Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.03.2025, Az.: 13 GLa 651/24

Antrag auf einstweilige Verfügung auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss eines über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung geführten Rechtsstreits; Fehlen des erforderlichen Verfügungsanspruch bei Annahme der Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung durch den Arbeitnehmer; Darlegung und Glaubhaftmachung eines über das bloße Erfüllungsinteresse hinausgehenden gesteigerten Beschäftigungsinteresses in der Person des betroffenen Arbeitnehmers

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
26.03.2025
Aktenzeichen
13 GLa 651/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2025, 15072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2025:0326.13GLa651.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 06.08.2024 - AZ: 12 Ga 6/24

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für eine beantragte einstweilige Verfügung auf vorläufige Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss eines über die Wirksamkeit einer Änderungskündigung geführten Rechtsstreits fehlt der erforderliche Verfügungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitsbedingungen unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das Begehren auf die Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts oder auf § 102 Abs. 5 BetrVG gestützt wird.

  2. 2.

    Beinhaltet die vorgeschlagene Änderung der Arbeitsbedingungen zugleich eine Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG und fehlt hierfür bei Ablauf der Kündigungsfrist die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats, kann zwar für eine auf Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen gerichtete einstweilige Verfügung ein Verfügungsanspruch bestehen (vgl. BAG 30.09.1993 2 AZR 283/93 , BAGE 74, 291-309, Rn. 31). Auch in diesem Fall bedarf es zur Bejahung des Verfügungsgrundes jedoch der Darlegung und Glaubhaftmachung eines über das bloße Erfüllungsinteresse hinausgehenden gesteigerten Beschäftigungsinteresses in der Person des betroffenen Arbeitnehmers. Allein ein Interesse, zeitnah eine Sanktion dafür durchzusetzen, dass der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt, reicht zur Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht aus.

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsklägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.08.2024 (12 Ga 6/24) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Verfügungsklägerin begehrt im Eilverfahren ihre Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung.

Die 1966 geborene Verfügungsklägerin trat 1997 erneut in die Dienste der Verfügungsbeklagten, wo sie zuletzt in der Abteilung P. als Campus Service Managerin beschäftigt wurde und Entgelt nach der Entgeltgruppe 5 B des aufgrund beiderseitiger Tarifbindung anwendbaren Entgelttarifvertrags für die Metallindustrie Niedersachsen bezog. In ihrer Position verrichtete die Verfügungsklägerin Tätigkeiten im sogen. inneren Empfang

Die Verfügungsbeklagte beabsichtigte die Ausgliederung des internen Empfangs an einen externen Dienstleister. Mit Schreiben vom 24.11.2023 hörte sie deswegen "gemäß §§ 99, 102 BetrVG" den Betriebsrat zu einer beabsichtigten betriebsbedingten Änderungskündigung der Verfügungsklägerin mit dem Ziel an, dieser ab 01.08.2024 eine Weiterbeschäftigung als Produktionsmitarbeiterin in der Entgeltgruppe 3 B mit Verdienstsicherung gem. § 14 des Manteltarifvertrages (MTV) anzubieten.

Der Betriebsrat widersprach der Kündigungsabsicht mit Schreiben vom 30.11.2023 unter Angabe von Gründen.

Unter dem 01.12.2023 kündigte die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.07.2024. Zugleich bot sie der Verfügungsklägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.08.2024 zu den in der Betriebsratsanhörung angegebenen geänderten Bedingungen an. Die Verfügungsklägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt der Wirksamkeit der Kündigung an.

Gegen die Kündigung wandte sich die Verfügungsklägerin mit der Kündigungsschutzklage. Mit Urteil vom 23.04.2024 stellte das Arbeitsgericht die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung fest. Die Berufung ist derzeit beim Landesarbeitsgericht anhängig (Az: 13 SLa 390/24).

Vor dem Hintergrund des Urteils des Arbeitsgerichts sprach die Verfügungsbeklagte unter dem 26.06.2024 gegenüber der Klägerin eine weitere inhaltsgleiche Änderungskündigung zum 31.01.2025 aus, welche die Verfügungsklägerin ebenfalls unter Vorbehalt annahm. Gegen diese Kündigung ist derzeit die weitere Kündigungsschutzklage (Az: 12 Ca 244/24) vor dem Arbeitsgericht anhängig.

