Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.02.2025, Az.: 4 B 321/24
Aufschiebende Wirkung; Feuerwehrkosten; öffentliche Abgaben und Kosten
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 06.02.2025
- Aktenzeichen
- 4 B 321/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 11886
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2025:0206.4B321.24.00
Rechtsgrundlagen
- NBrandSchG § 29 Abs. 3
- VwGO § 80 Abs. 1 Satz 1
- VwGO § 80 Abs. 1 Satz 1
- VwGO § 80 Abs. 1 Satz 1
- VwGO § 80 Abs. 1 Satz 1
- VwGO § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Fundstelle
- Gemeindehaushalt 2025, 216
Amtlicher Leitsatz
Die Klage gegen einen Feuerwehrkostenbescheid auf der Grundlage von § 29 Abs. 3 NBrandSchG entfaltet aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO
- 1.
Die Klage gegen den Feuerwehrkostenbescheid entfaltet aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Ausnahmevorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO findet keine Anwendung.
- 2.
Die Gebühren für Einsätze der Feuerwehr auf der Grundlage von § 29 Abs. 3 NBrandSchG sind keine öffentlichen Abgaben i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwGO, weil diese nicht die Finanzierungsfunktion erfüllen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der landesrechtlichen Ausgestaltung der Feuerwehrkostenerhebung als Gebühr .
- 3.
Feuerwehrkosten ist immanent, dass der Kostenersatz und dessen Umfang sich nach den nicht von vornherein feststehenden besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls richtet, weshalb mit diesen Mitteln keine stetig fortlaufende und vorhersehbare Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs erreicht werden kann.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 135,00 EUR festgesetzt.
Gründe
Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Feuerwehrkostenbescheid des Antragsgegners vom 13. November 2024, Az: D., anzuordnen,
ist abzulehnen, weil er unzulässig ist.
Denn die von der Antragstellerin am 25. November 2024 erhobene Klage entfaltet nach § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufschiebende Wirkung.
Nach Auffassung der Kammer findet die einzig in Betracht kommende Ausnahmevorschrift des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf den vorliegenden Fall keine Anwendung. Nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung einer Klage bei der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten.
Bei den vorliegend von der Antragsgegnerin geltend gemachten Feuerwehrkosten für einen nach ihrer Auffassung nach entgeltpflichtigen Einsatz von Feuerwehren verschiedener Mitgliedsgemeinden am 19. März 2022 handelt es sich weder um die Anforderung öffentlicher Abgaben, noch um die Anforderung öffentlicher Kosten.
Zunächst einmal handelt es sich bei den geltend gemachten Feuerwehrkosten nicht um Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 VwGO. Denn der Kostenbegriff der Vorschrift umfasst nur die öffentlich-rechtlichen Gebühren und Auslagen, die in einem förmlichen Verwaltungsverfahren nach den Vorschriften der Verwaltungskostengesetze auferlegt werden (Puttler, in: NK-VwGO, 5. Aufl. 2018, VwGO § 80 Rn. 6; Schoch, in: Schoch/Schneider, 46. EL August 2024, VwGO § 80 Rn. 139). Damit fallen neben den Gebühren und Kosten im Ausgangsverfahren auch die Gebühren und Kosten unter die Regelung der Nr. 1, die im Widerspruchsverfahren geltend gemacht und festgesetzt werden, nicht jedoch Schadensersatz-, Aufwendungsersatz- und sonstige durch Verwaltungsakt geltend gemachte Erstattungsansprüche, die außerhalb eines Verwaltungsverfahrens entstehen (Bostedt, in: HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, VwGO § 80 Rn. 50). Kosten für einen Feuerwehreinsatz entstehen außerhalb des Verwaltungsverfahrens (vgl. auch Schoch, in: Schoch/Schneider, 46. EL August 2024, VwGO § 80 Rn. 144).
Des Weiteren fallen Feuerwehrkosten nach Auffassung der Kammer jedoch auch nicht unter den Begriff der "öffentlichen Abgaben" i.S.d. § 80 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 VwGO.
Öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind neben Steuern, Beiträgen und Gebühren auch sonstige Abgaben, die eine Finanzierungsfunktion erfüllen. Das ist der Fall, wenn der Hoheitsträger sich mit ihrer Hilfe eine Einnahmequelle erschließt, die es ihm ermöglicht, seine eigenen Ausgaben voll oder jedenfalls teilweise zu decken (BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 26.03.2014 - 13 ME 21/14 -, juris Rn. 8).
