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Abschnitt 4 AufenthG§25bARdErl - Voraussetzungen an die nachhaltige Integration (§ 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG)

Bibliographie

Titel
Hinweise zur Anwendung des § 25b des Aufenthaltsgesetzes; Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration
Redaktionelle Abkürzung
AufenthG§25bARdErl,NI
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
26100

Der Gesetzgeber hat in § 25b Abs. 1 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 AufenthG diejenigen Integrationsleistungen und -indizien normiert, bei deren Vorliegen regelmäßig von einer nachhaltigen Integration in die Lebensverhältnisse im Bundesgebiet auszugehen ist.

4.1
Voraufenthaltszeit (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG)

4.1.1
Anrechenbare Voraufenthaltszeiten

Nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG setzt eine nachhaltige Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik regelmäßig einen mindestens sechsjährigen geduldeten, gestatteten oder durch den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis erlaubten ununterbrochenen Aufenthalt im Bundesgebiet voraus. Lebt die oder der Begünstigte mit einem minderjährigen Kind in häuslicher Gemeinschaft, wird ein entsprechender vierjähriger Voraufenthalt vorausgesetzt.

Zu beachten ist, dass Anknüpfungspunkt für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG die nachhaltige Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik ist und den in § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG normierten Voraussetzungen insofern lediglich eine, wenn auch stark zu gewichtende, Indizwirkung zukommt. So steht auch ein ggf. kürzerer Voraufenthalt einer Begünstigung im Einzelfall nicht zwingend entgegen, wenn im Rahmen der einzelfallbezogenen Gesamtbetrachtung aufgrund der bisher gezeigten Integrationsleistungen gleichwohl ausnahmsweise von einer nachhaltigen Integration ausgegangen werden kann.

Mit seiner Formulierung "gestattet, geduldet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis" ist § 25b AufenthG enger gefasst als § 25a AufenthG, der jeden "erlaubten" Aufenthalt einbezieht. Den Gesetzgebungsmaterialien kann für diese unterschiedliche Formulierung in den gesetzlichen Bleiberechtsregelungen keine Begründung entnommen werden. Bei der näheren Konkretisierung der aufenthaltsrechtlichen Anforderungen an den Voraufenthalt hinsichtlich der drei ausdrücklich benannten aufenthaltsrechtlichen Grundlagen (geduldet, gestattet, mit Aufenthaltserlaubnis) ist eine an der (potentiellen) Integrationswirkung anknüpfende Auslegung angezeigt. Aus der weiten Fassung dieser anrechenbaren Voraufenthalte, die auch den unrechtmäßigen, aber geduldeten sowie den asylverfahrensbezogenen, gestatteten Aufenthalt einbezieht, folgt, dass der Gesetzgeber alle Voraufenthaltszeiten angerechnet wissen wollte, die von einem aufenthaltsregelnden Verwaltungsakt gedeckt waren oder in denen eine Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unzulässig gewesen ist (vgl. u. a. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18; BVerwG, Beschluss vom 28.03.2022 - 1 B 35; Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 43). Die Einbeziehung des (asylverfahrensbedingt) gestatteten Aufenthalts zeigt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Bleiberechtsregelung auch gesetzlich vorgesehene verfahrensbedingte Aufenthalte, die nicht zu einem Aufenthaltsrecht geführt haben, berücksichtigt wissen wollte. Hiernach sind insbesondere auch Zeiten anrechnungsfähig, in denen eine abgelaufene Aufenthaltserlaubnis nach rechtzeitiger Stellung eines Verlängerungsantrags für die Dauer des behördlichen Verfahrens gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG fiktiv fort gilt.

Das gilt gerade auch dann, wenn ein Verlängerungsanspruch nicht besteht und der Antrag daher am Ende des Verfahrens ohne Erfolg geblieben ist (vgl. o. g. Urteil des BVerwG).

Demnach sind auch rechtmäßige Aufenthaltszeiten zu anderen als humanitären Zwecken, z. B. aus familiären Gründen oder zu Studienzwecken, grundsätzlich auf die Mindestaufenthaltszeiten nach § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AufenthG anzurechnen. Während dieser Zeiten erbrachte Integrationsleistungen sind zu berücksichtigen.

Anrechenbar sind ferner solche Voraufenthaltszeiten, in denen sich die begünstige Person tatsächlich im Bundesgebiet aufgehalten hat und während derer Duldungsgründe i. S. des § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG vorlagen, bei einer rückblickenden Betrachtung eine Abschiebung daher nicht möglich war. Auf den Besitz einer Duldungsbescheinigung kommt es insofern nicht an. Dies gilt aber nicht, wenn die ausländische Person untergetaucht war oder sich in anderer Weise einem ausländerrechtlichen Verfahren entzogen hat, weil sie z. B. ihren Aufenthalt im Bundesgebiet von vornherein bei der Ausländerbehörde nicht angezeigt hat.

Ebenso sind Zeiten anrechenbar, in denen eine vollziehbar ausreisepflichtige Ausländerin oder ein vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer im Besitz einer GÜB oder einer ausländerbehördlichen Bescheinigung war. In diesen Fällen ist zugunsten der Betroffenen davon auszugehen, dass in der Rückschau eigentlich eine Duldung zu erteilen gewesen wäre, da der Gesetzgeber von einer zügigen Durchführung der Abschiebung ausgeht (vgl. Nummer 3.1.1).

Zeiten des Besitzes einer Blauen Karte EU, einer ICT-Karte und einer Mobiler-ICT-Karte sind dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gleichgestellt (§ 4 Abs. 1 Satz 3 AufenthG).

Zeiten des Besitzes eines nationalen Visums sind bei anschließender "Umwandlung" in eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 6 Abs. 3 Satz 3 AufenthG anrechenbar.

Auch Zeiten des Besitzes einer Niederlassungserlaubnis sind anrechenbar ("Erst-Recht-Schluss").

4.1.2
(Schädliche) Unterbrechungen des Voraufenthaltes

Ein ununterbrochener Aufenthalt im Bundesgebiet liegt jedenfalls dann vor, wenn der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, Duldung oder Aufenthaltsgestattung (vgl. Nummer 4.1.1) sowie der tatsächliche Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zeitpunkt der Entscheidung durchgängig seit mindestens vier oder sechs Jahren nachgewiesen werden kann.

