Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 17.02.2025, Az.: 13 U 67/24

Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung durch Beantragung und Ausschöpfen einer weitreichenden Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
17.02.2025
Aktenzeichen
13 U 67/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 11707
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2025:0217.13U67.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 12.11.2024 - AZ: 11 O 5/24

Fundstelle

  • WRP 2025, 651-652

Amtlicher Leitsatz

Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG durch Beantragung und Ausschöpfen einer weitreichenden Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist.

Wenn ein Verfügungskläger, der in der Berufungsinstanz als Berufungskläger einen lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch verfolgt, eine weitreichende Verlängerung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt und die verlängerte Frist ausschöpft (hier: Verlängerung der Frist um einen Monat), widerlegt er hierdurch grundsätzlich die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 1 UWG, sodass nicht von einem Verfügungsgrund auszugehen ist.

Die Verfügungsklägerin hat ihre Berufung auf den Hinweis zurückgenommen.

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
E. GmbH, ...,
Verfügungsklägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
...,
gegen
1. L., ...,
2. L. GmbH, ...,
Verfügungsbeklagte und Berufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
...,
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 17. Februar 2025 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim vom 12. November 2024 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

    Die Klägerin erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

  2. 2.

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die erste Instanz auf 75.000 € und für die Berufungsinstanz auf 50.000 € festzusetzen.

Gründe

I.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

Es dürfte dahingestellt bleiben können, ob in Bezug auf die beiden im Berufungsverfahren noch streitgegenständlichen Äußerungen ein Verfügungsanspruch besteht. Denn jedenfalls dürfte kein Verfügungsgrund (§ 935 ZPO) gegeben sein, weil die insoweit erforderliche Eilbedürftigkeit der Sache nicht anzunehmen ist. Zwar wird für lauterkeitsrechtliche Unterlassungsansprüche die Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 1 UWG vermutet. Die Dringlichkeitsvermutung dürfte jedoch durch die Prozessführung der Verfügungsklägerin in der Berufungsinstanz widerlegt sein.

1. Die Dringlichkeit kann auch noch während des Verfahrens entfallen, wenn der Antragsteller das Verfahren verzögert (Köhler/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 12 Rn. 2.16, beck-online). Um die Dringlichkeitsvermutung nicht zu widerlegen, muss der Antragsteller nicht nur das Verfügungsverfahren zügig - nach der Rechtsprechung des Senats binnen Monatsfrist nach Kenntniserlangung vom Verstoß und vom Verletzer - einleiten, sondern gerade auch das Verfügungsverfahren beschleunigt weiter betreiben, soweit er nicht bereits durch eine einstweilige Verfügung gesichert ist (OLG Hamm, Urteil vom 15. März 2011 - 4 U 200/10 -, Rn. 15, juris). Der Antragsteller hat insofern alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Von ihm verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung lassen regelmäßig darauf schließen, dass ihm die Sache nicht so eilig ist (aaO m.w.N.). Dringlichkeitsschädliche Verfahrensverzögerungen können insbesondere vom Antragsteller beantragte Fristverlängerungen oder Terminsverlegungen um einen nicht unerheblichen Zeitraum sein (MüKoUWG/Schlingloff, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 88).

Streitig ist insoweit, ob es bereits dringlichkeitsschädlich sein kann, wenn der Berufungsführer die gesetzlichen Berufungseinlegungs- und -begründungsfristen voll ausschöpft (vgl. Teplitzky, WRP 2013, 1414 ff.; aA Köhler/Feddersen/Köhler/Feddersen, 43. Aufl. 2025, UWG § 12 Rn. 2.16, beck-online). Nach überwiegender Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung ist es aber jedenfalls als grundsätzlich dringlichkeitsschädlich anzusehen, wenn für die Berufungsbegründung eine weitreichende Fristverlängerung beantragt und die gewährte Fristverlängerung vollständig ausgenutzt wird (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 - 13 U 72/15, Rn. 7, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Juli 2002 - 20 U 74/02, Rn. 5, juris; KG Berlin, Beschluss vom 16. April 2009 - 8 U 249/08, Rn. 4, juris, m.w.N.; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 7.11.2017 - 3 U 1206/17, BeckRS 2017, 153630 Rn. 12, beck-online; OLG München, Urteil vom 30. Juni 2016 - 6 U 531/16, Rn. 95, juris, bereits bei einer Überschreitung der gesetzlichen Berufungsbegründungsfrist um 2 Tage; s.a. Schüttpelz in: Berneke/Schüttpelz, Die Einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 4. Aufl. 2018, Rn. 206, beck-online, m.w.N.).

Dass eine Fristverlängerung für die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß gewährt wurde, steht der Selbstwiderlegung der Dringlichkeitsvermutung nicht entgegen. Die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist unterliegt anderen Voraussetzungen als die Annahme einer nicht dringlichkeitsschädlichen zügigen Verfahrensführung (s. hierzu auch OLG Hamm aaO). An die Darlegung eines erheblichen Grundes für die Notwendigkeit der Fristverlängerung dürfen bei einem ersten Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist keine hohen Anforderungen gestellt werden (ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, vgl. NJW 2017, 2041 [BGH 09.05.2017 - VIII ZB 69/16] Rn. 12). Demgegenüber sind im einstweiligen Rechtsschutz deutlich höhere Anforderungen zu stellen, damit eine vom Antragsteller verursachte Verfahrensverzögerung die Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.

2. Nach dieser Maßgabe ist im Streitfall von einer Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung auszugehen. Die Verfügungsklägerin hat - trotz einer übersichtlichen Sach- und Rechtslage - nach der Zustellung des angefochtenen Urteils drei Monate benötigt, um die Berufung zu begründen. Die für die Fristverlängerung angeführten Gründe - andere fristgebundene Angelegenheiten sowie die Weihnachtsfeiertage - stehen der Dringlichkeitsschädlichkeit dieser verzögerten Verfahrensführung nicht entgegen.

II.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten.

III.

Die beabsichtigte Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 Satz 1 UWG. Sie orientiert sich an der Streitwertangabe der Klägerin in der Antragsschrift (75.000 € für drei beanstandete Äußerungen, von denen im Berufungsverfahren noch zwei streitgegenständlich sind).