Nds. Ministerium für Inneres und Sport, Organisation der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen (LAB NI), Runderlass v. 13.8.2019, Nds. MBl. S. 1207, dort Nr. 2).

Die Voraussetzungen einer Ausnahme nach § 15a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 6 AufenthG liegen nicht vor. Nach § 15a Abs. 2 Satz 2 AufenthG darf eine Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nach § 15a Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht ausgesprochen werden, wenn dem Vorbringen nach § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG Rechnung zu tragen ist. § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG bestimmt, dass, wenn der Ausländer vor Veranlassung der Verteilung nachweist, dass eine Haushaltsgemeinschaft zwischen Ehegatten oder Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstige zwingende Gründe bestehen, die der Verteilung an einen bestimmten Ort entgegenstehen, dem bei der Verteilung Rechnung zu tragen ist (vgl. zur Auslegung des "zwingenden Grundes" bei Nichtbestehen einer Haushaltsgemeinschaft etwa: Nds. OVG, Beschl. v. 28.10.2019 - 8 ME 76/19 -, juris Rn. 4 ff. einerseits und OVG Bremen, Beschl v. 12.3.2021 - 2 B 476/20 -, juris Rn. 8 f. andererseits).

Bei der Auslegung dieses Ausnahmetatbestandes ist zu beachten, dass die Bejahung oder Verneinung von zwingenden Gründen im Sinne des § 15a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 6 AufenthG durch die insoweit zuständige Ausländerbehörde keine Auswirkung darauf hat, ob ein Verteilungsverfahren unerlaubt eingereister Ausländer, die weder um Asyl nachsuchen noch unmittelbar nach der Feststellung der unerlaubten Einreise in Abschiebungshaft genommen und aus der Haft abgeschoben oder zurückgeschoben werden können, durchzuführen ist (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.1.2018 - 18 B 1537/17 -, juris Rn. 4; Dienelt, in: Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 15a Rn. 14 ff.; a.A. offenbar OVG Bremen, Beschl. v. 25.6.2014 - 1 B 30/14 - juris Rn. 5; Dollinger, in: Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, AufenthG, § 15a Rn. 20 (Stand: 1.7.2020)).

Das Verteilungsverfahren ist durch die die Verteilung veranlassende Behörde im Sinne § 15a Abs. 1 Satz 5 AufenthG und durch die zentrale Verteilungsstelle im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 3 AufenthG (das BAMF; vgl. Westphal/Huber, in: Huber/Mantel, AufenthG, 3. Aufl. 2021, § 15a Rn. 6) nämlich auch dann durchzuführen, wenn der Ausländer vor Veranlassung der Verteilung nachgewiesen hat, dass eine Haushaltsgemeinschaft zwischen Ehegatten oder Eltern und ihren minderjährigen Kindern oder sonstige zwingende Gründe bestehen, die einer Verteilung an einen bestimmten Ort entgegenstehen. Diesen Umständen ist gemäß § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG lediglich bei der Verteilung Rechnung zu tragen. Sie führen jedoch nicht dazu, dass ein Verteilungsverfahren nicht durchzuführen wäre. Vielmehr ist erst im Rahmen des Verteilungsverfahrens zu prüfen, ob zwingende Gründe i.S.v. § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG vorliegen und welche Bedeutung ihnen für die zu treffende Verteilungsentscheidung zukommt. Dass eine Verteilung durchzuführen ist, steht außer Frage, falls etwa gegebene zwingende Gründe entsprechend der gesetzlichen Grundkonzeption lediglich der Verteilung an einen bestimmten Ort entgegenstehen oder die Verteilung in ein anderes Bundesland gebieten. Ein Verteilungsverfahren findet aber auch dann statt, wenn unter Berücksichtigung von § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG die länderübergreifende und die landesinterne Verteilung nur in der Weise erfolgen dürfen, dass der Ausländer dem Bundesland und der Ausländerbehörde seines bisherigen Aufenthalts zugewiesen wird (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.1.2018 - 18 B 1537/17 -, juris Rn. 4; Broscheit, in: Berlit, GK-AufenthG, § 15a Rn. 35 ff. (Stand: Januar 2022); Dienelt, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 15a Rn. 14 ff.).