Kurzzeitige Unterbrechungen der statusrechtlichen Kette von bis zu drei Monaten des Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis, Duldung oder Aufenthaltsgestattung bei gleichzeitigem Aufenthalt im Bundesgebiet sind in der Regel unschädlich (vgl. auch Gesetzesbegründung Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 43), sofern die oder der Betroffene nicht untergetaucht war, um sich einer Abschiebung zu entziehen, der Aufenthaltsort der zuständigen Ausländerbehörde bekannt war und eine nachhaltige Integration dadurch nicht in Frage gestellt wird. Die vor einer solchen Unterbrechung liegenden Zeiten sind anzurechnen. Die Unterbrechungszeiten selbst sind nicht anzurechnen.

Die vorstehende Regelung gilt für kurzzeitige - erlaubte Unterbrechungen des Aufenthalts im Bundesgebiet ausnahmsweise entsprechend (z. B. im Falle eines Besuchsaufenthalts im Ausland mit Rückkehrberechtigung), wenn der vorübergehende Auslandsaufenthalt erkennbar nicht auf die endgültige Aufgabe des Lebensmittelpunktes im Bundesgebiet gerichtet war (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 29.03.2012 - 8 LA 26/12 zu § 25a AufenthG). Entscheidend ist die Intention im Moment der Ausreise.

Bei einer Abschiebung oder freiwilligen Ausreise in Erfüllung einer rechtmäßig begründeten Ausreisepflicht ist grundsätzlich von einer Aufgabe des Lebensmittelpunktes auszugehen (OVG Niedersachsen, Beschluss vom 21.02.2018 - 13 ME 56/18).

Mehrfache Aufenthaltsunterbrechungen sind nicht isoliert zu betrachten, sondern werden kumuliert und dürfen die o. g. drei Monate grundsätzlich insgesamt nicht überschreiten.

Auch eine vorübergehende längere Unterbrechung des (erlaubten) Aufenthalts im Bundesgebiet kann ausnahmsweise als unschädlich bewertet werden, wenn die Unterbrechung aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls notwendig und mit der Ausländerbehörde abgestimmt war (z. B. Pflege schwer kranker Familienangehöriger im Ausland, Pandemiesituation).

Eine Lücke von wenigen Tagen, in denen der Aufenthalt weder geduldet noch gestattet noch von einer Aufenthaltserlaubnis gedeckt war, und ansonsten zweifelsfrei eine nachhaltige Integration vorliegt, begründet bereits wegen ihres Bagatellcharakters keine anspruchsschädliche Unterbrechung. Der geforderte Voraufenthalt von mindestens sechs oder vier Jahren soll nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift als Grundlage für eine gelungene Integration dienen. Diese Eignung wird bei einer Ausländerin oder einem Ausländer, die oder der sich langjährig im Bundesgebiet aufhält, durch kurze Unterbrechungen von wenigen Tagen bereits aus Verhältnismäßigkeitserwägungen in der Regel nicht in Frage gestellt.

Die Regelung des § 51 Abs. 1 AufenthG über die Beendigung der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts sowie § 60a Abs. 5 Satz 1 AufenthG, wonach die Duldung mit der Ausreise erlischt, sind zu beachten. In diesen Fällen kann nicht mehr von einem ununterbrochenen Aufenthalt i. S. des § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG ausgegangen werden. Wenn die zuständige Ausländerbehörde einer geduldeten Ausländerin oder einem geduldeten Ausländer vor einer temporären Ausreise zusagt, dass die Abschiebung nach der Wiedereinreise wieder ausgesetzt wird (z. B. in Fällen des § 22 Abs. 2 Satz 1 AufenthV - "Schülersammelliste"), gilt der geduldete Aufenthalt als "ununterbrochen".

Unabhängig von der Unschädlichkeit für die Eigenschaft des ununterbrochenen Aufenthaltes sind die Zeiträume, die im Ausland verbracht wurden, auf die Voraufenthaltszeiten nicht anrechenbar.

Liegt nach den vorstehenden Ausführungen eine schädliche Unterbrechung vor, sind die vor dieser Unterbrechung liegenden Aufenthaltszeiten nicht mehr zu berücksichtigen.

Eine Anwendung des § 85 AufenthG kommt nicht in Betracht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.2019 - 1 C 34.18).

4.1.3
Aufenthaltszeiten gemäß § 60b Abs. 5 AufenthG

Zeiten des Besitzes einer Duldung für Personen mit ungeklärter Identität werden gemäß § 60b Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht als Voraufenthaltszeiten angerechnet. Der Besitz einer entsprechenden Duldung nach § 60b AufenthG führt jedoch nicht zu einer schädlichen Unterbrechung der Voraufenthaltszeiten, die davor liegenden anrechnungsfähigen Zeiten sind anzurechnen.

4.1.4
Besonderheiten für Inhaberinnen und Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG (§ 25b Abs. 7 AufenthG)

Für Inhaberinnen oder Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG sind auch Zeiten des Besitzes einer Duldung wegen ungeklärter Identität gemäß § 60b AufenthG auf die maßgebliche Voraufenthaltszeit anzurechnen (§ 25b Abs. 7 AufenthG). Im Übrigen gelten für die Prüfung der anrechnungsfähigen Voraufenthaltszeiten die Ausführungen im Zusammenhang mit der Erteilung eines Chancen-Aufenthaltsrechts entsprechend. Damit wird dem besonderen Regelungsgehalt des § 104c AufenthG Rechnung getragen (vgl. u. a. Erl. zu § 104c AufenthG vom 30.12.2022 [siehe Internetseite des MI, Thema Ausländerangelegenheiten]). Soweit Inhaberinnen oder Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104c AufenthG bei der Erteilung dieser Aufenthaltserlaubnis - insbesondere im Hinblick auf die anrechenbaren Voraufenthaltszeiten und eine etwaige "schädliche Unterbrechung" des Voraufenthaltes - von einer für sie günstigeren Rechtsanwendung profitiert haben, sind diese Maßstäbe auch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25b AufenthG entsprechend anzuwenden.

4.1.5
Privilegierung von Familien

Die häusliche Gemeinschaft mit einem minderjährigen ledigen Kind setzt grundsätzlich das tatsächliche Zusammenleben unter einer Wohnanschrift voraus. Ein Lebensmittelpunkt in der Form einer gemeinsamen Wohnung muss nachgewiesen sein. Die häusliche Gemeinschaft mit dem minderjährigen Kind muss dabei keine vier Jahre bestanden haben. Es genügt in der Regel, dass diese Voraussetzung jedenfalls zum Entscheidungszeitpunkt erfüllt ist.

