Landgericht Hannover
Beschl. v. 28.10.2024, Az.: 11 T 5/24
Beauftragung Externer zur Ermittlung von Insolvenzansprüchen im Rahmen eines Insolvenzverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 28.10.2024
- Aktenzeichen
- 11 T 5/24
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 27700
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2024:1028.11T5.24.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Hannover - 07.09.2023 - AZ: 909 IN 45/18 -1-
Rechtsgrundlage
- § 4 Abs. 1 InsVV
In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des
A W
Inhaber der Fa. P
Insolvenzverwalter:
Rechtsanwalt S
- Beschwerdeführer -
Prozessbevollmächtigter:
Dr. H
hat das Landgericht Hannover - 11. Zivilkammer - durch XXXX am 28.10.2024 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die Beschwerde des Insolvenzverwalters vom 20.09.2023 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 07.09.2023 (Az: 909 IN 45/18 -1-) werden die Vergütung und Auslagen wie folgt festgesetzt auf:
24.289,96 EUR Nettovergütung gemäß InsVV
9.715,98 EUR um 40% erhöht zuzüglich
6.461,13 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %
7.286,99 EUR Auslagen zuzüglich
1.384,53 EUR Umsatzsteuer darauf in Höhe von 19 %
650,34 EUR abzüglich Kosten der Beauftragung RA Dr. D.
48.488,25 EUR Gesamtbetrag
Dem Insolvenzverwalter wird gestattet, den festgesetzten Betrag abzüglich des bereits erhaltenen Vorschusses über 17.400,00 EUR der Insolvenzmasse zu entnehmen.
- 2.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 08.03.2018 wurde über das Vermögen des Herrn A W, Inhaber eines Online-Großhandels für Kfz-Ersatzteile, das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit Schriftsatz vom 25.04.2023 übersandte der Beschwerdeführer den Schlussbericht und mit weiterem Schriftsatz vom selben Tag den Antrag auf Festsetzung seiner Vergütung in Höhe von insgesamt 52.028,98 € brutto abzüglich der Vorschüsse in Höhe von 17.400,00 €; mithin 34.628,98 €.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 07.09.2023 hat das Amtsgericht die Vergütung auf 26.870,93 € brutto abzüglich erhaltener Vorschüsse festgesetzt und den weitergehenden Antrag zurückgewiesen. Hierbei hat das Amtsgericht die beantragte Vergütung unter Kürzung des beantragten Zuschlags für die hohe Anzahl an Forderungsanmeldungen um 10% in Höhe von 49.138,59 € zugestanden, von dieser jedoch die Kosten der vom Beschwerdeführer beauftragten Ansares AG in Höhe von 21.617,32 € und der Beauftragung des Rechtsanwalts Dr. D in Höhe von 650,34 €, die der Beschwerdeführer aus der Masse bezahlt hatte, abgezogen.
Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde vom 20.09.2023, die mit Schriftsatz vom 19.10.2023 und ergänzend vom 29.02.2024 begründet worden ist und die sich ausschließlich gegen den Abzug der Kosten für die Beauftragung der A AG richtet, hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 20.02.2024 nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Kosten für die Beauftragung der A AG durfte der Beschwerdeführer aufgrund der Umstände des Einzelfalls der Masse entnehmen, so dass der diesbezügliche Abzug zu Unrecht erfolgt ist.
