Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 08.01.2025, Az.: 14 U 49/24
Staatliche Haftung im Bereich der Daseinsvorsorge hinsichtlich Rissbildung an Wänden (hier: städtische Entwässerung)
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 08.01.2025
- Aktenzeichen
- 14 U 49/24
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2025, 10073
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2025:0108.14U49.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 23.02.2024 - AZ: 16 O 280/23
Rechtsgrundlage
- § 839 BGB
Fundstellen
- MDR 2025, 660-661
- NVwZ-RR 2025, 590-592
- SVR 2025, 186-187
- ZWE 2025, 204-207
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Auch im Bereich der Daseinsvorsorge (hier städtische Entwässerung) kann eine Haftung des Staates bestehen, wenn der übertragene hoheitliche Charakter der Aufgabe im Vordergrund steht, ein enger Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der schädigenden Handlung vorliegt und das private Unternehmen lediglich als "Werkzeug" oder "verlängerter Arm" der öffentlichen Hand agiert, ohne dass diese auf die Fachkunde des Unternehmers zurückgreift, weil ihre eigenen Fachleute den detaillierten Bauablauf vorgegeben haben, diesen überwachen und alle anfallenden Entscheidungen treffen (hier bejaht für Arbeiten an einem städtischen Entwässerungskanal).
- 2.
Das bauausführende Unternehmen handelt in einem solchen Fall als Verwaltungshelferin in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes. Damit ist eine Überleitung der Haftung auf die beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft verbunden.
- 3.
Eine Klage gegen das bauausführende Unternehmen ist dann als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2018 - IV ZR 243/17, Rn. 32, juris), weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis der Beklagten nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, Rn. 7, juris).
In dem Rechtsstreit
E. M., ...,
- Klägerin und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
...,
gegen
K. GmbH & Co. KG,
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
Prozessbevollmächtigte:
...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Amtsgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 10.12.2024 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Einzelrichters der 16. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 23.02.2024 - 16 O 280/23 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 7.140,00 €.
Gründe
I.
Die Klägerin ist Eigentümerin einer vermieteten Eigentumswohnung in der O.straße ... im II. Obergeschoss rechts in H. Die Beklagte führte im November 2021 in der W.straße Kanalbauarbeiten am dortigen Schmutzwasserkanal durch.
Die Klägerin behauptet, durch die Kanalbauarbeiten der Beklagten, die in ca. 20 m Entfernung von ihrem Haus entfernt stattgefunden hätten, seien in ihrem Wohn- und Schlafzimmer massive Risse in den Wänden entstanden (vgl. Lichtbilder, Bl. 4ff. EA). Vor Beginn der Arbeiten seien die massiven Risse in den Wänden in den beiden Zimmern nicht vorhanden gewesen. Durch die Bauarbeiten hätten an vielen Tagen die Hauswände vibriert; Gläser und Tassen hätten massiv in den Regalen vibriert. Durch die Ausschachtungs- und Rammarbeiten seien im ganzen Haus, auch im Keller, Risse entstanden. Zur Schadensbeseitigung seien netto 7.140,00 € erforderlich. Die Wände mit Rissbildung seien zu behandeln, d. h. die Fugen zu erweitern, die Wände zu grundieren, die Risse mit Fugenmaterial zu verfüllen und an die Wandflächen anzuarbeiten. Schließlich seien die Wandbereiche fachgerecht zu streichen. Bei den Schäden handele es sich um Schäden am Sondereigentum, nämlich dem Putz der fraglichen Räume.
Die Klägerin bestreitet, dass die Arbeiten am Entwässerungssystem seitens der Landeshauptstadt Hannover in Auftrag gegeben worden seien. Sie habe dazu auch keine Information erhalten.
Die Beklagte bestreitet sowohl die Aktiv- als auch Passivlegitimation. Aktivlegitimiert für Schadensersatzansprüche sei nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, nicht hingegen die Klägerin als einzelne Wohnungseigentümerin. Die tragenden Mauern und Wände seien dem Gemeinschaftseigentum zuzuordnen. Die Beklagte habe zudem als Verwaltungshelferin unselbstständig und im öffentlichen Auftrag ausschließlich hoheitliche Pflichten vorgenommen. Die Stadtentwässerung habe der Beklagten ein klares Leistungsverzeichnis vorgegeben, in dem sämtliche Schritte der Baumaßnahme vorgegeben und von der Beklagten als Auftragnehmerin entsprechend zu erfüllen gewesen seien.