Die Privilegierung in Gestalt einer nur vierjährigen Mindestaufenthaltsdauer beschränkt sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung zunächst auf Eltern, die mit ihren eigenen minderjährigen ledigen Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben. Hierzu wird auf die Gesetzesbegründung zur gleichlautenden Regelung des § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG (Bundestags-Drucksache 16/5065, S. 201 f.) verwiesen, die als "ausschlaggebend" für die Differenzierung zwischen dem seinerzeit geltenden sechs- und dem achtjährigen Aufenthalt den Umstand ansah, dass "der Ausländer Kinder hat und mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebt" (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 C 20.08).

Das Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles im Falle der Trennung der Eltern ggf. auch dann bejaht werden, wenn ein Elternteil, dessen Kind aufgrund der Trennung der Eltern nicht ständig bei ihm lebt, im Rahmen des ihm rechtlich möglichen Maßes tatsächlich Verantwortung für sein Kind übernimmt und häufigen Umgang mit diesem hat, der ein regelmäßiges Verweilen und Übernachten im Haushalt des Elternteils umfasst (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.10.2010 - 1 Bvl 14/09 zum Bestehen einer häuslichen Gemeinschaft i. S. des § 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X).

Die Privilegierung anderer Personen - außer der Eltern oder eines Elternteils - kommt darüber hinaus in Betracht, wenn sie mit einem minderjährigen Kind in häuslicher Gemeinschaft leben und für dieses sorgeberechtigt sind (z. B. Großelternteil oder Tante oder Onkel). Da für die Verkürzung der Wartezeit bei einem minderjährigen Haushaltsangehörigen vor allem das Kindeswohl und die Förderung der Integration Minderjähriger ausschlaggebend ist, kann sich hierbei nur eine enge - einerseits durch Verantwortungsübernahme durch die volljährige Bezugsperson und andererseits durch Abhängigkeit des Kindes von den Bezugspersonen gekennzeichnete - Beziehung also ein rechtliches Verantwortungsverhältnis privilegierend auswirken.

4.2
Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG)

Das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung zum Verbot der NPD davon aus, dass der Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung i. S. des Artikels 21 Abs. 2 GG (Verfassungswidrigkeit von Parteien) nicht die gesamte Rechtsordnung, sondern nur jene zentralen Grundprinzipien umfasse, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich seien. Ihren Ausgangspunkt finde die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Würde des Menschen (Artikel 1 Abs. 1 GG). Die Garantie der Menschenwürde umfasse insbesondere die Wahrung personaler Individualität, Identität und Integrität sowie die elementare Rechtsgleichheit. Ferner sei das Demokratieprinzip konstitutiver Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Unverzichtbar für ein demokratisches System seien die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger am Prozess der politischen Willensbildung und die Rückbindung der Ausübung der Staatsgewalt an das Volk (Artikel 20 Abs. 1 und 2 GG). Für den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung seien schließlich die im Rechtsstaatsprinzip wurzelnde Rechtsbindung der öffentlichen Gewalt (Artikel 20 Abs. 3 GG) und die Kontrolle dieser Bindung durch unabhängige Gerichte bestimmend. Zugleich erfordere die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit des Einzelnen, dass die Anwendung physischer Gewalt der gebundenen und gerichtlicher Kontrolle unterliegenden staatlichen Organen vorbehalten sei (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.01.2017 - 2 BvB 1/13).

Die Antragstellerin oder der Antragsteller muss sich ausdrücklich und persönlich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen, da es sich bei dem Bekenntnis nicht lediglich um eine formelle, sondern vielmehr eine materielle Erteilungsvoraussetzung handelt. Der oder dem Betroffenen wird ein aktives persönliches Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung abverlangt, woraus zwingend folgt, dass die oder der Betroffene den Inhalt des von ihr oder ihm abgegebenen Bekenntnisses verstanden hat und zumindest dessen Kerninhalte kennen muss (vgl. u. a. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.02.2008 - 13 S 1169/07; VGH Bayern, Urteil vom 19.01.2012 - 5 B 11.732).

Der Wortlaut des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 AufenthG entspricht den Einbürgerungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 1 StAG ("[...] sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt [...]"). Entsprechend der Einbürgerungspraxis ist eine ausdrückliche Erklärung zu verlangen. Weitere Anforderungen an diesen Nachweis - etwa die Absolvierung einer persönlichen Befragung - bestehen regelmäßig nicht (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.10.2022 - 2 M 69/22).

Die Betroffenen sind im Rahmen der Antragstellung anhand des einschlägigen Merkblatts über den Inhalt und die Bedeutung der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu belehren. Das unterschriebene Bekenntnis ist zur Akte zu nehmen.

Zur Feststellung von Versagungsgründen ist § 73 Abs. 2 und 3 AufenthG zu beachten und in den in § 2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (AVV-AufenthG) zu § 73 Abs. 2 und 3 Satz 1 AufenthG normierten Fällen vor der Entscheidung über den Antrag eine Abfrage bei den Sicherheitsbehörden durchzuführen. Liegen der Ausländerbehörde im Einzelfall Anhaltspunkte oder Erkenntnisse vor, dass sich die oder der Betroffene tatsächlich nicht zur freiheitlich demokratischen Grundordnung bekennt oder hat sie aufgrund des Verhaltens der oder des potentiell Begünstigten begründbare Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses (z. B., wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller in der Vergangenheit in Gesprächen mehrfach durch verfassungsfeindliche Äußerungen aufgefallen ist), sollen diese Erkenntnisse - auch in den nicht o. g. Fällen - bei der Abfrage der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste vor der Entscheidung über den Antrag mitgeteilt werden. Die Ausländerbehörde kann eine persönliche Befragung durchführen, um bestehende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Bekenntnisses auszuschließen oder bestätigen zu können.

Im Rahmen der Gesamtbewertung sind alle vorhandenen Erkenntnisse zu bewerten.

Die nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 StAG geforderte Loyalitätserklärung ("[...] und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, [...]") ist nicht als Voraussetzung in § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG normiert, sodass eine entsprechende Erklärung zwar abgegeben werden kann aber nicht zu verlangen ist.

Gefährdet die oder der potentiell Begünstigte die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, liegt ein zwingender Versagungsgrund gemäß § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor (§ 5 Abs. 4 Alternative 1 AufenthG wird insofern bereits verdrängt). Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste, die zwar nicht den Tatbestand eines Ausweisungsinteresses i. S. von § 54 Abs. 1 AufenthG erfüllen, aber Zweifel am Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung begründen, sind im Rahmen der Prüfung der Erteilungsvoraussetzung des § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG zu berücksichtigen und zu bewerten. Gleiches gilt für Erkenntnisse, die der Ausländerbehörde z. B. aus einer persönlichen Befragung der oder des potentiell Begünstigten, vorliegen.