Für die Ausländerbehörde, mit der in der Regel der Erstkontakt des zu verteilenden Ausländers erfolgt, ist das Vorliegen zwingender Gründe im Sinne des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG nur insoweit von Bedeutung, als dies gemäß § 15a Abs. 2 Satz 2 AufenthG deren Befugnis ausschließt, den Ausländer nach § 15a Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu verpflichten, sich zu der Behörde zu begeben, die die Verteilung veranlasst. Aus dieser Regelung folgt aber nicht, dass die Ausländerbehörde für das weitere Verteilungsverfahren abschließend über das Vorliegen dementsprechender zwingender Gründe zu entscheiden hätte mit der Folge, dass - bei Vorliegen von Gründen, die einer Verteilung an einen anderen als den bisherigen Aufenthaltsort dauerhaft entgegenstehen - kein (weiteres) Verteilungsverfahren mehr durchzuführen wäre (vgl. zu dieser Rollenverteilung zwischen Ausländerbehörde und der die Verteilung veranlassenden Behörde auch BVerwG, Beschl. v. 22.8.2016 - BVerwG 1 B 44.16 -, juris Rn. 6; abweichend OVG Bremen, Beschl. v. 25.62014 - 1 B 30/14 -, juris Rn. 5). Vielmehr hat die Ausländerbehörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 1 AufenthG das Ergebnis der durchzuführenden Anhörung des Ausländers in jedem Fall der die Verteilung veranlassenden Stelle zu übermitteln (§ 15a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). In Fällen, in denen unerlaubt eingereiste Ausländer die in § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG beschriebenen Verhältnisse nachgewiesen und infolgedessen im Bezirk der meldenden Ausländerbehörde zu verbleiben haben, teilt die die Verteilung veranlassende Stelle dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als vom Bundesministerium des Innern bestimmter zentraler Verteilungsstelle die Zahl der Personen mit, um sie auf die Quote des aufzunehmenden Bundeslandes anrechnen zu lassen. Die so verteilten Personen werden sodann landesintern dem Bezirk der meldenden Ausländerbehörde zugewiesen und auf die Quote der aufnehmenden Gemeinde angerechnet.

Dass die für den Ausgang des Verteilungsverfahrens maßgebliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG nicht schon von der Ausländerbehörde getroffen wird, wird durch den Umstand bestätigt, dass den zwingenden Gründen bei der Verteilung Rechnung zu tragen ist, sofern sie vor Veranlassung der Verteilung nachgewiesen werden. Dies spricht dafür, dass die maßgebliche Prüfung der Voraussetzungen des § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG jedenfalls nicht durch die Ausländerbehörde zu erfolgen hat, die in diesem Stadium mit dem Verfahren nicht mehr befasst ist. Läge die Entscheidungskompetenz bei der Ausländerbehörde, so hätte die die Verteilung veranlassende Stelle das Verfahren an die Ausländerbehörde zurückzureichen, falls zwingende Gründe erst nach der Weiterleitung des Vorgangs geltend gemacht würden. Derartige Verzögerungen widersprechen dem Ziel des Gesetzgebers, das Verteilungsverfahren zu beschleunigen (vgl. zum Ganzen und zum Meinungsstand: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 25.1.2018 - 18 B 1537/17 -, juris Rn. 5 ff.; Broscheit, in: Berlit, GK-AufenthG, § 15a Rn. 35 ff. (Stand: Januar 2022) jeweils m.w.N.).

Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze greift die Ausnahme des § 15a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 6 AufenthG nur ein, wenn schon nach Anhörung durch die Ausländerbehörde eine Verteilung des Ausländers an einen anderen als den derzeitigen Aufenthaltsort wegen zwingender Gründe ersichtlich ausgeschlossen ist. In allen anderen Fällen ist es dem unerlaubt eingereisten Ausländer zuzumuten, sich persönlich zu der die Verteilung veranlassenden Behörde zu begeben. Dabei ist in den Blick zu nehmen, dass dem Ausländer auf diesem Wege auch die Möglichkeit eröffnet wird, die nach seiner Auffassung nach § 15a Abs. 1 Satz 6 AufenthG bei der Entscheidung über die Verteilung zu berücksichtigenden zwingenden Gründe unmittelbar gegenüber der die Verteilung veranlassenden Behörde vorzutragen und nachzuweisen. Vor diesem Hintergrund und unter Berücksichtigung der fehlenden Bindungswirkung der Auffassung der Ausländerbehörde zum Vorliegen zwingender Gründe für das in jedem Falle (weiter) durchzuführende Verteilungsverfahren ist der Ausschlusstatbestand des § 15a Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 6 AufenthG restriktiv auszulegen. Er greift nur dann ein, wenn die Verpflichtung, sich zu der die Verteilung veranlassenden Behörde zu begeben, sich aufgrund der Eindeutigkeit der Sachlage und daher fehlenden Aufklärungsbedarfs als bloße Förmelei oder gar Schikane darstellt. Es gilt insoweit ein vom eigentlichen Verteilungsverfahren abweichender Maßstab, weil dort den zwingenden Gründen auf unterschiedliche Weise "Rechnung getragen" werden kann."

Eine eindeutige Sachlage und fehlender Aufklärungsbedarf hinsichtlich der von den Antragstellern geltend gemachten zwingenden Gründe, die eine Verteilung der Antragsteller an einen anderen als den derzeitigen Aufenthaltsort ausschließen oder die die Verpflichtung der Antragsteller zur Vorsprache bei der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen als bloße Förmelei oder gar Schikane erscheinen lassen, vermag der Senat hier nicht festzustellen.