Im Übrigen seien die Kanalbauarbeiten, die in einer Entfernung von 70 m zum Haus der Klägerin stattgefunden hätten, nicht schadensursächlich gewesen. Vielmehr seien die Risse auf vorhandene bauliche Anomalitäten zurückzuführen.
Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und der erstinstanzlichen Anträge auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Der Klägerin fehle es an der erforderlichen Prozessführungsbefugnis für die geltend gemachten Schadensersatzansprüche. Prozessführungsbefugt sei gemäß § 9a Abs. 2 WEG allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, weil es sich bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB um "aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte" im Sinne von § 9a Abs. 2 WEG handele, die allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausübe.
Die Klägerin wendet sich gegen das landgerichtliche Urteil und verfolgt ihre erstinstanzlich geltend gemachten Ansprüche weiter. Sie bezieht sich im Berufungsverfahren auf eine nach der Verkündung des landgerichtlichen Urteils erfolgte Abtretungsvereinbarung vom 11.04.2024, nach der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ihre sämtlichen Ansprüche auf Schadenersatz gegen die Beklagte aus den von dieser verursachten Beschädigungen des Hauses O.straße ... - insbesondere im Bereich der Wände im Wohn- und Schlafzimmer der Wohnung O.straße ..., II. OG rechts - aufgrund Straßenbau- und Tiefbauarbeiten an die Klägerin zur gerichtlichen Verfolgung dieser Ansprüche abgetreten hat.
Sie beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Hannover zum Az. 16 O 280/23 vom 23.02.2024 zu verurteilen, an die Klägerin 7.140,00 € nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte bestreitet vorsorglich, dass der Beschluss wirksam sei, und meint, der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei verspätet. Im Übrigen nimmt sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug, den sie aufrecht erhält.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen K. und H. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Der Senat nimmt ferner Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 23.07.2024 sowie - wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes - auf den vorgetragenen Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat sie keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte gem. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund einer Eigentumsverletzung an ihrem Sondereigentum gem. § 5 WEG oder am Gemeinschaftseigentum, denn es besteht bereits keine Passivlegitimation der Beklagten.
Es kann insoweit dahinstehen, ob das Landgericht aus eigener Sachkunde - ohne Gutachten - entscheiden konnte, dass es sich bei den behaupteten Wandrissen um Schäden am Gemeinschaftseigentum und nicht am Sondereigentum gehandelt hat, für welches die Klägerin zum damaligen Zeitpunkt noch nicht prozessführungsbefugt war. Denn durch die nach Abschluss der ersten Instanz erfolgte Abtretung eventueller Schadensersatzansprüche der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer an die Klägerin ist diese prozessführungsbefugt (a). Die Klage scheitert an der mangelnden Passivlegitimation der Beklagten (b).
a) Die Klägerin ist prozessführungsbefugt. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat der Klägerin gem. § 9a Abs. 2 WEG i.V.m. § 398 BGB sämtliche Ansprüche auf Schadensersatz gegen die Beklagte aus den von dieser verursachten Beschädigungen des Hauses O.straße ... - insbesondere im Bereich der Wände im Wohn- und Schlafzimmer der Wohnung O.straße ..., II. OG rechts - aufgrund Straßenbau- und Tiefbauarbeiten zur gerichtlichen Verfolgung abgetreten (vgl. Abtretungserklärung vom 11.4.2024, Bl. 27 EA sowie Protokoll der Eigentümerversammlung vom 11.4.2024, Bl. 29f. EA).
Die Abtretung von Ansprüchen gem. § 398 BGB an einzelne Wohnungseigentümer durch die Gemeinschaft ist zulässig (vgl. Abramenko in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 8. Auflage 2024, § 9a WoEigG, Rn. 62b). Insoweit sind bestimmbare Forderungen grundsätzlich - abgesehen von Ausnahmen - ohne Mitwirkung des Schuldners übertragbar. Auch künftige Forderungen sind abtretbar (vgl. BGH, Urteil vom 26. April 2005 - XI ZR 289/04, Rn. 15 mwN, NJW-RR 2005, 1408).
