Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.11.2024, Az.: 8 TaBV 27/24
Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats einer Pflegeeinrichtung bei einer Versetzung eines Arbeitnehmers zu einem anderen Wohnbereich
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 27.11.2024
- Aktenzeichen
- 8 TaBV 27/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 30929
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:1127.8TaBV27.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Braunschweig - 27.02.2024 - AZ: 2 BV 8/23
Rechtsgrundlagen
- § 95 Abs. 3 S. 1 BetrVG
- § 99 BetrVG
Fundstellen
- ArbR 2025, 109
- EzA-SD 6/2025, 7
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
In einer Pflegeeinrichtung stellt die Zuweisung eines Arbeitnehmers zu einem anderen Wohnbereich nur dann eine Versetzung dar, wenn es sich bei den Wohnbereichen um jeweils eigenständige Arbeitsbereiche im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt. Von einem eigenständigen Arbeitsbereich ist auszugehen, wenn sich für den Arbeitnehmer auf Grund eines Wohnbereichswechsels ein spürbar anderes "Arbeitsregime" ergibt.
- 2.
Ist die Betreuung eines Heimbewohners nicht einem konkreten Arbeitnehmer zugeordnet, sondern findet - auch innerhalb eines Wohnbereichs - eine alternierende Betreuung statt, wird die Tätigkeit nicht durch die ständige Betreuung bestimmter Personen geprägt, sodass die Zuweisung eines anderen Wohnbereichs in dieser Hinsicht keine nennenswerte Änderung bewirkt.
- 3.
Auch spricht es gegen eine mit einem Wohnbereichswechsel verbundene erhebliche Änderung der Umstände, wenn die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht den Charakter einer Gruppen- oder Teamarbeit hat, sondern die Arbeitnehmer die Heimbewohner vielmehr ganz überwiegend allein pflegen.
- 4.
Auch der bloße Umstand, dass Wohnbereiche über eine jeweils eigene Wohnbereichsleitung verfügen, führt noch nicht zu der Annahme, dass es sich um eigenständige Arbeitsbereiche im Sinne des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt. Ein spürbar anderes Arbeitsregime vermag in der Regel erst dann von den unmittelbaren Vorgesetzten auszugehen, wenn diese über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung, besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen.
- 5.
Bei der Arbeit am Empfang einer Pflegeeinrichtung handelt es sich um einen Teil der in einer Pflegeeinrichtung anfallenden Verwaltungstätigkeit.
Tenor:
- 1.
In einer Pflegeeinrichtung stellt die Zuweisung eines Arbeitnehmers zu einem anderen Wohnbereich nur dann eine Versetzung dar, wenn es sich bei den Wohnbereichen um jeweils eigenständige Arbeitsbereiche iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt. Von einem eigenständigen Arbeitsbereich ist auszugehen, wenn sich für den Arbeitnehmer auf Grund eines Wohnbereichswechsels ein spürbar anderes "Arbeitsregime" ergibt.
- 2.
Ist die Betreuung eines Heimbewohners nicht einem konkreten Arbeitnehmer zugeordnet, sondern findet - auch innerhalb eines Wohnbereichs - eine alternierende Betreuung statt, wird die Tätigkeit nicht durch die ständige Betreuung bestimmter Personen geprägt, so dass die Zuweisung eines anderen Wohnbereichs in dieser Hinsicht keine nennenswerte Änderung bewirkt.
- 3.
Hat die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht den Charakter einer Gruppen- oder Teamarbeit, sondern pflegen die Arbeitnehmer die Heimbewohner vielmehr ganz überwiegend allein, spricht dies gegen eine mit einem Wohnbereichswechsel verbundene erhebliche Änderung.
- 4.
Der bloße Umstand, dass Wohnbereiche über eine jeweils eigene Wohnbereichsleitung verfügen, führt noch nicht zu der Annahme, dass es sich um eigenständige Arbeitsbereiche iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt. Ein spürbar anderes Arbeitsregime vermag idR. erst dann von den unmittelbaren Vorgesetzten auszugehen, wenn diese über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung, besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1.) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 27.02.2024 - 2 BV 8/23 - wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlussbeschwerde der Beteiligten zu 2.) und unter ihrer Zurückweisung im Übrigen wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 27.02.2024 - 2 BV 8/23 - teilweise abgeändert:
Der Beteiligten zu 2.) wird aufgegeben, bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 10.000 Euro es zu unterlassen, künftig Einstellungen in ihrem Betrieb in A-Stadt vorzunehmen, ohne die Zustimmung des Beteiligten zu 1.) hierzu einzuholen oder eine verweigerte Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen oder den Beteiligten zu 1.) über eine vorläufige Maßnahme nach § 100 Abs. 1 BetrVG zu informieren und bei dessen Bestreiten binnen drei Tagen das Arbeitsgericht anzurufen.
Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für den Beteiligten zu 1. insoweit zugelassen, als sein Antrag zu 3. und der darauf bezogene Hilfsantrag hinsichtlich der Versetzung abgewiesen worden sind. Im Übrigen wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um Unterlassungsansprüche des Beteiligten zu 1. (im Folgenden: Betriebsrat) anlässlich organisatorischer Änderungen im Betrieb der Beteiligten zu 2. (im Folgenden: Arbeitgeberin) in A-Stadt.
Die Arbeitgeberin betreibt mehrere Pflegeeinrichtungen. An ihrem Standort in A-Stadt, an dem 67 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, ist der Beteiligte zu 2. als Betriebsrat gebildet.