Für unter 16-jährige ledige Kinder, die in familiärer Lebensgemeinschaft mit begünstigten geduldeten Ausländerinnen und Ausländern leben, ist aus Altersgründen von der Anwendung des Verfahrens abzusehen. Fälle, in denen einer Erteilung entgegenstehende Erkenntnisse vorliegen, sind hiervon jedoch nicht betroffen und den Sicherheitsbehörden ggf. zur weiteren Bewertung zuzuleiten. § 25b Abs. 2 Nr. 2 AufenthG findet Anwendung.

4.3
Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG)

Das Vorliegen der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ist von der Ausländerbehörde festzustellen.

Zur Beurteilung sind die Bestimmungen der Nummer 9.2.1.8 AVV-AufenthG entsprechend anzuwenden. Danach werden die Kenntnisse in der Regel nachgewiesen durch

  • den bundeseinheitlichen Test "Leben in Deutschland" zum Orientierungskurs nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 IntV oder

  • den Nachweis eines Abschlusses einer deutschen Hauptschule oder einer vergleichbaren oder höheren deutschen allgemeinbildenden Schule.

Der Nachweis ist danach auch geführt, wenn die Ausländerin oder der Ausländer mindestens einen Hauptschulabschluss nach dem Recht eines deutschen Bundeslandes erworben hat - z. B. auch nach erfolgreicher Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf. Auch die berufsbildenden Schulen ermöglichen den Erwerb schulischer Abschlüsse u. a. durch den Abschluss einer Berufsausbildung (vgl. hierzu BbS-VO).

Gemäß Nummer 9.2.2.1 AVV-AufenthG können Ausländerinnen und Ausländer, die am Integrationskurs nicht oder nicht erfolgreich teilgenommen haben, die Voraussetzungen auf andere Weise nachweisen. Sie können die Abschlusstests des Integrationskurses auf freiwilliger Basis ablegen, um den Nachweis der Grundkenntnisse zu erbringen. Die Teilnahme wird grundsätzlich als Selbstzahler erfolgen müssen, da ein Anspruch auf Teilnahme am Integrationskurs nach § 44 AufenthG erst nach Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 25b AufenthG besteht.

Die Voraussetzungen können - immer unter Berücksichtigung der persönlichen Umstände der oder des Betroffenen - insbesondere auch wie folgt nachgewiesen werden:

  • Teilnahme und Bestehen eines Einbürgerungstests i. S. des § 10 Abs. 5 StAG.

  • Die Ausländerbehörde führt selbst eine Testmöglichkeit i. S. des Tests "Leben in Deutschland" durch, indem sie eine eigene Auswahl von 33 Fragen zusammenstellt und der Ausländerin oder dem Ausländer diese als Test vorlegt (Fragenkatalog steht im Internet auf der Seite des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur Verfügung). Der Test ist bestanden, wenn mindestens 15 Fragen richtig beantwortet werden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass im Rahmen des § 25b AufenthG lediglich hinreichende mündliche - und nicht schriftliche - Deutschkenntnisse gefordert werden, kann dieser Test auch vor Ort im Rahmen einer persönlichen Vorsprache in Form eines Alltagsgesprächs durchgeführt werden, um sich auf objektiver Grundlage vom Vorliegen der Grundkenntnisse überzeugen zu können.

4.4
Lebensunterhaltssicherung (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AufenthG)

Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es für den begünstigten Personenkreis u. a. aufgrund ihres (ungesicherten) aufenthaltsrechtlichen Status schwieriger sein kann, einen Arbeitsplatz zu finden, ist es ausreichend, wenn der Lebensunterhalt zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert werden kann oder bei der Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie familiären Lebenssituation der Ausländerin oder des Ausländers zu erwarten ist, dass sie oder er ihren oder seinen Lebensunterhalt i. S. des § 2 Abs. 3 AufenthG sichern wird (vgl. Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 43).

4.4.1
Überwiegende Lebensunterhaltssicherung

Die Ausländerin oder der Ausländer muss ihren oder seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit überwiegend selbst sichern. Die Abgabe einer Verpflichtungserklärung gemäß § 68 AufenthG oder andere Einnahmen (z. B. Mieteinnahmen) oder Zuwendungen (z. B. Unterhaltsleistungen) sind nicht ausreichend, da die eigenverantwortliche Sicherung des Lebensunterhalts zu den Grundvoraussetzungen für eine nachhaltige Integration gehört, die von der Ausländerin oder dem Ausländer anzustreben ist (vgl. Bundestags-Drucksache 18/4097) und die im Rahmen des § 25b AufenthG honoriert werden soll.

In Anlehnung an § 104a Abs. 5 AufenthG (und die hierzu ergangenen Verwaltungsvorschriften), der die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach dem 31.12.2009 als Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 AufenthG u. a. dann vorsah, wenn der Lebensunterhalt bis dahin überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert war, kann eine überwiegende Lebensunterhaltssicherung dann angenommen werden, wenn das Einkommen aus eigenen Mitteln insgesamt überwiegt (Nummer 104a.5.3 AVV-AufenthG). Der Lebensunterhalt gilt danach dann als überwiegend gesichert, wenn er einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes zu mehr als 50 % ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel gesichert werden kann.

Die Fähigkeit zur Bestreitung des überwiegenden Lebensunterhalts darf nicht nur vorübergehend sein (zu befristeten Arbeitsverträgen vgl. Nummer 2.3.3 AVV-AufenthG).

Bezugspunkt für die Lebensunterhaltssicherung ist die Bedarfsgemeinschaft (vgl. Nummer 9.2.1.2 i. V. m. 2.3.2 ff. AVV-AufenthG).

Die mit der oder dem nach § 25b AufenthG Begünstigten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Familienmitglieder i. S. des § 25b Abs. 4 AufenthG erfüllen die Voraussetzung der überwiegenden Lebensunterhaltssicherung auch dann, wenn nur ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft - in diesem Fall der nach § 25b Abs. 1 AufenthG Stammberechtigte - ein entsprechendes Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt (vgl. Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 45).

Bei Kindergeldbezug muss der Lebensunterhalt auch ohne Hinzurechnen des Kindergeldes überwiegend durch Erwerbstätigkeit gesichert sein.