Die Klägerin darf sich auch auf die erst nach Abschluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz erfolgte Abtretung berufen, ohne dass der Erwerb dieser Rechtsposition als nachlässig iSv § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO gesehen werden müsste. Eine Pflicht zur beschleunigten Schaffung materiellrechtlicher Voraussetzungen kann den prozessrechtlichen Präklusionsvorschriften nicht entnommen werden. Insofern hat der Bundesgerichtshof die Präklusion eines Verteidigungsmittels abgelehnt, das der dortige Beklagte erst aufgrund eines von ihm während des Rechtsstreits erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses geltend machen konnte (BGH, Urteil vom 10. März 2011 - IX ZR 82/10; MDR 2011, 754, Rn. 18). Für einen Rechtserwerb im Wege der Abtretung kann nichts Anderes gelten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011 - X ZR 77/10, Rn. 14, juris).
b) Die Klage ist jedoch als unzulässig abzuweisen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 2018 - IV ZR 243/17, Rn. 32, juris), weil die nach § 51 Abs. 1 ZPO erforderliche Prozessführungsbefugnis der Beklagten nicht gegeben ist (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, Rn. 7, juris). Bei der gesetzlichen Prozessführungsbefugnis handelt es sich um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen ist (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1992 - XII ZR 125/91, NJW-RR 1993, 442; BGH, Urteil vom 24. September 1996 - XI ZR 185/94, WM 1996, 2247; BGH, Urteil vom 25. Mai 2005 - VIII ZR 301/03, Rn. 8, alle juris).
aa) Die Beklagte ist als Verwaltungshelferin in Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden wäre. Damit ist eine Überleitung der - hier behaupteten - Haftung der Beklagten auf die beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft erfolgt.
Gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG tritt - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegnerin des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. In diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 9; Urteil vom 9.10.2014 - III ZR 68/14, Rn. 8; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2017 - 7 U 97/16, Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 - I-11 U 77/21, Rn. 7, alle juris).
Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 11, juris). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden. Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss.
Es ist mithin eine Gesamtbetrachtung anzustellen, der ein "bewegliches Beurteilungsraster" zugrunde liegt: Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, Rn. 25, juris).
Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 12; Urteil vom 06.06.2019 - III ZR 124/18, Rn. 18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2017 - 7 U 97/16, Rn. 10; OLG Hamm, Urteil vom 29.07.2015 - 11 U 32/14, Rn. 15; OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2011 - 11 U 221/10, Rn. 19 ff. mwN; OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 - I-11 U 77/21, Rn. 8, alle zitiert nach juris).
Aber auch im Bereich der Daseinsvorsorge kann dann eine staatliche Haftung vorliegen, wenn der hoheitliche Charakter der Maßnahme im Vordergrund steht, ein enger Zusammenhang zwischen Maßnahme und schädigender Handlung besteht und keinerlei eigener Entscheidungs- und Ausführungsspielraum für den Unternehmer besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2014 - III ZR 68/14, Rn. 19, juris - Beauftragung eines Winterdienstes durch einen Hoheitsträger).
bb) So liegt der Fall hier. Die Arbeiten der Beklagten an der Infrastruktur - hier Entwässerungssystem - als Teil der Daseinsvorsorge haben hoheitlichen Charakter. Die Abwasserbeseitigung ebenso wie die Straßenbaulast gehören zur schlichten Hoheitsverwaltung im Bereich der Daseinsvorsorge; ihre Wahrnehmung ist Ausübung eines öffentlichen Amtes (vgl. Wingler in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 839 BGB (Stand: 15.11.2024), Rn. 68 ff. 75 mwN). Der hoheitliche Charakter der Maßnahme - Erneuerung des Schmutzwasserkanals - stand bei der Baumaßnahme auch im Vordergrund. Zwischen der Maßnahme und der schädigenden Handlung bestand ein enger äußerer und innerer Zusammenhang, denn die - behaupteten - Beschädigungen am Eigentum der Klägerin sollen durch die Maßnahme verursacht worden sein.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme wurden die Arbeiten am Entwässerungskanal von einem Hoheitsträger - der Landeshauptstadt Hannover - in Auftrag gegeben. Die Beklagte hatte bei der Ausführung des Auftrags keine eigenen Gestaltungs- oder Entscheidungsspielräume und keine Möglichkeit, von den Vorgaben ihrer Auftraggeberin abzuweichen. Diese hatte die einzelnen Arbeiten zuvor in einem Leistungsverzeichnis genau aufgeführt und war durch eigene Bauleiter vor Ort, die die Arbeiten der Beklagten überwacht und kontrolliert haben. Bei Problemen oder Fragen hat die Auftraggeberin, vertreten durch ihre Mitarbeiter, selbst entschieden.