Der Standort in A-Stadt gliedert sich in drei Wohnbereiche, die den Etagen der Einrichtung entsprechen: den "F." mit Platz für 17 Heimbewohner, den "S." mit Platz für 42 Heimbewohner und die "R." mit Platz für 40 Heimbewohner. Jeder Wohnbereich untersteht einer Wohnbereichsleitung und deren Stellvertretung. Heimbewohner werden den drei Wohnbereichen frei zugewiesen, eine Spezialisierung der Flure gibt es nicht. Die Arbeitgeberin bietet keine Intensivpflege an, auch gibt es keinen geschützten Bereich für Pflegebedürftige mit Demenz. Die konkret zu erbringende Pflegeleistung richtet sich nach dem Bedarf des jeweiligen Pflegebedürftigen. Die Zuordnung der Mitarbeitereinsätze erfolgt nach Dienstplänen. Für die Zahl der eingesetzten Mitarbeiter, ausgehend vom Pflegegrad der zu pflegenden Personen, ist der Pflegeschlüssel maßgeblich.
Die Arbeitgeberin betraute zwischen dem 16.08.2022 und dem 13.09.2022 die Arbeitnehmerin B., die in der Verwaltung tätig ist, mit Aufgaben am Empfang / an der Rezeption, was mit Publikumskontakt verbunden war. Hierzu wurde der Betriebsrat nicht beteiligt.
Zum 01.10.2022 betraute die Arbeitgeberin ferner die Arbeitnehmerin Frau W. mit Aufgaben im Bereich "F." anstelle des vorherigen Bereichs "R." und die Arbeitnehmerin Frau T. mit Aufgaben im Bereich "R." anstelle des vorigen Bereichs "F.".
Mit Beginn des Monats Dezember 2022 bewohnten noch 7 Heimbewohner den "F.". Die Arbeitgeberin informierte den Betriebsrat hierzu mündlich, dass im Bereich "F." keine Bewohner mehr aufgenommen würden. Eine weitere Information seitens der Arbeitgeberin an den Betriebsrat erfolgte trotz dessen schriftlicher Nachfrage nicht. Die Arbeitgeberin wies in Konsequenz der geringen Belegung den Arbeitnehmern, die zuvor ihre Arbeit im Wohnbereich "F." verrichtet hatten - zunächst mit Ausnahme von Frau W. - zum 01.12.2022 Aufgaben in den beiden anderen Wohnbereichen zu.
Am 01.12.2022 hospitierte Herr H. im A-Stadter Betrieb. Ab dem 01.01.2023 nahm er ein Arbeitsverhältnis mit der Arbeitgeberin auf. Der Betriebsrat wurde weder bei der Hospitation noch bei der späteren Einstellung beteiligt.
Der Betriebsrat hat erstinstanzlich vorgetragen, die Maßnahmen der Arbeitgeberin in A-Stadt stellten Betriebsänderungen dar. Die Arbeitgeberin dürfe diese nicht durchführen, ohne den Betriebsrat rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Er besitze aufgrund der geschehenen Verstöße einen Unterlassungsanspruch. Weiter stellten sowohl die Hospitation als auch der spätere Abschluss eines Arbeitsvertrages mit Herrn H. Einstellungen im Sinne der §§ 99, 100 BetrVG dar, an welchen die Arbeitgeberin den Betriebsrat entgegen den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes nicht beteiligt habe. Die personellen Maßnahmen in Bezug auf Frau B., Frau W. und Frau T. sowie die zum 01.12.2022 gegenüber den Arbeitnehmern, die zuvor ihre Arbeit im Wohnbereich "F." verrichtet hatten, erfolgten personellen Maßnahmen stellten Versetzungen im Sinne der §§ 99, 100 BetrVG dar. Bei den Zuweisungen der mindestens acht Arbeitnehmer aus dem "F." in die beiden anderen Wohnbereiche handele es sich entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin deshalb um Versetzungen im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG, zu denen die Arbeitgeberin den Betriebsrat hätte beteiligen müssen, weil es dafür genüge, dass die Mitarbeiter, die zuvor dem "F." zugewiesen gewesen seien, nun andere Bewohner zu betreuen hätten. Vereinzelte Einsätze in anderen Wohnbereichen als demjenigen, dem ein Arbeitnehmer zugeordnet sei, erfolgten entgegen der Behauptung der Arbeitgeberin erst seit Anhängigkeit dieses Beschlussverfahrens. Soweit die Arbeitgeberin ihre Pflichten nach §§ 99, 100 BetrVG verletzt habe, ergäben sich entsprechende Unterlassungsansprüche des Betriebsrates.
Der Betriebsrat hat vor dem Arbeitsgericht, nachdem dieses weitere Verfahrensgegenstände zur gesonderten Verhandlung unter dem erstinstanzlichen Aktenzeichen 2 BV 18/23 abgetrennt hat, beantragt,
- 1.
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Beteiligten zu 1. und Beratung mit dem Beteiligten zu 1. in ihrem Betrieb in A-Stadt Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben können, durchzuführen, insbesondere Schließungen von wesentlichen Betriebsteilen durchzuführen,
- 2.
hilfsweise zu Ziff. 1 der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Beteiligten zu 1. und Beratung mit dem Beteiligten zu 1. aufgrund einer einheitlichen Planungsentscheidung in ihrem Betrieb in A-Stadt in einem Wohnbereich Personal abzubauen, das mindestens 10 % des gesamten Personals des Betriebs in A-Stadt ausmacht,
- 3.
der Beteiligten zu 2. aufzugeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige Unterrichtung des Beteiligten zu 1., sowie Vorlage der vollständigen Bewerbungsunterlagen und Auskunft über die Person der beteiligten Arbeitnehmer an diesen, sowie Mitteilung des in Aussicht genommenen Arbeitsplatzes und Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder im Verweigerungsfall die Ersetzung der fehlenden Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in ihrem Betrieb in A-Stadt
Einstellungen (einschließlich Hospitationen) durchzuführen sowie
Arbeitnehmern, die üblicherweise ständig an einem bestimmen Arbeitsplatz beschäftigt werden, entweder für voraussichtlich eine längere Dauer als einen Monat oder in Verbindung mit einer erheblichen Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, andere Arbeitsbereiche zuzuweisen,
es sei denn, sie werden als vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG nach entsprechender Unterrichtung des Beteiligten zu 1. durchgeführt.
