Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.10.2023, Az.: 10 Sa 57/23

Einwendung des Rechtsmissbrauchs gegenüber einem Entschädigungsanspruch eines Bewerbers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.10.2023
Aktenzeichen
10 Sa 57/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 57040
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2023:1010.10Sa57.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg - 06.12.2022 - AZ: 5 Ca 273/21 Ã

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Dem Entschädigungsverlangen einer Person, die sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern der es allein darum ging, den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen, steht der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB entgegen.

  2. 2.

    Allerdings muss der Arbeitgeber Indizien, die den rechtshindernden Einwand begründen, vortragen und im Bestreitensfall beweisen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 6. Dezember 2022 - 5 Ca 273/21 Ö - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlung einer Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Hinsichtlich des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien nebst Anträgen sowie der Würdigung, die jenes Vorbringen dort erfahren hat, wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 6. Dezember 2022 (5 Ca 273/21 Ö, Bl. 770 bis 777 d.A.) nebst Berichtigungsbeschluss vom 10. März 2023 (Blatt 778 f. d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Es sei bereits fraglich, ob nicht das Land Niedersachsen die zutreffende beklagte Partei gewesen wäre, doch stehe dem Kläger der Entschädigungsanspruch ohnehin nicht zu. Dem stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen, weil der Kläger sich ausschließlich deshalb beworben habe, um den formalen Status als Bewerber mit dem einzigen Ziel zu erlangen, eine Entschädigung geltend zu machen. Dies folge zwar nicht aus den von der Beklagten vorgetragenen Umständen, und zwar weder für sich betrachtet noch in der Gesamtschau. Jedoch ergebe sich aus dem gegen den Kläger geführten Ermittlungsverfahren jedenfalls in der Gesamtschau, dass die Bewerbung auf einem systematischen und zielgerichteten Vorgehen im Rahmen eines von dem Kläger erarbeiteten Geschäftsmodells beruhe. Der Kläger reiche seine Bewerbungen in der Regel erst am späten Abend und häufig auch erst kurz vor Mitternacht des letzten Tages der Bewerbungsfrist ein, im Streitfall gar erst nach deren Ablauf. Die bedingt durch die Ausschöpfung der Frist zeitnahen Termine für ein Vorstellungsgespräch habe der Kläger systematisch abgesagt, ohne seine Verhinderung zu begründen. Vorgeschlagene Ausweichtermine habe er ebenfalls regelmäßig abgesagt und eigene Terminvorschläge gemacht; seien diese unberücksichtigt geblieben, habe er auch die Alternativtermine abgesagt. Die Bewerbungsschreiben seien formelhaft und beschränkten sich auf die Wiederholung des jeweiligen Textes der Stellenausschreibung sowie die reine Behauptung, er erfülle die fachlichen Voraussetzungen. In der Gesamtschau hafte den Bewerbungsanschreiben der Vorwurf fehlender Bemühungen an. Die Vielzahl der von der Staatsanwaltschaft ermittelten Fälle belege ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen. Auffällig sei ferner, dass der Kläger in seinen vorformulierten Geltendmachungsschreiben stets zugleich eine vergleichsweise Regelung angeboten habe. Es sei ihm gelungen, rund 150.000 Euro zu erwirtschaften. Dass er zu keiner Zeit ernsthaft an einer der ausgeschriebenen Stellen interessiert gewesen sei, werde dadurch belegt, dass er die auf seine Bewerbungen von zwei anderen Universitäten unterbreiteten Stellenangebote abgelehnt habe.

Gegen das ihm am 31. Dezember 2022 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger am 30. Januar 2023 Berufung eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Frist am 28. März 2023 begründet.

Die Berufung führt aus: Der Wille, den ausgeschriebenen Arbeitsvertrag tatsächlich abzuschließen, sei nicht Voraussetzung für den Bewerberstatus oder für einen Entschädigungsanspruch. Der Kläger habe sich nicht unredlich oder treuwidrig verhalten. Das Missbrauchsverbot sei dann nicht relevant, wenn das Verhalten des Bewerbers eine andere Erklärung haben könne als nur die Erlangung von Vorteilen. Ein anderes Motiv für eine Bewerbung sei beispielsweise die Abschätzung der Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das Arbeitsgericht habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob andere Motive ausgeschlossen werden könnten. Es stütze seine Entscheidung ausschließlich auf die Ermittlungsakte, deren Inhalt jedoch von der Beklagten nicht vorgetragen worden sei. Mithin habe das Arbeitsgericht den Sachverhalt von Amts wegen ermittelt. Die Argumentation, dass sich aus dem Sachverhalt kein Indiz für mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung ergebe, wohl aber aus der Ermittlungsakte, sei logisch nicht nachzuvollziehen. So könne der Kläger tatsächlich verhindert gewesen sein oder die Anreise zum Vorstellungsgespräch gescheut haben. Weder die im Geltendmachungsschreiben enthaltenen Vergleichsangebote noch die Ablehnung anderer Stellen seien taugliche Indizien für die mangelnde Ernsthaftigkeit der Bewerbung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine angemessene Entschädigung zu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 9.155,75 Euro, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. November 2021.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass der Kläger sich mit der Bewerbung rechtsmissbräuchlich verhalten habe. Ihr liege ein systematisches, gleichförmiges Vorgehen zugrunde. Die Ermittlungsakte sei beigezogen worden und daher Gegenstand des Rechtsstreits geworden. Der Kläger habe kein anderes Motiv als die Erlangung einer Entschädigung; er habe nicht dargetan, dass sein Verhalten eine andere Erklärung habe. Ferner fehle ihm für die ausgeschriebene Stelle offensichtlich die fachliche Eignung. Letztlich sei die Beklagte nicht passivlegitimiert, weil die Personalverwaltung als staatliche Angelegenheit dem Land Niedersachsen zugewiesen sei.

Wegen des weiteren Vorgehens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren.

Entscheidungsgründe

Die Berufung bleibt erfolglos.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2 AGG statthafte Berufung des Klägers ist von diesem fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, 2 AGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 2 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist nicht begründet. Im Ergebnis und in Teilen der Begründung zutreffend hat das Arbeitsgericht erkannt, dass dem Kläger ein Entschädigungsanspruch nicht zusteht. Sein Entschädigungsverlangen ist dem durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgesetzt. Er bewarb sich nicht, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ging ihm ausschließlich darum, nur den formalen Status als Bewerber im Sinne von § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem einzigen Ziel, eine Entschädigung geltend zu machen.

1.

Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (vgl. BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/22 - Rn. 38; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 47; 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - Rn. 44 mwN). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/22 - aaO; 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - aaO; 17. März 2016 - 8 AZR 677/14 - aaO mwN). Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG 14. Juni 2023 - 8 AZR 136/22 - Rn. 48; 19. Januar 2023 - 8 AZR 437/21 - Rn. 43; 19. Mai 2016 - 8 AZR 470/14 - Rn. 32 ff., BAGE 155, 149).

2.

Für das Vorliegen der Voraussetzungen, die gegenüber einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Einwendung des Rechtsmissbrauchs begründen, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (stRspr., zB BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/22 - Rn. 38 mwN). Dieser muss deshalb Indizien vortragen und im Bestreitensfall beweisen, die den rechtshindernden Einwand begründen. Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB gegenüber Ansprüchen aus § 15 AGG auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (vgl. BAG 25. Oktober 2018 - 8 AZR 562/16 - Rn. 49 mwN).

3.

Danach ist aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falls davon auszugehen, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand aus § 242 BGB ausgesetzt ist. Dies folgt aus der vom Berufungsgericht vorgenommenen Gesamtwürdigung seines Verhaltens im Zusammenhang mit seiner Bewerbung, auch soweit es im Folgenden nicht ausdrücklich genannt ist. In Ermangelung von gegenteiligen Anhaltspunkten kann aus diesem Verhalten auch unter Würdigung des Inhalts der Stellenausschreibung nur der Schluss gezogen werden, dass es dem Kläger nicht darum ging, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern dass er mit seiner Bewerbung nur die Voraussetzungen für die Zahlung einer Entschädigung schaffen wollte (vgl. zu diesem Maßstab BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/21 - Rn. 46); seine Bewerbung auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle und die sich an die Ablehnung anschließende Entschädigungsklage sind Teil eines systematischen und zielgerichteten Vorgehens im Rahmen eines "Geschäftsmodells" (vgl. BAG 14. Juni 2023 - 8 AZR 136/22 - Rn. 51).

a)

Dafür spricht zunächst der Inhalt der Ermittlungsakte in dem gegen den Kläger geführten Strafverfahren.

aa)

Das Arbeitsgericht hat nach Einsichtnahme in diese Ermittlungsakte festgestellt, dass der Kläger, der in vielen Fällen erfolglos Bewerbungen versandte und anschließend Entschädigungsstreitigkeiten führte, vorformulierte Geltendmachungsschreiben benutzte, wobei er jeweils zugleich eine vergleichsweise Regelung anbot. Es hat weiter festgestellt, dass der Kläger durch diese Entschädigungsverlangen bisher rund 150.000 Euro erwirtschaftete. Dies spricht dafür, dass es dem Kläger (auch) vorliegend nicht darum zu tun war, die ausgeschriebene Stelle zu erlangen, sondern ausschließlich eine Entschädigung.

bb)

Soweit die Berufung beanstandet, das Arbeitsgericht habe durch Einsichtnahme in die Ermittlungsakte, die der Beklagten nicht bekannt gewesen sei und deren Inhalt sie nicht vorgetragen habe, unzulässige Amtsermittlung betrieben, greift dies im Ergebnis nicht durch.

(1)

Die Beklagte macht in ihrer Berufungsbeantwortung geltend, ihr Vortrag werde durch die von der Staatsanwaltschaft Lübeck ermittelten Vorgänge belegt. Dem stehe nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht zunächst einen in 47 Fällen im Zeitraum vom 16. Februar 2017 bis zum 12. Dezember 2019 erwirtschafteten Gewinn in Höhe von 83.781,64 Euro angebe und später nach dem letzten Stand einen Wert in Höhe von 150.000 Euro annehme. Bei letzterem dürften auch weitere Zeiträume berücksichtigt worden sein, zumal der Kläger auch nach Einleitung des Ermittlungsverfahrens sein "Geschäftsmodell" weiterbetrieben habe.

(2)

Mithin macht sich die Beklagte spätestens im Berufungsrechtszuge den Inhalt der Ermittlungsakte zu eigen, soweit ihn das Arbeitsgericht in seinem Urteil festgestellt hat, und erhebt ihn zu ihrem Parteivortrag. Danach war es Sache des Klägers, sich gemäß § 138 Abs. 2 ZPO über diese von der Beklagten behaupteten Tatsachen zu erklären.

(3)

Dem wird das Vorbringen des Klägers nicht gerecht. Dieser bestreitet nicht, für seine Entschädigungsverlangen vorformulierte Geltendmachungsschreiben verwendet zu haben. Auch zu der Summe eingenommener Entschädigungszahlungen von rund 150.000 Euro erklärt er sich nicht vollständig.

(a)

Insoweit trägt er lediglich vor (Bl. 6 der Berufungsbegründung - Bl. 842 d.A.): "'... soll der Kläger Entschädigungszahlungen in Höhe von rund 150.000,00 € erhalten haben'. Wo kommt denn diese Zahl jetzt her, wenn sich aus den Ermittlungen doch etwa 83.000,00 € ergeben haben sollen? Während das Arbeitsgericht diesen fiktiven Erwerb immerhin noch im Konjunktiv formuliert, wird auf S. 13 der Entscheidungsgründe ausgeführt, der Kläger habe "rund 150.000,00 € erwirtschaftet", als sei dieser Umstand (der nicht einmal von der Beklagtenseite vorgetragen wurde) unstreitig oder bewiesen. Diese (fiktive) Summe dient dem Arbeitsgericht dann zudem als "Beleg", dass dem Kläger ein ,üppiger Gewinn' verblieben sei".

(b)

Diesem Vorbringen lässt sich nicht entnehmen, welche Summen dem Kläger aus den von ihm geltend gemachten Entschädigungsverlangen insgesamt zugeflossen sind. Dies ist jedoch Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung, so dass es nicht ausreicht, das Vorbringen der Beklagten als "fiktive Summe" abzutun. Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, dass der Kläger bestreiten möchte, in 47 Fällen im Zeitraum vom 16. Februar 2017 bis zum 12. Dezember 2019 83.781,64 Euro aus Entschädigungszahlungen erwirtschaftet zu haben. Bereits diese Zahlen, die auf durchschnittliche jährliche Einnahmen von knapp 30.000 Euro im fraglichen Zeitraum hindeuten, genügen, um zu indizieren, dass der Kläger sich (auch) bei der Beklagten nur bewarb, um im Rahmen seines "Geschäftsmodells" eine Entschädigung zu erlangen.

b)

In Verbindung mit weiteren Auffälligkeiten ergibt sich zur Überzeugung des Berufungsgerichts, dass der Kläger sich auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle ausschließlich deshalb bewarb, um in den Genuss einer Entschädigung zu gelangen. Dass der Kläger daneben andere Motive hatte, trägt er selbst nicht konkret vor und ist auch nicht ersichtlich, sondern vielmehr ausgeschlossen.

aa)

Die Verwendung standardisierter Geltendmachungsschreiben, die zugleich ein Angebot enthalten, sich außergerichtlich auf einen niedrigeren Betrag zu verständigen, mag für sich betrachtet nicht ausreichen, um ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzunehmen (vgl. BAG 14. Juni 2023 - 8 AZR 136/22 - Rn. 54 mwN). Es handelt sich jedoch um ein weiteres Indiz, das die fortgesetzte Verfolgung eines "Geschäftsmodells" nahelegt.

bb)