Mit Schreiben vom 18.07.2024 machte die Verfügungsklägerin außergerichtlich erfolglos ihre Weiterbeschäftigung als Campus Service Managerin geltend.

Mit ihrem am 01.08.2024 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Eilantrag hat die Verfügungsklägerin ihr Weiterbeschäftigungsbegehren weiterverfolgt. Zudem ist vor dem Arbeitsgericht die Weiterbeschäftigungsklage vom 19.08.2024 anhängig.

Die Verfügungsklägerin hat geltend gemacht, es bestehe ein Verfügungsanspruch, denn der Betriebsrat habe der Änderungskündigung wirksam widersprochen und der Versetzung nicht zugestimmt. Bis zur Zustimmung des Betriebsrates sei die Wirkung der Versetzung suspendiert.

Ein Verfügungsgrund bestehe, weil die Verfügungsbeklagte willkürlich gehandelt habe und die Versetzung mangels Zustimmung des Betriebsrats offensichtlich unwirksam sei.

Die Verfügungsklägerin hat beantragt:

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, die Antragstellerin bei Meidung von Zwangsgeld bis zu 25.000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens oder bevor nicht der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung erteilt hat, oder die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht rechtskräftig ersetzt worden ist, zu unveränderten Bedingungen als "Campus Service Managerin" weiter zu beschäftigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte hat insbesondere vorgetragen, die erforderliche Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Verfügung habe die Verfügungsklägerin durch ihr Verhalten selbst widerlegt, denn sie habe bereits mit dem Ausspruch der Änderungskündigung Kenntnis von dem geplanten Einsatz in der Produktion ab dem 01.08.2024 gehabt. Gleichwohl habe sie weder im Klage- noch im Berufungsverfahren einen Weiterbeschäftigungsantrag gestellt.

Der Antrag sei auch unbegründet. Es fehle ein Verfügungsanspruch. Zum einen habe sie den gesamten internen Empfang an einen externen Dienstleister ausgelagert, so dass die bisherige Position der Verfügungsklägerin weggefallen sei. Zum anderen habe die Verfügungsklägerin die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen, weshalb es ihr verwehrt sei, eine Weiterbeschäftigung auf der alten Position geltend zu machen. Schließlich erfülle die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates nicht die gesetzlichen Anforderungen. Insofern könne dahinstehen, ob die Änderungskündigung zugleich eine zustimmungspflichtige Versetzung beinhalte.

Das Arbeitsgericht hat mit einem der Verfügungsklägerin am 07.08.2024 zugestellten Urteil vom Vortag, auf das wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie seiner Würdigung durch das Arbeitsgericht verwiesen wird, den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, es fehle ein Verfügungsgrund, denn die Verfügungsklägerin habe kein gesteigertes Beschäftigungsinteresse dargelegt. Hiergegen richtet sich die am Montag, den 09.09.2024 eingelegte und am 07.10.2024 innerhalb verlängerter Frist begründete Berufung der Verfügungsklägerin.

Die Verfügungsklägerin macht geltend, sie könne sich auch auf ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse stützen, falls man ein solches für erforderlich halte. Sie solle durch Zermürbung zu einer Aufgabe des Arbeitsplatzes bewegt werden. Zum einen sei ihre Weiterbeschäftigung am Empfang auch nach dem 31.07.2024 möglich gewesen, denn im Juli 2024 habe die Verfügungsbeklagte sie trotz der Fremdvergabe der Empfangstätigkeiten dort neben externen Kräften eingesetzt. Zum anderen sei die Tätigkeit in der Produktion weniger komplex, stets widerholend und deutlich niedriger eingruppiert. Sie müsse dort in Früh- und Spätschicht, anstatt in Gleitzeit arbeiten.

Ferner habe sie nach dem Wechsel in die Produktion und durch die Umstellung auf die Schichtarbeit gesundheitliche Folgen erlitten, die nach vorläufiger ärztlicher Einschätzung auf den Arbeitsplatzwechsel zurückzuführen seien. Wenngleich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch nicht in der Form eingetreten seien, reiche für das Vorliegen eines Verfügungsgrundes lediglich die Gesundheitsgefahr aus.