- 4.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Ziff. 1 - 3 - im Fall der Ziff. 3 bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer und im Fall der Ziff. 1 und 2 bezogen auf jeden Fall und jeden Arbeitnehmer - wird der Beteiligten zu 2. ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 € angedroht.
Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Sie hat vor dem Arbeitsgericht vorgetragen, dem Betriebsrat stünden Mitbestimmungsrechte anlässlich der Nichtbeschäftigung im Wohnbereich "F." nicht zu. Hierin liege keine Versetzung und auch keine Betriebsänderung. Ein Personalabbau habe entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht stattgefunden. Die niedrige Fachkräftequote und drohende Maßnahmen der Heimaufsicht sowie natürliche Abgänge hätten sie dazu veranlasst, die Betreuung des F. auf die weiteren Wohnbereiche zu verteilen. Inhaltlich hätten sich die Aufgaben der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jedoch nicht geändert. Insbesondere im Nachtdienst sei ein Einsatz zudem stets wohnbereichsübergreifend erfolgt. Nur sechs Mitarbeiter seien zuvor dem "F." zugewiesen gewesen. Jeweils nur 15 Mitarbeiter seien den Wohnbereichen "R." und "S." fest zugeordnet, alle anderen Mitarbeiter hätten bereits vor der streitgegenständlichen Maßnahme bereichsübergreifend gearbeitet. Grundsätzlich sei das System bei ihr von Durchlässigkeit zwischen den Wohnbereichen geprägt. Auch die jeweiligen Wohnbereichsleitungen unterlägen den Weisungen der Pflegedienstleitung und vollzögen diese, hätten hingegen keine eigenen Personalbefugnisse. Die Betreuung der Rezeption durch Frau B. sei bis zur Corona-Epidemie bereits Teil von deren Verwaltungstätigkeit gewesen. Hospitationen seien keine Einstellungen im Sinne des § 99 Betriebsverfassungsgesetz.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die dort zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolle der Sitzungen des Arbeitsgerichts und auf die Ausführungen unter I. des arbeitsgerichtlichen Beschlusses Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.02.2024 hat das Arbeitsgericht dem Antrag des Betriebsrats insoweit stattgegeben, als es der Arbeitgeberin aufgegeben hat, es zu unterlassen, ohne ordnungsgemäße Beteiligung des Betriebsrates in ihrem Betrieb in A-Stadt Einstellungen durchzuführen, sowie Arbeitnehmern, die üblicherweise ständig an einem bestimmten Arbeitsplatz beschäftigt werden, entweder für voraussichtlich eine längere Dauer als einen Monat oder in Verbindung mit einer erheblichen Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, andere Arbeitsbereiche zuzuweisen, es sei denn, sie werden als vorläufige personelle Maßnahmen nach § 100 BetrVG nach entsprechender Unterrichtung des Beteiligten zu 1. durchgeführt. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtungen hat das Arbeitsgericht der Arbeitgeberin bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 EUR angedroht. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrates zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es sei weder eine Stilllegung noch eine Einschränkung eines wesentlichen Betriebsteils anzunehmen, die eine Verletzung von Mitbestimmungsrechte nach sich hätte ziehen und einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrats hätte begründen können. Der Antrag zu 2. sei zurückzuweisen gewesen, weil schon der Betriebsrat selbst einen Abbau von Personal bezogen auf den Betrieb im Sinne einer arbeitgeberseitig veranlassten Beendigung von Arbeitsverhältnissen nicht geltend mache. Die bloße Hospitation von Herrn H. habe mangels Eingliederung in die betriebliche Organisation mit dem Ziel der Mitwirkung an einem arbeitstechnischen Zweck noch keine Einstellung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG dargestellt. Dementsprechend habe die Arbeitgeberin im Rahmen der Durchführung der Hospitation nicht gegen Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates verstoßen. Die Neubegründung des Arbeitsverhältnisses mit Herrn H. stelle hingegen eine Einstellung iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG dar, an der die Arbeitgeberin ihren Betriebsrat in A-Stadt habe beteiligen müssen, was nicht geschehen sei. Hierbei handele es sich um einen groben Pflichtenverstoß der Arbeitgeberin im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, der gemäß § 890 Abs. 1 Abs. 2 ZPO auf Antrag des Betriebsrats wegen einer jeden zukünftigen Zuwiderhandlung die Androhung eines Ordnungsgeldes rechtfertige. Bei der Umsetzung einer Pflegekraft innerhalb eines Seniorenheims von einer Station auf die andere mit der Dauer von mehr als einem Monat handele es sich um eine Versetzung im Sinne § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG, die dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG unterliege. In dieser Maßnahme liege aufgrund der Veränderungen durch die Zuweisung der Arbeit in einer anderen Betriebseinheit mit anderen Heimbewohnern, Vorgesetzten und Kollegen die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, auch wenn im Übrigen die Tätigkeit gleichbleibe. Die Neuzuweisung der betroffenen Arbeitnehmer aus dem "F." sei daher eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Auch die - wenngleich nur kurz andauernde - Übernahme von Rezeptionsaufgaben mit Außenkontakt seitens Frau B. sei als Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG zu qualifizieren. Die unterlassenen Beteiligungen des Betriebsrates bei diesen Versetzungen stellten grobe Pflichtenverstöße dar, die die Androhung eines Ordnungsgeldes rechtfertigten.