Im Fall der überwiegenden Lebensunterhaltssicherung kommt es auf eine positive Prognoseentscheidung zur vollständigen Lebensunterhaltssicherung nicht an (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 19.05.2017 - 1 Bs 207/16).

4.4.2
Prognose der vollständigen Lebensunterhaltssicherung

Wird der Lebensunterhalt derzeit noch nicht überwiegend oder gar nicht durch eigene Erwerbstätigkeit gesichert (z. B. weil diese bisher gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht erlaubt werden konnte), ist im Rahmen einer Prognoseentscheidung zu prüfen, ob bei (rückschauender) Betrachtung der bisherigen Schul-, Ausbildungs-, Einkommens- sowie der familiären Lebenssituation zu erwarten ist, dass die oder der Betroffene ihren oder seinen Lebensunterhalt i. S. des § 2 Abs. 3 AufenthG zukünftig dauerhaft selbst sichern wird. Prognosemaßstab ist in diesem Fall die vollständige Lebensunterhaltssicherung i. S. des § 2 Abs. 3 AufenthG.

Eine positive Prognoseentscheidung kann danach in der Regel z. B. dann getroffen werden, wenn ein erfolgreicher Schul- oder Ausbildungsabschluss zu erwarten ist (zum vorübergehenden Bezug von Sozialleistungen bei Auszubildenden vgl. § 25b Satz 3 Nr. 1 AufenthG). Dies kann z. B. durch Vorlage von Zeugnissen oder einer Stellungnahme der Schule oder des Ausbildungsbetriebs glaubhaft gemacht werden, wenn aufgrund des vorhandenen Schul- oder Ausbildungsabschlusses ein erfolgreicher Eintritt in das Berufsleben absehbar ist. Gleiches gilt, wenn die oder der Betroffene bereits in der Vergangenheit erwerbstätig war und sich intensiv und erfolgversprechend um die Aufnahme einer neuen Erwerbstätigkeit bemüht. Auch ein vorliegendes belastbares Arbeitsplatzangebot wird eine positive Prognose stützen, wenn die beabsichtigte Arbeitsaufnahme nicht nur vorübergehend ist. Aus der familiären Lebenssituation kann sich z. B. dann eine positive Prognose ergeben, wenn ein unterhaltsberechtigtes Mitglied (der Bedarfsgemeinschaft) in absehbarer Zeit eigenes ausreichendes Einkommen erzielt und damit der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft durch das zur Verfügung stehende Einkommen gesichert werden kann. Auch Fälle, in denen Eltern ihren Lebensunterhalt zunächst nicht sichern, weil sie (noch) zu Unterhaltszahlungen an - außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebende - volljährige Kinder in der Ausbildung verpflichtet sind, können eine positive Prognose rechtfertigen.

Insbesondere die Kenntnisse der deutschen Sprache, das soziale Umfeld, das Vorhandensein eines festen Wohnsitzes und auch das Lebensalter der Ausländerin oder des Ausländers sind in die Prognoseentscheidung mit einzubeziehen.

Insbesondere bei Inhaberinnen und Inhabern einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 104c AufenthG kann eine positive Prognoseentscheidung in der Regel auch dann getroffen werden, wenn die Ausländerin oder der Ausländer eine arbeitsmarktliche Fördermaßnahme der Agenturen für Arbeit oder Jobcenter absolviert und nach erfolgreichem Abschluss der Fördermaßnahme eine nicht nur vorübergehende Arbeitsaufnahme zu erwarten ist.

Das Vorliegen dieser Fallkonstellation kann gegenüber der Ausländerbehörde durch Vorlage des Bewilligungsbescheides zur Fördermaßnahme oder durch einen Vermerk der zuständigen Integrationsfachkraft der Agenturen für Arbeit oder der Jobcenter zur Fördermaßnahme glaubhaft gemacht werden (die Verbesserung der Situation zur nachhaltigen Integration auf dem Arbeitsmarkt wird damit begründet).

Der Bezug von Kindergeld ist im Fall der Prognoseentscheidung unschädlich (§ 2 Abs. 3 AufenthG) und daher zu berücksichtigen.

Auch der Bezug von Wohngeld ist unschädlich, allerdings muss der Lebensunterhalt dann auch ohne Hinzurechnen des Wohngeldes (im Falle der überwiegenden Lebensunterhaltssicherung überwiegend) gesichert sein (vgl. Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 43).

Kann die Ausländerin oder der Ausländer ihren oder seinen Lebensunterhalt nicht selbständig sichern und lebt mit anderen Personen in einer Bedarfsgemeinschaft, kann eine positive Prognose auch dann erstellt werden, wenn andere Personen der Bedarfsgemeinschaft in absehbarer Zeit eigenes, ausreichendes Einkommen erzielen und damit der Lebensunterhalt der Bedarfsgemeinschaft durch das zur Verfügung stehende Einkommen gesichert werden kann.

Da § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Alternative 2 AufenthG eine auf die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung beinhaltet, eröffnet die Norm auch Personen, die einem Beschäftigungsverbot nach § 60a Abs. 6 Nr. 3 AufenthG (sicherere Herkunftsstaaten) unterliegen, die Perspektive auf ein Bleiberecht nach § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG. Da diese Personengruppe jedoch in der Regel keine in der Vergangenheit liegenden Beschäftigungszeiten im Bundesgebiet aufweisen kann, sind an die zur Prognose der vollständigen Lebensunterhaltssicherung notwendigen Indizien erhöhte Anforderungen zu stellen. Eine Prognoseentscheidung ist insofern nur dann zu rechtfertigen, wenn die bisherige sprachliche Integration, die nachgewiesene berufliche Qualifikation sowie ggf. ein nachhaltiges, beschäftigungsähnliches ehrenamtliches Engagement oder vergleichbare Umstände die Gewähr dafür bieten, dass die begünstigte Person zukünftig ihren Lebensunterhalt wird sichern können. In der Regel wird zudem ein konkretes, belastbares Arbeitsangebot zu fordern sein.

Wenn anhand der Erwerbsbiografie keine ausreichenden Bemühungen zur Erzielung von Erwerbseinkommen erkennbar sind, liegen keine ausreichenden Integrationsleistungen vor, die eine positive Prognoseentscheidung stützen. Als fehlende Bemühungen können auch dauerhaft fehlende Bemühungen zur Beseitigung des Beschäftigungsverbots nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG angesehen werden, wenn auch im Übrigen aufgrund des aktuellen Verhaltens der oder des Betroffenen davon ausgegangen werden muss, dass der Lebensunterhalt auch nach Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht gesichert wird.

