Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 30.09.2024, Az.: VgK-22/2024

Anwendbarkeit des Vergaberechts auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
30.09.2024
Aktenzeichen
VgK-22/2024
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 32396
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten werden auf xxxxxx € festgesetzt.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.

Gründe

I.

1

Die Antragsgegnerin ist Eigentümerin eines im Grundbuch des xxxxxx, Blatt xxxxxx, eingetragenen Grundstücks mit einer Größe von ca. 180.000,00 m2. Auf dem Grundstück befinden sich derzeit diverse Sportanlagen, eine Schule und eine Schützenhalle.

2

Auf einer Teilfläche (ca. 8.000 m2) dieses Grundstücks, auf dem sich momentan noch die Schützenhalle befindet, soll die Ansiedlung eines Verbrauchermarktes als Vollsortimenter mit einer Verkaufsfläche von über 1.200 m2 ermöglicht werden. Dazu hat die Antragsgegnerin die Änderung des Flächennutzungsplans und des bestehenden Bebauungsplans, welche für die Fläche Festsetzungen als Gemeinde-, Schul- und Sportzentrum enthält, auf den Weg gebracht. Eine endgültige Entscheidung über die Änderung des Flächennutzungsplans und die geplante Änderung des Bebauungsplans liegt noch nicht vor.

3

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, unter der aufschiebenden Bedingung der entsprechenden Beschlüsse zur Aufstellung des Flächennutzungsplans und des Bebauungsplans, die Teilfläche an einen Investor zu veräußern. Es soll ein Grundstückskaufvertrag abgeschlossen werden.

4

Hierzu hat die Antraggegnerin in einem einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Landgericht xxxxxx (xxxxxx) erklärt, dass sie einen ursprünglich für den xxxxxx.2024 beabsichtigten Notartermin zur Beurkundung des Grundstückkaufvertrages aufgehoben hat und zunächst die Entscheidung sowohl des Landgerichts als auch der Vergabekammer abwarten will.

5

Laut Entwurf des Grundstückskaufvertrages bemisst sich der Kaufpreis nach dem Bodenrichtwert, der durch den zuständigen xxxxxx festgestellt worden ist.

6

Der Grundstückskäufer verpflichtet sich laut dem Vertragsentwurf, innerhalb einer bestimmten Frist entsprechend den Festsetzungen eines noch aufzustellenden Bebauungsplanes einen Verbrauchermarkt als Vollsortimenter mit einer bestimmten Mindestverkaufsfläche sowie den erforderlichen Parkplätzen zu bauen und fertig zu stellen. Nur für den Fall, dass das nicht erfolgt, steht der Antragsgegnerin ein Wiederkaufsrecht zu. Im Übrigen enthält der gesamte Grundstückskaufvertragsentwurf nur die Verpflichtung, die Festsetzungen des Bebauungsplans bei Umsetzung des Projektes zu berücksichtigen.

7

Mit dem Gutachten über den Verkehrswert des Grundstücks des xxxxxx vom xxxxxx.2024 ist ein Verkehrswert für das Grundstück von xxxxxx €/m2 und damit bei der Größe von 8.094 m2 einen Bodenwert von xxxxxx € ermittelt worden.

8

Die Antragsgegnerin hat mit dem Käufer des Grundstücks laut Entwurf des Grundstückskaufvertrages diesen Bodenrichtwert abzüglich der Kosten für den Abriss einer vorhandenen Schützenhalle vereinbart.

9

In der Projektierungsvereinbarung vom xxxxxx.2022 hat die Antragsgegnerin mit dem Investor die Planung eines Bauvorhabens mit bestimmtem Nutzen innerhalb eines festgelegten Bereiches auf Kosten und durch den Projektierer vereinbart. Zudem wurde ein Exklusivitätsrecht zur Planung des festgelegten Bereiches und damit verbundene Verschwiegenheitsverpflichtungen festgelegt. Andere Verpflichtungen, insbesondere Bauverpflichtungen des Projektierers, sieht die Projektierungsvereinbarung nicht vor.