Schließlich sei zu berücksichtigen, dass sie den besonderen tariflichen Kündigungsschutz genieße und eine betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgeschlossen sei.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

auf die Berufung das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 06.08.2024 (12 Ga 6/24) abzuändern und

der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Verfügungsklägerin bei Meidung von Zwangsgeld bis zu 25.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Campus Service Managerin weiterzubeschäftigen,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens,

der Verfügungsbeklagten im Wege der einstweiligen Verfügung aufzugeben, die Verfügungsklägerin bei Meidung von Zwangsgeld bis zu 25.000,- € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten, zu unveränderten Bedingungen als Campus Service Managerin weiterzubeschäftigen, bis der Betriebsrat seine Zustimmung zur Versetzung erteilt hat oder die fehlende Zustimmung durch das Arbeitsgericht rechtskräftig ersetzt worden ist.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt insbesondere vor, Die Übergangsphase zwischen dem 01.07.2024 und dem 01.08.2024 sei lediglich der Kündigungsfrist geschuldet und ein unpraktikables Provisorium bis zur endgültigen Auslagerung des Empfangs gewesen.

Schon früher sei die Verfügungsklägerin bei ihr mehrere Jahre in der Produktion tätig gewesen.

Etwaige gesundheitliche Probleme rührten nicht von geänderten Arbeitsbedingungen her.

Wegen der Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung der Verfügungsklägerin ist gemäß § 8 Abs. 2 sowie § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthaft sowie form- und fristgerecht im Sinne der §§ 66, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt worden. Sie ist auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Eilantrag im Ergebnis mit Recht zurückgewiesen. Dieser ist bereits unzulässig.

1.

Gemäß §§ 935, 940 ZPO i. V. m. § 62 Abs. 2 ArbGG sind einstweilige Verfügungen zulässig zur Sicherstellung der künftigen Verwirklichung eines Individualanspruchs oder - insbesondere bei dauerhaften Rechtsverhältnissen - zur vorläufigen Sicherung des Rechtsfriedens. Damit erfordert ein zulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes die schlüssige Behauptung eines Verfügungsanspruchs bzw. eines zu sichernden Rechtsverhältnisses. Darüber hinaus hängt der Zugang zu den Eilverfahren vom Vorliegen eines Verfügungsgrundes ab. Als Grund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sieht das Gesetz eine Gefährdung an. Das ergibt sich aus dem Wortlaut der §§ 917, 935, 940 ZPO sowie den Ausnahmevorschriften etwa in §§ 885 Abs. 1 S. 2 und 899 Abs. 2 S. 2 BGB. Die Gefährdung des zu sichernden Anspruchs oder des Rechtsfriedens muss so erheblich sein, dass sie die Abwendungsmaßnahme dringlich erscheinen lässt, denn das Eilverfahren gewährt Rechtsschutz unter Einschränkung des rechtlichen Gehörs und unter Ersetzung der Beweisführung durch Glaubhaftmachung. Damit ist der Verfügungsgrund aufgrund seiner Funktion eine besondere Art des Rechtschutzbedürfnisses und deshalb Prozessvoraussetzung (vgl. etwa Zöller-Vollkommer, ZPO, 35. Aufl., § 935, Rn. 5 und § 940 Rd. 3f; LAG Köln 09.02.1991 - 8 Sa 94/91 -, juris m. w. N; OLG Frankfurt, 14.07.2005 - 16 U 23/05 -, juris Rn. 36).

2.

Hieran gemessen ist der Hauptantrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens bereits deshalb unzulässig, weil die Verfügungsklägerin die Voraussetzungen sowohl eines Weiterbeschäftigungsanspruchs aus § 102 Abs. 5 BetrVG als auch eines allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs nach der Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts nicht schlüssig dargetan hat, denn die Verfügungsklägerin hat den geänderten Vertragsbedingungen unter Vorbehalt zugestimmt.

a)

Bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung ist der Arbeitgeber grundsätzlich nicht aufgrund des allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruchs verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Der Gesetzgeber geht bei der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den bisherigen Arbeitsbedingungen gemäß §§ 2, 8 KSchG von einer rechtskräftigen Entscheidung über die soziale Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen aus. Da bei der Vorbehaltsannahme kein Streit über den Fortbestand, sondern nur über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses besteht, stellt sich das Problem eines Weiterbeschäftigungsanspruchs - wie beim umstrittenen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses - nicht. Wird der Arbeitnehmer, wenn auch zu anderen Bedingungen, tatsächlich weiter beschäftigt, ist seinem Beschäftigungsinteresse zunächst gedient. Der Arbeitnehmer gibt durch die Vorbehaltsannahme selbst zu erkennen, dass ihm zunächst die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen zumutbar erscheint (BAG 28.05.2009 - 2 AZR 844/07 -, juris, Rn. 26). Insofern handelt ein Arbeitnehmer im Regelfall sogar widersprüchlich (§ 242 BGB, venire contra factum proprium), wenn er trotz der Annahme des Änderungsangebots unter Vorbehalt mit der Geltendmachung eines Weiterbeschäftigungsanspruchs zu den alten Arbeitsbedingungen während des Kündigungsschutzprozesses hiervon abrücken will. Der Weiterbeschäftigungsanspruch ist aus diesen Gründen von vornherein unbegründet (vgl. BAG 19.12.1991 - 2 AZR 280/91 -, Rn. 12, juris).

b)

Bei einer unter Vorbehalt angenommenen Änderungskündigung ist der Arbeitgeber aber grundsätzlich auch nicht aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Weiterbeschäftigungsanspruchs (§ 102 Abs. 5 BetrVG) verpflichtet, den Arbeitnehmer vorläufig zu den bisherigen Bedingungen weiterzubeschäftigen. Die vorstehend unter a) genannten Grundsätze gelten insoweit entsprechend (zutr. Hessisches LAG 19.06.2012 - 15 SaGa 242/12 -, juris, Rn. 41; LAG Niedersachsen 02.12.2010 - 5 Sa 1183/10 -, Rn. 51, juris; KR-Kreft, 14. Aufl., § 2 KSchG, Rn. 133; offengelassen BAG 18.01.1990 - 2 AZR 183/89 -, juris, Rn. 36).

3.

Mit dem somit zur Entscheidung angefallenen Hilfsantrag begehrt die Verfügungsklägerin gestützt auf die sogen. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung ihre Beschäftigung auf dem ihr zuletzt betriebsverfassungsrechtlich wirksam zugewiesenen Arbeitsplatz. Aus der sogen. Theorie der Wirksamkeitsvoraussetzung mag sich zwar unter der Voraussetzung, dass die Änderungskündigung eine Versetzung im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn beinhaltet (§§ 95 Abs. 3, 99 Abs. 1 BetrVG) und die Zustimmung des Betriebsrats hierzu weder erteilt noch ersetzt ist, zwar schlüssig ein Verfügungsanspruch ergeben (vgl. BAG 30.09.1993 - 2 AZR 283/93 -, juris, Rn. 31; LAG Niedersachsen 02.12.2010 - 5 Sa 1183/10 -, Rn. 51f, juris), der ggf. auch über den rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens hinaus bestehen kann. Für dessen Sicherung im Eilverfahren fehlt jedoch im Streitfall der erforderliche Verfügungsgrund.

a)