4.4.3
Ausnahmen von der Lebensunterhaltssicherung (§ 25b Abs. 1 Satz 3 AufenthG)

Ein vorübergehender Leistungsbezug gemäß § 25b Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist in der Regel immer dann unschädlich, wenn einer der vier über § 25b Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 AufenthG privilegierten Lebenssachverhalte für den Bezug ursächlich ist. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen nur in atypischen Fällen versagt werden, sofern die oder der Betroffene die Erteilungsvoraussetzungen im Übrigen erfüllt.

Die Ausnahmeregelungen berücksichtigen, dass aufgrund bestimmter Fallkonstellationen die (überwiegende) Sicherung des Lebensunterhalts erschwert sein kann.

Ob ein nur vorübergehender unschädlicher Leistungsbezug i. S. des § 25b Abs. 1 Satz 3 AufenthG vorliegt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles - insbesondere auch im Hinblick auf die tatsächlich bestehende Möglichkeit der Aufnahme einer (Teilzeit)Beschäftigung (z. B. je nach zeitlichem Umfang der Pflege) - zu bewerten. Es ist erforderlich, dass der Leistungsbezug ausschließlich aufgrund einer der in § 25b Abs. 1 Satz 3 Nrn. 1 bis 4 AufenthG genannten persönlichen Umstände erfolgt: Das Studium, die Ausbildung, die minderjährigen Kinder, die unzumutbare Arbeitsaufnahme oder die Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen muss also für den derzeitigen Leistungsbezug ursächlich sein.

Vorübergehend ist ein Leistungsbezug dann, wenn er ausgehend von einer Prognoseentscheidung nicht dauerhaft oder auf unabsehbare Zeit erfolgen wird (vgl. OVG Sachsen, Beschluss vom 15.12.2020 - 3 B 201/20). Da es danach immer auf die individuellen Umstände ankommt, die die Betroffenen an der (überwiegenden) Sicherung des Lebensunterhalts hindern, ist der unbestimmte Rechtsbegriff "vorübergehend" unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auszulegen und zu bewerten. Ein vorübergehender unschädlicher Leistungsbezug kann danach auch dann vorliegen, wenn zu erwarten ist, dass der Leistungsbezug, z. B. aufgrund der im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft einzubeziehenden minderjährigen/unterhaltsberechtigten Kinder oder der anhaltenden Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen und der damit einhergehenden reduzierten Erwerbstätigkeit, mehrere Jahre andauern wird.

Erfolgt der Bezug von öffentlichen Leistungen dauerhaft oder auf unabsehbare Zeit, liegt ein vorübergehender unschädlicher Leistungsbezug nicht mehr vor.

4.4.3.1 Studierende/Auszubildende

Hinsichtlich der Ausnahmeregelung unter § 25b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AufenthG - Studierende/Auszubildende - sind die Ausführungen unter Nummer 104a.6.1 AVV-AufenthG - hinsichtlich der Auszubildenden - zum wortgleichen § 104a Abs. 6 Nr. 1 AufenthG entsprechend anzuwenden. Die Regelung gilt danach insbesondere für

  • staatlich anerkannte Ausbildungsberufe, wenn die Ausbildung betrieblich oder außerbetrieblich durchgeführt und ein dafür vorgeschriebener Ausbildungsvertrag abgeschlossen wird,

  • außerhalb des dualen Ausbildungssystems an Berufsfachschulen und anderen Schulformen durchzuführende voll qualifizierende Berufsausbildungen, die mit einem beruflichen Abschluss enden,

  • staatlich geförderte Berufsvorbereitungsmaßnahmen, die nach dem SGB III und dem BBiG darauf abzielen, lernbeeinträchtigten und sozial benachteiligten Jugendlichen Ausbildungsreife zu vermitteln,

  • Freiwilligendienste, wie der Bundesfreiwilligendienst (vgl. § 3 BFDG) oder das freiwillige soziale oder ökologische Jahr, welche der Vermittlung sozialer, kultureller und interkultureller Kompetenzen dienen (vgl. § 4 Abs. 1 BFDG und § 3 Abs. 2 und § 4 Abs. 2 JFDG),

  • Berufsvorbereitungs- oder Berufsgrundbildungsjahr (seit dem Schuljahr 2020/2021 gibt es die Bildungsgänge BVJ und BEK nicht mehr. Beide Angebote wurden zu einer Berufseinstiegsschule (BES) mit Klasse 1 und Klasse 2 zusammengeführt),

  • die betriebliche Einstiegsqualifizierung nach der Richtlinie zur Durchführung des Sonderprogramms Einstiegsqualifizierung Jugendlicher (EQJ-Programm),

  • Schülerinnen oder Schüler an Oberstufen der allgemeinbildenden Schulen.

Ein unschädlicher vorübergehender Leistungsbezug bei Studierenden ist dann gegeben, wenn das Studium ordnungsgemäß betrieben wird und zu erwarten ist, dass dieses erfolgreich beendet wird (vgl. Nummer 104a.6.1 AVV-AufenthG).

Soweit diese Jugendlichen, Heranwachsenden oder jungen Erwachsenen noch im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen sind und die Eltern daher ihren Lebensunterhalt nicht (überwiegend) sichern, ist § 25b Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 AufenthG dahingehend anzuwenden, dass die Studierenden oder Auszubildenden bei der Berechnung des (überwiegenden) Lebensunterhalts der Bedarfsgemeinschaft außer Betracht bleiben (vgl. auch Nummer 104a.6.1 letzter Satz AVV-AufenthG). Die Anwendung des § 25b Abs.1 Satz 3 Nr. 2 AufenthG bleibt hiervon unberührt.

4.4.3.2 Familien mit minderjährigen Kindern

Die Ausführungen unter Nummer 104a.6.2 AVV-AufenthG sind - soweit es sich hierbei um minderjährige Kinder handelt - anzuwenden. Danach muss sich der Bezug der ergänzenden Leistungen in den minderjährigen Kindern begründen. Hierbei darf insbesondere aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Eltern oder ein Elternteil aufgrund der Kinder evtl. nicht mehr in vollem Umfang erwerbstätig sind und daher insgesamt auch nur ein geringeres Einkommen zur Verfügung steht.