10

Die Unternehmensgruppe der Antragstellerin betreibt im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin Verbrauchermärkte. Mit Schreiben vom 15.01.2024 hat die Antragstellerin der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass sie zur Kenntnis genommen habe, dass die Antragsgegnerin einen großflächigen Verbrauchermarkt im Gemeindezentrum entwickeln möchte und dass aus ihrer Sicht auf dem vorgenannten Grundstück die Ansiedlung eines zusätzlichen Verbrauchermarktes nicht mit den Zielen des Landesraumordnungsprogramms vereinbar sei, da weder das Kongruenzgebot noch das Beeinträchtigungsverbot bei diesen Überlegungen berücksichtigt werde. Sie sehe hier ihre beiden bestehenden Märkte in der Gemeinde als stark gefährdet an. Ihrer Meinung nach sei allenfalls eine Verlagerung eines bestehenden Anbieters innerhalb der Gemeinde unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar, weshalb sie in diesem Zusammenhang ihr "Interesse an einem Erwerb der für den großflächigen Verbrauchermarkt vorgesehenen Fläche bekundet." Sie gehe zudem davon aus, dass über eine Vergabe in Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung entschieden werde. Weiteren Inhalt enthielt dieses Schreiben nicht.

11

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin daraufhin mit, dass der Grundstücksverkauf der Gemeinde an einen privaten Investor nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts falle und hat hierzu entsprechend ausgeführt.

12

Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass sie mit Schreiben vom 15.01.2024 gegenüber der Antragsgegnerin Interesse am Erwerb des Grundstückes bekundet habe. Sie sei davon ausgegangen, dass über den Verkauf im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung entschieden werde und habe die Antragsgegnerin um rechtzeitige Übermittlung der Ausschreibungsunterlagen gebeten.

13

Nach ihrer Meinung sei mit der kaufvertraglichen Vereinbarung des Grundstücksverkaufs ein Bauauftrag im Sinne von § 103 Abs. 3 GWB verbunden, so dass mangels Ausschreibung des Grundstückverkauf ein Verstoß gegen das Vergaberecht vorliegt.

14

Selbst wenn kein Beschaffungsbezug im Sinne des Kartellvergaberechts gegeben sei, unterfalle das vorliegende Grundstücksgeschäft dem europäischen Primärrecht und damit müsse sich die Antragsgegnerin bei der Auswahl der Käufer von den europäischen Grundfreiheiten leiten lassen und dürfe das Grundstück dementsprechend nur nach Durchführung eines transparenten Auswahlverfahrens veräußern.

15

Weiterhin sei das von der Antragstellerin eingeholte Marktwertgutachten inhaltlich unschlüssig und stelle daher keine taugliche Marktpreisermittlung dar, sofern dort auf der Grundlage eines entsprechenden Bodenwertes ein Verkehrswert von angeblich xxxxxx € angenommen wird.

16

Die Antragstellerin sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch gewillt, der Antragsgegnerin ein über den in Rede stehenden Kaufpreis liegendes Kaufpreisangebot zu unterbreiten. Sofern ein solches Angebot vorliegend angekündigt wird, läge in dem Verkauf des Grundstücks durch die Antragsgegnerin nach dem Wertgutachten ermittelten Kaufpreis auch eine staatliche Beihilfegewährung in Höhe der Differenz vor.

17

Ihr stehe aus den vorgenannten Gründen auch ein Recht auf Akteneinsicht und Offenlegung entsprechender Verwaltungsvorgänge zu, welche sie in den Schriftsätzen vom 22.03.2024, 11.07.2024 und 30.07.2024 gegenüber der Antragsgegnerin auch bereits einforderte.

