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  • ab 19.04.1983 (aktuelle Fassung)

Abschnitt 74 VV-BBauG - Zulässigkeit von Vorhaben auf Grund des Bestandsschutzes oder einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition

Bibliographie

Titel
Verwaltungsvorschriften zum Bundesbaugesetz (VV-BBauG)
Amtliche Abkürzung
VV-BBauG
Normtyp
Verwaltungsvorschrift
Normgeber
Niedersachsen
Gliederungs-Nr.
21074000000001

Liegen die Voraussetzungen der §§ 30 bis 35 nicht vor, so kann ein Vorhaben dennoch auf Grund Art. 14 Abs. 1 GG zulässig sein, wenn

  • das Vorhaben Bestandsschutz genießt oder
  • eine eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition vorliegt.

74.1
Bestandsschutz

74.1.1
Bestandsschutz liegt vor, wenn und weil in formell oder materiell legaler Eigentumsausübung ein Bestand geschaffen oder genutzt wurde, der weiterhin schutzwürdig ist, auch wenn die bauliche Anlage nach den inzwischen geltenden Rechtsvorschriften unzulässig ist.

74.1.2
Der Bestandsschutz hat in erster Linie den Schutz der Bestandsnutzung zum Inhalt. Er schließt eine Beseitigungsanordnung oder Nutzungsuntersagung aus.

74.1.3
Der Bestandsschutz sichert darüber hinaus auch die Bestandsnutzung für die Zukunft. Er gewährt insbesondere einen Anspruch auf Instandsetzungsmaßnahmen.

74.1.4
Der Bestandsschutz erfaßt auch bauliche Veränderungen oder Erweiterungen, soweit sie erforderlich sind, um den vorhandenen Bestand weiterhin funktionsgerecht zu nutzen.

Dies ist der Fall, wenn das Vorhaben an gewandelte Lebensverhältnisse angepaßt werden muß, z.B. Aus- oder Anbau von Bädern.

74.1.5
Der Bestandsschutz kann auch ein zusätzliches Vorhaben auf dem Baugrundstück rechtfertigen, soweit dies erforderlich ist, um einen vorhandenen Bestand funktionsgerecht zu nutzen (überwirkender Bestandsschutz). Der überwirkende Bestandsschutz kommt insbesondere bei der Anpassung von baulichen Anlagen an veränderte Lebensgewohnheiten oder den technischen Fortschritt in Betracht.

74.1.6
Vom Bestandsschutz gedeckt sind solche Maßnahmen, bei denen die Identität der wiederhergestellten mit der ursprünglichen baulichen Anlage gewahrt bleibt. Die Funktion der baulichen Anlage darf nicht, Standort und Bauvolumen dürfen nicht wesentlich geändert werden.

Die Identität ist nicht gewahrt, wenn

  • der Eingriff in den vorhandenen Bestand seiner Qualität nach so intensiv ist, daß er die Standfestigkeit der gesamten baulichen Anlage berührt, also nicht mehr isoliert baupolizeilich-statisch geprüft werden kann, sondern eine Nachrechnung des gesamten Gebäudes erforderlich macht oder
  • der für die Instandsetzung notwendige Arbeitsaufwand seiner Quantität nach den Arbeitsaufwand für einen Neubau erreicht oder gar übersteigt.

74.1.7
Erweiterungen sowie Maßnahmen auf Grund des überwirkenden Bestandsschutzes dürfen den vorhandenen Bestand nicht wesentlich erweitern. Sie müssen sich dem Vorhandenen quantitativ unterordnen.

74.1.8
Der Bestandsschutz erstreckt sich auf das vorhandene Gebäude für die Dauer seines Bestandes. Er setzt voraus, daß der vorhandene Bestand unabhängig von der Wiederherstellung noch funktionsgerecht nutzbar ist.

74.1.9
Der Bestandsschutz endet, sobald die geschützte Anlage nicht mehr oder nur noch aus nicht mehr nutzbaren Teilen besteht. Er deckt weder die Ersetzung noch den Wiederaufbau der Anlage.

74.1.10
Der Bestandsschutz kann auch durch allmählichen Verfall verlorengehen.

74.2
Eigentumskräftig verfestigte Anspruchsposition:

Das Bestehen einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition setzt voraus, daß

  • überhaupt irgendwann ein Anspruch auf Zulassung der Bebauung entstanden ist, jedoch nicht verwirklicht wurde,
  • dieser Anspruch nach Art. 14 Abs. 1 GG gegen eine entschädigungslose Entziehung geschützt, also Eigentum im Sinne dieser Vorschrift geworden ist.

Ob eine eigentumskräftige Verfestigung vorliegt, hängt von der Lage des Grundstückes und von der auf sie reagierenden Verkehrsauffassung ab. Entscheidend ist, ob sich nach der Verkehrsauffassung aus der gegebenen Situation die vom Eigentümer beabsichtigte Art der Nutzung eines Grundstückes aufdrängt.

Bei sonstigen Vorhaben im Außenbereich (§ 35 Abs. 2) werden die Voraussetzungen einer eigentumskräftig verfestigten Anspruchsposition nur selten vorliegen. Sie sind ausgeschlossen, wenn das Grundstück weder erschlossen noch seine Erschließung gesichert ist.