Die Abgabe muss jedoch nicht allein oder primär der Finanzierung dienen, sondern kann daneben - mit gleichem Stellenwert - auch eine Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion besitzen, solange die Finanzierungsfunktion gegenüber den übrigen Zwecken der Abgabe nicht in den Hintergrund tritt und nur noch als Nebeneffekt erscheint (Nds. OVG, Beschluss vom 26.03.2014 - 13 ME 21/14 -, juris Rn. 8).
Für die geforderte Finanzierungsfunktion reicht allerdings die schlichte Absicht der Erzielung von Einnahmen nicht aus, die jeder Geldforderung der öffentlichen Hand in Zeiten angespannter Haushalte immanent ist. Die Finanzierungfunktion muss vielmehr der einer Steuer, einer Gebühr oder eines Beitrags vergleichbar sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, juris Rn. 17). Das ist dann der Fall, wenn mit der betreffenden "Abgabe" eine stetig fortlaufende und vorhersehbare Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs im Sinne einer geordneten Haushaltsführung erreicht wird und beabsichtigt ist. Der am fortlaufenden Eingang finanzieller Mittel interessierten öffentlichen Hand sollen nach dem Zweck der Ausnahmevorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO durch die Einlegung von Rechtsbehelfen lediglich solche Gelder nicht vorenthalten werden, auf deren Eingang sie fest rechnen durfte, und die sie daher für ihre Aufgabenerfüllung eingeplant hat. Nur dann ist das Entfallen der gesetzlich grundsätzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 24.06.1996 - 10 M 944/96 -, juris, Rn. 4, Beschluss vom 26.03.2014 - 13 ME 21/14 -, juris Rn. 8; Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 80 Rn. 26; Schoch, in: Schoch/Schneider, 46. EL August 2024, VwGO § 80 Rn. 132).
Zwar spräche für eine Einordnung der Feuerwehrkosten als "öffentliche Abgabe" i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO grundsätzlich die im niedersächsischen Landesrecht gewählte Ausgestaltung, wonach die Kommunen Feuerwehrkosten als Gebühren und Auslagen auf Grundlage von § 29 Abs. 2 und Abs. 3 Nds. Brandschutzgesetz (NBrandSchG) außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben nach dem Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) erheben und die Kommunen hierfür entsprechende Gebührensatzungen erlassen (so VG Lüneburg, Beschluss vom 29.03.2021 - 3 B 3/21 -, juris Rn. 3; für das ähnlich ausgestaltete hessische Landesrecht Hess. VGH, Beschluss vom 03.05.2016 - 5 B 603/16 -, juris Rn. 3, im Ergebnis ohne weitere Begründung auch Schenke, in: Kopp/Schenke, VWGO, § 80 Rn. 589; VG Hannover, Beschluss vom 11.10.2022 - 10 B 3902/22 -, n.v.; VG Braunschweig, Beschluss vom 10.11.2010 - 1 B 175/20 -, n.v., die sämtlich von einer Einordnung als "öffentliche Abgabe" und damit einem Wegfall der aufschiebenden Wirkung ausgehen; offengelassen für das niedersächsische Landesrecht vom Nds. OVG, Beschluss vom 06.07.2018 - 11 ME 191/18 -, n.v.).
Bei einer Qualifizierung der Feuerwehr als öffentliche Einrichtung nach § 5 Abs. 2 Satz 1 NKAG ergibt sich aus der gesetzlichen Bestimmung, dass das Gebührenaufkommen die Kosten der jeweiligen Einrichtung decken soll, sodass die Gebühren für Feuerwehreinsätze eine Finanzierungsfunktion erfüllen (so VG Lüneburg, Beschluss vom 29.03.2021 - 3 B 3/21 -, juris Rn. 3; a.A. Scholz/Runge, Nds. Brandschutzgesetz, 9. Auflage 2020, § 29 Rn. 9, der davon ausgeht, dass es sich bei dem Verweis auf das NKAG lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung handelt und kein Benutzungsverhältnis im Sinne des NKAG begründet wird). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass aufgrund der Unentgeltlichkeit der Tätigkeit der Feuerwehr bei der Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben die Bestimmung für die Feuerwehr ohnehin nur eingeschränkt mit dem Ziel, höchstens die anteiligen Kosten der entgeltlichen Feuerwehreinsatzfälle zu decken, gelten kann (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.06.2012 - 11 LC 234/11 -, juris Rn. 37).