Gegen diesen Beschluss, der ihm am 18.03.2024 zugestellt worden ist, hat der Betriebsrat mit Schriftsatz vom 17.04.2024, bei dem erkennenden Gericht eingegangen am 18.04.2024, Beschwerde erhoben und diese nach antragsgemäßer Fristverlängerung auf den 17.06.2024 mit einem am 14.06.2024 bei dem erkennenden Gericht eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums auch begründet. Er meint, das Arbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, dass die Arbeitgeberin den Wohnbereich im "F." geschlossen habe - was rechtlich eine Betriebsänderung darstelle -, ohne den Betriebsrat hinreichend zu informieren. Hospitationen stellten entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts Einstellungen im Sinne des § 99 BetrVG dar. Auch bezüglich der fehlenden Unterrichtung über durchgeführte Hospitationen habe der Betriebsrat daher einen Unterlassungsanspruch.
Der Betriebsrat beantragt,
- 1.
Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Beteiligten zu 1. und Beratung mit dem Beteiligten zu 1. in ihrem Betrieb in A-Stadt Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben können, durchzuführen, insbesondere Schließungen von wesentlichen Betriebsteilen durchzuführen.
- 2.
Hilfsweise zu Ziff. 1: Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige und umfassende Unterrichtung des Beteiligten zu 1. und Beratung mit dem Beteiligten zu 1. aufgrund einer einheitlichen Planungsentscheidung in ihrem Betrieb in A-Stadt in einem Wohnbereich Personal abzubauen, das mindestens 10 % des gesamten Personals des Betriebs in A-Stadt ausmacht.
- 3.
Der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, es zu unterlassen, ohne rechtzeitige Unterrichtung des Beteiligten zu 1., sowie Vorlage der vollständigen Bewerbungsunterlagen und Auskunft über die Person der beteiligten Arbeitnehmer an diesen, sowie Mitteilung des in Aussicht genommenen Arbeitsplatzes und Zustimmung des Beteiligten zu 1. oder im Verweigerungsfall die Ersetzung der fehlenden Zustimmung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren in ihrem Betrieb in A-Stadt
Einstellungen (einschließlich Hospitationen) durchzuführen
sowie
Arbeitnehmern, die üblicherweise ständig an einem bestimmen Arbeitsplatz beschäftigt werden, entweder für voraussichtlich eine längere Dauer als einen Monat oder in Verbindung mit einer erheblichen Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, andere Arbeitsbereiche zuzuweisen, es sei denn, sie werden als vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG nach entsprechender Unterrichtung des Beteiligten zu 1. durchgeführt;
hilfsweise,
der Beteiligten zu 2. wird aufgegeben, bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 10.000,00 € es zu unterlassen, künftig Einstellungen in ihrem Betrieb in A-Stadt und/oder Versetzungen von Arbeitnehmern in den Bereichen Verwaltung und Rezeption sowie Versetzungen von Pflegekräften in andere Wohnbereiche vorzunehmen, ohne die Zustimmung des Beteiligten zu 1. hierzu einzuholen oder eine verweigerte Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen oder den Betriebsrat über eine vorläufige Maßnahme nach § 100 Abs. 1 BetrVG zu informieren und bei dessen Bestreiten binnen drei Tagen das Arbeitsgericht anzurufen.
- 4.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Ziff. 1 - 3 - im Fall der Ziff. 3 bezogen auf jeden Tag und jeden Arbeitnehmer und im Fall der Ziff. 1 und 2 bezogen auf jeden Fall und jeden Arbeitnehmer - wird der Beteiligten zu 2) ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000 € angedroht.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde einschließlich des neu formulierten Hilfsantrages zurückzuweisen.
Mit ihrer Anschlussbeschwerde beantragt die Arbeitgeberin,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 27.02.2024, Az. 2 BV 8/23, soweit es den Anträgen des Beteiligten zu 1. stattgegeben hat, abzuändern und die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat mit Schriftsatz vom 17.07.2024, am gleichen Tage bei dem erkennenden Gericht eingegangen, erwidert und Anschlussbeschwerde erhoben. Sie trägt zunächst in Verteidigung der erstinstanzlichen Entscheidung vor, eine Betriebsstilllegung, Betriebsteilschließung oder Betriebseinschränkung habe nicht vorgelegen. Es sei auch kein Personal auf Veranlassung der Arbeitgeberin durch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen abgebaut worden. Die Arbeitgeberin habe den Betrieb nicht eingestellt in der Absicht, den bisherigen Betriebszweck nicht weiter zu verfolgen. Sie hätte gerne die Etage die gesamte Zeit über bei voller Auslastung betrieben, was allerdings aus Gründen des Personalmangels nicht möglich gewesen sei. Bei Hospitationen bestehe mit dem Arbeitsgericht und entgegen der Auffassung des Betriebsrats kein Mitbestimmungsanspruch desselben. Der im Hinblick auf die Versetzungen und die Einstellung gestellte Antrag zu 3. sei bereits unzulässig. Er sei zu weit gefasst und umfasse sämtliche Fälle von Einstellungen und Versetzungen. Ein allgemeiner Unterlassungsanspruch des Betriebsrats zur Verhinderung einer ohne seine Zustimmung beabsichtigten Einstellung oder Versetzung bestehe allerdings gerade nicht, auch dann nicht, wenn zu erwarten stehe, dass die Arbeitgeberin das Verfahren nach §§ 99 Abs. 1 Satz 1, 100 Abs. 2 BetrVG vor der tatsächlichen Durchführung der Maßnahme nicht einhalte.