Vielmehr ist schon das Bestehen einer nach Art. 6 GG schutzwürdigen Beziehung zwischen der Antragstellerin zu 1. und dem in A-Stadt lebenden Herrn C. wegen eines erwarteten gemeinsamen Kindes zweifelhaft. Es fehlt bisher an der wirksamen Vaterschaftsanerkennung und auch der Sorgeerklärung (vgl. Blatt 11 ff. der E-Gerichtsakte VG). Das eingeleitete Verfahren bei konkreten Anhaltspunkten einer missbräuchlichen Anerkennung der Vaterschaft nach § 85a AufenthG ist nicht abgeschlossen. Die Antragstellerin zu 1. hat auch nicht auf andere Weise hinreichend glaubhaft gemacht (vgl. zum Glaubhaftmachungserfordernis im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO: Senatsbeschl. v. 4.9.2019 - 13 ME 282/19 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.5.1999 - 10 S 2766/98 -, NVwZ 1999, 1243, 1244 - juris Rn. 12; Hessischer VGH, Beschl. v. 1.8.1991 - 4 TG 1244/91 -, NVwZ 1993, 491, 492 [VGH Hessen 01.08.1991 - 4 TH 1244/91] - juris Rn. 34; Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 125 m.w.N.), dass Herr C. der Vater des von ihr erwarteten Kindes ist.

Selbst wenn man aber von der Vaterschaft und auch dem Bestehen einer nach Art. 6 GG schutzwürdigen Beziehung ausginge, wäre es der Antragstellerin zu 1. (und daran anknüpfend auch dem Antragsteller zu 2.) derzeit zumutbar, die im angefochtenen Bescheid vom 4. Februar 2025 angeordnete Verpflichtung zu erfüllen. Denn jedenfalls bis zur Geburt im August 2025 (Sic!; vgl. die ärztliche Bescheinigung v. 9.1.2025, Blatt 34 der Beiakte 1) ist eine Beeinträchtigung dieser Beziehung und der zum erwarteten Kind noch nicht zu besorgen. Das Verwaltungsgericht hat in der erstinstanzlichen Entscheidung darauf hingewiesen, dass "eine konkrete Hilfebedürftigkeit der Antragstellerin zu 1. im gemeinsamen Haushalt als denkbare Vorwirkung von Art. 6 GG" und das Bestehen "besonderer Schutzbedürftigkeit aufgrund einer Schwangerschaft" bisher nicht nachvollziehbar behauptet und glaubhaft gemacht worden ist (Beschl. v. 13.3.2025, S. 4), ohne dass sich die Beschwerde der Antragsteller hiermit auseinandersetzt.

Schließlich sind nach § 114 Satz 1 VwGO relevante Fehler der Ermessensentscheidung nach § 15a Abs. 2 AufenthG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2016 - BVerwG 1 B 44.16 -, juris Rn. 7) nicht auszumachen. Der Antragsgegner hat ausweislich des Bescheids vom 4. Februar 2025 (Blatt 7 f. der E-Gerichtsakte VG) erkannt, dass ihm ein Ermessen zukommt, und er hat dieses unter Berücksichtigung der von den Antragstellern geltend gemachten Gründe auch betätigt.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen. Der Beschwerde kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362) unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu im Hauptsacheverfahren einerseits und im Prozesskostenhilfeverfahren andererseits anzulegenden unterschiedlichen Maßstäben: BVerfG, Beschl. v. 8.7.2016 - 2 BvR 2231/13 -, juris Rn. 10 ff. mit weiteren Nachweisen). Zur Begründung verweist der Senat auf seine Ausführungen in diesem Beschluss zu I.1.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens ergibt sich aus § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO.

4. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

II. 13 PA 63/25

1. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - Einzelrichterin der 11. Kammer - vom 13. März 2025 bleibt ohne Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Denn dem erstinstanzlichen Rechtsschutzbegehren kommt auch nach der im Prozesskostenhilfeverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage unter Berücksichtigung des Zwecks der Prozesskostenhilfebewilligung die gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht nicht zu (vgl. zu den insoweit anzulegenden Maßstäben oben I.2. m.w.N.). Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die Ausführungen in diesem Beschluss zu I.1. und auf die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses, die er sich zu eigen macht (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 2, 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 127 Abs. 4 ZPO. Ein Streitwert ist nicht festzusetzen. Für die Höhe der Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gilt der streitwertunabhängige Kostentatbestand in Nr. 5502 der Anlage 1 (Kostenverzeichnis) zum Gerichtskostengesetz (vgl. zur Entstehung von Gerichtskosten bei Zurückweisung einer PKH-Beschwerde: Senatsbeschl. v. 28.3.2019 - 13 PA 65/19 -, juris Rn. 3).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).