1. Mit der Vergütung sind die "allgemeinen Geschäftskosten" und damit die Erledigung der Regelaufgaben des Insolvenzverwalters abgegolten (§ 4 Abs. 1 Satz 1 InsVV). Die Ermittlung von Anfechtungsansprüchen einschließlich der Prüfung, ob Anfechtungsansprüche überhaupt ernsthaft in Betracht kommen, gehört grundsätzlich zu den Regelaufgaben jedes Insolvenzverwalters. Im Verhältnis zur Größe des Verfahrens sind wenige, relativ einfach zu beurteilende Anfechtungsfälle deshalb bei außergerichtlicher Erledigung mit der Regelvergütung abgegolten (stRspr., vgl. BGH, Beschluss vom 14.11.2012 - IX ZB 95/10 und Beschluss vom 8. 3. 2012 - IX ZB 162/11; juris; Kammerbeschluss vom 29.06.2020 - 11 T 4/20 und vom 18.12.2020 - 11 T 23/20; ferner LG Hannover, Beschluss vom 20.05.2020 - 20 T 11/20). Daraus ergibt sich, dass eine quantitative Schwelle zu den Sonderaufgaben i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV besteht, die in Relation zum Verfahrensumfang steht, so dass in einem größeren Verfahren die Bearbeitung einer höheren Anzahl von Anfechtungsansprüchen von den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters umfasst ist, als dies bei einem kleinen Verfahren der Fall wäre. Qualitativ gehören nach der BGH-Rechtsprechung ferner nur die relativ einfach ermittelbaren Anfechtungsansprüche zu den typischen Regelaufgaben des Insolvenzverwalters. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass es eine allgemeingültige Regel hinsichtlich der Anzahl und Art der Anfechtungsansprüche, die gemessen am Verfahrensumfang noch als Regelaufgaben gelten, nicht geben kann, sondern sich diese Frage allein nach den Umständen des Einzelfalls bemisst (vgl. hierzu eingehend Haarmeyer/Mock, 7. Aufl. 2024, InsVV § 4 Rn. 61, beck-online, m.w.N.).
Damit beurteilt werden kann, ob nach den vorstehenden Kriterien eine "besondere Aufgabe" i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV vorliegt, zu deren Erledigung der Verwalter für die Masse Dienst- oder Werkverträge abschließen und die angemessene Vergütung aus der Masse zahlen darf, muss der Vergütungsfestsetzungsantrag die zur Überprüfung erforderlichen Angaben enthalten; § 8 Abs. 2 InsVV. Kommt das Insolvenzgericht zu dem Ergebnis, dass keine "besonderen Aufgaben" vorlagen, dass insbesondere die kostenträchtige Einschaltung Externer nicht erforderlich war, kann es die festzusetzende Vergütung um den zu Unrecht aus der Masse entnommenen Betrag kürzen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 - IX ZB 48/04, juris Rn. 6), weil ansonsten die gesondert aus der Masse entnommenen Beträge eine zusätzliche, nicht gerechtfertigte Vergütung des Verwalters darstellen.
2. Gemessen an den vorstehenden Kriterien lag in Bezug auf die Ermittlung der Anfechtungsansprüche hier eine "besondere Aufgabe" i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV vor, so dass die mit der Beschwerde gerügte Kürzung der Vergütung um die Kosten der Beauftragung der A AG im vorliegenden Einzelfall nicht gerechtfertigt war. Dies ergibt sich in der Gesamtschau aus den Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalls.
Im Schlussbericht des Insolvenzverwalters vom 25.04.2023 hat dieser sich bereits wie folgt zu der Ermittlung und Verfolgung von Anfechtungsansprüchen geäußert:
"Unmittelbar nach Erhalt des Eröffnungsbeschlusses habe ich mit dem Schuldner Kontakt aufgenommen und im Rahmen einer persönlichen Unterredung Informationen eingeholt und die ehemalige Betriebsstätte in der S...Straße in Augenschein genommen. Die von Herrn W. zusammengestellten Unterlagen umfassten mindestens 69 Kartons (ca. 100 einschließlich nicht verwertbare Unterlagen) mit 611 Ordnern und betrafen den Zeitraum 2011-2018, also auch die Zeit vor der Unternehmensgründung. Im Hinblick auf den Umfang der Geschäftsunterlagen gestaltete sich die Prüfung schwierig. Der Schuldner stand aber für Auskünfte jederzeit zur Verfügung, um Sachverhalte aufzuklären. Allerdings war dies aufwendig" (...)
Ich habe sodann begonnen, alle Ansprüche nach § 131 InsO zu prüfen und weitere auffällige Rechtshandlungen (Zahlungen) des Schuldners, die der Vorschrift des § 133 InsO unterfallen könnten, festgestellt. Diese Tätigkeit hat einen Mitarbeiter meines Büros für mehrere Tage gebunden. Ich habe dabei festgestellt, dass es im Zweifel darauf ankommen wird, zur detaillierten Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit einen Liquiditätsstatus zu erstellen. Im Hinblick auf den Umfang der zusätzlichen Ermittlungen bin ich nach rechtlicher Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass diese Tätigkeit nicht zu den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters gehört und eine Delegation an Dritte zulässig ist. (...) Zudem ist die Delegation für die Masse günstiger und wird nur erfolgsabhängig vergütet. Da es sich bei den vorliegenden zum Teil komplexen Sachverhalten nicht mehr um eine Regelaufgabe des Insolvenzverwalters handelt, habe ich sodann mit den weiteren detaillierten Ermittlungen die A AG beauftragt. Diese hat in der Folge weitere 1935 Rechtshandlungen in Bezug auf Ansprüche gemäß § 133 InsO geprüft. Im Ergebnis wurden dann insgesamt 189 Rechtshandlungen gegen 16 Anfechtungsgegner individualisiert, zu deren Geltendmachung ich mich entschlossen habe. Überprüft wurden hierbei die sichergestellten Geschäftsunterlagen der Geschäftsjahre 2011-2018. Es handelte sich dabei um eine Vielzahl von Ordnern mit schuldnerischen Unterlagen. Daneben wurden fehlende Kontoauszüge der ehemals genutzten vier Geschäftskonten bei den zwei Geschäftsbanken angefordert und 17 (IFG-) Auskunftsersuchen gegenüber den zwei Finanzämtern, diversen Sozialversicherungsträgern und dem Hauptzollamt gestellt. Im Ergebnis ist die drohende Zahlungsunfähigkeit anhand der Beweisanzeichen ab dem Juni 2015 und die objektive Zahlungsunfähigkeit seit Februar 2016 feststellbar. Die Zahlungsunfähigkeit war mittels der Insolvenztabelle nicht darstellbar.
Der Insolvenzverwalter hat sodann in seinem Vergütungsfestsetzungsantrag vom 25.04.2023 zu den Gründen für die Beauftragung eines externen Unternehmens mit der Ermittlung der Anfechtungsansprüche weiter ausgeführt:
"(...) Die Ermittlung der in diesem Verfahren geltend zu machenden Anfechtungsansprüche war mit außerordentlich hohem Aufwand verbunden. In diesem Verfahren waren die Geschäftsunterlagen zunächst zu sichern, zu ordnen und im Ansatz zu prüfen. Im Gutachten habe ich dann auch zunächst pauschal 5.000 € an Anfechtungsansprüchen ausgewiesen. Die Unterlagensituation war jedoch stark lückenhaft. Insgesamt wurde ein Lkw (3,5 t) an Unterlagen eingesammelt. Es handelte sich um insgesamt 611 relevante Ordner, mithin um ca. 100 Umzugskartons. Schon dieser Sachverhalt offenbart in quantitativer Hinsicht das Verlassen der Regelaufgabe. Der Unterzeichner unterhält an der Zentrale eine Bürofläche von ca. 900 m2. Die Einlagerung zur weiteren Prüfung wäre aus tatsächlichen Gründen schon ausgeschlossen, weswegen schon allein aus diesem Grund keine Regelaufgabe mehr vorliegen kann. (...) Es wurden insgesamt über 1935 Rechtshandlungen bzw. Zahlungen auf Anfechtungsmöglichkeiten überprüft. Insgesamt sind nach weiterer persönlicher Prüfung sodann insgesamt 189 anfechtbare Handlungen geltend gemacht worden. (...) Es handelte sich um Ansprüche nach § 133 InsO, die zudem in der Ermittlung ca. 2 Jahre Zeit in Anspruch genommen haben und komplex waren. (...)"
Auf dieser Grundlage hatte das Amtsgericht zunächst über den Vergütungsantrag zu entscheiden; diese Entscheidung hat der Insolvenzverwalter sodann mit der Beschwerdeschrift wie folgt angegriffen:
"Unterstellt man, dass ein handelsüblicher Ordner mit Geschäftsunterlagen ca. 250 Blatt umfasst, so ergibt sich bereits daraus ein zu sichtender Unterlagenbestand von 152.750 Seiten (611 x 250). Da sich aber aus diesen Unterlagen nicht ohne weiteres oder direkt "Belege" für anfechtbares Handeln ergeben, weil es auf den dafür infrage kommenden Schriftstücken nicht gesondert vermerkt ist, setzt eine ordnungsgemäße Ermittlung voraus, dass diese mehr als 150.000 Seiten mit anderen vorhandenen oder noch zu beschaffenden Unterlagen verknüpft werden müssen, wie zum Beispiel mit Unterlagen aus der Buchführung und dem Rechnungswesen, Bank- und Kontounterlagen sowie digitalem Schriftverkehr per E-Mail, etc." (...) Legt man für das W - Verfahren den anfänglich unsortierten Unterlagenbestand von mehr als 150.000 Seiten zugrunde und dessen notwendige Verknüpfung mit 4-5 weiteren Informationsträgern, so wird deutlich, dass es für die Feststellung anfechtbarer Tatbestände um die Bewältigung und Verknüpfung von nahezu einer halben Million Informationsträger geht, die bei einer händischen Bearbeitung durch eigene Mitarbeiter wahrscheinlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen würde."
Mit Schriftsatz vom 29.02.2024 (Bl. 1859, 1867 d.A.) hat er diese Ausführungen wie folgt ergänzt:
" (...) so kann danach ein versierter Sachbearbeiter händisch pro Tag etwa 1.000 Seiten professionell bearbeiten - bei den hier in Rede stehenden ca. 500.000 Datenträgern bedeutet dies zunächst etwa 500 Arbeitstage, also mehr als zwei Jahre ausschließlich damit verbundener Beschäftigung zur Sichtung der Geschäftsunterlagen - das allerdings wäre dann nur der erste Schritt. Denn sodann müssten diese durchgesehenen Datenträger mit allen anderen o.g. Daten verknüpft werden und beweiserheblich verbunden und gesichert werden, was mindestens noch einmal die gleiche Zeit erfordern dürfte und Personalkosten bei einem Jahresgehalt von durchschnittlich 40.000€ in einer Größenordnung von deutlich mehr als 100.000€ verursachen würde."
Aus diesen Ausführungen lässt sich zunächst entnehmen, dass der Insolvenzverwalter seiner Verpflichtung zur Prüfung, ob Anfechtungsansprüche überhaupt ernsthaft in Betracht kommen, in ausreichendem Maße nachgekommen ist. Es handelt sich hier nicht um einen der Fälle, in denen die Ermittlung der Anfechtungsansprüche sogleich und ohne eigene Prüfung fremdvergeben worden ist.
Die Kammer vermag zwar anhand des Vorbringens des Insolvenzverwalters - und auch unter Berücksichtigung der Beschwerdebegründung - nicht zu beurteilen, ob angesichts des Aufwandes, der offenbar nach dem Dafürhalten des Insolvenzverwalters für die Prüfung und gerichtsfeste Verifizierung jeder einzelnen Anfechtungsforderung zu betreiben war, in qualitativer Hinsicht nicht mehr von einer Tätigkeit auszugehen ist, die noch den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters zugerechnet werden kann. Es fehlt insoweit an Ausführungen, die das Gericht in die Lage versetzen können, den diesbezüglichen Schwierigkeitsgrad der entfalteten Tätigkeit tatsächlich zu beurteilen (vgl. zu den Anforderungen Haarmeyer/Mock, 7. Aufl. 2024, InsVV § 8 Rn. 25 ff., beck-online). Insbesondere der pauschale Verweis darauf, dass Ansprüche nach § 133 InsO zu prüfen gewesen seien, genügt nach ständiger Rechtsprechung der Kammer nicht, weil auch diese Ansprüche nicht per se im Nachweis "schwierig" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind. Weil demnach nur relativ einfach zu beurteilende Anfechtungsfälle als Regelaufgabe in Betracht kommen, müssen die Ausführungen des Insolvenzverwalters regelmäßig aufzeigen, welchen konkreten Schwierigkeiten er sich gegenüber gesehen hat. Hieran fehlt es.
Gleichwohl wird anhand der Ausführungen des Insolvenzverwalters erkennbar, dass die Grenzen der Regelaufgabe angesichts der angefallenen Volumina quantitativ ersichtlich überschritten waren. Ausweislich des Sachverständigengutachtens vom 05.03.2018 handelt es sich bei dem Schuldner um einen Einzelunternehmer, der seit 2015 mit in der Spitze bis zu 16 Angestellten einen zum 31.12.2017 bereits wieder eingestellten Onlinegroßhandel für Kfz - Ersatzteile betrieben hat. Die Verbindlichkeiten beliefen sich auf 1,8 Millionen Euro bei mehr als 900 Gläubigern. Anfechtungsansprüche werden in diesem Gutachten in einem Umfang von 6.715,65 € angegeben, indes unter dem Vorbehalt, dass einzelne Ansprüche nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Hinblick auf die vorhandenen Beweisanzeichen und unter Einbeziehung weiterer Unterlagen genauer geprüft werden müssten und die Anfechtungsermittlung insgesamt bisher nicht abgeschlossen sei. Die Menge der dann tatsächlich ermittelten Anfechtungstatbestände übersteigt sowohl dieses zunächst angenommene als auch das angesichts des konkreten Insolvenzfalls typischerweise zu erwartende Maß in ganz erheblichem Umfang. Angesichts der im Gutachten vom 05.03.2018 angeführten Kennzahlen war mit Anfechtungsforderungen in diesem Umfang sicherlich nicht zu rechnen. Auch der der Kammer als erfahren bekannte Insolvenzverwalter ist von der diesbezüglichen weiteren Entwicklung sichtlich überrascht worden.
Zutreffend hat der Beschwerdeführer darauf verwiesen, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die Überprüfung der Kontounterlagen auf Vollständigkeit sowie auf verdächtige, möglicherweise anfechtbare Zahlungen innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums zu erfolgen habe, der im Regelfall spätestens mit Ablauf von drei Jahren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens überschritten ist (vgl. BGH, Urteil vom 27.7.2023 - IX ZR 138/21, Rn. 29 ff. m.w.N., beck-online). Diese Zeitspanne wird der zu einer effektiven und wirtschaftlichen Vorgehensweise verpflichtete Insolvenzverwalter regelmäßig nicht ausreizen (können), da es seine Obliegenheit ist, nach Insolvenzeröffnung umfassend und unverzüglich die Aussichten einer umfassenden Befriedigung der Gläubiger zu prüfen und daher insbesondere auch Anfechtungsansprüche zu ermitteln (vgl. auch hierzu BGH, a.a.O. Rn. 31). Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs befasst sich zwar nicht mit Vergütungsfragen, sondern mit der Haftung des Insolvenzverwalters. Gleichwohl handelt es sich um einen höchstrichterlichen Rechtssatz, der bei der Einstufung als Regel- oder Sonderaufgabe nicht außer Betracht bleiben kann, wenn und soweit über den rein quantitativen Aspekt hinaus die Aufgabe angesichts der Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalls auch in zeitlicher Hinsicht nicht innerhalb eines im Verhältnis zur Größe des Verfahrens angemessenen Zeitrahmens bewältigt werden kann. Je nach Art und Umfang des auszuwertenden Datensatzes kann es geboten sein, die schon aus Kapazitäts- und Kostengründen nur bei Dritten wirtschaftlich vorzuhaltenden Möglichkeiten einer maschinell unterstützten Auswertung zu nutzen, wenngleich allein der mit dem Technikeinsatz verbundene Zeit- und Effizienzgewinn nicht zu der Einstufung als "besondere Aufgabe" i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 InsVV führen kann. Dass angesichts des Standes der technischen Entwicklung die maschinell gestützte der händischen Auswertung in zeitlicher Hinsicht regelmäßig überlegen sein wird, ist trivial und eignet sich schon deshalb nicht als Unterscheidungskriterium. Anderenfalls wäre jede Aufgabe, die mit technischer Unterstützung schneller bewältigt werden kann "automatisch" eine Sonderaufgabe. Es werden also vielmehr Besonderheiten des auszuwertenden Datensatzes hinzutreten müssen, damit das sich aus diesen ergebende Zeitmoment eine Einstufung als Sonderaufgabe zu rechtfertigen vermag.
Unter Berücksichtigung zeitlicher Aspekte erscheint der Kammer die Einstufung der Ermittlung der Anfechtungsfälle als "besondere Aufgabe" in dem hier zur Entscheidung anstehenden Einzelfall ebenfalls als gerechtfertigt; wenngleich der Zeitaspekt sich hier doch im Wesentlichen aus dem quantitativen Aspekt ergibt. Selbst wenn man die Ausführungen des Insolvenzverwalters zu den täglich maximal auswertbaren Volumina mit einer gewissen Zurückhaltung betrachten mag, zeigt sich anhand der benannten Mengen an Material, dass die durch den Bundesgerichtshof geforderte Überprüfung der Kontounterlagen auf Vollständigkeit sowie auf verdächtige, möglicherweise anfechtbare Zahlungen innerhalb eines den Umständen nach angemessenen Zeitraums (Unterstreichung durch die Kammer) ohne die Inanspruchnahme eines technisch entsprechend ausgestatteten und versierten Dienstleisters wohl nicht möglich gewesen wäre.
3. Bei der Insolvenzmasse handelt es sich weitgehend um die vereinnahmten Anfechtungsansprüche, deren Ermittlung nach den obigen Ausführungen hier eine Sonderaufgabe i.S.d. §§ 4, 5 InsVV dargestellt hat. Der Umstand, dass diese von Dritten zu Lasten der Masse ausgeführt wurde, steht den durch den Insolvenzverwalter beantragten und durch das Amtsgericht (teilweise unter Kürzung) bewilligten Zuschlägen grundsätzlich nicht entgegen. Diese Zuschläge wiederum beziehen sich auf die hohe Zahl der Forderungsanmeldungen sowie die Aufbereitung der Buchhaltung. Eine Berücksichtigung der Auswirkungen auf die Berechnungsgrundlage kommt hier nicht in Betracht, weil es sich nicht um masseerhöhende Zuschlagstatbestände handelt.
Dem Zuschlag für die hohe Anzahl von Forderungsanmeldungen begegnen angesichts von über 900 Gläubigern keine Bedenken. Ein Zuschlag für die Aufbereitung der Buchhaltung hingegen erscheint zunächst grundsätzlich zweifelhaft, denn eine unzureichende Buchhaltung begründet regelmäßig keinen Zuschlagstatbestand, weil dies dem normalen Erscheinungsbild fast jedes insolventen Unternehmens entspricht und die Erledigung dieser Aufgabe daher regelmäßig mit der Regelvergütung abgegolten ist; jedenfalls dann, wenn nur kleinere Mängel vorliegen (vgl. BGH, Beschluss vom 23.9.2004 - IX ZB 215/03; Haarmeyer/Mock, 7. Aufl. 2024, InsVV § 3 Rn. 214, beck-online). Ferner ergeben sich hier Überschneidungen mit der als Sonderaufgabe fremdvergebenen Ermittlung der Anfechtungsansprüche, die zu einer Arbeitsersparnis geführt haben und deshalb jedenfalls gegen die Gewährung eines Zuschlags sprechen können.
Gleichwohl ist die Kammer der Ansicht, dass der durch das Amtsgericht bewilligte Zuschlag von 20% auch unter Berücksichtigung der Vergabe als Sonderaufgabe in der Gesamtschau als angemessen erscheint und es deshalb auch unter dieser geänderten Prämisse bei diesem Zuschlag verbleiben kann. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Vergütungsantrag ausgeführt, dass 611 Ordner mit ungeordneten Unterlagen vorhanden waren, die durch sein Büro in fünfmonatiger Arbeit zur Erfüllung steuerlicher Verpflichtungen, zur Ermittlung angegebener Kleinstdebitorenforderungen und für die Anfechtungsermittlung aufbereitet werden mussten. Von "kleineren Mängeln" der Buchführung kann deshalb keine Rede sein; vielmehr geht die Unordnung der Buchhaltung weit über das regelmäßig zu erwartende Maß hinaus und hätte für sich genommen auch einen deutlich höheren Zuschlag rechtfertigen können. Andererseits hat der Insolvenzverwalter - und ihm folgend das Amtsgericht - gleichwohl mit einer moderaten Erhöhung von lediglich 20% ausdrücklich und letztlich auch hinreichend die Synergien berücksichtigt, die sich durch die Fremdvergabe der weiteren Anfechtungsermittlung ergeben haben. Damit ist die Arbeitserleichterung, die sich durch die Fremdvergabe zweifellos ergeben hat, angemessen abgebildet. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des angefochtenen Beschlusses wird ergänzend Bezug genommen.
III.
Eine Kostenentscheidung nach §§ 97 Abs. 1 ZPO, 4 InsO ist nicht veranlasst, da es sich nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt (vgl. Ganter/Bruns in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Auflage 2019, § 6 Rn. 83 m.w.N.).
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind sämtlich höchstrichterlich entschieden; die Kammer hat sich in ständiger Rechtsprechung angeschlossen.