4.4.3.3 Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern

Die Ausführungen unter Nummer 104a.6.2 AVV-AufenthG - soweit es sich hierbei um minderjährige Kinder handelt - und Nummer 104a.6.3 AVV-AufenthG sind anzuwenden. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist in der Regel dann zumutbar, wenn das Kind das dritte Lebensjahr vollendet hat und seine Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege i. S. der Vorschriften des SGB VIII oder auf sonstige Weise sichergestellt ist (§ 10 Abs.1 Nr. 3 SGB II).

4.4.3.4 Pflegebedürftige Angehörige

Zu den nahen Angehörigen i. S. des § 25b Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AufenthG zählen die unter § 7 Abs. 3 PflegeZG aufgeführten Personen, insbesondere die Ehegattin oder der Ehegatte, die Lebenspartnerin oder der Lebenspartner, die Eltern, Geschwister sowie die Kinder, wobei für die Bestimmung des Näheverhältnisses die konkrete familiäre Situation zu betrachten ist (vgl. auch Gesetzesbegründung Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 43).

Zur Frage der Pflegebedürftigkeit kann auf die Definition des § 7 Abs. 4 PflegeZG zurückgegriffen werden. Danach sind i. S. dieses Gesetzes Personen pflegebedürftig, die die Voraussetzungen nach den §§ 14 und 15 SGB XI erfüllen.

4.5
Sprachkenntnisse (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AufenthG)

Potentiell Anspruchsberechtigte müssen über hinreichende mündliche Deutschkenntnisse i. S. des Niveaus A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen verfügen.

Dies beinhaltet die unter Nummer 104a.1.2 AVV-AufenthG aufgeführten sprachlichen Fähigkeiten.

Das Vorliegen der erforderlichen Sprachkenntnisse ist von der Ausländerbehörde im jeweiligen Einzelfall festzustellen.

Die erforderlichen Sprachkenntnisse sind in der Regel durch einen erfolgreich absolvierten Sprachkurs oder durch ein Sprachzertifikat nachgewiesen. Da Sprachstandzertifikate, die ausschließlich auf mündliche Sprachkenntnisse abstellen, in der Regel nicht ausgestellt werden, kann auch auf Sprachstandzertifikate zurückgegriffen werden, die deutsche Sprachkenntnisse hinsichtlich mündlicher und schriftlicher Kenntnisse bescheinigen (vgl. Nummer 60 d.1.6 der Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019 zur Bestimmung der erforderlichen Sprachkenntnisse i. S. des § 60d Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG).

Die Vorlage eines entsprechenden Zertifikats ist jedoch keine notwendige, sondern nur eine hinreichende Voraussetzung für den Nachweis der entsprechenden Sprachkompetenz. Entscheidend ist, dass die entsprechenden Sprachkenntnisse tatsächlich vorliegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.11.2012 - 10 C 11.12).

Verfügt die Ausländerin oder der Ausländer nach der in einem persönlichen Gespräch gewonnenen Überzeugung der Ausländerbehörde offensichtlich über die erforderlichen Sprachkenntnisse, ist die Vorlage eines Sprachzertifikats nicht erforderlich (vgl. Nummer 9.2.1.7 ff. AVV-AufenthG zum Nachweis von B1-Sprachkenntnissen). Der Nachweis liegt auch dann vor, wenn bisher einfache Gespräche bei der Ausländerbehörde ohne Zuhilfenahme einer Dolmetscherin oder eines Dolmetschers auf Deutsch geführt werden konnten. In der Regel werden die geforderten mündlichen deutschen Sprachkenntnisse vorliegen, wenn das Gespräch zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis in deutscher Sprache geführt werden kann (vgl. Nummer 60d.1.6 der Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern und für Heimat zum Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung vom 20.12.2019).

Schulzeugnisse, Schulabschlüsse, der berufliche Werdegang, der Einstufungstest für einen Sprachkurs etc. können im Rahmen der Einzelfallprüfung mit einbezogen werden.

Hinreichende deutsche Sprachkenntnisse sind in der Regel nachgewiesen, wenn die oder der Betroffene vier Jahre eine deutschsprachige Schule mit Erfolg besucht hat (Versetzung in die nächsthöhere Klasse) oder ein Hauptschulabschluss oder wenigstens gleichwertiger deutscher Schulabschluss erworben wurde oder eine Versetzung in die zehnte Klasse einer weiterführenden deutschsprachigen Schule erfolgt ist (vgl. Nummer 9.2.1.7 AVV-AufenthG zum Nachweis - höherwertiger - ausreichender deutscher Sprachkenntnisse). Auch mit dem erfolgreichen Abschluss einer deutschen Berufsausbildung sind hinreichende deutsche Sprachkenntnisse nachgewiesen.

Bestehende Zweifel am Vorhandensein hinreichender mündlicher Sprachkenntnisse können im Rahmen eines persönlichen Gesprächs ausgeräumt werden. Dies gilt auch, wenn Zweifel bestehen, dass die tatsächlichen Sprachkenntnisse den durch Vorlage eines Zertifikats attestierten Sprachkenntnissen entsprechen. Sofern danach keine hinreichenden mündlichen Sprachkenntnisse vorliegen, ist dies nachvollziehbar und aktenkundig festzustellen.

Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 16. Lebensjahr ist kein Nachweis der Deutschkenntnisse erforderlich (vgl. Gesetzesbegründung, Bundestags-Drucksache 18/4097, S. 44). Die Vorlage des letzten Zeugnisses oder der Nachweis über einen Kindertagesstättenbesuch ist ausreichend.

Für erwerbsunfähige und lebensältere Personen ist die persönliche Lebenssituation gemäß § 25b Abs. 3 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. Nummer 4.7).

4.6
Tatsächlicher Schulbesuch (§ 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 AufenthG)

Die nachhaltige Erfüllung der Schulpflicht stellt eine wesentliche Voraussetzung für eine erfolgversprechende sprachliche und soziale Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse dar (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.03.2009 - 1 MN 267/08), deren Einhaltung als zentraler Baustein unserer Gesellschaftsordnung sowohl gegenüber den verantwortlichen Sorgeberechtigten als auch den schulpflichtigen Kindern als wesentliches (bildungsbezogenes) Integrationsmerkmal zu fordern ist.

Geduldete Ausländerinnen oder Ausländer, die mit ihrem minderjährigen ledigen - schulpflichtigen - Kind in häuslicher Gemeinschaft leben (im Falle der Trennung der Eltern wird auf Nummer 4.1.5 Abs. 3 verwiesen), haben dessen tatsächlichen Schulbesuch durch Vorlage der Zeugnisse - mindestens des letzten Jahres - und einer Bescheinigung der Schule nachzuweisen. Entsprechendes gilt für Geduldete, die selbst nicht Elternteil sind, aber für ein mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebendes minderjähriges Kind sorgeberechtigt sind.