Der Zeuge K. hat in seiner Vernehmung plausibel, ausführlich und nachvollziehbar ausgeführt, er sei Angestellter der Landeshauptstadt Hannover und als solcher Sachgebietsleiter bei der Stadtentwässerung, zuständig für den Kanalbau. Er sei damals im Jahr 2020/2021 für das hier streitige Projekt - Erneuerung des Schmutzwasserkanals der W.straße - verantwortlich gewesen. Das Bauvorhaben sei aufgrund einer öffentlichen Ausschreibung von der Landeshauptstadt Hannover an die Beklagte vergeben worden. Es habe ein sehr detailliertes Leistungsverzeichnis ("haarklein alles aufgeführt") gegeben, das der Auftragnehmerin keinen eigenen Gestaltungs- oder Entscheidungsspielraum gelassen habe. Alles sei vorgegeben gewesen, alle Arbeiten seien in Absprache mit der Stadtentwässerung durchgeführt worden. Sogar die eingesetzten Geräte seien kontrolliert worden. Bei Konflikten oder Fragen hätten die städtischen Mitarbeiter, nicht die Beklagte, entschieden.
Diese Angaben wurde auch von dem Zeugen H. bestätigt, der bekundet hat, zum Zeitpunkt der damaligen Arbeiten an dem Schmutzwasserkanal der W.straße bei der Beklagten als Bauleiter angestellt gewesen zu sein und die dortigen Arbeiten für die Beklagte betreut zu haben. Es sei damals nicht so gewesen, dass er und die übrigen Mitarbeiter der Beklagten eigenverantwortlich gearbeitet hätten. Alles sei mit der Stadt abgestimmt gewesen. Es habe Bauleiter der Stadtentwässerung gegeben, die alle Arbeiten der Beklagten kontrolliert und überwacht hätten. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten lediglich die Vorgaben der Stadt abgearbeitet. Wenn es Fragen oder Probleme gegeben habe, habe stets die Stadt entschieden.
Der Senat hat weder in Bezug auf die Aussagen des Zeugen K. noch in Bezug auf die ebenso nachvollziehbaren Angaben des Zeugen H., die sich zudem mit den Bekundungen des Zeugen K. decken, Zweifel, dass diese der Wahrheit entsprechen. Es ist überdies fernliegend, dass ein anderer als ein öffentlicher Auftraggeber - hier die Landeshauptstadt Hannover - die Erneuerung eines Schmutzwasserkanals über eine gesamte Straßenbreite in Auftrag geben würde. Hierzu gibt es seitens der Klägerin - außer dem einfachen Bestreiten, dem der Senat durch die Zeugenvernehmung nachgekommen ist - auch keinen Vortrag.
Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich insofern von demjenigen, den der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 13.04.2023 zu entscheiden hatte. Dort war dem von der öffentlichen Hand beauftragten Fachunternehmen bei der Montage von Schutzplanken ein eigener Entscheidungs- beziehungsweise Ausführungsspielraum gelassen worden, überdies stand dort der hoheitliche Charakter der Maßnahme nicht im Vordergrund (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, Rn. 28, 30, juris).
Der Senat verkennt nicht, dass eine Haftung des Staates insbesondere für den Bereich der Eingriffsverwaltung geboten ist, in dem der Staat mit hoheitlichen Anordnungen in die Rechts- und Freiheitssphäre von Bürgern eingreift und sich daher nicht der eigenen Haftung dadurch entziehen kann, dass er die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, Rn. 28 mwN, juris), welche hier nicht vorliegt. Dennoch kann - wie hier - auch im Bereich der Daseinsvorsorge eine Haftung des Staates bestehen, wenn der übertragene hoheitliche Charakter der Aufgabe im Vordergrund steht, ein enger Zusammenhang zwischen der Maßnahme und der schädigenden Handlung vorliegt und das private Unternehmen lediglich als "Werkzeug" oder "verlängerter Arm" der öffentlichen Hand agiert, ohne dass diese auf die Fachkunde des Unternehmers zurückgreift, weil ihre eigenen Fachleute den detaillierten Bauablauf vorgegeben haben, diesen überwachen und alle anfallenden Entscheidungen treffen.
2. Mangels Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.
V.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.