Eine auf Leistung bzw. Befriedigung gerichtete einstweilige Verfügung, die nach § 940 ZPO der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis dienen soll, nimmt für die Zeit dieser einstweiligen Regelung die Hauptsache teilweise vorweg. Deshalb ist an das Vorliegen eines Verfügungsgrundes ein besonders strenger Maßstab anzulegen (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Schleusener, ArbGG, 10. Aufl., § 62 Rdnr. 98). Bei der auf (vorläufige Weiter-) Beschäftigung gerichteten einstweiligen Verfügung erfordert der Verfügungsgrund daher, dass der Verfügungskläger auf die faktische Weiterbeschäftigung zur Abwendung wesentlicher Nachteile dringend angewiesen ist (LAG Hamm 23.04.2008 - 10 SaGa 17/08 - Juris, Rdnr. 39 m. w. N.). Ohne die begehrte Maßnahme müssen irreparable Entwicklungen eintreten können, die die Durchsetzung eines Anspruchs erheblich erschweren oder unmöglich machen. Nach überwiegender und zutreffender Ansicht genügt hierfür weder das offensichtliche Bestehen eines Beschäftigungsanspruchs (etwa wegen einer offensichtlichen Unwirksamkeit einer zuvor ausgesprochenen Kündigung), noch der aufgrund Zeitablaufs drohende Rechtsverlust dieses Beschäftigungsanspruchs (vgl. etwa LAG Berlin-Brandenburg 16.03.2011 - 4 SaGa 2600/11 - Juris, Rn. 30, m. umfangr. w. N.; LAG Hamm 23.04.2008, a. a. O.; LAG Nürnberg 17.08.2004 - 6 Sa 439/04 -, juris; LAG Köln 06.08.1996 - 11 Ta 151/96 -, juris m. w. N.). Erforderlich ist vielmehr ein gesteigertes Beschäftigungsinteresse, wie z. B. die von tatsächlicher Beschäftigung abhängige Erlangung oder Sicherung einer beruflichen Qualifikation, die Abwehr eines schweren Gewissenskonflikts oder eine drohende erhebliche/irreparable Schädigung des beruflichen Ansehens oder der Gesundheit. § 940 ZPO sieht nämlich vom Erfordernis des Verfügungsgrundes auch nicht für solche Ansprüche ab, die - wie der Anspruch auf Arbeitsleistung und tatsächliche Beschäftigung - zeitgebunden und nicht nachholbar sind (absolute Fixschuld) und daher aufgrund Zeitablaufs erlöschen. Vielmehr gilt der Justizgewährleistungsanspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht nur für die Verfügungsklägerin, sondern ebenso für die Verfügungsbeklagte. Er wird in erster Linie durch das Hauptsacheverfahren verwirklicht. Da das Eilverfahren Rechtsschutz unter Einschränkung des rechtlichen Gehörs und unter Ersetzung der Beweisführung durch Glaubhaftmachung gewährt, steigt das Risiko rechtlicher Fehlbeurteilung sowie unzutreffender tatsächlicher Annahmen, etwa, weil entscheidungserheblicher Sachverhalt nicht vollständig und wahrheitsgemäß vorgetragen wird (vgl. LAG Düsseldorf 01.06.2005 - 12 Sa 352/05 -, juris, Rn. 22;).

b)

Demzufolge genügt es für die Bejahung eines Verfügungsgrundes für eine Beschäftigung der Verfügungsklägerin zu den bisherigen Bedingungen nicht, wenn die Zuweisung der neuen Tätigkeit wegen fehlender Zustimmung des Betriebsrats gem. § 99 BetrVG offensichtlich unwirksam wäre und der Beschäftigungsanspruch für die Dauer der Nichtbeschäftigung sukzessive untergeht. Zwar stellen Entzug und Zuweisung einer Tätigkeit einen einheitlichen Vorgang dar, der auf seine rechtliche Zulässigkeit hin auch nur einheitlich beurteilt werden kann (BAG 30.09.1993 - 2 AZR 283/93 -, BAGE 74, 291-309, Rn. 31). Soweit es um die Sicherung eines aus einem Verstoß gegen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats resultierenden Beschäftigungsanspruchs im Rahmen eines Eilverfahren geht, gelten aber hinsichtlich des Verfügungsgrundes keine erleichterten Voraussetzungen gegenüber dem Anspruch auf (vorläufige Weiter-)Beschäftigung. Dies gilt im Streitfall mit Blick auf die zuvor von der Verfügungsklägerin erklärte Vorbehaltsannahme umso mehr. Zwar stand zum Zeitpunkt der Vorbehaltsannahme ein Verstoß gegen § 99 BetrVG noch nicht sicher fest, denn den Voraussetzungen dieser Vorschrift muss nicht schon zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs genügt sein. Bei der fristgerechten Änderungskündigung hatte die Verfügungsbeklagte ggf. bis zum Ablauf der Kündigungsfrist Zeit, die Zustimmung des Betriebsrats zu erwirken und notfalls gerichtlich ersetzen zu lassen. Das Mitbestimmungsrecht ist nur verletzt, wenn bei der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme nach Ablauf der Kündigungsfrist eine Zustimmung nicht vorliegt und der Arbeitgeber auch nicht das Verfahren nach § 100 BetrVG durchführt (BAG 30.09.1993 - 2 AZR 283/93 -, juris, Rn. 29). Gleichwohl hat die Verfügungsklägerin durch die Annahme unter Vorbehalt zu erkennen gegeben, dass ihr zunächst die Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen zumutbar erscheint. Inwieweit ein (etwaiger) später offenbar werdender Verstoß des Arbeitgebers gegen § 99 BetrVG nunmehr die sofortige Erfüllung des Anspruchs auf bisherige Beschäftigung erforderlich macht bedarf näherer Begründung, denn die Wirksamkeit der Änderungskündigung ist unabhängig davon, ob eine Zustimmung nach § 99 BetrVG zu der geplanten Versetzung vorliegt bzw. ersetzt ist (BAG 30.09.1993 - 2 AZR 283/93 -, juris, Rn. 22). Allein ein Interesse des Arbeitnehmers, zeitnah eine Sanktion dafür durchzusetzen, dass der Arbeitgeber das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verletzt (hierzu BAG 30.09.1993 - 2 AZR 283/93 -, juris, Rn. 17), reicht zur Bejahung der Eilbedürftigkeit nicht. Anderenfalls würde der Verfügungsklägerin mit der Beschäftigungsverfügung ein Instrument in die Hand gegeben, mit dem sie sich aus taktischen Gründen, ohne dass ihr die tatsächliche Beschäftigung aus individualrechtlichen Gründen ein dringliches Anliegen ist, in Konfliktlagen günstiger positionieren kann und das ihm die Durchsetzung anderer Ziele erleichtert (vgl. LAG Düsseldorf 01.06.2005 - 12 Sa 352/05 -, juris, Rn. 22).

Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass zwischen der Vorbehaltsannahme und dem Antragseingang Umstände zutage getreten sind, die eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Verfügungsklägerin auf dem unter Vorbehalt akzeptierten neuen Arbeitsplatz oder bei unterbleibender Beschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz begründen, sind weder vorgetragen, noch glaubhaft gemacht. Gegen das Vorliegen solcher Umstände spricht schon, dass die Verfügungsklägerin auch noch die ihr mit der Änderungskündigung vom 26.06.2024 angebotenen - inhaltsgleichen - Änderungen der Arbeitsbedingungen unter Vorbehalt angenommen hat. Die Verfügungsklägerin hat auch nicht dargelegt bzw. glaubhaft gemacht, dass solche Umstände nunmehr nach Aufnahme der unter Vorbehalt angenommenen Tätigkeit zutage getreten sind. Weder hat Verfügungsklägerin ihre bestrittene Behauptung, wegen des Arbeitsplatzwechsels, unter "Kreislaufproblemen und Schlafstörungen" zu leiden, näher konkretisiert, noch hat sie dies etwa durch Vorlage eines ärztlichen Attestes glaubhaft gemacht.

Die Verfügungsklägerin hat auch nicht nachvollziehbar dargelegt, dass die Verfügungsbeklagte ihr ggü. eine Zermürbungstaktik verfolgt. Weder war die Verfügungsklägerin die einzige von der - nicht offensichtlich willkürlichen - unternehmerischen Entscheidung betroffene Arbeitnehmerin, noch ist es für die Verfügungsbeklagte wirtschaftlich vorteilhaft, der sonderkündigungsgeschützten Verfügungsklägerin im Wege der Änderungskündigung zwar eine tariflich zwei Entgeltgruppen niedriger bewertete Tätigkeit zuzuweisen, ihr hierfür aber aufgrund der Verdienstsicherung gem. § 23, § 14.1 MTV die bisherige Vergütung weiterzuzahlen. Der Umstand, dass die Beschäftigung der Verfügungsklägerin im Juli 2024 noch auf ihrem alten Arbeitsplatz erfolgt ist, war ersichtlich der Länge ihrer Kündigungsfrist geschuldet, vor deren Ablauf die Verfügungsbeklagte noch keine Aufnahme der Tätigkeit zu den neuen Bedingungen verlangen konnte. Auch aus dem Umstand, dass die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin nach dem 31.07.2024 auf dem Arbeitsplatz in der Produktion eingesetzt hat, lässt selbst dann nicht auf die Verfolgung einer Zermürbungstaktik schließen, wenn eine gem. § 99 BetrVG erforderliche Zustimmung des Betriebsrats fehlt. Denn zum einen hatte die unternehmerische Entscheidung der Verfügungsbeklagten unstreitig gerade den Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes der Verfügungsklägerin zum Gegenstand und zum anderen hatte die Verfügungsklägerin nach dem 26.06.2024 nochmals die Annahme der geänderten Vertragsbedingungen unter Vorbehalt erklärt. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob das Verfolgen einer Zermürbungstaktik für sich allein überhaupt geeignet wäre, die Eilbedürftigkeit einer Weiterbeschäftigung zu den bisherigen Bedingungen zu rechtfertigen.

II.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten ihres erfolglos gebliebenen Rechtsmittels gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

III.

Gegen diese Entscheidung ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 72 Abs. 4 ArbGG).