Der Antrag zu 3. sei aber auch unbegründet. Der vorliegende Fall sei mit der im Urteil des BAG vom 17. November 2021 - 7 ABR 18/20 - AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 75 entschiedenen Sachverhaltskonstellation nicht vergleichbar. Bei der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei es um eine örtliche Verlagerung einer Betriebsabteilung um einige Kilometer gegangen. Im vorliegenden Fall hätten die Mitarbeiter, die nach der vorübergehenden Nichtbelegung der Etage "F." auf den anderen beiden Stationen gearbeitet hätten, dort dieselbe Arbeitsleistung erbracht, die Art der Tätigkeit sei identisch gewesen und auch der Platz innerhalb der betrieblichen Organisation habe sich nicht geändert. Damit habe bereits keine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG vorgelegen. Auch der Aufgabenbereich von Frau B. habe sich nicht auf die Art verändert, wie es für eine Versetzung nach § 95 Abs. 3 BetrVG erforderlich wäre. Da dem Antrag zu 3. nicht hätte entsprochen werden dürfen, sei auch die teilweise Stattgabe des Antrages zu 4. rechtsfehlerhaft erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten vor dem Landesarbeitsgericht wird auf die hier zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der Anhörung vom 27.11.2024 verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Betriebsrates ist zulässig, jedoch vollumfänglich unbegründet. Die Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig und teilweise begründet.
1.
a)
Die Beschwerde des Betriebsrates ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, sie ist zulässig.
b)
Die Beschwerde des Betriebsrates ist jedoch unbegründet.
aa)
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Anträge zu 1. und 2. abgewiesen. Diese Anträge könnten - falls man in dieser streitigen Frage der Auffassung folgt, die einen Unterlassungsanspruch des Betriebsrates bei arbeitgeberseitig geplanten Betriebsänderungen bejaht - nur dann Erfolg haben, wenn die Arbeitgeberin eine Betriebsänderung durchgeführt hätte, ohne den Betriebsrat hierbei nach den Regelungen des BetrVG ordnungsgemäß zu beteiligen. Eine Betriebsänderung liegt jedoch nicht vor. Die Arbeitgeberin hat den Wohnbereich "F." nicht auf Dauer geschlossen, sondern diesen Bereich lediglich vorübergehend nicht betrieben. Diese vorübergehende Maßnahme erfüllt nicht die Anforderungen an eine Betriebsänderung. Dahinstehen kann, ob eine Betriebsänderung bei einer dauerhaften Schließung dieses Wohnbereichs zu bejahen wäre. Auch zu einer arbeitgeberseitig veranlassten Entlassung von Beschäftigten ist es nicht gekommen. Im Übrigen kann auf die umfangreichen und zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts unter II. 1. und 2. des Ausgangsbeschlusses verwiesen werden, auf die das erkennende Gericht verweist und die es sich zu Eigen macht.
bb)
Zu Recht hat das Arbeitsgericht den Antrag zu 3. insoweit abgewiesen, als es die ohne Beteiligung des Betriebsrates erfolgte Hospitation des Herrn H. nicht als Verstoß gegen die Regelungen der §§ 99, 100 BetrVG angesehen hat. Hospitanten werden nicht in die betriebliche Organisation eingegliedert. Anhaltspunkte dafür, dass Herr H. im Dezember 2022 in Wahrheit nicht als Hospitant, sondern de facto bereits als Arbeitnehmer beschäftigt worden wäre, hat der Betriebsrat nicht vorgetragen. Eine mitbestimmungspflichtige Einstellung lag somit zu diesem Zeitpunkt nicht vor. Dementsprechend musste die Arbeitgeberin den Betriebsrat nicht beteiligen und wird dies auch in Zukunft bei regelgerecht durchgeführten Hospitationen nicht tun müssen.
2.
a)
Die Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin genügt den an sie zu stellenden förmlichen Erfordernissen und ist ebenfalls zulässig.
b)
Die Anschlussbeschwerde ist nur teilweise begründet.
aa)
Die Anschlussbeschwerde hat insoweit Erfolg, als dem zu 3. gestellten Hauptantrag auch in Bezug auf die ohne Beteiligung des Betriebsrates erfolgte Einstellung von Herrn H. in dieser Fassung nicht stattgegeben werden konnte. Sowohl der Antrag als auch die dann noch einmal etwas verändert erfolgte erstinstanzliche Tenorierung sind sprachlich schlicht unverständlich und wären einer Vollstreckung aufgrund dessen nicht zugänglich.
Die Anschlussbeschwerde bleibt allerdings in der Sache - und soweit es den Hilfsantrag zu 3. betrifft - ohne Erfolg, soweit das Arbeitsgericht hinsichtlich des zum 01.01.2023 erfolgten Arbeitsvertragsschlusses mit Herrn H. und seiner anschließenden Beschäftigung als Arbeitnehmer, die ohne Beteiligung des Betriebsrates erfolgte, einen groben Verstoß gegen die Regelungen der §§ 99, 100 BetrVG gesehen und der Arbeitgeberin antragsgemäß für den Fall eines erneuten Verstoßes ein Ordnungsgeld angedroht hat. Die Arbeitgeberin nimmt schon nicht in Abrede, dass es sich um eine iSd. § 99 Abs. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtige Einstellung gehandelt hat. Mit dem Argument, der auf Einstellungen und Versetzungen bezogene Antrag des Betriebsrates sei nicht teilbar, kann sie nicht gehört werden. Der Betriebsrat rügt zwei verschiedenartige Verstöße gegen seine personellen Mitbestimmungsrechte. Diese beiden Rügen können prozessual ein unterschiedliches Schicksal erfahren. Angesichts der Offensichtlichkeit der Pflichtwidrigkeit kann auch nicht ernsthaft angenommen werden, es handele sich um keinen groben Verstoß.
bb)
Mit Erfolg wendet sich die Arbeitgeberin jedoch gegen die Wertung des Arbeitsgerichts, sie habe mehrere Versetzungen iSd. § 95 Abs. 1 Satz 3 BetrVG durchgeführt, ohne das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach §§ 99, 100 BetrVG zu beachten. Es handelte sich bei den arbeitgeberseitigen Maßnahmen in keinem der Fälle um Versetzungen.
(1)
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG bedarf die Versetzung eines Arbeitnehmers der Zustimmung des Betriebsrats. Versetzung ist nach der Legaldefinition des § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die entweder die Dauer von einem Monat voraussichtlich überschreitet oder mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit geleistet werden muss. Der "Arbeitsbereich" iSv. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG wird in § 81 Abs. 2 iVm. Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die Aufgabe und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebs umschrieben. Der Begriff ist demnach räumlich und funktional zu verstehen. Er umfasst neben dem Ort der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation. Die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs liegt vor, wenn sich das Gesamtbild der bisherigen Tätigkeit des Arbeitnehmers so verändert hat, dass die neue Tätigkeit vom Standpunkt eines mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauten Beobachters als eine "andere" anzusehen ist (BAG 11. Dezember 2007 - 1 ABR 73/06 - Rn. 22, EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 7 mwN). Dies kann sich aus dem Wechsel des Inhalts der Arbeitsaufgaben und der mit ihnen verbundenen Verantwortung ergeben (BAG 26. Oktober 2004 - 1 ABR 45/03 - BAGE 112, 251, zu B I 1 b der Gründe mwN) , kann aus einer Änderung der Art der Tätigkeit, dh. der Art und Weise folgen, wie die Arbeitsaufgabe zu erledigen ist, und kann mit einer Änderung der Stellung und des Platzes des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation durch Zuordnung zu einer anderen betrieblichen Einheit verbunden sein (BAG 10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - aaO, zu B 2, 4 der Gründe). Allerdings macht nicht jede noch so geringe Veränderung der beschriebenen Art den bisherigen Arbeitsbereich zu einem anderen. Jede einem Arbeitnehmer zugewiesene Tätigkeit ist laufenden Veränderungen unterworfen, die in der technischen Gestaltung des Arbeitsablaufs, neuen Hilfsmitteln und Maschinen oder einer Umorganisation des Arbeitsablaufs ihre Ursache haben können. Erforderlich ist, dass die eingetretene Änderung über solche im üblichen Schwankungsbereich liegenden Veränderungen hinausgeht und zur Folge hat, dass die Arbeitsaufgabe oder die Tätigkeit eine "andere" wird (BAG 28. August 2007 - 1 ABR 70/06 - Rn. 16, AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 53 = EzA BetrVG 2001 § 95 Nr. 6 mwN; zu allem Vorstehenden BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 -, Rn. 20 - 22, juris).
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verlangt für eine Änderung der Stellung des Arbeitnehmers innerhalb der betrieblichen Organisation eine diesen berührende Änderung der organisatorischen Umgebung. Sie kann darin liegen, dass er mit neuen Arbeitskollegen zusammenarbeiten muss oder er seine Arbeitsaufgaben - mögen sie als solche auch gleich geblieben sein - innerhalb einer anderen Arbeitsorganisation zu erbringen hat (10. April 1984 - 1 ABR 67/82 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 8, zu B 4 der Gründe). Dementsprechend hat das Bundesarbeitsgericht als eigenständige betriebliche Einheiten die einzelnen Stationen eines Altenpflegeheims angesehen, in denen die Dienstpläne von den Stationsleitungen aufgestellt wurden und nur noch der Genehmigung durch die Heimleitung bedurften; nach einem Stationswechsel war mit anderen Vorgesetzten und Kollegen zusammenzuarbeiten und waren andere Bewohner zu betreuen, deren Pflegebedarf sich sehr individuell bestimmte und das Tätigkeitsbild der Pflegekraft prägte (29. Februar 2000 - 1 ABR 5/99 - AP BetrVG 1972 § 95 Nr. 36 = EzA BetrVG 1972 § 95 Nr. 31, zu B II 2 b der Gründe) . Gleichwohl ist eine betriebliche Einheit kein statischer Bereich. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb im Wechsel aus dem Tages- in den Nachtdienst eines Dialysezentrums bei einer für beide Dienste gemeinsamen Pflegedienstleitung keine relevante Veränderung der betriebsorganisatorischen Umgebung gesehen, auch wenn den Diensten jeweils eine andere Gruppenschwester unmittelbar vorstand und die Tätigkeit mit anderen Kollegen zu verrichten war (23. November 1993 - 1 ABR 38/93 - BAGE 75, 97, zu B 3 b der Gründe). Maßgebend für die Bestimmung der Grenzen einer betrieblichen Einheit sind Sinn und Zweck der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Bei einer Versetzung ist der Betriebsrat nicht nur der Sachwalter der Interessen der Belegschaft, sondern auch der des einzelnen, von der Maßnahme betroffenen Arbeitnehmers (zu allem Vorstehenden wiederum BAG, Beschluss vom 17. Juni 2008 - 1 ABR 38/07 -, Rn. 28 - 29, juris).
(2)
Der Einsatz der Arbeitnehmerin B. an der Rezeption in der Zeit vom 16.08.2022 bis zum 13.09.2022 stellt keine mitbestimmungspflichtige Versetzung dar. Da der Einsatz nicht die Dauer eines Monats überschritt, könnte es sich von vornherein allenfalls dann um eine Versetzung handeln, wenn die Tätigkeit mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden gewesen wäre, unter denen die Arbeit zu leisten ist (§ 95 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BetrVG). Das ist aber nicht der Fall. Entgegen der Auffassung des Betriebsrates handelt es sich bei der Arbeit am Empfang einer Pflegeeinrichtung nicht um eine "völlig andere Tätigkeit" als in "der Verwaltung". Vielmehr handelt es sich auch bei der Arbeit an der Rezeption um einen Teil der in einer Pflegeeinrichtung anfallenden Verwaltungstätigkeit. Sowohl die Tätigkeit am Empfang als auch die nicht mit unmittelbarem, persönlichem Publikumskontakt einhergehenden Verwaltungs- bzw. Bürotätigkeiten sind kaufmännisch-administrativer Natur. Sie bestehen typischerweise in der Aufnahme und Eingabe von Daten, der Bearbeitung von Anträgen, der Archivierung von Schriftstücken, der Abfassung von Schreiben und der Regelung finanzieller Angelegenheiten im weitesten Sinne. Auch in dem Teil der Verwaltung, der nicht wie die Rezeption in unmittelbarem persönlichen Kontakt zum Publikum steht, sind regelmäßig zahlreiche Aufgaben mit Außenkontakt zu erfüllen, der dann lediglich in anderer Gestalt - telefonisch oder per E-Mail - erfolgt. Allein der Umstand, dass Kontakte nur an einem der in Rede stehenden Arbeitsplätze von Angesicht zu Angesicht geschehen, bewirkt noch keine erhebliche Änderung der Arbeitsumstände iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 BetrVG.
Daneben stützt das erkennende Gericht seine Auffassung, dass der Einsatz von Frau B. am Empfang - unabhängig von ihrer Dauer - keine mitbestimmungspflichtige Versetzung darstellte, selbstständig und tragend darauf, dass es sich dabei schon nicht um einen "anderen Arbeitsbereich" iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelte. Vielmehr bildeten und bilden der Empfang und die weiteren Schreibtischarbeitsplätze bei der Arbeitgeberin nach deren nachvollziehbarem, insoweit vom Betriebsrat nicht substantiiert bestrittenen, Vortrag den einheitlichen Arbeitsbereich der Verwaltung. Eine Besetzung des Empfanges mit externen Arbeitskräften erfolgte lediglich während der Corona-Pandemie, um die Gefahr von Ansteckungen zu reduzieren. Sowohl vor als auch nach dieser Zeit besetzte die Arbeitgeberin die Rezeption mit eigenen Arbeitnehmern. Es ist nichts dafür vorgetragen und auch nichts dafür ersichtlich, dass die Arbeitgeberin mit ihren Büromitarbeitern bei der Einstellung einen auf den Empfang oder auf die nicht am Empfang belegenen Verwaltungsarbeitsplätze beschränkten Einsatz vereinbart. Soweit die Arbeitgeberin einem der - insgesamt wohl drei - Verwaltungsmitarbeiter den Arbeitsplatz am Empfang zuweist, liegt darin eine unterhalb der Schwelle der betrieblichen Mitbestimmung angesiedelte Ausübung ihres Direktionsrechts. Allein aus dem Umstand, dass die Arbeitgeberin Frau B. bis zu dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht am Empfang einsetzte, von ihrem Direktionsrecht somit gegenüber Frau B. nicht in dieser Weise Gebrauch machte, können weder die Arbeitnehmerin noch der Betriebsrat den Schluss ziehen, die Arbeitgeberin habe damit zwei getrennte Arbeitsbereiche iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG geschaffen.
(3)
Auch der zum 1. Oktober 2022 angeordnete Wechsel der Arbeitnehmerin Frau W. vom Wohnbereich "R." in den Bereich "F." sowie der Arbeitnehmerin Frau T. vom Wohnbereich "F." in den Bereich "R." sowie die zum 1. Dezember 2022 erfolgte Zuweisung von Aufgaben in anderen Wohnbereichen an alle Arbeitnehmer, die zumindest zuvor ihre Arbeit im Wohnbereich "F." verrichtet hatten, stellen keine mitbestimmungspflichtigen Versetzungen iSd. §§ 95 Abs. 3, 99 BetrVG dar.
Die drei bei der Arbeitgeberin betriebenen Wohnbereiche stellen keine jeweils eigenständigen Arbeitsbereiche iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG dar. Dies ergibt sich aus der notwendigen Gesamtbetrachtung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Umstände.
Sämtliche Wohnbereiche befinden sich an ein und demselben Ort - A-Stadt - und dort auch innerhalb ein und desselben Gebäudes. Eine räumliche Veränderung war mit dem geänderten Einsatz - abgesehen davon, dass die Wohnbereiche sich auf verschiedenen Etagen befinden, was nicht ins Gewicht fällt - nicht verbunden. Die drei Wohnbereiche weisen auch keinerlei fachliche Spezialisierung auf, Intensivpflege bietet die Arbeitgeberin nicht an, einen geschützten Bereich für Pflegebedürftige mit Demenz gibt es nicht. Die zu erbringende Pflegeleistung richtet sich nach dem konkreten Pflegebedarf des individuell Pflegebedürftigen. Folgerichtig änderte sich das fachliche Tätigkeitsbild, d.h., die Art und Weise der zu erbringenden Pflegeleistungen, für die Arbeitnehmer infolge des Einsatzes in einem anderen Wohnbereich nicht.
Die Zuweisung eines anderen Wohnbereichs hatte auch einen äußerst geringen Einfluss auf die von dem jeweiligen Arbeitnehmer zu betreuenden Heimbewohner. Wie die Arbeitgeberin unwidersprochen ausgeführt hat, sind die Heimbewohner von ihr bewusst nicht konkreten Arbeitnehmern zugeordnet. Vielmehr findet - auch innerhalb eines Wohnbereichs - eine alternierende Betreuung statt. Damit wurde und wird die Tätigkeit vorliegend - anders als in dem Fall, der dem Beschluss des BAG vom 29.02.2000 - 1 ABR 5/99 - zugrunde lag - nicht durch die ständige Betreuung bestimmter Personen geprägt. Dementsprechend bewirkte die Zuweisung eines anderen Wohnbereichs in dieser Hinsicht keine nennenswerte Änderung.
Ob und inwieweit die Arbeitnehmer am Standort A-Stadt einem Wohnbereich jeweils fest zugewiesen sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Selbst wenn man zugunsten des Betriebsrates unterstellt, dass es - zumindest weitgehend - eine solche Zuordnung gibt, führt auch dies vorliegend nicht dazu, dass von einer Versetzung auszugehen wäre. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - zutreffend in Rn. 29 ausführt, sind die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers (nur dann) berührt, wenn für ihn auf Grund des angeordneten Wechsels ein in seinem konkreten Arbeitsalltag spürbares anderes "Arbeitsregime" gilt. Dieses kann von den Arbeitskollegen ausgehen, wenn es wegen einer - etwa - erforderlichen intensiven Zusammenarbeit auf deren Person maßgeblich ankommt. Im dortigen wie im hiesigen Fall hat jedoch die Zusammenarbeit mit den Kollegen nicht den Charakter einer Gruppen- oder Teamarbeit. Vielmehr pflegen die Arbeitnehmer die Heimbewohner ganz überwiegend allein.
Schließlich führt auch der Umstand, dass die drei Wohnbereiche über eine jeweils eigene Wohnbereichsleitung verfügen, nicht zu der Annahme, dass es sich um eigenständige Arbeitsbereiche iSd. § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG handelt. Wie das Bundesarbeitsgericht in seinem Beschluss vom 17.06.2008 - 1 ABR 38/07 - zutreffend in Rn. 29 ausführt, kann ein spürbares anderes "Arbeitsregime" dann von den unmittelbaren Vorgesetzten ausgehen, wenn diese über die Befugnis zur Erteilung bloßer Arbeitsanweisungen hinaus relevante Personalbefugnisse, etwa die Kompetenz zur Ausübung von Disziplinaraufgaben oder zur Leistungsbeurteilung, besitzen und eigenverantwortlich wahrnehmen. Dafür ist allerdings vorliegend nichts ersichtlich.
(4)
Selbstständig tragend begründet das erkennende Gericht die Abweisung des Antrages zu 3. und des darauf bezogenen Hilfsantrages hinsichtlich der Versetzungen damit, dass ein grober Verstoß der Arbeitgeberin, handelte es sich entgegen seiner Rechtsauffassung vorliegend um mitbestimmungspflichtige Versetzungen, nicht vorliegt.
Wie das Arbeitsgericht - insoweit zutreffend - ausgeführt hat, liegt ein grober Verstoß des Arbeitgebers gegen seine sich aus dem BetrVG ergebenden Pflichten vor, wenn es sich um eine objektiv erhebliche und offensichtlich schwerwiegende Pflichtverletzung handelt, wobei es auf ein Verschulden nicht ankommt. Er ist regelmäßig jedenfalls dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber mehrfach erzwingbare Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats übergangen hat. Ein Verstoß scheidet indes dann aus, wenn der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt (BAG 29. April 2004 - 1 ABR 30/02 -, juris, Rn. 135, m.w.N., BAGE 110, 252).
Die Frage, ob es sich um eine mitbestimmungspflichtige Versetzung handelt, kann infolge des Umstandes, dass das Tatbestandsmerkmal "anderer Arbeitsbereich" iSd. § 95 Abs. 3 BetrVG komplex und unscharf ist, im Einzelfall schwierig zu beantworten sein. Vorliegend ist diese Einzelfallbewertung besonders schwierig vorzunehmen, wie sich bereits aus dem Umstand ergibt, dass die erst- und zweitinstanzliche Entscheidung voneinander abweichen. Ein grober Verstoß der Arbeitgeberin iSd. § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG schiede damit vorliegend jedenfalls aus.
III.
Die Rechtsbeschwerde war hinsichtlich des Antrages zu 3. und des darauf bezogenen Hilfsantrages, soweit diese hinsichtlich der Versetzungen abgewiesen worden sind, für den Betriebsrat zuzulassen, da eine Divergenz zum Beschluss des BAG vom 29.02.2000 - 1 ABR 5/99 - insoweit jedenfalls mit guten Gründen gesehen werden kann.
Im Übrigen bestand keine Veranlassung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.