18

Die Antragstellerin beantragt,

19
  1. 1.

    die Antragsgegnerin zu verpflichten, vor dem geplanten Verkauf des Grundstücks/der Grundstücke und der Beauftragung damit ggf. im Zusammenhang stehender Bauleistungen ein den Anforderungen des Vierten Teils des GWB und/oder den Vorgaben des EU-Beihilfenrechts entsprechendes Vergabeverfahren durchzuführen;

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  1. 2.

    für den Fall, dass ein entsprechender Grundstückskaufvertrag und weitere damit im Zusammenhang stehende Verträge bereits abgeschlossen bzw. beurkundet worden sind, festzustellen, dass der Auftrag/Vertrag von Anfang an unwirksam gewesen ist;

21
  1. 3.

    der Antragstellerin Einsicht in die (Vergabe-) Akte der Antragsgegnerin zu gewähren, insbesondere

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    • Einsicht in die Aufstellungsvorgänge zum Bebauungsplan Nr. xxxxxx, xxxxxx. Änderung, einschließlich etwaiger in diesem Zusammenhang bereits erstellter Verträge oder Vertragsentwürfe (v.a. städtebauliche Verträge aller Art) zu gewährleisten;

23
    • die Grundstücke zu benennen, die den Kaufgegenstand bilden werden oder bilden;

24
    • den Verkaufspreis für die insofern zum Verkauf beabsichtigten Grundstücke mitzuteilen,

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    • Auskunft über den Sachstand etwaiger Beschlussfassung zum Verkauf des Grundstückes sowie über den Stand des Verkaufes allgemein zu erteilen;

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    • Einsicht in einen etwaigen Kaufvertragsentwurf/Kaufvertrag zu gewähren;

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    • Einsicht in weitere damit im Zusammenhang stehende Vertragsentwürfe oder bereits abgeschlossene Verträge wie z.B. Projektierungsvereinbarungen zu gewähren, sowie

28
    • Einsicht in sämtliche Verwaltungsvorgänge im Zusammenhang mit dem Verkauf bzw. geplanten Verkauf des Grundstücks einschließlich etwaig eingeholter Verkehrswertgutachten zu gewähren;

29
  1. 4.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

30
  1. 5.

    der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.

31

Die Antragsgegnerin beantragt,

32

den Antrag auf Akteneinsicht als unzulässig, jedenfalls unbegründet zurückzuweisen.

33

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, da der EU-Schwellenwert nicht überschritten sei.

34

Weiterhin sei die Antragstellerin auch nicht antragsbefugt, da sie selbst bekundet habe, kein Interesse an der Umsetzung des Projektes zur Errichtung eines Verbrauchermarktes zu haben. Allein die vorgeschobene Interessenbekundung, das Grundstück erwerben zu wollen, um das Projekt zu verhindern, reiche als Antragsbefugnis nicht aus und sei letztlich rechtsmissbräuchlich. Mit dem Schreiben der Antragstellerin vom 15.01.2023 sei nicht der Eindruck vermittelt worden, dass diese tatsächlich Interesse am Erwerb des Grundstückes und der Errichtung eines Verbrauchermarktes habe.

35

Der potentielle Käufer übernehme zudem keine Bauverpflichtung.

36

Er werde hier lediglich verpflichtet, die Vorgaben des Bebauungsplans nach dem städtebaulichen Konzept der Antragsgegnerin innerhalb einer bestimmten Frist umzusetzen. Nur für den Fall, dass das nicht erfolgt, stehe der Antragsgegnerin ein Wiederkaufsrecht zu. Damit werde die Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes in einem entsprechenden Zeitfenster sichergestellt.

37

Im Übrigen enthalte der gesamte Grundstückskaufvertrag nur die Verpflichtung, die Festsetzungen des Bebauungsplans bei Umsetzung des Projektes zu berücksichtigen.

38

Es sei auch offensichtlich, dass die Antragsgegnerin, bis auf die Zahlung des Kaufpreises, keine wirtschaftlichen Vorteile erlangt. Da sich der Kaufpreis an dem Marktwert auf Grundlage des Gutachtens des xxxxxx orientiere, liege auch offensichtlich kein Verstoß gegen das EU-Beihilferecht vor.

39

Die Projektierungsvereinbarung beziehe sich nicht nur auf das streitgegenständliche Grundstück, sondern auf weitere Bereiche zur Aufwertung des Zentrums der Gemeinde. Auf Grundlage eines entsprechenden Gremienbeschlusses habe die Gemeinde die Projektierungsvereinbarung mit dem Projektierer abgeschlossen, um Entwürfe für eine Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes im Zentrum der Gemeinde zu erhalten und auf dieser Grundlage weitere städtebauliche Maßnahmen einzuleiten.

40

Aus dieser Projektierungsvereinbarung ergebe sich weder die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Veräußerung eines Grundstücks an einen bestimmten Investor noch die Verpflichtung zur Umsetzung der Entwürfe des Projektierers.

41

Soweit die Antragstellerin schließlich behauptet, sie sei bereit, ein höheres Kaufpreisangebot abzugeben, liege ein solches Angebot nicht vor. Der Grundstückskaufvertrag beinhalte zudem nicht nur die Übereignung des Grundstücks und die Zahlung des Kaufpreises, sondern auch die Verpflichtung, innerhalb eines bestimmten Zeitraumes die Festsetzungen des Bebauungsplans umzusetzen. Da die Antragstellerin bekundet hat, dass sie dies ablehnt, käme sie als Vertragspartnerin für die Antragsgegnerin ohnehin nicht in Betracht.

42

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die von der Antragsgegnerin übersandten Unterlagen Bezug genommen.

II.

43

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Der Rechtsweg zu den Vergabekammern gemäß §§ 155 ff. GWB ist nicht eröffnet, weil es sich bei dem von der Antragstellerin beanstandeten Grundstückskaufvertrag nicht um einen Bauauftrag im Sinne des § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB handelt. Die von der Antragsgegnerin beabsichtigte Grundstücksveräußerung unterfällt nicht den Vorschriften nach dem 4. Teil des GWB.

44

Gemäß § 103 Abs. 1 GWB ist ein öffentlicher Auftrag ein entgeltlicher Vertrag zwischen einem öffentlichen Auftraggeber und Unternehmer über die Beschaffung von Leistungen, die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen.

45

Im Grundsatz gilt, dass das GWB-Vergaberecht auf einen reinen Veräußerungsvorgang wie den Verkauf eines kommunalen Grundstücks nicht anwendbar ist, weil keine Beschaffung der öffentlichen Hand vorliegt. Vergaberecht ist erst dann zu beachten, wenn in der Grundstücksveräußerung quasi eine inkludierte Beschaffung von Leistungen durch die Kommune liegt (Schneider, "Veräußerung von kommunalen Grundstücken - (K)ein Fall für das Vergaberecht?", www.vergabeblog.de).

46

Deshalb liegt nach § 103 Abs. 3 Satz 2 GWB ein Bauauftrag auch bei einer dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommende Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen vor. Der Gesetzgeber hat mit dieser Konkretisierung der Rechtsprechung des EuGH Rechnung getragen (Hüttinger in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd.1, 4. Aufl., § 103 GWB, Rn. 192).

47

Nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Helmut Müller GmbH" (vgl. EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - C-451/08, ergangen auf die Vorlage des OLG Düsseldorf, Beschluss vom 02.10.2008 - Verg 25/08), ist von einem unmittelbaren wirtschaftlichen Interesse eines öffentlichen Auftraggebers an einer Bauleistung dann auszugehen, wenn der öffentliche Auftraggeber

48
  • Eigentümer der Bauleistung oder des zu errichtenden Bauwerks werden soll,

49
  • über einen Rechtstitel verfügen soll, der die Verfügbarkeit der Bauwerke, die Gegenstand des Auftrags sind, im Hinblick auf die öffentliche Zweckbestimmung sicherstellt,

50
  • wirtschaftliche Vorteile aus der zukünftigen Nutzung oder Veräußerung des Bauwerks ziehen kann,

51
  • an der Erstellung des Bauwerks finanziell beteiligt ist (etwa in Form eines Baukostenzuschusses) oder

52
  • Risiken im Fall eines wirtschaftlichen Fehlschlags des Bauwerks trägt.

53

Nach dieser Rechtsprechung des EuGH kann ein unmittelbares wirtschaftliches Interesse des öffentlichen Auftraggebers u.a. auch vorliegen, wenn sich der öffentliche Auftraggeber finanziell an der Erstellung des Bauwerks beteiligt.

