Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.01.2025, Az.: 6 W 156/24

Antrag auf Erstattung der notwendigen Auslagen in einem Erbscheinsverfahren; Erbscheinsantrag wider besseres Wissen

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.01.2025
Aktenzeichen
6 W 156/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 10525
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2025:0109.6W156.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
AG Neustadt am Rübenberge - AZ: 14 VI 1041/23

Fundstellen

  • ErbR 2025, 590-592
  • FamRZ 2025, 1055
  • MDR 2025, 601
  • ZAP EN-Nr. 120/2025
  • ZAP 2025, 231
  • ZEV 2025, 414

Amtlicher Leitsatz

Hat eine Beteiligte im Erbscheinsantrag wider besseres Wissen erklärt, das vorgelegte Testament sei von der Erblasserin eigenhändig geschrieben und unterschrieben worden, und haben andere Beteiligten des Erbscheinsverfahrens Einwände gegen die Erteilung des Erbscheins aufgrund gewillkürter Erbfolge erhoben, sind ihr in der Regel die Kosten des Verfahrens einschließlich der Aufwendungen der übrigen Beteiligten gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG aufzuerlegen.

In der Nachlasssache
nach der am 3. August 2023 verstorbenen I. G., mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in N.,
Beteiligte:
1. A. B., E.Straße #, in W.
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte P.in G.,
2. T. N., J.straße #, in N.,
Antragstellerin und Beschwerdeführerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte C. in N.
3. C. S., M.weg #, in G.,
Antragstellerin,
4. S. B., S.horst # in F.,
5. R. T., K. # in O.,
Verfahrensbevollmächtigte zu 5:
Rechtsanwälte T. in O.,
6. C. Sy., K.-Straße ## in N.,
Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin,
Verfahrensbevollmächtigte:
Rechtsanwälte B. in N.
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die Beschwerden der Beteiligten zu 1 vom 9. Oktober 2024 und der Beteiligten zu 2 vom 23. Oktober 2024 gegen den Beschluss der Rechtspflegerin des Amtsgerichts Neustadt a. Rbge. vom 26. September 2024 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht S. am 9. Januar 2025 beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird geändert. Es wird angeordnet, dass die Beteiligte zu 6 den Beteiligten zu 1 und 2 die notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, die ihnen aufgrund des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 6 vom 25. September 2023 bis zur Antragsänderung am 25. Oktober 2023 entstanden sind. Die weitergehenden Beschwerden werden zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beschwerden, mit denen die Beteiligten zu 1 und 2 sich gegen die Zurückweisung ihrer Anträge richten, der Beteiligten zu 6 die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Beteiligten zu 1 bis 4 aufzuerlegen, sind zulässig und überwiegend begründet.

1. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 sind zulässig. Ihre Beschwer übersteigt jeweils 600 €, § 61 Abs. 1 FamFG.

Die Gebühren eines Rechtsanwaltes, der einen Miterben im Erbscheinserteilungsverfahren vertritt, sind grundsätzlich nach dem Wert des von dem Vertretenen beanspruchten Erbteils zu berechnen (BGH, Beschluss vom 30. September 1968 - III ZB 11/67 -, zitiert nach juris). Vorliegend haben die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Erbteil aufgrund gesetzlicher Erbfolge in Höhe von jeweils 1/6 beansprucht, den die Beteiligte zu 6 ihnen mit ihrem Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins streitig gemacht hat. Die anwaltlichen Gebühren für die Vertretung im Erbscheinsverfahren sind hier mithin nach einem Streitwert von 35.250 € [1/6 von 211.500 € Nachlassvermögen] zu berechnen und betragen dann jeweils 1.751,80 € [1.452,10 € (1,3 Verfahrensgebühr) + 20 € Auslagenpauschale + 279,70 € Umsatzsteuer). Die Beteiligten zu 1 und 2 wollen mit ihren Beschwerden erreichen, dass die Beteiligte zu 6 ihnen diese Gebühren zu erstatten hat, so dass die Beschwer jeweils bei deutlich über 600 € liegt.

2. Die Beschwerden sind ganz überwiegend in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang begründet.

a) Für eine Kostenentscheidung gelten folgende Grundsätze (Beschluss des BGH vom 18. November 2015 zu IV ZB 35/15, zitiert nach juris, dort Rn. 11 - 16 jeweils m. w. N.):

"Auch in Nachlasssachen kann § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG unabhängig von der Art des Verfahrens kein Regel-Ausnahme-Verhältnis für die Verteilung der Kosten entnommen werden. Vielmehr entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen darüber, ob es den Beteiligten ganz oder zum Teil Kosten auferlegt. Das Gericht kann Kosten zwischen den Beteiligten ganz oder teilweise aufteilen, sie gegeneinander aufheben, eine unterschiedliche Verteilung von Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten vornehmen oder gänzlich von der Erhebung von Kosten absehen. ... Der Gesetzgeber hat dem Gericht in § 81 Abs. 1 FamFG ein weites Ermessen eingeräumt. Auf dieser Grundlage lässt sich dem Gesetz weder ein Regel-Ausnahme-Verhältnis des Inhalts entnehmen, dass die Kostenverteilung regelmäßig nach dem Maß des Obsiegens und Unterliegens zu erfolgen hätte, noch umgekehrt, dass, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, es auf den Erfolg nicht ankommt. ... Das Maß des Obsiegens oder Unterliegens stellt im Rahmen der Kostenentscheidung lediglich einen von mehreren Gesichtspunkten dar, der in die Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingestellt werden kann. ... Dem Sinn und Zweck des § 81 Abs. 1 FamFG unter Berücksichtigung von Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte entspricht es, wenn das Gericht in seine Ermessensentscheidung sämtliche in Betracht kommenden Umstände einbezieht. Hierfür zählen neben dem Maß des Obsiegens und Unterliegens etwa die Art der Verfahrensführung, die verschuldete oder unverschuldete Unkenntnis der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse, die familiäre und persönliche Nähe zwischen Erblasser und Verfahrensbeteiligten etc. ...".

b) Die danach vom Amtsgericht zu treffende Ermessensentscheidung ist nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Beschwerdegericht zugänglich (BGH, a. a. O., Rn. 17 und Beschluss des OLG Düsseldorf vom 11. September 2015 zu 3 Wx 119/15, zitiert nach juris, dort Rn. 23). Die Überprüfung beschränkt sich grundsätzlich auf die Frage, ob das erstinstanzliche Gericht von dem ihm eingeräumten - weiten - Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht hat, weil der Sinn der Ermessensausübung verfehlt würde, wenn das Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet wäre, ein vom erstinstanzlichen Gericht fehlerfrei ausgeübtes Ermessen durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die erstinstanzliche Entscheidung wird daher nur auf Ermessensfehler in Form eines Ermessensnichtgebrauchs oder eines Ermessensfehlgebrauchs überprüft (vgl. auch Sternal/Weber, FamFG, 21. Aufl. 2023, § 81 Rn. 60 f).

c) Im Streitfall liegt ein Ermessensfehlgebrauch der Rechtspflegerin vor.

aa) Gemäß § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG soll das Gericht die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten dann auferlegen, wenn der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben macht hat. In diesen Fällen ist daher das ansonsten weite Ermessen für eine Kostenentscheidung bereits eingeschränkt ("...soll das Gericht").

bb) Anders als die Rechtspflegerin gemeint hat, liegt ein solcher Fall im vorliegenden Verfahren vor.

Die Beteiligte zu 6 hat am 25. September 2023 bei dem Nachlassgericht einen Erbschein beantragt (Bl. 1 d. A.), der sie als Alleinerbin ausweist, und sich dazu auf ein vermeintlich eigenhändig errichtetes Testament der Erblasserin (Bl. 2 f. der Testamentsakten 14 IV .../23 Amtsgericht Neustadt a. Rbge.) gestützt. In dem Erbscheinsantrag hat die Beteiligte zu 6 angegeben, die Erblasserin habe das Testament eigenhändig ge- und unterschrieben, und sodann an Eides Statt versichert, dass ihr nichts bekannt sei, was der Richtigkeit ihrer Angaben entgegensteht. Tatsächlich hatte jedoch die Beteiligte zu 6 den Testamentstext geschrieben und die Erblasserin das Schriftstück nur unterzeichnet. Die Angabe, die Erblasserin habe das Testament eigenhändig geschrieben, war mithin unwahr.

Da das eigenhändige Niederschreiben des Testamentstextes Wirksamkeitsvoraussetzung eines eigenhändigen Testaments ist (§ 2247 Abs. 1 BGB), handelte es sich um eine für das Erbscheinsverfahren wesentliche Tatsache. Die Beteiligte zu 6 hat auch schuldhaft gehandelt, weil sie aufgrund ihres eigenen Handelns positiv wusste, dass die Erblasserin den Text nicht selbst geschrieben hatte. Es kommt nicht darauf an, ob die Beteiligte zu 6 als Laiin nicht wissen konnte, dass das von ihr vorgelegte Testament unwirksam ist, denn die in § 81 Abs. 2 Nr. 3 FamFG geregelte Kostensanktion knüpft allein an den unwahren Tatsachenvortrag an, nicht an rechtliche Kenntnis (dieser Fall ist im hier nicht vorliegenden § 81 Abs. 2 Nr. 2 FamFG geregelt). Hätte die Beteiligte zu 6 im Erbscheinsantrag vom 25. September 2023 den wahren Sachverhalt der Testamentserrichtung geschildert, wäre sie schon an diesem Tag von der Rechtspflegerin darauf hingewiesen worden, dass das Testament unwirksam ist. Dann wäre der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins sogleich geändert (gesetzliche Erbfolge), nicht mit dem unrichtigen Inhalt an die Beteiligten zu 1 und 2 als Geschwister der Beteiligten zu 6 zur Stellungnahme übersandt worden und hätten die Beteiligten zu 1 und 2 keinen Anlass gehabt, rechtlichen Rat über die Wirksamkeit des Testaments einzuholen und gegen die Erteilung des beantragten Alleinerbscheins Einwände zu erheben.

3. Die Beschwerden der Beteiligten zu 1 und 2 sind lediglich insoweit unbegründet, als sie damit erreichen wollten, der Beteiligten zu 6 aufzuerlegen, auch die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten (Beschwerdeantrag der Beteiligten zu 1) bzw. der Beteiligten zu 3 (Beschwerdeantrag der Beteiligten zu 2) zu tragen. Insoweit waren die Beteiligten zu 1 und 2 mangels Beschwer nicht beschwerdeberechtigt. Es handelt sich bei der Kostenentscheidung nicht um eine solche, die nur einheitlich gegenüber alle Beteiligten getroffen werden kann, sondern ermöglicht auch unterschiedliche Teilentscheidungen (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG). Die Beteiligten zu 3 bis 5 haben es hingenommen, dass sie ihre außergerichtlichen Gebühren nicht erstattet bekommen.

Die Gerichtskosten des erstinstanzlichen Verfahren trägt die Beteiligte zu 1 gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG von Gesetzes wegen auch ohne gesonderten Ausspruch.

II.

Einer Entscheidung über die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens bedarf es nicht. Für die überwiegend erfolgreichen Beschwerden werden Gerichtskosten nicht erhoben (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1 GNotKG).

Indessen entspricht es der Billigkeit, (§ 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG), dass die Beteiligte zu 6 den Beteiligten zu 1 und 2 auch die zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat, weil auch das Beschwerdeverfahren letztlich eine Folge der schuldhaft unwahren Angaben der Beteiligten zu 6 im Erbscheinsantrag vom 25. September 2023 ist.

III.

Das Amtsgericht wird gebeten, die Akten der zuständigen Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts der Abgabe einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) durch die Beteiligte zu 6 vorzulegen.