Ferner indiziell für einen Rechtsmissbrauch ist die Art und Weise, in welcher der Kläger in seinem Bewerbungsschreiben (Bl. 51 f. d.A.) auf seine Schwerbehinderung hinwies. Er begnügte sich nicht mit der Angabe des Grades der Behinderung unter Bezugnahme auf den in Kopie beigefügten Schwerbehindertenausweis, sondern führte weiter aus: "Gleichwohl bin ich trotz einer GdB 80 und den Merkzeichen G und aG auf Büro- und Laborebene wieder mobilisiert und verfüge über die entsprechende (auch körperliche) Eignung, um als Physiker zu arbeiten". Es ist nicht ersichtlich, wozu die Hinweise auf die Merkzeichen und darauf, dass der Kläger "wieder mobilisiert" sei, dienen könnten, außer um die Beklagte auf Einschränkungen hinzuweisen und so eine Absage zu provozieren (vgl. [zu auffälligen Hinweisen des Bewerbers auf das Lebensalter] BAG 31. März 2022 - 8 AZR 238/21 - Rn. 52).

cc)

Auch dass der Kläger, wie vom Arbeitsgericht festgestellt, auf Einladungen zu Vorstellungsgesprächen regelmäßig erst spät und mit der standardmäßigen Mitteilung reagierte, er könne den Termin nicht wahrnehmen, sowie auch Ausweichtermine ablehnte, spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Bewerbung. Die Berufung macht dazu geltend (S. 8 der Berufungsbegründung - Bl. 844 d.A.): "(D)er Kläger kann tatsächlich verhindert sein oder er hat aus anderen Gründen die Anreise gescheut". Dabei handelt es sich wiederum nicht um substantiiertes Gegenvorbringen, sondern um das Vermeiden einer konkreten Erläuterung des auffälligen Verhaltens.

c)

Der Kläger trägt nicht vor, welche anderen Motive ihn zur Bewerbung auf die ausgeschriebene Stelle bewogen.

aa)

Er macht hierzu lediglich geltend, es sei nicht verboten, sich zu bewerben, wenn man die ausgeschriebene Stelle nicht antreten wolle. Weiter trägt er vor (S. 4 der Berufungsbegründung - Bl. 840 d.A.), "dass das Missbrauchsverbot dann nicht relevant ist, wenn das fragliche Verhalten eine andere Erklärung haben kann als nur die Erlangung eines Vorteils. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann also dann nicht durchgreifen, wenn nicht auszuschließen ist, dass der Bewerber auch eine andere Motivation hatte als das Erlangen der Entschädigung. Diese andere Motivation kann natürlich die naheliegende Absicht zu sein, die ausgeschriebene Stelle tatsächlich anzutreten. Es gibt aber noch weitere in Frage kommende Motivationen, z.B. der Wunsch, zu sehen, ob einem diese Stelle tatsächlich angeboten wird, um seine Chancen auf dem Arbeitsmarkt, also seinen Marktwert besser einschätzen zu können. Es kommt durchaus nicht selten vor, dass Arbeitnehmer sich erst einmal auf eine Stelle bewerben, ohne sich schon entschieden zu haben, ob sie die Stelle tatsächlich auch annehmen würden, wenn sie ihnen angeboten wird. Dabei geht es diesen Arbeitnehmern nicht um das Erlangen einer Entschädigung."

bb)

Dieses Vorbringen weist keinen Fallbezug auf. Der Kläger erläutert nicht, weshalb er sich auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle bewarb, obwohl er der einzige ist, der über seine Motive Auskunft geben könnte. Vielmehr belässt er es bei theoretischen Ausführungen dazu, welche Motive (andere) Bewerber haben könnten, ohne darauf einzugehen, welches der genannten Motive ihn selbst zu der Bewerbung veranlasste. Dieses auffällige Vermeidungsverhalten spricht nicht dafür, sondern dagegen, dass der Kläger Absichten verfolgte, die über die bloße Verfolgung wirtschaftlicher Vorteile hinausgehen.

d)

Nach alledem ergibt eine Würdigung aller Umstände des vorliegenden Falles, dass der Kläger es geradezu auf eine Absage angelegt hat. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann daraus nur geschlossen werden, dass es ihm nicht darum ging, die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern nur um die Erlangung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG.

4.

Abgesehen davon ist die Beklagte nicht passivlegitimiert. Gemäß § 47 Satz 1, 2 Nr. 1 NHG erfüllen die Hochschulen als Einrichtungen des Landes staatliche Aufgaben in Trägerschaft des Staates; hierzu gehört die Personalverwaltung. Mithin wäre nicht die Beklagte, sondern das Land Niedersachsen in Anspruch zu nehmen gewesen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72b ArbGG) wird hingewiesen.