Jedoch genügt die Annahme, dass die durch Gebührenbescheide eingenommenen Feuerwehrkosten jedenfalls teilweise der Finanzierung der jeweiligen Feuerwehr diesen, nicht für die Einordnung als "öffentliche Abgaben" i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Denn es fehlt für die Annahme der geforderten Finanzierungsfunktion an der weiteren Voraussetzung, dass mit der betreffenden "Abgabe" eine stetig fortlaufende und vorhersehbare Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs im Sinne einer geordneten Haushaltsführung erreicht wird und beabsichtigt ist.
Hinsichtlich der Beantwortung der Frage, ob mit den Mitteln eine solche stetig fortlaufende und vorhersehbare Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs erreicht und beabsichtigt ist, kann es zunächst nicht auf die jeweilige landesrechtliche formelle gesetzliche Ausgestaltung - d.h. darauf, ob die Feuerwehrkosten als "Kosten" oder "Gebühren" nach Landesrecht erhoben werden, ankommen.
Denn allen Feuerwehrkosten ist immanent, dass der Kostenersatz und dessen Umfang sich nach den - jeweils vom Zufall abhängigen - besonderen Gegebenheiten des konkreten Einzelfalls, d.h. des vorausgehenden Einsatzgeschehens richtet. Ob und in welchem Umfang ein Hoheitsträger in einem Haushaltsjahr Kosten für entgeltliche Feuerwehreinsätze wird vereinnahmen können, kann dieser deshalb im Vorfeld nicht absehen, da weder die Anzahl der Feuerwehreinsätze an sich, noch der Anteil derer, die entgeltlich erfolgen, im Vorhinein bekannt ist (so Thür. OVG, Beschluss vom 14.02.2008 - 3 EO 838/07 -, juris Rn. 3 ff.; Bay. VGH, Beschluss vom 18.08.2011 - 4 CS 11.504 -, juris Rn. 8; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 12. 02.2014 - 7 B 11346/13 -, juris Rn. 5 f., die eine Qualifizierung als öffentliche Abgabe i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ablehnen und somit von einer aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Kostenbescheid ausgehen).
Bei Feuerwehrkosten handelt es sich damit nicht um solche Gelder, mit deren Eingang der Hoheitsträger fest rechnen durfte. Dieser Eindruck wird noch dadurch verstärkt, dass die Erhebung der Feuerwehrkosten vollumfänglich im Ermessen (Entschließungs- und Auswahlermessen sowie Ermessen hinsichtlich der Gebührenhöhe; vgl. z.B. VG Lüneburg, Urteil vom 15.11.2022 - 3 A 88/21 -, juris Rn. 28) des jeweiligen Hoheitsträgers steht (vgl. auch Thür. OVG, Beschluss vom 14.02.2008 - 3 EO 838/07 -, juris Rn. 7; Bay. VGH, Beschluss vom 18.08.2011 - 4 CS 11.504 -, juris Rn. 8).
Schließlich ist zu beachten, dass die nach Landesrecht vorgesehene Anwendbarkeit des jeweiligen Kommunalabgabengesetzes auf Feuerwehrkosten nicht zugleich bedeutet, dass diese dem Begriff der öffentlichen Abgabe nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO unterfallen. Denn diese Vorschrift ist als Ausnahmebestimmung restriktiv auszulegen, weil die in § 80 Abs. 1 VwGO vorgesehene aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eine Ausprägung der verfassungsrechtlichen Rechtsschutzgarantie und eine fundamentale Regel öffentlich-rechtlicher Anfechtungsprozesse ist (vgl. Bay. VGH, Urteil vom 06.05.2021 - 4 B 20.2596 -, juris Rn. 30).
Wenn nach alledem die Finanzierungsfunktion nicht eingreift, kann nicht zum Nachteil der Adressaten eine sofortige Vollziehbarkeit von Feuerwehrkostenbescheiden angenommen werden. Hierbei bleibt es dem jeweiligen Hoheitsträger unbenommen bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen im Einzelfall die sofortige Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO anzuordnen. Eine entsprechende Anordnung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt.
Schließlich ist der Antrag auch nicht deshalb ausnahmsweise zulässig, weil ein faktischer Vollzug droht. Faktischer Vollzug liegt vor, wenn die Behörde unter Missachtung der bestehenden aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 1 VwGO) Vollziehungsmaßnahmen trifft (Gersdorf, in: BeckOK VwGO, 72. Ed. 1.1.2024, VwGO § 80 Rn. 156). Im vorliegenden Fall gibt es jedoch keine Anhaltspunkte für beabsichtigte Vollziehungsmaßnahmen der Antragsgegnerin.
Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG. Dabei hat das Gericht entsprechend der Empfehlungen in Ziffer 1.5 Satz 1 Var. 3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ Beilage 2013, 57) ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts angesetzt.