Mangelhafte Schulleistungen sind in diesem Zusammenhang kein Ausschlusskriterium.

Wird der Schulbesuch nicht nachgewiesen oder sind erhebliche unentschuldigte Fehlzeiten festzustellen, sind sowohl die sorgeberechtigten geduldeten Ausländerinnen oder Ausländer als auch die betroffenen Kinder in der Regel von einer Begünstigung ausgeschlossen. Unentschuldigte Fehlzeiten sind in der Regel erheblich, wenn das schulpflichtige Kind während eines Schuljahres nicht nur an einzelnen, wenigen Tagen unentschuldigt dem Schulunterricht ferngeblieben ist (vgl. OVG Niedersachsen, Beschluss vom 24.03.2009 - 10 LA 377/08).

Das schulpflichtige Kind muss sowohl in den vergangenen Schuljahren als auch in dem laufenden Schuljahr seiner Schulpflicht genügt haben. Auch in der Vergangenheit liegende erhebliche unentschuldigte Fehlzeiten sind im Einzelfall zu bewerten und im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen (vgl. Nummer 4); dies entspricht dem Sinn und Zweck der Bleiberechtsregelung, nur nachhaltige Integrationsleistungen - zu denen auch die konsequente Einhaltung der Schulpflicht zählt - zu honorieren. Weitere Zeugnisse - ggf. für den gesamten Zeitraum zwischen Beginn und Ende des schulpflichtigen Alters - können deshalb angefordert werden, wenn für die Vergangenheit der begründete Verdacht einer erheblichen Schulpflichtverletzung besteht. Dabei sind positive Entwicklungen in Bezug auf den Schulbesuch und die schulischen Leistungen zugunsten der potentiell berechtigten Personen wohlwollend miteinzubeziehen.

4.7
Ausnahmen wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen (§ 25b Abs. 3 AufenthG)

Eine fehlende eigene (überwiegende) Lebensunterhaltssicherung und unzureichende mündliche Deutschkenntnisse sind gemäß § 25b Abs. 3 AufenthG unschädlich, wenn die Betroffenen sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen können.

Ob Gründe für eine Ausnahme nach § 25b Abs. 3 AufenthG vorliegen, ist im jeweiligen konkreten Einzelfall zu prüfen. Nicht jede Krankheit oder Behinderung führt zum Ausschluss der genannten Voraussetzungen, sondern nur diejenigen, die die Ausländerin oder den Ausländer an der Erlangung der Kenntnisse hindern oder einer eigenständigen (überwiegenden) Lebensunterhaltssicherung entgegenstehen (vgl. Nummer 9.2.2.2.1 AVV-AufenthG).

Ob aus Altersgründen eine Ausnahmemöglichkeit besteht, ist im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung zu entscheiden. Auf eine pauschale Altersangabe wird verzichtet, da hierbei immer die maßgeblichen Umstände des jeweiligen Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Ein alleiniges Abstellen auf das derzeitige Alter der oder des Betroffenen und ihre oder seine derzeitigen persönlichen Fähigkeiten und Möglichkeiten kann dann zu einer unsachgemäßen Entscheidung führen, wenn sich die oder der Betroffene bereits lange Zeit im Bundesgebiet aufhält und ihr oder ihm ein Erwerb der erforderlichen Sprachkenntnisse in den zurückliegenden Zeiten ihres oder seines Aufenthalts im Bundesgebiet durchaus möglich und zumutbar gewesen wäre, diesbezüglich aber keinerlei Anstrengungen und Bemühungen gezeigt wurden. Denn begünstigt werden sollen nur die geduldeten Ausländerinnen und Ausländer, die sich während ihres langjährigen Aufenthalts im Bundesgebiet nachhaltig integriert haben. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des § 25b Abs. 3 AufenthG dabei berücksichtigt, dass bestimmten Integrationsvoraussetzungen durch sehr junge oder ältere Menschen nicht erfüllt werden können. Diese Personen sollen aufgrund ihres Alters nicht benachteiligt werden, wenn allein ihr Alter dafür ursächlich ist, dass bestimmte Integrationsvoraussetzungen nicht erfüllt werden können.

Die Prüfung, ob im Übrigen eine nachhaltige Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse erfolgt ist, wird durch die Anwendung des § 25b Abs. 3 AufenthG nicht berührt. Eine Versagung des Aufenthaltstitels kann auch in diesen Fällen dann ausnahmsweise nach § 25b Abs. 1 Satz 2 AufenthG gerechtfertigt sein, wenn im Rahmen der Gesamtbetrachtung aufgrund des bisherigen Verhaltens der oder des Betroffenen die Annahme einer nachhaltigen Integration widerlegt ist.

§ 25b Abs. 3 AufenthG sieht - anders als z. B. § 9 Abs. 2 Sätze 3 bis 6 AufenthG - keine Ausnahme vom Erfordernis des Nachweises der Grundkenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet für Personen vor, die diese wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder aus Altersgründen nicht erfüllen können. Ein Absehen von dieser Voraussetzung in analoger Anwendung des § 25b Abs. 3 AufenthG scheidet mangels planwidriger Regelungslücke aus (vgl. OVG Niedersachsen, Urteil vom 08.02.2018 - 13 LB 43/17).

Soweit es für die betroffene Person aufgrund des Vorliegens persönlicher Erschwernisse - oder aus Altersgründen - im Ausnahmefall unmöglich oder unzumutbar ist, § 25b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AufenthG zu erfüllen, kann dies jedoch im Rahmen der Gesamtbewertung zugunsten der oder des Betroffenen berücksichtigt werden, wenn trotzdem - unter Berücksichtigung der individuellen Situation - von einer nachhaltigen Integration i. S. des § 25b Abs. 1 Satz 1 AufenthG ausgegangen werden kann und die Versagung des Aufenthaltsrechts in dem jeweiligen Einzelfall unbillig wäre. Soweit es aufgrund der dargestellten Gesamtumstände erforderlich ist, sind Ausnahmen einzelfallabhängig zu prüfen. Die Nummern 9.2.2.2.1 und 9.2.2.2.2 AVV-AufenthG sind ergänzend heranzuziehen.

Außer Kraft am 1. Januar 2031 durch Nummer 11 des RdErl. vom 20. Januar 2025 (Nds. MBl. 2025 Nr. 46)