54

Dies wird auch in den Fällen angenommen, in denen der öffentliche Auftraggeber bei der Veräußerung des Grundstücks einen Kaufpreisnachlass gewährt oder das betroffene Grundstück unter Marktwert veräußert wird, denn eine Reduzierung des dem Marktwert entsprechenden Kaufpreises stellt faktisch einen Zuschuss zur baulichen Realisierung einer Maßnahme dar und muss damit im Ergebnis als finanzielle Beteiligung an der Realisierung des Bauwerkes betrachtet werden (Ganske in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht Kommentar, 4. Aufl. 2018, § 103, Rn. 124).

55

Eine finanzielle Beteiligung der Antragsgegnerin an einem Bauvorhaben des voraussichtlichen Grundstückerwerbers oder eine auch nur teilweise Übernahme des wirtschaftlichen Risikos an der Realisierung des vom Erwerber avisierten Vollsortimenter-Verbrauchermarkts liegt hier jedoch nicht vor.

56

Der Erwerber erhält nach der vorliegenden Aktenlage das streitbefangene Grundstück nicht etwa zu einem zu niedrigen Kaufpreis, der für eine Subventionierung und damit ggf. für ein wirtschaftliches Interesse der Antragsgegnerin an einer künftigen Bauleistung sprechen könnte (vgl. Otting, Anm. zu EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - Rs. C-451/08, IBR 2010, 284). Der im Grundstücksvertragsentwurf genannte Kaufpreis orientiert sich am Marktwert. Dieser ist mit dem Gutachten über den Verkehrswert vom xxxxxx,2024, welches der xxxxxx erstellt hat, ermittelt worden. Ein vor Abschluss des Kaufvertrags eingeholtes Wertgutachten ist ein geeignetes Mittel, den Marktwert eines Grundstückes zu ermitteln und nachzuweisen (vgl. Schneider, a. a. O., S. 3).

57

Ein nur mittelbares fiskalisches Eigeninteresse der Gemeinde, etwa an der Ansiedlung eines Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Erzielung des reinen Grundstückskaufpreises, Gewerbesteuereinnahmen oder eine "Umwegrendite" (Schaffung gut bezahlter Arbeitsplätze etc.), begründet kein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.01.2011 - 1VK7 60/10 - zitiert nach juris).

58

Damit fehlt es im vorliegenden Fall schon an dem Merkmal des unmittelbaren wirtschaftlichen Interesses des öffentlichen Auftraggebers.

59

Der Käufer übernimmt zudem nach dem Entwurf des Grundstückskaufvertrages auch keine einklagbare Bauverpflichtung.

60

Allein die Tatsache, dass mit dem Verkauf von Grundstücken bestimmte städtebauliche Pläne oder Maßnahmen verfolgt werden, begründet noch keinen öffentlichen Auftrag (vgl. Willenbruch in: Willenbruch/Wieddekind/Hübner, Vergaberecht, 5. Aufl., § 103 GWB, Rn. 40). Dies gilt auch dann, wenn der Erwerber in einem Durchführungsvertrag (vorhabenbezogener Bebauungsplan) oder in einem sonstigen städtebaulichen Vertrag zur Bebauung verpflichtet wird. Das städtebauliche Interesse, dass die neu ausgewiesenen Flächen tatsächlich bebaut werden und keine Leerstände entstehen (Stichwort: unzulässige Vorratsplanung), begründet keine Beschaffung (Bulla, "Die Ausschreibungspflicht von Grundstücksgeschäften der öffentlichen Hand", VergabeR 2019, Seite 457 ff., 459).

61

Das Vorliegen eines Bauauftrages gemäß § 103 Abs. 3 GWB erfordert auch immer die Eingehung einer einklagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung. Der Auftragnehmer muss also direkt oder indirekt die Verpflichtung zur Erbringung der Bauleistung, welche Gegenstand des Auftrages ist, übernehmen (EuGH 25.03.2010 - C-451/08). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.

62

Eine "indirekte" Verpflichtung kann zwar genügen. Nicht ausreichend ist aber die Vereinbarung eines Rückkauf- oder Widerrufsrechts, wenn ein verkauftes Grundstück nicht bebaut wird; denn dies führt nur zu einem Bauanreiz, nicht zu einer Bauverpflichtung (v. Engelhardt/Kaeble in: Müller-Wrede, GWB, § 103, Rn. 119).

63

Der Grundstückskäufer verpflichtet sich laut dem der Vergabekammer von der Antragsgegnerin übersandten Vertragsentwurf, innerhalb einer bestimmten Frist entsprechend den Festsetzungen eines noch aufzustellenden Bebauungsplanes einen Verbrauchermarkt als Vollsortimenter mit einer bestimmten Mindestverkaufsfläche sowie den erforderlichen Parkplätzen zu bauen und fertigzustellen. Damit wird er hier lediglich verpflichtet, die Vorgaben des Bebauungsplanes nach dem städtebaulichen Konzept innerhalb einer bestimmten Frist umzusetzen. Zur Sicherstellung der Umsetzung des städtebaulichen Konzeptes im festgelegten Zeitraum legt der Entwurf fest, dass der Antragsgegnerin andernfalls ein Wiederkaufsrecht - also eine entsprechende Option - zusteht. Einklagbare Baupflichten i. S. der Rechtsprechung des EuGH sieht der Vertragsentwurf nicht vor.

64

Eine Grundstücksveräußerung, die in Verbindung mit der Realisierung rein privatnütziger Vorhaben (wie eben einem Einkaufszentrum, Hotel o. A.) erfolgt, kommt allenfalls mittelbar dem öffentlichen Auftraggeber, etwa zur Verfolgung eines allgemeinen städtebaulichen Ziels, zugute (Düsterdiek in: Ingenstau Korbion, VOB, 21. Aufl, § 23 VOB/A, Rn. 12). Die Anwendung des Vergaberechts scheidet daher mangels eines unmittelbaren wirtschaftlichen Eigeninteresses der öffentlichen Hand in derartigen Fällen aus (Otting, VergabeR 2013, Seite 343).

65

Ein Rechtsschutz in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren kann in diesen Fällen nicht erfolgen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.10.2010 - Verg 25/08, zitiert nach ibr-online).

66

Da mit der von der Antragstellerin beanstandeten Grundstücksveräußerung kein öffentlicher Auftrag im Sinne des § 103 GWB einhergeht, war der Nachprüfungsantrag vorliegend als unzulässig zurückzuweisen.

67

Da der Nachprüfungsantrag unzulässig ist, konnte die Vergabekammer vorliegend gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 €, die Höchstgebühr 50.000 € und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 €.

70

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung aus Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 € zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 € (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. € (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.

71

Es wird eine Gebühr in Höhe von xxxxxx € festgesetzt. In Ermangelung einer Angebotssumme oder eines Auftragsgegenstandes ist die Vergabekammer für die Kostenfestsetzung von der gesetzlichen Mindestgebühr in Höhe von 2.500 € als Basisgebühr ausgegangen.

72

Diese Basisgebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Vorliegend ist die Herabsetzung der ermittelten Basisgebühr aus Billigkeitsgründen gemäß § 182 Abs. 2 S. 2, 2. HS GWB geboten, da insgesamt ein eher unterdurchschnittlicher personeller und sachlicher Aufwand für eine Entscheidung notwendig war. Die Vergabekammer konnte über den vorliegenden Nachprüfungsantrag gemäß § 166 Abs. 1 Satz 3 GWB im schriftlichen Verfahren nach Lage der Akten entscheiden. Dadurch ist der Aufwand für die Vorbereitung und Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen. Die ermittelte Basisgebühr wird daher gemäß § 182 Abs. 2 S. 1, 2. HS GWB entsprechend dem Antrag der Antragstellerin auf 5/6 = xxxxxx € ermäßigt.

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Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostentragungspflicht folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg hatte.

74

Die Antragsgegnerin hat keinen Antrag auf Erstattung ihrer zur Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen gestellt (§ 182 Abs. 4 Satz 1 GWB) und sich in der Antragserwiderung auch nicht zur Notwendigkeit der Hinzuziehung ihres Verfahrensbevollmächtigten geäußert.

75

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses die Gebühr in Höhe von xxxxxx € unter Angabe des Kassenzeichens

76

xxxxxx

77

auf folgendes Konto zu überweisen: