Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 05.02.2025, Az.: 14 U 85/24

Amtshaftung durch Haftungsüberleitung wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aufgrund einer unterlassenen Baustellenbeschilderung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.02.2025
Aktenzeichen
14 U 85/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2025, 11105
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2025:0205.14U85.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 12.04.2024 - AZ: 17 O 59/23

Fundstelle

  • MDR 2025, 861-862

Amtlicher Leitsatz

Eine unterlassene Verkehrsregelung der beauftragten privaten Baufirma, deren Zweck es war, Straßenbauarbeiten abzusichern, die zur Daseinsfürsorge gehören, zieht eine Haftung des verantwortlichen Hoheitsträgers nach sich.

In dem Rechtsstreit
1. B. AG, ...,
2. M. A., ...,
3. M. GmbH, ...,
Beklagte, Berufungskläger, Anschlussberufungsbeklagte,
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
...,
Prozessbevollmächtigte zu 3:
...,
gegen
... Versicherung, ...,
Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigte:
...,
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 13.01.2025 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 1-3 wird das am 12.04.2024 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 17. Zivilkammer des Landgerichts Hannover - 17 O 59/23 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussberufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 11.690,17 €.

Gründe

I.

Die Parteien streiten um Ansprüche hinsichtlich der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht aufgrund einer unterlassenen Baustellenbeschilderung.

Der Versicherungsnehmer der Klägerin ist mit seinem Golf Sports-Van, ..., am 06.04.2021 in den Bereich einer Baustelle auf der E. Straße in H. hinter einer Straßenbahn her stadtauswärts in einen Baustellenbereich gefahren. Aufgrund von Bauarbeiten waren die Gleise ausgekoffert und keine Fahrbahn mehr vorhanden. Das Fahrzeug wurde durch den Unfall beschädigt. Auf der Baustelle, die von der Landeshauptstadt H. in Auftrag gegeben worden war, waren die Beklagte zu 3 für die Tiefbauarbeiten und die Beklagte zu 1 für die Verkehrssicherung beschäftigt. Die Beklagte zu 2 war bauleitend bei der Beklagten zu 1 beschäftigt.

Unstreitig hätte nach der behördlichen Verkehrsplanung auf der E. Str. vor dem Beginn des ausgekofferten Bereiches ein Streckenposten stehen und die sog. SH2 Scheiben, eine Schrankenanlage, bedienen sollen. Der Streckenposten hätte der Straßenbahn die Durchfahrt gewährleisten, aber gleichzeitig die Weiterfahrt der nachfolgenden Fahrzeuge verhindern sollen. Ein solcher Streckenposten bzw. eine Schranke waren zum Zeitpunkt des Unfalls nicht vorhanden.

Die Klägerin regulierte den Kasko-Schaden ihres Versicherungsnehmers in Höhe von 10.970,17 € (Schreiben vom 09.08.2022, Anlagenband, ohne Bezeichnung).

Die Klägerin ist der Ansicht, eine mangelhafte Beschilderung der Baustelle sei Ursache des Unfalls gewesen. Der Verkehrsführungsplan sei nicht eingehalten worden. Aus Gründen prozessualer Vorsicht werde lediglich 3/4 der angefallenen Reparaturkosten geltend gemacht.

Die Beklagten zu 1 und 2 nehmen die Passivlegitimation in Abrede, weil sie im Auftrag eines öffentlichen Hoheitsträgers tätig geworden seien. Die Absicherung sei entsprechend der Anlage 1 vorgenommen worden. Im Bereich der Baustelle habe Tempo 30 geherrscht. Das Zeichen 222 sei nicht im Plan vorgesehen gewesen.

Zwei Mitarbeiter der Firma P., die die Beklagte zu 1 beauftragt hätten, seien von 03:30 Uhr bis 07:00 Uhr vor Ort gewesen. Danach hätte die Abrede bestanden, dass die Beklagte zu 3 durch ihre Bauarbeiter die Absicherung vornehme.

Die Beklagte zu 3 ist der Ansicht, ihr sei keine Verletzungshandlung vorzuwerfen. Sie sei lediglich mit dem Tiefbau beauftragt worden, Mängel bei der Absicherung seien nicht ihr anzulasten. Im Übrigen erhebe sie den Mitverschuldenseinwand.

Mit am 12.04.2024 verkündeten Urteil, auf das gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO hinsichtlich der weiteren tatsächlichen Feststellungen, des Vorbringens der Parteien im Einzelnen und der erstinstanzlichen Anträge Bezug genommen wird, hat das Landgericht nach Beweiserhebung durch Zeugenvernehmung der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagten hafteten als Gesamtschuldner. Die Beklagte zu 1 sei die tatsächlich beauftragte Verkehrssicherungspflichtige gewesen. Es sei aber auch die Aufgabe der Beklagten zu 2 gewesen, die Umsetzung des Planes und die Absprachen (Schranke für die Straßenbahn, Ablösung durch die Bauarbeiter der Beklagten zu 3) zu überwachen. Die Beklagte zu 3 habe die Baustelle betrieben. Die Mitarbeiter der Beklagten zu 3 hätten sich sogar entgegen der Absprache nicht zuständig gefühlt. Die Lücke in der Baustellenabsicherung sei sowohl für die Beklagte zu 3 als auch für die Beklagte zu 1 offensichtlich gewesen.

Gegen das Urteil wenden sich sowohl die Beklagten als auch die Klägerin im Rahmen einer Anschlussberufung.

Die Beklagten rügen, das Landgericht habe keinerlei Eigenverschulden des Versicherungsnehmers oder die Betriebsgefahr seines Fahrzeuges berücksichtigt und damit auch (konsequent) die Grundsätze des Quotenvorrechts unberücksichtigt gelassen.

Das Gericht habe die - nach Straßenverkehrsordnung vorgegebene - Regelungssituation unberücksichtigt gelassen, keiner rechtlichen Würdigung unterzogen und damit schon unvollständig und fehlerhaft die Sach- und Rechtslage dem Urteil zugrunde gelegt. Die zur Kennzeichnung von Arbeitsstellen aufgestellten Baken verböten gerade das Befahren der durch sie abgegrenzten Straßenfläche und leiteten den Verkehr an dieser Fläche vorbei (vgl. Spalte 3 zu lfd. Nr. 1-7 der Anlage 4 zu § 43 Abs. 3 StVO).

Die Beklagte zu 3 meint, sie habe keine Verkehrssicherungspflicht innegehabt.

Die Beklagten zu 1 und 2 behaupten, sie hätten im Vorfeld keine Anhaltspunkte gehabt, davon auszugehen, dass entgegen den getroffenen Absprachen in der Baubesprechung eine Übernahme der Verkehrssicherung durch die Beklagte zu 3 vollkommen unterbleiben würde. Hätten die Beklagten zu 1 und 2 allzeit vor Ort sein müssen, um selbst zu überprüfen, ob die Beklagte zu 3 den Absprachen nachkomme, dann überspanne dies die an sie zu stellenden Anforderungen.

Die Auftraggeberin habe sich bewusst entschieden, die Verkehrssicherung und die Bauarbeiten getrennt auszuschreiben und zu vergeben.

Die Beklagte zu 1-3 beantragen,

das Urteil des Landgerichts Hannovers zum Aktenzeichen 17 O 59/23 abzuändern und die Klage gegen die Beklagten abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt weiter im Rahmen der Anschlussberufung,

über die bereits ausgeurteilten 8.092,63 € nebst Zinsen hinausgehend an die Klägerin als Gesamtschuldner weitere 2.697,54 € zu zahlen, ebenfalls zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 % Punkten über dem Basiszins seit dem 20.08.2022.

Die Beklagten zu 1-3 beantragen,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den vorgetragenen Inhalt der zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. Januar 2025.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingereichte Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anschlussberufung hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB, § 86 Abs. 1 VVG gegen die Beklagten. Denn es hat eine Haftungsüberleitung der - unterstellten - Haftung der Beklagten auf die Landeshauptstadt H. als öffentlich-rechtliche Auftraggeberin stattgefunden, die die Beklagten enthaftet.

a) Die Beklagten sind als Verwaltungshelfer in Ausübung eines ihnen anvertrauten öffentlichen Amtes tätig geworden wäre. Damit ist eine Überleitung der - hier behaupteten - Haftung der Beklagten auf die beauftragende öffentlich-rechtliche Körperschaft erfolgt.

Gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG tritt - im Wege der befreienden Haftungsübernahme - die jeweilige Anstellungskörperschaft als Anspruchsgegnerin des Geschädigten an die Stelle dessen, der in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes gehandelt hat. In diesem Falle scheidet eine persönliche Haftung des Amtsträgers gegenüber dem Geschädigten aus (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 9; Urteil vom 9.10.2014 - III ZR 68/14, Rn. 8; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2017 - 7 U 97/16, Rn. 9; OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 - I-11 U 77/21, Rn. 7, alle juris).

Ob sich das Handeln einer Person als Ausübung eines ihr anvertrauten öffentlichen Amtes darstellt, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn der Betreffende tätig wird, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist und ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls als noch dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss. Dabei ist nicht auf die Person des Handelnden, sondern auf seine Funktion, das heißt auf die Aufgabe, deren Wahrnehmung die im konkreten Fall ausgeübte Tätigkeit dient, abzustellen (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 11, juris). Hiernach können auch Mitarbeiter eines privaten Unternehmens Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne sein. Dies kommt neben den Fällen der Beleihung eines Privatunternehmens mit hoheitlichen Aufgaben auch dann in Betracht, wenn Private als Verwaltungshelfer bei der Erledigung hoheitlicher Aufgaben tätig werden. Dafür ist erforderlich, dass ein innerer Zusammenhang und eine engere Beziehung zwischen der Betätigung des Privaten und der hoheitlichen Aufgabe besteht, wobei die öffentliche Hand in so weitgehendem Maße auf die Durchführung der Arbeiten Einfluss nimmt, dass der Private gleichsam als bloßes "Werkzeug" oder "Erfüllungsgehilfe" des Hoheitsträgers handelt und dieser die Tätigkeit des Privaten deshalb wie eine eigene gegen sich gelten lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, Rn. 24 mwN, juris).

Es ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, der ein "bewegliches Beurteilungsraster" zugrunde liegt: Je stärker der hoheitliche Charakter der Aufgabe in den Vordergrund tritt, je enger die Verbindung zwischen der übertragenen Tätigkeit und der von der öffentlichen Hand zu erfüllenden hoheitlichen Aufgabe und je begrenzter der Entscheidungsspielraum des Privaten ist, desto näher liegt es, ihn als Beamten im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, Rn. 25, juris).

Jedenfalls im Bereich der Eingriffsverwaltung kann sich die öffentliche Hand der Amtshaftung für fehlerhaftes Verhalten ihrer Bediensteten grundsätzlich nicht dadurch entziehen, dass sie die Durchführung einer Maßnahme durch privatrechtlichen Vertrag auf einen privaten Unternehmer überträgt (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 12; Urteil vom 06.06.2019 - III ZR 124/18, Rn. 18; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2017 - 7 U 97/16, Rn. 10; OLG Hamm, Urteil vom 29.07.2015 - 11 U 32/14, Rn. 15; OLG Hamm, Urteil vom 30.03.2011 - 11 U 221/10, Rn. 19 ff. mwN; OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 - I-11 U 77/21, Rn. 8, alle zitiert nach juris).

Eine solche Eingriffsverwaltung liegt bei der Verkehrsregelung mittels Verkehrszeichen (§ 45 StVO) vor und ist insoweit eine hoheitliche Aufgabe (BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - III ZR 124/18, Rn. 13 mwN). Es handelt sich - jedenfalls bei verkehrsbeschränkenden Verkehrsregelungen und -zeichen - um Maßnahmen der Eingriffsverwaltung, da die durch sie angeordneten Ge- und Verbote Verhaltensbefehle sind, die für die Verkehrsteilnehmer bindend sind (BGH, aaO mwN). Die entsprechende Anordnung obliegt den Straßenverkehrsbehörden (§ 45 Abs. 3 StVO) bzw., wenn sie zur Durchführung von Straßenbauarbeiten erfolgt, den Straßenbaubehörden (§ 45 Abs. 2 S. 1 und 4 StVO).

Auch die tatsächliche Umsetzung der Verkehrsregelung durch die Anbringung der Verkehrszeichen stellt eine hoheitliche Aufgabe dar (BGH, Urteil vom 11. Januar 2024 - III ZR 15/23, Rn. 17, juris). Gleiches gilt für das Unterlassen eines rechtlich gebotenen hoheitlichen Handelns.

b) Überträgt man die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beurteilungskriterien auf den Streitfall, waren die Mitarbeiter der Beklagten 1 und 3 sowie die Beklagte zu 2 (Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne können immer nur natürliche Personen sein, vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2006 - III ZR 131/05, Rn. 7, juris), bei Ausführung der von der Landeshauptstadt H. übertragenen Maßnahmen und Sperrungen, Verwaltungshelfer in dem oben beschriebenen Sinne (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30. März 2011 - 11 U 221/10, Rn. 21, juris).

Die Beklagten wurden im Rahmen einer öffentlich-rechtlicher Aufgabenerledigung der Landeshauptstadt H. eingesetzt. Die Bauarbeiten, welche die von den Beklagten auszuführenden Regelungen und Sicherungen des Straßenverkehrs erforderlich machten, wurden von der Landeshauptstadt H. als Träger der Straßenbaulast gemäß §§ 9, 47, 48 NStrR veranlasst. Zu deren Durchführung hatte die Stadt als Straßenbaubehörde unter dem 18.03.2021 eine straßenverkehrsbehördliche Anordnung im Sinne des § 45 Abs. 2 StVO erlassen, mit welcher die durch die Bauarbeiten notwendigen Verkehrsbeschränkungen und Umleitungen geregelt wurden. Der Zweck der Verkehrsregelung war, Straßenbauarbeiten abzusichern, die zur Daseinsfürsorge und damit zu einer öffentlichen Aufgabe gehören (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 29. Juli 2015 - I-11 U 32/14, Rn. 16, juris).

Die Beklagten hatten die genauen verkehrsbehördlichen Anordnungen gem. § 45 Abs. 2 StVO umzusetzen, die die Straßenverkehrsbehörde - Fachbereich Tiefbau - zuvor getroffen hatte. In der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung hatte diese detailliert die Verkehrsführung, die Absperrung, die Beleuchtung und die Beschilderung festgelegt und sich dabei auf die beigefügten Pläne der Beklagten zu 1 bezogen (Anordnung vom 18.03.2021, Anlage K7). Explizit wurde für den streitgegenständlichen Bereich festgelegt: "E. Str im Bereich F. Str und S.weg befahrbar für Stadtbahn, MIV/Sperrschranke wird per Posten bedient." Es sollte einen Streckenposten geben, der am Beginn des ausgekofferten Gleisbettes steht und die sog. SH2 Scheiben, eine Schrankenanlage, bedienen sollte und somit die Durchfahrt der Straßenbahn gewährleisten, aber gleichzeitig die Weiterfahrt der nachfolgenden Fahrzeuge verhindern sollte. Auch die übrige Beschilderung war detailliert vorgegeben (auf die Anordnung und den dazu gehörenden Verkehrszeichenplan wird Bezug genommen, Anlagenband Klägerin). Unabhängig davon, dass die Beklagte zu 1 den Ausführungsplan erarbeitet haben mag, hat sich diesen jedenfalls die Stadt zu eigen gemacht und angeordnet, so dass mit der behördlichen Anordnung keinerlei eigener relevanter Ausführungsspielraum in Bezug auf die Beschilderung für die Beklagten - unabhängig von ihrer jeweiligen Funktion in Bezug auf die Baustelle - bestand. Die Beklagten hatten keine Entscheidungskompetenz, wie sie den Verkehr regeln und wann die Schranke geöffnet werden soll. Es sollten die genau vorgegebenen behördlichen Anordnungen umgesetzt werden. Die Beklagten haben es sodann unterlassen, die angeordneten hoheitlichen Maßnahmen zur Gefahrenabwehr umzusetzen.

Dieses Unterlassen war auch kausal für den Unfall des Versicherungsnehmers der Klägerin. Dieser konnte nur deswegen in den ausgekofferten Bereich fahren, weil - entgegen der behördlichen Anweisung - die o.g. Schranke mit Streckenposten fehlte, was zu dem Unfall mit den behaupteten Beschädigungen geführt hat.

c) Anders mögen die Fälle zu beurteilen sein, in denen eine Baustellenabsicherung ausschließlich den Interessen eines privaten Auftraggebers dient (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 6. April 2022 - I-11 U 77/21, juris, Verneinung der Verwaltungshelfereigenschaft bei Beschilderung zum Zweck der Absicherung privat veranlasster Fassadenarbeiten; vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 01. Dezember 2017 - 7 U 97/16, juris, Aufstellen mobiler Halteverbotsschilder zum Zwecke der Ermöglichung privater Umzugstätigkeiten).

Auch dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall vom 13. April 2023 lag ein anderer Sachverhalt zugrunde. Im dortigen Fall, in dem bei Arbeiten eines privaten Unternehmers ein Erdkabel beschädigt wurde, dienten die Arbeiten zwar der Daseinsvorsorge, der hoheitliche Charakter stand aber nicht im Vordergrund und das Unternehmen verfügte über einen relevanten eigenen Ausführungsspielraum (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2023 - III ZR 215/21, juris).

Die hiesigen Beklagten hatten indes keinen eigenen Ausführungsspielraum bei der - hier unterlassenen - Aufstellung von Verkehrszeichen. Soweit die Klägerin meint, aus dem Leistungsverzeichnis ergebe sich, dass den Beklagten eigene Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume zugestanden hätten, mag dies in Bezug auf die Bauarbeiten der Fall gewesen sein. In Bezug auf die schadensursächlich gewordene Unterlassung der Umsetzung der verkehrsbehördlichen Anordnungen gab es keine eigenen Gestaltungsspielräume. Es kann insoweit dahinstehen, welche konkreten internen Absprachen zwischen den Beklagten zu 1, 2 und 3 vorlagen und wer von diesen die Schrankenanlage hätte bedienen müssen.

Ebenso dahinstehen kann, ob der von den Beklagten erhobene Mitverschuldenseinwand durchgreift. Auf diesen - ebenso wie das Quotenvorrecht - kommt es aufgrund der jedenfalls fehlenden Passivlegitimation nicht an.

2. Die Anschlussberufung ist form- und fristgerecht eingelegt gem. § 524 Abs. 1, 2, 3 ZPO und auch ansonsten zulässig. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine Erweiterung des Klageantrages gem. § 264 Nr. 2 ZPO auch noch in der Berufungsinstanz im Rahmen einer Anschlussberufung zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 2015 - VII ZR 145/12, Rn. 28, juris). Die Anschlussberufung hat aus den oben aufgeführten Gründen keinen Erfolg.

Mangels Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und der Senat nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes oder eines anderen Oberlandesgerichts abweicht, so dass auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 ZPO.

V.

Die Festsetzung des Streitwertes für das Berufungsverfahren beruht auf § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG.